Als Tokio kürzlich sein Programm für 2020 nur etwas reduzieren wollte, hat das IOC sofort interveniert. Gucken Sie sich doch mal das Vertragswerk an, Herr Kollege Buchner! Der Regierende sagt: Allein die Bewerbung für Olympia kostet schon mindestens 60 Millionen Euro. Sie rechtfertigen das mit den angeblichen positiven wirtschaftlichen Effekten, die Olympische Spiele mit sich bringen. Dieser schon religiöse Glaube ist recht leicht zu erschüttern, wenn man neben den Propagandazahlen des IOC und des NOK mal die eine oder andere unabhängige Studie zurate zieht. Olympische Spiele in die Stadt zu ziehen, bedeutet Haushaltsrisiken in Milliardenhöhe. Wer etwas anderes erzählt, ist unseriös.
Bei der Bewerbung Londons für Olympia 2012 war man von 1,9 Milliarden Euro ausgegangen. Auf der Schlussrechnung – und das ist die etwas konservativere Rechnung – stehen jetzt mindestens 14 Milliarden Euro, von denen circa 11 Milliarden die öffentliche Hand bezahlt.
Solange das IOC und das System Olympia nicht reformiert wurden – und bislang ist es das nicht –, bleiben positive Effekte – wenn sie überhaupt entstehen – für die Ausrichterstadt gering. Stattdessen treibt Olympia die Preise für Grund und Boden hoch, schränkt öffentlichen Raum und seine freie Nutzung ein und führt dabei zu Verdrängung und Belastungen für die Bevölkerung. Das ist die Wahrheit.
Herr Kollege Wolf! Wenn Sie über die Gesamtkosten einer Olympiabewerbung reden und eben die 11 Milliarden Euro für London erwähnen, sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass dort die Kosten für die Infrastruktur, die in der Stadt verbleibt – etwa ein olympisches Dorf mit etwa 25 000 Wohnungen –, eingerechnet sind?
Bei der Rechnung wären wir dann bei 28,1 Milliarden Euro, die in der Studie ausgewiesen sind. Ich rede jetzt nur über die Sportstätteninvestitionen, wenn ich 14 Milliarden für London nenne. Insgesamt waren es 28,1 Milliarden Euro. Gucken Sie sich die Studien mal genauer an und nicht nur die Zahlen des NOK und IOC!
Der Senat wirbt mit den vorhandenen Sportanlagen für Olympia, aber die müssen erst olympiatauglich gemacht werden, und trotzdem werden Neubauten nötig sein. Das kostet Geld. Und was passiert damit nach Olympia? Was ist mit den Folgekosten für Erhalt, Bewirtschaftung, Nachnutzung oder Rückbau? Den Sportanlagen in den Bezirken wird damit sicher nicht geholfen sein. In Berlin fällt Sportunterricht aus, weil Schulsporthallen fehlen oder marode sind. Es wird über den Abriss von Schwimmhallen diskutiert. Und Sie wollen das Geld lieber in Olympiaanlagen stecken? Das ist doch auch sportpolitisch verrückt.
Frau Lompscher hat es heute schon in der Aktuellen Stunde gesagt: In den Haushaltsberatungen haben wir vergleichsweise bescheidene Anträge für Investitionen und Mehrausgaben gestellt. Jeder in der Stadt weiß, dass bezahlbarer Wohnraum fehlt, der Personalmangel im öffentlichen Dienst immer größer wird und Schulen, Straßen und Brücken saniert werden müssen. Sie haben unsere Vorschläge allesamt abgelehnt mit dem Verweis auf den Altschuldenstand. Sie haben gegen jede Vernunft entschieden, die Stadt auf Verschleiß zu fahren. Bis gestern war kein Cent da. Aber Olympia hätten wir uns leisten können? Das ist doch absurd.
Seit gestern wird die Sache richtig verrückt. Da fällt Herrn Saleh und Herrn Graf ein: Eigentlich ist doch noch Geld da. – Jetzt soll in den nächsten Jahren die Hälfte aller Mehreinnahmen in einen Investitionsfonds gesteckt werden, mindestens 100 Millionen Euro pro Jahr – ein halbes Jahr nach Verabschiedung des Doppelhaushalts. Woher kommt der Sinneswandel? Haben wir vor einem
halben Jahr, was die grundsätzliche Einschätzung angeht, recht gehabt und Sie unrecht? – Gut! Freuen wir uns, dass Sie das jetzt zugeben. Aber was soll diese Konstruktion mit dem Sondervermögen? Warum wollen Sie das Geld am Haushaltsgesetzgeber vorbei dem Finanzsenator zur Ausgabe nach Gutdünken geben? Das ist doch Blödsinn und konterkariert den Zweck.
Vor vier Wochen hat er noch gesagt, es sei kein Geld für die wachsende Stadt da. Jetzt soll das gehen, und obendrauf auch noch die Olympiabewerbung plus Olympiainvestitionen. Kann man jetzt alle Wünsche auf einmal erfüllen?
Ist das Dummheit oder wieder ein Fake, um die Stadtgesellschaft für dumm zu verkaufen? Ich mache Ihnen jetzt einen Vorschlag:
Machen Sie sich ehrlich! Reden wir über die notwendigen Investitionen in die soziale und bauliche Infrastruktur! Machen wir es ganz ordentlich in Beratungen zu einem Nachtragshaushalt – ohne Spielereien, ganz ehrlich und ohne Tricks!
Wenn Sie diese Pflicht erfüllt haben, dann – und nur dann – können wir seriös über die Kür reden. Dann rechnen wir zusammen, was wir erwartungsverlässlich für Olympische Spiele übrig hätten. Dann muss man bewerten, was aus dem angekündigten Reformprozess des IOC geworden ist.
Und dann muss man die Bürger befragen. Aber auch da kriechen Sie noch unter der eigenen niedrigen Messlatte durch. Sie haben bislang nichts getan, um eine Volksbefragung zu dem Thema zu ermöglichen. In Berlin müsste dafür die Verfassung geändert werden. Dazu braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Dann muss es per Volksentscheid bestätigt werden. Da hätte man spätestens nach den Erfahrungen von München aktiv werden müssen. Aber die Sache mit der Bürgerbefragung ist Ihnen offenbar doch nicht so wichtig.
Ich komme zum Schluss. Sie treiben alle vier Wochen eine neue Sau durchs Dorf. Vor einem halben Jahr war es die Altschuldentilgung, dann war es Tempelhof, dann Olympia. Jetzt ist es das Sondervermögen. Seriöses Regierungshandeln ist das nicht. Wenn Sie wieder einigermaßen bei Sinnen sind, können wir gern über Politik reden. Ersparen Sie uns bis dahin eine Olympiabewerbung, die Sie nur aus einer Mischung aus Eitelkeit und Verzweiflung betreiben.
Vielen Dank, Herr Kollege Wolf! – Jetzt hatte der Regierende Bürgermeister um das Wort gebeten. – Bitte schön, Herr Regierender Bürgermeister Wowereit, Sie haben das Wort!
Man sieht, Olympia emotionalisiert. Das ist auch gut so. Es muss Emotionen mit im Spiel geben. Eine Stadt muss sich dazu bekennen, ob man Olympia will und ob man Olympia kann. Ich sage: Ich persönlich sowie meine Fraktion will, und viele Sportbegeisterte in dieser Stadt wollen Olympia haben. Dafür werden wir kämpfen. Deshalb bin ich auch dafür, dass sich Berlin bewerben soll.
Selbstverständlich ist ein legitimes Recht einer Fraktion, in Kontinuität, seitdem sie auch so heißen – sowie davor –, dass sie partout gegen Olympische Spiele sind. Das ist legitim. Das wird konsequent vorgetragen. Deshalb haben wir uns auch schon zu anderen Zeiten, als wir noch gemeinsam regiert haben, nicht auf olympische Spiele einigen können. Die Linkspartei steht dazu. Das ist völlig legitim.
Es ist auch völlig legitim, dass Fraktionen, bei denen man nicht ganz genau erkennen kann, wohin die Reise geht, nachdenken, differenzieren, Fragen haben und anschließend abwägen, wozu sie sich bekennen. Das ist auch völlig legitim. Diese Debatte wird in der ganzen Stadt zu führen sein. Sie wird auch nicht nur in der Stadt, sondern in ganz Deutschland geführt werden müssen. Der olympische Gedanke und die dahinter stehende Philosophie dürfen nicht mit dem IOC oder einzelnen im IOC vorhandenen Auswüchsen verwechselt werden. Die olympische Bewegung hat etwas Faszinierendes. Wer einmal dabei war und die Begeisterung mitbekommen hat, weiß, warum sich so viele Städte weltweit um Olympische Spiele bewerben.
Die sind alle nicht blöd. Sie haben alle nicht noch irgendwelche anderen Aufgaben zu erfüllen, sondern wissen, welche Chancen Olympia für die jeweilige
Austragungsstadt und für das ganze Land bedeutet. Deshalb steht dort normalerweise die ganze Nation hinter einer Bewerbung. Es wird ein breiter Konsens notwendig sein. Wie will man sonst andere überzeugen, wenn man selbst von der Sache nicht überzeugt ist? Deshalb ist dieser Prozess am Anfang einer Bewerbung zu entscheiden.
Es ist für jede Stadt auch zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt man sich bewirbt. Es gibt Situationen, in denen ich mich nie und immer um Olympische Spiele bewerben würde. Wir haben jetzt ein Zeitfenster, das der Deutsche Olympische Sportbund aufgemacht hat. Wir wissen, dass Herr Bach andere Interessen hatte, deshalb ist die Bewerbung Deutschlands für Winterspiele leider schiefgegangen. Deshalb ergeben sich jetzt wieder neue Perspektiven für 2024. Ich glaube, dass die Wahrscheinlichkeiten eher bei 2028 und folgende liegen. Das muss man austarieren. Die Chancen kann man nutzen.
Natürlich kann Hamburg auch Olympia. Ich habe auch den Eindruck, dass dort viele das wollen. Ich glaube, auch Kollegen von den Grünen und anderen Oppositionsparteien haben in der Hamburger Bürgerschaft erklärt, dass es wichtig sei, wenn sich Hamburg zur Verfügung stellte. Klar, Hamburg kann das. Ich bin allerdings der festen Überzeugung, dass sich Deutschland, dass der DOSB, aber auch die Bundesregierung entscheiden müssen, mit wem man dann auch auf der internationalen Ebene mehr Chancen hat. Das wurde auch von Herberg gesagt. Es ist kein Spaziergang, eine Bewerbung erfolgreich zu gestalten. Wir sind noch nicht so weit, Herr Wolf, dass wir hier Verträge mit dem IOC unterschreiben. Es ist noch ein weiter, weiter Weg. Wir sind erst einmal dabei, uns aufzustellen und uns zu formieren, natürlich auch, uns zu positionieren, um international überhaupt Chancen zu haben. Etwas aus gescheiterten Bewerbungen zu lernen ist auch, nicht blind eine solche Bewerbung hineinzugehen und sich dann zu wundern, dass es nur drei Stimmen gibt.
Herr Regierender Bürgermeister! Sie haben gerade Hamburg angesprochen. Erklären Sie mir doch bitte einmal, wie es Ihr Amtskollege, der Regierende Bürgermeister von Hamburg, Scholz, schafft, sein Parlament, die Bürgerschaft bereits in der jetzigen Phase zu beteiligen, wenn es um den Fragenkatalog geht, und Sie es nicht schaffen und durch die Opposition gezwungen werden müssen
Wir haben die Vorlage gemacht. Der Senat hat diese Vorlage für Sie gemacht. Das hätte er gar nicht tun müssen. Wir werden Ihnen selbstverständlich auch die Beantwortung des Fragenkatalogs zusenden. Ich gehe auch davon aus, dass sich dieses Parlament, bevor sich der DOSB im Dezember entscheiden wird, hierzu positionieren sollte. Davon gehe ich fest aus. Dazu stehen wir auch.
Sie müssen sich auch dazu bekennen und sollten sich auch dazu bekennen, zumindest zu diesem Verfahrensschritt. Ich bitte auch um Verständnis darum, dass dieser Verfahrensschritt nicht bedeutet, dass komplette Bewerbungsunterlagen fertig sind. Es bedeutet nicht, dass alle Pläne fertig sind. Sie fordern auch zu Recht, dass wir in einen Diskussionsprozess über die Pläne eintreten, wie man das verwirklicht. Dementsprechend sind es zunächst Antworten, die gegeben werden. Sie müssen bis Ende August dort abgegeben werden. Sie sind natürlich etwas gröber, als es eine normale Planung erforderlich macht. Das wird in Hamburg auch nicht anders sein. Das ist auch im Konsens mit dem DOSB. Der muss sich dann entscheiden. Dann kommt die entscheidende Phase, wie wir das organisieren können, es auch hinzubekommen.