Schade ist, dass es der Immobilien- und Bauwirtschaft gelungen ist, Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften vor den Karren zu spannen. Aus vielen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen, insbesondere denen, die im Alltag Sozial- und Mietenberatung machen, sich in ihrem Wohnumfeld gegen Verdrängung und steigende Mieten engagieren, weiß ich, dass sie die Entscheidung einiger Funktionäre zur Beteiligung an diesem Bündnis nicht gut finden. Viele Kolleginnen und Kollegen aus den Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden, auch mit sozialdemokratischem Parteibuch, wissen: Die Immobilienwirtschaft unterstützt eine solche Kampagne in der Regel nicht aus Selbstlosigkeit.
Sie verspricht sich private Gewinne, und zwar mit der Landnahme öffentlicher Flächen in der Berliner Innenstadt. Da ist doch dann schon ein wenig mehr Vorsicht angebracht. Schließlich ist das Tempelhofer Feld einer der interessantesten Stadträume, die Berlin zu bieten hat. Das ist zu 100 Prozent öffentliches Tafelsilber. Und weil diese Koalition so zweideutig ist in ihrem Gesetzestext, bleibt und ist es notwendig, jetzt ein Stoppzeichen zu setzen,
ein Stoppzeichen, bevor wieder Tafelsilber verscherbelt wird, Flächen privatisiert und Wohnungen gebaut werden, die am Ende einfach nur eins sind: für die meisten Berlinerinnen und Berliner viel zu teuer. Anders als Herr Müller sagt, schließt der Text von SPD und CDU eben auch nicht aus, dass am Columbiadamm gebaut wird. Das ist ja kein Versehen, wir haben hier darüber gesprochen. Das heißt also, Ihnen ist die Geschichte des Ortes egal, und Sie lassen sich alles offen, sonst hätten Sie doch reingeschrieben, dass dort nur eine Gedenkstätte hin soll und nichts anderes.
Wir, die Linksfraktion und die anderen Oppositionsfraktionen, hatten Ihnen ein Verhandlungsangebot gemacht für eine bürgernahe, soziale Gestaltung des Tempelhofer Feldes als öffentlichem Natur- und Stadtraum. Sie von SPD und CDU wollten das nicht. Sie wollten die Privatisierung nicht ausschließen, Sie wollten Ihre Pläne nicht mit den Anwohnern der Stadtgesellschaft diskutieren, Sie wollten die Bedingungen für wirklichen kommunalen, bezahlbaren Wohnungsbau nicht festschreiben. Daran sind die Verhandlungen gescheitert!
Ihr einziges ernst zu nehmendes Argument, das Sie hier immer wieder wie ein Mantra vortragen, hält der genaueren Prüfung nicht stand. Zudem hat auch Herr Müller endlich zugegeben, dass das Gesetz der Initiative „100 Prozent Tempelhof“ nicht jede Entwicklung und für immer ausschließt. Das zumindest hat der BUND über seinen Faktencheck noch erreichen können. Deshalb empfehlen wir den Berlinerinnen und Berlinern, am nächsten Sonntag für das Gesetz von „100 Prozent Tempelhof“ zu stimmen und gegen das Gesetz von SPD und CDU, das Sie hier im Abgeordnetenhaus beschlossen haben. Wer beim Volksentscheid zweimal mit Nein stimmt, läuft Gefahr, dass der Senat am Ende machen kann, was er will. Das wollen wir nicht. Das kann auch der Mieterverein nicht wollen, deshalb Ja zum Volksgesetz, Nein zum SPD-CDU-Gesetz aus dem Abgeordnetenhaus.
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Sie haben am Sonntag die Möglichkeit, uns zu sagen, was Sie wollen.
Sie können entscheiden zwischen einem freien Tempelhofer Feld und einem weiteren Großprojekt der Stadt Berlin. Sie können sich beteiligen in einem Bereich, in dem normalerweise keine Beteiligung existiert, in einem Bereich, der strengstens unter der Ägide des Senators Müller gehalten wird. Sie haben die Möglichkeit, weil engagierte Berlinerinnen und Berliner sich den stadtentwicklungspolitischen Irrsinn des Senats nicht mehr zumuten wollten und die Notbremse gezogen haben. An dieser Stelle Danke schön den Initiatorinnen und Initiatoren des Volksentscheids und den vielen Tausend Menschen, die für ihre Mitbestimmungsrechte kämpfen!
Sie, die Berlinerinnen und Berliner, können am Sonntag sagen: Wer nicht hören will, der muss fühlen!
Denn dass es so weit kommen musste, liegt daran, dass der Senat und die Koalition nicht hören wollten und nicht zuhören können, wenn es um die Wünsche der Menschen in dieser Stadt geht. Dabei haben die Menschen in der Stadt ganz klar gesagt, was sie mit und auf dem Tempelhofer Feld wollen. Ein paar Beispiele: Der eine könnte sich einen Kinderbauernhof vorstellen, Festivals und Konzerte auf dem Tempelhofer Feld möchten andere.
Manche bieten sogar ihre ehrenamtliche Mitarbeit an, um auf dem Tempelhofer Feld Projekte mit Jugendlichen zu organisieren und Soziales zu leisten. Das können Sie nicht nur im Kampagnenvideo der Piratenpartei Berlin nachsehen, das wurde Ihnen, Herr Müller, und auch der Koalition in vielen Diskussionen und Anhörungen schon gesagt und unterbreitet.
Das Problem ist, Sie haben nicht zugehört. Jetzt müssen Sie fühlen. Die Menschen der Stadt haben Ihnen sogar
gezeigt, was sie wollen, indem sie sich das Tempelhofer Feld zu eigen gemacht haben. Da entstehen Sport- und Freizeitangebote von ganz allein. Selbstverwaltete Gärten und Jugendprojekte finden Platz, sogar kleinere Unternehmen nutzend das Feld erfolgreich. Das haben die Berlinerinnen und Berliner allein gemacht. Sie haben gezeigt, wem das Feld gehört: Es gehört nämlich den Menschen und nicht dem Senat, und auch nicht Ihnen, Herr Saleh, und auch nicht Ihnen, Herr Graf!
Am Sonntag wird sich zeigen, da bin ich ganz zuversichtlich, dann haben Sie das nämlich auch schriftlich, dass die Menschen Ihnen das auch sagen. Sie haben nicht zugehört und wollen auch nicht hören. Stur kaut die Koalition die Halb- und Unwahrheiten über das Volksgesetz „100 Prozent Tempelhofer Feld“ wieder.
Es sollte keine Parkbänke geben, keine Bäume sollen gepflanzt werden, es sollten keine Radwege geben dürfen. – Und der neueste Clou des Kollegen Saleh – ich weiß nicht, wer es gelesen hat –: Nicht einmal Sonnenschirme sollten nach dem Gesetz erlaubt sein.
Das ist Quatsch. Das zeigt nur eins: Sie hören nicht nur nicht zu, liebe SPD, sondern Sie können offensichtlich auch nicht lesen.
Stattdessen machen Sie aus dem Kampf um den Erhalt des Tempelhofer Felds eine Wohnungsbaudebatte, die an Polemik und Falschinformationen kaum noch zu überbieten ist.
Sie instrumentalisieren die Angst der Berlinerinnen und Berliner vor der Mietenexplosion, für die Sie, nebenbei gesagt, selbst verantwortlich sind. Sie instrumentalisieren diese Angst, um Ihren Masterplan oder Derivate davon durchzubekommen. Da wird behauptet, nur die Bebauung des Feldes könnte die drohende Wohnungskatastrophe in der Stadt verhindern, als ob Ihnen nicht Initiativen, Verbände, Stadt- und Regionalplaner seit Jahren vorrechneten, wo in der Stadt überall gebaut werden kann und als würde in der Stadt nicht überall gebaut werden.
Sie hören nicht zu, es sei denn, es geht ums Geld. Statt weiter die berechtigten Anliegen der Menschen zum Tempelhofer Feld mit Märchen vom sozialen Wohnungsbau am Rand zu beleidigen, sollten Sie einmal anfangen, den Verkauf von Wohnungen aus dem Bestand des Landes zu stoppen und auch die Vermietung von Ferien
Ihre 850 Wohnungen zwischen 6 und 8 Euro pro Quadratmeter zu preisen – – Die können Sie sich in die Haare schmieren, wenn Sie gleichzeitig in den nächsten Jahren 6 000 Wohnungen in der Stadt verkaufen wollen. Das bringt gar nichts. Die Absichtserklärung ist im Übrigen nur eine Sache, denn im Jahr 2012 haben Sie mehr Wohnungen verkauft, als Sie nun im sozialen Bereich bauen wollen.
Bei Ihren Plänen wird klar: Ihnen fällt nichts ein. Senat und Koalition machen einfach mit den Fehlern der Vergangenheit weiter. Sie verscherbeln die Sahnestücke der Stadt an Investoren und freuen sich dann darüber, dass diese Ihnen auf die Schulter klopfen und sagen: Das wird alles schon irgendwie sozialverträglich sein.
Genau diese Politik hat uns erst in die Mietenmisere geführt. Lassen Sie das Tempelhofer Feld da gefälligst raus!
sondern um den Erhalt des Feldes. Deswegen haben wir das auf der Tagesordnung. Deswegen haben wir diese Abstimmung. Auch das ignorieren Sie, Herr Müller. Da hören Sie auch nicht zu.
Und die Märchen gehen weiter: Herr Salah hat auch schon gesagt – Herr Graf sagte etwas ganz Ähnliches –, das Feld bleibe frei. Respekt vor der unvergleichlichen Weite! – Was passieren wird, wenn Sie Ihre Pläne umsetzen, ist Folgendes: 40 Prozent des Feldes werden auf die eine oder andere Art bebaut. Die Weite, die Sie so respektieren, wird umschlossen von fünf- bis zehngeschossigen Gebäuden und einzelnen Hochhäusern. Wer es sich leisten kann, dort zu wohnen, wird sicher einen schönen und unvergleichlich weiten Blick auf das Feld haben.