Protokoll der Sitzung vom 03.07.2014

[Beifall bei der SPD – Lars Oberg (SPD): Der weiß schon alles, der braucht keine Fragen zu stellen!]

Wenn man schon alles besser weiß, dann muss man vielleicht nicht unbedingt Fragen stellen. – Wer sich von vornherein selbst aus dem Spiel nimmt, der darf sich dann übrigens auch nicht beschweren – das hört man ja auch gerne, gerade aus Ihrer Fraktion –, dass sportliche Großereignisse immer häufiger dahin vergeben werden, wo sie dann auch durchgeführt werden, wo aber mit Sicherheit Nachhaltigkeit und Beteiligungsorientierung keinerlei Rolle spielen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Letztlich habe ich noch eine Bitte: Wir können das Thema Olympische Spiele hier diskutieren,

[Uwe Doering (LINKE): Wann denn?]

aber hören Sie bitte auf, Olympia 2024 oder 2028 zu nutzen, um die Stadt Berlin schlechtzureden!

[Oh! bei der LINKEN]

Das glaubt Ihnen in einer Stadt, in die jährlich 50 000 neue Bewohnerinnen und Bewohner einziehen

[Zurufe von der LINKEN und den PIRATEN]

und die Millionen und aber Millionen Besucherinnen und Besucher gern kommen und gern wiederkommen, ohnehin niemand.

Insofern danke ich für die Aufmerksamkeit und erlaube mir zum Abschluss noch eine Bemerkung: Gleich nach mir wird der Kollege Martin Beck reden. Das ist seine letzte Rede in diesem Parlament. Als sportpolitischer Sprecher sage ich: Mir hat die Zusammenarbeit mit Ihnen großen Spaß gemacht. Das war von Sachverstand und Kollegialität geprägt. Ich wünsche Ihnen sicherlich auch im Namen der Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus alles Gute für den weiteren politischen und Lebensweg.

[Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Danke schön! – Dem schließt sich das Präsidium natürlich an, Kollege Beck, aber Sie sind noch nicht dran, weil der Kollege Zillich noch um eine Kurzintervention gebeten hat. – Bitte schön, Herr Zillich!

[Zurufe von der SPD und der CDU]

Entschuldigung, lieber Kollege Beck! Aber das muss jetzt sein. Ich habe es mit Zwischenfragen versucht, aber mit der Antwort war es nichts. Zunächst aber erst mal vorweg: Also wenn Sie was gelernt haben, aus Tempelhof und vielem anderen, dann, dass die Landowsky-Nummer mit dem Antiberliner nicht funktioniert.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Das sollten Sie wirklich gelernt haben.

Zum Zweiten beantworten Sie mir doch bitte die Frage – Sie hatten es versprochen, doch nicht gemacht –: Sind Sie der Auffassung, dass Berlin als Ausrichterstadt einen Knebelvertrag mit dem IOC unterzeichnen sollte, der Steuerfreiheit, Zollfreiheit und Übernahme sämtlicher finanziellen Risiken durch die Stadt beinhaltet? Sind Sie der Auffassung, dass Berlin einen solchen Knebelvertrag unterzeichnen sollte, oder sind Sie nicht vielleicht eher der Auffassung, dass Berlin von Anfang an erklären sollte, dass es einen solchen Vertrag nicht unterzeichnen wird?

[Beifall bei der LINKEN]

Herr Kollege Buchner! Sie haben die Möglichkeit zu antworten. Ich sehe, Sie machen davon Gebrauch. – Bitte schön!

Herr Präsident! Herr Kollege! Ich könnte an dieser Stelle eine sportfachliche Antwort versuchen. Die Definition des Wortes „Knebelvertrag“ ist an der Stelle schon schwierig.

[Steffen Zillich (LINKE): Es sind keine – okay!]

Ich bin der Auffassung, dass wir uns die Vertragsgestaltung mit dem IOC sehr genau ansehen müssen und auch wollen. Das habe ich versucht, in der Rede unter dem Punkt Transparenz auch deutlich zu machen. Es muss

aber auch gesagt sein, dass wegen Punkten wie z. B. der von Ihnen angesprochenen Steuerfreiheit, die ja nicht nur das Internationale Olympische Komitee, sondern auch beispielsweise die FIFA und die UEFA für sich in Anspruch nehmen,

[Steffen Zillich (LINKE): Richtig!]

es wahrscheinlich nicht möglich sein wird, noch mal internationale Großsportereignisse zu bekommen, bei denen man keine Steuerfreiheit zugesteht. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu, weil dieser Punkt von so gut wie jedem anderen Staat Europas und weltweit zugesichert wird.

[Steffen Zillich (LINKE): Also Erstens es sind keine Knebelverträge und zweitens: Nein!]

Danke schön! – Jetzt erteile ich aber dem Kollegen Beck für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Letzte Woche habe ich mit Freunden aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gesprochen. Beim Thema Olympiabewerbung Berlins haben sie spöttisch gelacht. Nach all den Berichten über gescheiterte Infrastrukturvorhaben in der Hauptstadt erschien es ihnen absurd, dass Berlin in naher Zukunft ein solches Großereignis stemmen könnte. Natürlich bin auch ich skeptisch bei einem Senat, der nicht einmal Wohnungsbau, Flughafen und Landesbibliothek gebacken bekommt. Wie sollen wir mit einem undemokratischen und intransparenten IOC vernünftige Ergebnisse erzielen, wie die Berlinerinnen und Berliner überzeugen, Spiele mitzuveranstalten?

Es gibt bisher kein vertrauenerweckendes, mitreißendes Konzept. Es gibt keine aussagekräftigen Studien, geschweige denn einen Finanzierungsplan. Und das bei der hohen Verschuldung der Stadt! Die Verwaltung konnte bisher keine Ideen entwickeln, wie gemeinschaftlich mit den verschiedenen Interessengruppen der Stadt ein Diskussionsprozess initiiert werden könnte. Viele Berlinerinnen und Berliner fragen nicht zu Unrecht: Haben wir nicht schwerwiegendere Probleme zu bewältigen?

Trotz meiner vielfältigen Zweifel und meiner Erfahrung mit der Bewerbung für das Jahr 2000 sollten wir gründlich prüfen, ob es nicht auch für Bündnisgrüne akzeptable Olympische Spiele geben könnte. Wir sollten die Generation der heute Vierzig- bis Fünfzigjährigen fragen, ob sie bereit wären, die Verantwortung für das notwendige Management zu übernehmen. Es ist nach meiner Einschätzung die einmalige Chance, im Sportbereich zukünftig Berlin und Olympia nicht immer mit dem Jahr 1936

zu verbinden, sondern uns als weltoffene, demokratische und gebildete Stadt zu präsentieren.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen, der SPD und der CDU – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Viele Aspekte der Olympiabewerbung sind in den letzten Wochen medial abgehandelt worden. Da es sich um meine Abschiedsrede als Abgeordneter handelt, möchte ich Ihnen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, gerne noch einige Gedanken aus den Politikfeldern mit auf den Weg geben, in denen ich in den letzten drei Jahren in diesem Haus gearbeitet habe.

Mein politischer Antrieb ist bis heute der Wunsch nach Verbesserung der Chancen zur gleichberechtigten Teilhabe in unserer Gesellschaft für benachteiligte und einkommensschwache Menschen geblieben. Was hätten sie von Olympia und den Paralympics in Berlin? Würde die Olympische Stadt anschließend mit sozialen Mieten zur Verfügung stehen? Haben langzeitarbeitslose Berlinerinnen und Berliner Aussichten auf neue Arbeitsverhältnisse, weil sie mithelfen können, die Infrastruktur für die Spiele herzustellen? Könnte man Olympia mit einem neuen öffentlichen Beschäftigungssektor verknüpfen, der nach den Spielen für andere Aufgabenbereiche genutzt werden kann? Ist es realistisch, die Bundesagentur für Arbeit zu überzeugen, ihre sture Arbeitsmarktorientierung aufzugeben und politisch strukturelle Verbesserungen mit anzustreben?

Ich vermute, viele Empfängerinnen und Empfänger von Sozialleistungen würden lieber ihre finanziellen Ansprüche erhöht sehen, als sich mit einer drohenden Geldverschwendung zu identifizieren. Bei den zu erwartenden Eintrittspreisen für die Sportstätten wäre es ihnen ohnehin verwehrt, im Stadion mitzujubeln. Vor dem Fernseher wäre es mir auch egal, ob die Spiele aus Australien oder Berlin übertragen werden. Wie soll ich einem Kind aus einem armen Elternhaus klarmachen, dass es nicht ins Stadion kann, sein Freund aus einkommensstarken Verhältnissen aber schon? Olympia wäre ganz schnell ein Fest für „die da oben“.

Toll wäre es, wenn die Stadt durch die Paralympics barrierefreier werden würde. Nicht nur die Stadien, sondern auch die öffentlichen Verkehrsmittel könnten für behinderte Menschen zugänglicher werden. Paralympics könnten nachhaltige Verbesserungen mit sich bringen und – ähnlich, wie es in London der Fall war – viele Menschen für die Schwierigkeiten in einem Leben mit Beeinträchtigungen sensibilisieren. Die Inklusion könnte mental und baulich einen großen Schritt vorankommen.

Ich freue mich, dass ich im letzten Jahr als Vorsitzender den Ausschuss für Bürgerschaftliches Engagement mit auf den parlamentarischen Weg bringen konnte. Der Sport ist der Bereich mit den meisten ehrenamtlich Engagierten in der Stadt. Ich vermute, es dürfte nicht allzu

schwer sein, bei vielen eine Mitwirkungseuphorie zu erzeugen. Deren Anteil an Olympia deutlich hervorzuheben, böte die Möglichkeit, auch die freiwillige Arbeit vieler anderer, die sich fern öffentlicher Aufmerksamkeit regelmäßig um einsame, kranke und schwache Menschen in unserer Stadt kümmern, mit in den Fokus zu stellen.

Als Sportpolitiker wäre es sicherlich etwas ungewöhnlich, wenn mich der olympische Geist nicht umwehte und die Vorstellung, die ganze Welt als Gastgeber zu empfangen, nicht mit freudigen Fantasien erfüllte. Die Frage ist aber: Stehen Aufwand und Nutzen in einem adäquaten Verhältnis zueinander?

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Was bleibt von einem rauschhaften Fest? Wer trägt die Kosten für die zu errichtenden Sportbauten? Werden Sie so gebaut, dass sie nach Olympia effektiv genutzt werden könnten? Sind unsere Freizeitsportlerinnen und -sportler willens, jahrelange Beeinträchtigungen ihrer gewohnten Aktivitäten durch Baumaßnahmen in Kauf zu nehmen? Ein böser Kater sollte vorher ausgeschlossen werden! Es wäre schon hilfreich, wenn der Senat aktuell positive Zeichen setzen könnte, indem er erforderliche Sanierungen von Schulsporthallen, Olympiapark und Bädern vorantreiben würde.

Im Hinblick auf die Bewerbung Berlins habe ich einige Chancen und Risiken skizziert. Eine ernsthafte öffentliche Debatte steht noch aus, übrigens auch in Brandenburg als potenziellen Mitveranstalter. Einigkeit im Parlament scheint zumindest darüber zu bestehen, dass die Berlinerinnen und Berliner an der Entscheidung beteiligt werden sollen. Wir Bündnisgrüne wollen kein Scheinreferendum, sondern offene Foren, in denen mitdiskutiert und mitgestaltet werden kann. Sollte der Senat dies verweigern, ist das frühzeitige Scheitern all seiner Olympiaträume vorbereitet.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Ich hatte das Glück, fast drei Jahre lang der fachlich versiertesten und fleißigsten Fraktion in diesem Hause angehören zu dürfen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Unruhe – Christopher Lauer (PIRATEN): Sie waren doch gar nicht bei uns!]

Heute heißt es für mich, Abschied zu nehmen. Ich werde zukünftig bei einem gemeinnützigen Träger weiter daran mitarbeiten, vielen Menschen ein besseres Leben in Berlin zu ermöglichen. – Ich bedanke mich für die meistens gute Zusammenarbeit, weiß jetzt, wie das Spiel zwischen Regierung und Opposition auf Landesebene praktisch funktioniert und freue mich auf die Kooperation mit

Ihnen in neuen Arbeitszusammenhängen. – Auf Wiedersehen!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD, der CDU, der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Beck! Ich darf Ihnen im Namen des ganzen Hauses für die bisherige kollegiale Zusammenarbeit recht herzlich danken und wünsche Ihnen privat und beruflich für die Zukunft alles Gute!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD, der CDU, der LINKEN und den PIRATEN]