Das ist ein Schritt nach vorn, denn bisher haben Sie sich diesem Gespräch verweigert und wollten die im Parlament nicht anhören, obwohl die Arbeitnehmer der GASAG Angst um ihre Arbeitsplätze haben. Das kann man
ja auch verstehen, denn der große Teil des Ertragswerts der GASAG kommt aus dem Netzbetrieb, und wenn Sie denen das Netz wegnehmen, dann wird die GASAG höchstwahrscheinlich so nicht weiterexistieren können, und das müssen Sie den Leuten dann auch mal klar ins Gesicht sagen.
Wenn Ihr eigener Senat eine Studie publiziert, in der steht, dass die Bedeutung des Gasnetzes in einem klimaneutralen Berlin drastisch zurückgeht und dass der Anteil von heute 35 Prozent über Gasnetz versorgten Wärmeanschlüssen auf 12 oder 13 Prozent zurückgeht, dann sollten Sie sich diese Zahlen angucken und sich überlegen, was das für den Wiederverkaufswert des Gasnetzes bedeutet. Oder Sie sagen wenigstens ehrlich, dass Sie sich hier von einer radikalen Klimaschutzpolitik sofort verabschieden wollen. Sie müssen sich einfach mal ehrlich machen, und dazu gehört, dass der Senat dem Abgeordnetenhaus erstens ein energiepolitisches Konzept vorlegt. Zweitens muss er eine Risikoanalyse vorlegen, und drittens muss er einen seriösen Finanzplan haben. Dazu muss man wohl sagen: Das, was bisher vorliegt, ist nicht das, was die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler von einem Senat erwarten können, der sich da mit einer Milliarde Euro verschulden will.
Danke schön! – Nur kurz zur Information: Eine Zwischenfrage bei einer Kurzintervention ist unzulässig. – Das sage ich für alle die, die gern eine gestellt hätten.
Jetzt hat die CDU-Fraktion das Wort, und zwar wird Herr Melzer zu uns sprechen. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte sehr, Herr Kollege!
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich glaube, dass es zunächst notwendig ist, noch mal klarzustellen, worüber wir reden. Herr Nußbaum hat als Finanzsenator eine auf sehr umstrittener Grundlage getroffene Entscheidung an das Parlament gegeben, nämlich das Gasnetz an das Land Berlin zu vergeben.
Deswegen sagen wir auch: Ja. Das ist eine Entscheidung des Finanzsenators. Eine Entscheidung des gesamten Senats gab es dazu nicht, und deswegen, Herr Nußbaum, sind Sie da auch in der Verantwortung und in der Berichtspflicht gegenüber dem Parlament.
Was machen wir jetzt hier? – Jetzt geht es nicht mehr wie bei vielen anderen Fragen und Sachanträgen darum, dass man mit bestimmten Mehrheiten über bestimmte Sachanträge befindet. Wir können eben nicht mit einer parlamentarischen Mehrheit eine Vergabe von Gas- oder Stromnetzen in eine bestimmte Richtung lenken, sondern jetzt geht es darum – und das ist die Aufgabe des Parlaments –, zu überprüfen, ob diese Ausschreibung rechtssicher und diskriminierungsfrei war und ob sie auf den Grundlagen des Energiewirtschaftsgesetzes und anderer Rechtsgrundlagen erfolgt ist. Da ist es nichts Neues – und das wissen Sie auch –, dass die CDU-Fraktion schon seit geraumer Zeit zum Ablauf und zur Rechtssicherheit eine ganze Reihe von Frage hat. Wir werden in den unterschiedlichsten Ausschussberatungen Gelegenheit haben, darüber zu sprechen.
Natürlich ist es auch misslich, dass in der Öffentlichkeit und teilweise auch im Parlament durch immer neue Mutmaßungen und Gerüchte neue Unsicherheiten entstehen. Ich will deswegen einige Fragen formulieren: Welche Auswirkungen hat das Urteil des Bundesgerichtshofs vom Dezember 2013? Das war übrigens ein Zeitpunkt, als die parlamentarischen Beratungen über die Vergabebriefe schon abgeschlossen waren. Es gab dann aber ein neues Grundsatzurteil. Müssen die Vergabebriefe verändert oder angepasst werden? Ist die Nichtgewichtung bzw. Schlechtgewichtung von Unterkriterien ein Problem? Sind andere Urteile von diversen Oberlandesgerichten oder eben dem Bundesgerichtshof so, dass wir das Verfahren überhaupt aufrechterhalten können? Darüber wird zu reden sein, und das werden wir zu klären haben.
Das Stromverfahren ist momentan ausgesetzt – nicht zurückgezogen –, und es gibt verfahrensleitende Fragen, die zu klären sind. Gegebenenfalls bedeutet das, dass auch hier nachjustiert werden muss. Wir haben jetzt alle – das nehme ich zumindest an – eine Einladung der Senatsfinanzverwaltung zu einem Kongress bekommen, der sich genau mit diesen Rechtsfragen zu den Konzessionen beschäftigt. Wenn ich mir die Referatsüberschriften ansehe „Reformbedarf bei der Vergabe“, „Reform des Paragrafen 46 Energiewirtschaftsgesetz“, „Handlungsbedarf des Gesetzgebers“, „Eckpunkte notwendiger Reformen“, „Aktuelle rechtliche Baustellen“, dann sind das Dinge, die uns interessieren und die die wir gemeinsam beraten werden, aber wir werden auch zu prüfen haben, ob die aktuellen rechtlichen Rahmen in den vielen Konzessionsvergaben und -verfahren auf Bundesebene und den unterschiedlichsten Kommunen – auch in Berlin – eingehalten worden sind. Hier ist Ihre Verwaltung, Senator Nußbaum, als ausschreibende Stelle in der Bringschuld gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit.
Wir wollen und werden in den unterschiedlichen Ausschüssen – im Wirtschaftsausschuss, Stadtentwicklungsausschuss und nicht zuletzt federführend im Hauptausschuss, weil es um erhebliche Größenordnungen geht,
wie es der Kollege Schäfer richtig formuliert hat – diese Kontrollrechte wahrnehmen, eine umfassende Überprüfung sicherstellen und dann Entscheidungen treffen: Gab es die Rechtssicherheit und die Diskriminierungsfreiheit, die nach dem Energiewirtschaftsgesetz vorgesehen ist?
Ich möchte auch sehr deutlich sagen: Wir werden uns dafür als Parlament die nötige Zeit nehmen müssen und uns nicht unter Druck setzten lassen. Das ist bei einer so wesentlichen Frage auch notwendig. Wir wollen auch das Bundeskartellamt als obersten Regelwächter über solche Vergaben hier im Parlament hören und dessen Meinung abgebildet wissen. Das Bundeskartellamt hat jetzt die Gasnetzkonzessionsvergabe überprüft. Ich darf Andreas Mundt, den Präsidenten des Bundeskartellamts zitieren, der sagt:
Im Rahmen des Verfahrens werden wir jetzt prüfen, ob die Wertung und Auswahlentscheidung bei der Konzessionsvergabe für das Gasnetz in Berlin gegen kartellrechtliche Missbrauchsvorschriften verstoßen.
Herr Mundt fragt also, ob es einen Missbrauch der rechtlichen Rahmenbedingungen gibt. Deswegen möchte ich für die CDU-Fraktion das sagen, was Herr Stroedter auch schon für die SPD-Fraktion angekündigt hat, nämlich dass die Entscheidungslinie auf der Ebene des Bundeskartellamts natürlich abgewartet werden muss, bevor wir hier im Parlament abschließend beraten können. Das heißt aber nicht, dass wir nicht darüber reden. Das haben wir vor der Sommerpause zu Strom und Gas getan, und das machen wir jetzt, im ersten Plenum nach der Sommerpause. Wir werden die Ausschüsse damit befassen. Es gibt volles Auskunfts- und Kontrollrecht gegenüber der Senatsverwaltung. Auch das ist sichergestellt. Wir wollen intensiv prüfen. Dafür bedarf es aber keines Hinweises und Sachantrags der Piraten. All das, was dort steht, ist im Zweifelsfall schon längst im Gange. Aber wir werden auch diesen Antrag in die zuständigen Ausschüsse überweisen, um dann alles insgesamt zu beraten. Dass wir ein so wichtiges Geschäft vernünftig beraten und sicherstellen, dass es rechtssicher und im Einklang mit dem Kartellamt ist, ist sich das Parlament selbst schuldig, und das sind wir auch der Öffentlichkeit schuldig. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Melzer! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort der Kollege Harald Wolf. – Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Melzer! Es freut mich, dass Sie jetzt sagen, dass sich das Parlament intensiv mit der Vergabe befasst. Ich hätte mich mehr gefreut, wenn Sie sich vor der Vergabeentscheidung intensiver mit den Vergabebriefen befasst und nicht nur im Hauptausschuss schweigend dagesessen und alles abgenickt hätten.
Es ist doch so gewesen, dass vonseiten der Opposition durchaus kritische Fragen auch vor dem Hintergrund der von Ihnen angesprochenen Gerichtsurteile und des Briefwechsels mit dem Kartellamt gestellt worden sind. Das war alles bekannt. Sie haben hier keine kritischen Einwände vorgetragen, sondern es – wie auch im Senat – abgenickt.
Deshalb weiß ich nicht, was Sie jetzt für eine intensive parlamentarische Befassung mit dem Vergabeverfahren wollen, denn die Vergabeentscheidung hat die Vergabestelle getroffen.
Danke schön! – Herr Wolf! Sie haben gerade gesagt, wir hätten die Vergabebriefe in Kenntnis des BGH-Urteils beschlossen. Wie können Sie sich dann erklären, dass wir die Vergabebriefe im letzten Jahr im November und Anfang Dezember im Parlament beschlossen haben, das BGH-Urteil aber erst am 13. Dezember gefällt wurde?
Das BGH-Urteil ist am 13. Dezember getroffen worden. Das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden ist im August 2013 getroffen worden. Es hätte die Möglichkeit bestanden, das Verfahren zurückzusetzen, nachdem gra
vierende Urteile vorlagen. – Sie können gerne in den Protokollen nachlesen, was vonseiten der Opposition für Fragen gestellt worden sind – auch in Bezug auf die Urteile –, und zwar vom Kollegen Schäfer und mir. Sie haben darauf nicht reagiert. Sie haben schweigend dagesessen, anschließend die Hand gehoben und zustimmend zur Kenntnis genommen, so, wie Sie es auch im Senat getan haben.
Jetzt ist die Situation so, dass die Vergabestelle eine Vergabeentscheidung getroffen hat. In einem Vergabeverfahren gibt es keinen Parlamentsvorbehalt. Die Vergabestelle hat entschieden, und das war es. Und das wird jetzt gerichtlich und vom Kartellamt überprüft. Das Parlament entscheidet über den Konzessionsvertrag. Die Vergabestelle hat entschieden, mit welchem Unternehmen der Konzessionsvertrag verhandelt wird. Diese Frage steht im Parlament nicht zur Entscheidung an, sondern es steht allein zur Entscheidung an, ob man dem Konzessionsvertrag zustimmt oder nicht. Das sind zwei getrennte Fragen. – Das zum Verfahren.
Jetzt müssen Sie sich entscheiden, ob Sie in Ihrem Verhalten konsequent sind und das fortführen, was Sie vorher gemacht haben, oder ob Sie das gesamte Verfahren über mehrere Jahre zurückdrehen wollen, denn wenn man dem Verfahren jetzt nicht zustimmt, ist es auf den Punkt Null zurückgesetzt, und es gibt ein neues Verfahren. Vor dieser Frage werden Sie stehen, und ich kann mir schon vorstellen, wie Sie an dieser Stelle entscheiden.
Die zweite Frage wird in dem Antrag der Piraten angesprochen: Was ist die energiepolitische Strategie des Senats? Thema Stadtwerk: Die SPD will eins, hat sich aber von der CDU über den Tisch ziehen lassen. In dieser Legislaturperiode gibt es weder ein Stadtwerk, geschweige denn Kunden des Stadtwerks. Das wird möglicherweise ein Thema für die nächste Legislaturperiode sein, aber in dieser Legislaturperiode – solange die CDU ihre Blockadehaltung hat – gibt es das nicht. Eine energiepolitische Strategie und eine Strategie für den Umbau energiewirtschaftlicher Strukturen gibt es nicht. Den Antrag, das, was die Piraten jetzt fordern, haben wir gemeinsam mit Piraten und Grünen vor zwei Jahren gefordert. Das wurde von der Koalition abgelehnt. Der Senat liefert nicht. Daraufhin hat das Parlament einmütig die Einsetzung einer Enquetekommission beschlossen, um diese Arbeit, die der Senat nicht geleistet hat und offensichtlich wegen der internen Kontroversen nicht leisten kann, hier vorzunehmen.
Wir sind in der Situation, dass hier völlig unterschiedliche und konträre Vorstellungen existieren. Ich sage an dieser Stelle noch einmal, dass es auch bei der Frage der Vergabe der Gasnetzkonzession keine Strategie gab. Vielmehr hat man nur auch das Netz geguckt und nicht gesehen, dass es notwendig und sinnvoll gewesen wäre, gegenüber dem gesamten Unternehmen GASAG eine
Strategie mit der Zielsetzung zu entwickeln, die Eigentümerstellung wiederzuerlangen, denn dann hätte man einen gänzlich anderen Ausgangspunkt bei einer Diskussion über ein Stadtwerk und würde nicht nur über Netzte diskutieren, und man wäre auch nicht in der schwierigen Situation, in der wir gegenwärtig sind.
Es ist aber klar, dass wir die Vergabeentscheidung haben. Die sind von den dafür zuständigen Gremien überprüft. Das Parlament ist kein Kartellamt, Landgericht oder Bundesgerichtshof.
Vielen Dank, Herr Kollege Wolf! – Der Senator für Finanzen, Dr. Nußbaum, hat jetzt um das Wort gebeten. – Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich jetzt nicht in die parlamentarische Debatte einmischen. Ich möchte auch nicht das Für und Wider von Gas oder Strom erörtern. Das steht Ihnen frei. Sie sollten es tun. Aber was ich für den Senat noch einmal – auch, weil es von Herrn Melzer angesprochen wurde – eindeutig klarstellen möchte, ist, dass das Verfahren, Herr Melzer, so transparent durchgeführt worden ist, wie man nur ein Vergabeverfahren durchführen kann mit Verfahrensbriefen, die im Senat beschlossen und im Parlament diskutiert worden sind, so lange Sie die auch immer diskutieren wollten. Es sind keine zeitlichen Vorgaben erfolgt. Es gab Eingaben auch von Ihnen und anderen, die an der Sache interessiert sind. Sie sind hier beschlossen worden. Auf der Basis dieser Vergabebriefe ist dann eine Auswahlentscheidung auf der Basis dieser gemeinsam festgelegten Kriterien in der Tat nicht vom Parlament, sondern von der Vergabestelle getroffen worden.
Es ist richtig, dass diese Vergabeentscheidung wie jede Vergabeentscheidung dann natürlich von Gerichten zu überprüfen ist, ob das die Auswahl eines Polizeipräsidenten oder die Waldbühnevergabe ist. Sie ist zu überprüfen. Das ist legitim und ganz normal. Dass in solchen Vergaben, die nicht die Waldbühne betreffen, das Bundeskartellamt auch involviert ist, ist auch ganz normal. Deshalb müssen Sie hier auch nicht das „missbräuchlich“ hochhalten! Es ist die Aufgabe des Kartellamtes, das zu untersuchen. Da ist auch nichts Schlimmes daran. Das heißt im Gesetz Missbrauch. Es ist aber kein Kindesmissbrauch, sondern die Frage, ob eine marktbeherrschende Stellung nicht unparteiisch ausgeübt wird. Das Kartellamt – weil Sie so dramatisch die Erklärung verlesen haben – sagt nur, dass sie sich damit befassen. Ich habe Ihnen heute
Morgen schon gesagt, dass wir die Unterlagen an das Kartellamt gegeben haben. Das Kartellamt wird dann zu einem Spruch kommen. Auch das ist antizipiert und normal so.
Dass sich in einem Verfahren, das über Jahre und einen langen Zeitraum geht, Rechtsprechung ändert, vor allem, weil Bundesgesetze nicht klar sind und keine fixe Rechtsprechung dazu existiert, ist auch klar. Wir müssen hier mit einem Risiko leben. Irgendwann ist ein Verfahren auf der exekutiven Seite auch einmal abgeschlossen. Sie müssen eine Entscheidung treffen. So ist das. Diese Entscheidung ist getroffen worden. Anders, als Sie es hier darstellen, ist die vom Senat auch zustimmend zur Kenntnis genommen worden. Jetzt können Sie hier eine Wortinterpretation vornehmen, was Sie mit „Kenntnis“, oder „zustimmend“ oder „zustimmend zur Kenntnis“ meinen. Der Senat hat diese Entscheidung jedenfalls nicht abgelehnt. Er hätte sie ablehnen können. Das hat er nicht getan.