Protokoll der Sitzung vom 02.10.2014

(Sabine Bangert)

Herr Schlede! Ich fürchte, bei allen Versprechungen, die Sie hier machen, „man müsste mal über den Kulturhaushalt reden“, werden Sie sich in der nächsten Runde wieder genau so verhalten wie in der letzten: Augen zu, Ohren zu, Nase zu, Mund zu, Hände fesseln, und nun lasst mal die Opposition quatschen – wir machen! Sie machen eben nicht! Sie lassen diese Talfahrt weiterhin zu, und das ist erbärmlich.

Selbstverständlich kann eine Einrichtung in Not geraten, und dann muss man helfen. – Pardon, Herr Magalski! Das geschieht auch. Es wird konkret geholfen. Die Ku’damm-Bühnen gerieten in Not – ihnen wurde geholfen. Das Schlosspark Theater geriet in Not – ihm wurde geholfen. Hans Wurst geriet in Not – ihm wurde nicht geholfen, die spielen nur für Kinder. Da war ein Ankauf nicht möglich. Komisch! – Herr Schlede! Sie wissen das. Sie waren da, Sie kennen auch die Zahlen. Das war ein ganz erbärmliches Versagen des Berliner Senats!

Ich setze fort: Für das Arno-Breker-Gedenkatelier, Bernhard-Heiliger-Stiftung, war auf wundersame Weise eine ganze Menge Geld da. Die Galerie M geriet in Not – nein, die liegt im Osten; sie ist inzwischen abgerissen. Das Haus am Waldsee – okay in unserem schicken Zehlendorf müssen wir aufpolieren. Nichts gegen die Arbeit, die Frau Blomberg dort leistet – ich bewundere sie –, aber da waren die Mittel vorhanden, bei anderen nicht.

Machen wir es eine Nummer größer: Egal, was unsere tolle Stiftung Preußischer Kulturbesitz umtreibt, dafür ist das Geld da, aber das kleine, bescheidene BauhausArchiv mit einer weltweit einmaligen Sammlung darf um jeden 10 000-Euro-Betrag kämpfen. – Herr Renner! Inzwischen verhandeln Sie mit dem Bund, was ich ganz toll finde. Ich hoffe, dass dies sehr erfolgreich sein wird.

Fazit: Wann immer in Berlin Kultureinrichtungen, Künstlerinnen und Künstlern durch den Senat geholfen werden will, kann auch geholfen werden. Und der macht es dann auch. Die Frage ist nur: Warum macht er es bei anderen nicht? Da stimmt etwas nicht. Die Tücke liegt hier tatsächlich im System.

Der Antrag der Piraten ist gut gemeint, aber er verhilft nicht wirklich zu einer Lösung. – Und pardon, Herr Kollege Delius: Dem Kultursenator eine weitere schwarze Kasse verpassen, das möchten wir nicht.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Wenn es denn hilft!]

Vor einigen hundert Jahren verstieß ein nicht ganz unberühmter König gegen das Etatrecht des Parlaments; das war Karl I. aus dem Hause Stuart. Er landete auf dem Schafott. Jetzt sind Sie es, die mit Ihrem Antrag versuchen, das Etatrecht des Parlaments einzuschränken. Das geht nicht. Ich verstehe Ihren Ansatz, aber es ist die falsche Lösung.

[Zuruf von Martin Delius (PIRATEN)]

Na, sicherlich! Aber bitte: Das ist der falsche Weg. Glauben Sie es mir! Wir müssen da ganz anders ran, und ich stimme Frau Bangert zu: Die gesamten Strukturen dieses Kulturhaushalts der Berliner Kulturpolitik stimmt von hinten bis vorne nicht. Bis jetzt hat seit gut zwei Jahren die Koalition jede Diskussion über kulturpolitische Leitlinien – über die Prämissen, die sie setzen möchte – verweigert, und da geht es eigentlich los. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Brauer! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung an den Ausschuss für kulturelle Angelegenheiten sowie an den Hauptausschuss vorgeschlagen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das gibt es nicht. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.5:

Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 19

Immobilien des Bundes zuerst den Kommunen zum Kauf anbieten

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/1837

hierzu:

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 24. September 2014 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 1. Oktober 2014 Drucksache 17/1855

in Verbindung mit

Verkaufsstopp bei der BImA erwirken – 1.700 Berliner Wohnungen schützen

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 24. September 2014 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 1. Oktober 2014 Drucksache 17/1854

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Fraktion Die Linke Drucksache 17/1702 Neu

Wird den Dringlichkeiten widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Ich habe den Antrag von SPD und CDU vorab dem Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr sowie dem Hauptausschuss überwiesen und darf Ihre nachträgliche Zustimmung feststellen. In der Beratung beginnt

(Wolfgang Brauer)

nun die Fraktion der SPD. Das Wort hat Frau Abgeordnete Spranger. – Bitte sehr!

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine Herren! Die „Berliner Morgenpost“ titelte im Juli diesen Jahres: „Bund verschärft die angespannte Wohnungslage auf Berliner Mietmarkt!“ – Recht hat die „Morgenpost“. Dagegen müssen wir als Berliner Abgeordnetenhaus sofort etwas tun, und deshalb dieser Antrag der Koalitionsfraktionen, der einstimmig mit allen Fraktionen im Bauausschuss am letzten Mittwoch verabschiedet wurde.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Hurra!]

Der Bund verkauft Wohnungen in ganz Deutschland und nicht nur in Berlin meistbietend und verschärft dadurch natürlich den angespannten Wohnungsmarkt. Es wächst der Widerstand vor allem bei den Mieterinnen und Mietern, und diesen Widerstand, meine Damen, meine Herren Abgeordnete, müssen wir unterstützen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den PIRATEN – Beifall von Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Ich habe vorhin – wahrscheinlich wie einige andere Abgeordnete aus meinem Bereich – mit Mieterinnen und Mietern aus der Großgörschen- und der Katzlerstraße gesprochen, und sie sagten uns einhellig, dass es anonyme Wohnungsbegehungen eventueller neuer Käufer gibt und dass Fragen, die sie als Mieter berechtigterweise gestellt haben, einfach nicht beantwortet wurden. Das dürfen wir nicht akzeptieren. Das geht so nicht.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Wir sind nicht etwa gegen den Verkauf an sich, sondern wir wollen nicht das Verfahren des Höchstgebotes. Deshalb haben wir in Berlin eine neue Liegenschaftspolitik beschlossen, und deshalb muss auch der Bund – und damit die BImA als Bundesunternehmen – verpflichtet werden, seiner sozialen Verantwortung nachzukommen und einen Beitrag zur Beschaffung von sozialem Wohnraum zu leisten. Die Verkäufe müssen gestoppt werden, und es muss ein Vorkaufsrecht zuerst an die Städte und Gemeinden gehen. Zu einer seriösen Stadtpolitik gehört es, sofort auf neue Gegebenheiten zu reagieren. Das ist hier der Fall. So, wie Berlin bei der Einführung der Mietpreisbremse Vorreiter für den Bund war, müssen wir uns jetzt gemeinsam mit anderen Bundesländern für einen Verkauf nicht zu Höchstpreisen, sondern zum neutral ermittelten Verkehrswert z. B. an städtische Wohnungsbaugesellschaften einsetzen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Senator Müller hat im September an den Zuständigen – nämlich an den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble – geschrieben und für Berlin ein Angebot unterbreitet, worin er anbietet, dass nicht nur die 1 700 Wohnungen, sondern der gesamte Wohnungsbestand in Berlin für unsere sechs Wohnungsbaugesellschaften – – Dass die das übernehmen und natürlich auch kaufen können! Ich denke, das sollten wir sehr begrüßen.

Deshalb ist es heute so wichtig, dass es ein klares Signal an den Bundestag gibt, denn nur der kann das Gesetz entsprechend verändern und als Haushaltsgesetzgeber darüber entscheiden. Bezahlbarer Wohnraum gehört zur Daseinsvorsorge und zu einem guten Miteinander in unserer Stadt Berlin. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Spranger! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun das Wort Frau Abgeordnete Schmidberger. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist noch nicht lange her, da hörten wir vom Senat: Es gibt ausreichend bezahlbaren Wohnraum für alle. – Das Gegenteil war und ist leider der Fall.

[Sven Heinemann (SPD): Die alte Leier! – Lars Oberg (SPD): Die Eiszeit ist auch nicht so lange her!]

Wohnraum fehlt hier in Berlin an allen Ecken und Enden – für Flüchtlinge, für Wohnungslose, für Einkommensschwache, für Familien, für Rentner, für Arbeitslose, für Studenten und für Künstler. Ich könnte diese Liste noch lange weiterführen. Es ist immerhin schön, dass Sie das heute ganz anders sehen und einen Paradigmenwechsel vollzogen haben.

Vor diesem Hintergrund ist es völlig inakzeptabel, dass die Bundesregierung auf dem Berliner Wohnungsmarkt spekuliert und bezahlbaren Wohnraum vernichtet. Diese Praxis – nämlich der Verkauf zum Höchstpreis – bedeutet in der Regel, dass potenzielle Käufer ihre Renditeziele nur über hohe Neuvertragsmieten, über Luxussanierung oder durch Umwandlung in Eigentumswohnungen erreichen. Das wiederum bedeutet in den meisten Fällen die Verdrängung der Bewohner. Das müssen wir verhindern.

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Beifall von Katrin Lompscher (LINKE)]

Es kommt noch hinzu, dass viele Immobilien des Bundes trotz des angespannten Wohnungsmarktes einfach un

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

genutzt bleiben. So stehen z. B. in der Kurstraße in Mitte seit einiger Zeit über 60 Wohnungen leer, und von rund 6 Millionen m² Gewerbefläche, die der Bund ja auch in Berlin besitzt, stehen 1,6 Millionen m² leer. Wie kann das denn bitte sein? Warum, lieber Senat, lieber Herr Czaja – der jetzt leider nicht da ist –, nutzen Sie diese Immobilien nicht, statt Containerdörfer am Stadtrand zu bauen?

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Wir erleben heute einen der seltenen Momente, in denen Regierungskoalition und Opposition einer Meinung sind und gemeinsam für einen Antrag stimmen. Wir würden uns wünschen, dass Rot-Schwarz mehr Initiativen von uns aufgreift und umsetzt,

[Torsten Schneider (SPD): Nein, nein!]