Protokoll der Sitzung vom 16.10.2014

[Beifall bei den GRÜNEN]

Denn wir denken bei jedem Vorhaben der Rekommunalisierung nach und prüfen den Sinn, die Finanzierbarkeit und die politische Zielsetzung. All das habe ich bei Ihnen nicht gesehen und nicht gehört. Sie haben die Katze aus dem Sack gelassen: Sie wollen die Fehler der Vergangenheit korrigieren.

[Zuruf von Nikolaus Karsten (SPD)]

Ich könnte Ihnen noch einige Fehler mehr aufzählen, die Sie zu korrigieren hätten, aber eine politische Zielsetzung und ein Finanzierungskonzept, daraus kann ich Sie nicht entlassen, das müssen Sie hier vorlegen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Frau Pop! – Herr Stroedter, Sie haben die Gelegenheit zu replizieren. – Bitte sehr!

Also Frau Pop, ich hatte gedacht, dass Sie das nutzen, um uns zu erzählen, was Sie auf Ihrem Parteitag beschlossen haben.

[Antje Kapek (GRÜNE): Lesen Sie es doch nach!]

Das kann man aber nur relativ schwer verstehen, was Sie da beschlossen haben. Der Kollege Schäfer durfte heute nicht reden. Das muss ja einen Grund haben.

[Lachen von Michael Schäfer (GRÜNE)]

Er hat vorher dafür geworben, dass wir uns am Gasnetz nicht beteiligen. Er will das nur bei Strom machen. Der

Parteitag hat aber genau das Gegenteil beschlossen und mehrere Bedingungen aufgemacht, unter denen das doch möglich ist. Erklären Sie doch mal, wo Ihre Position beim Gasthema ist, außer dass Sie sagen, Gas gebe es schon in zehn Jahren nicht mehr und deshalb brauchten Sie das nicht!

[Zurufe von den GRÜNEN]

Ja, das ist Ihr Problem. Wenn man solch einen Formelkompromiss auf dem Parteitag macht, muss man ihn anschließend den Berlinerinnen und Berlinern und diesem Parlament erläutern. Das können Sie nicht. Sie sind in der Frage völlig unglaubwürdig.

[Beifall bei der SPD]

Sie müssen einmal – das ist bei Olympia so, das ist bei jedem Thema so, das Sie ansprechen – sagen: Ja oder Nein oder eine Position benennen. Sie sagen immer erst Ja, dann Nein, dann wieder Ja, dann Nein. Das ist die Haltung der Grünen.

[Beifall bei der SPD]

Das ist die Haltung der Grünen, und das lassen wir Ihnen nicht länger durchgehen.

Deshalb halten Sie uns nicht vor, dass wir nicht das Geschäft beurteilen. Ich finde, der Senat hat sachgerecht entschieden.

[Lachen bei den GRÜNEN und den LINKEN]

Ja das passt Ihnen nicht, das möchten Sie nicht hören, weil es Ihnen nur um Klamauk und nicht um die Sache geht.

[Joachim Esser (GRÜNE): Was hat er denn entschieden?]

Uns geht es darum, dass die Berlinerinnen und Berliner von der Rekommunalisierung des Gasnetzes profitieren und deshalb finden wir es richtig, dass sich BerlinEnergie beteiligt, deshalb haben wir diesen Haushalt beschlossen, deshalb stehen die Bürgschaften drin. Das ist keine Einkaufstour, das ist seriöse Politik im Sinne dieser Stadt!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Stroedter! – Für die Linksfraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Lederer. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war natürlich ein Nebelkerzenangriff in den letzten Tagen und Wochen, die ganze Debatte um die angebliche oder tatsächliche Befangenheit des Justizsenators, bei der sich der Herr Heilmann und der Herr Nußbaum wie bockige Kinder aufgeführt haben. Erst wird das Ver

fahren ausgesetzt, weil angeblich verfahrensleitende Fragen zu klären wären, und nun rückt Nußbaum damit heraus, dass der 2. Vergabebrief zur Stromnetzkonzession überarbeitet werden muss. Natürlich muss dann auch noch einmal wieder der Befangenheitsvorwurf ausgebuddelt werden, der inzwischen offenbar zur Allzweckwaffe herangezogen wird, um die Unfähigkeit und das völlige Vergabechaos in der Finanzverwaltung zu kaschieren, und – Überraschung! – seit Dienstag ist davon nicht mehr die Rede. Jetzt haben sich die beiden wieder verständigt. Jetzt sind es angeblich die Bewerber selbst, die darum gebeten haben, dass man den Vergabebrief noch einmal überarbeitet. Herr Stroedter kommt hier jetzt noch mit den Kamellen von der unsicheren Rechtslage. Wissen Sie, Herr Stroedter, das ist das Pfeifen im Walde, solange Sie nicht einmal das beachten, was klar ist. Davon gibt es das eine oder andere.

Klar muss der Vergabebrief überarbeitet werden. Der 2. Vergabebrief, der im Hauptausschuss am 19. März – merken Sie sich das Datum – zur Kenntnis genommen wurde, hat nicht die vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 17. Dezember 2013 verlangte Gewichtung der Transparenzkriterien, der Unterkriterien im Bieterverfahren, berücksichtigt.

[Senator Dr. Ulrich Nußbaum: Quatsch!]

Es ist völlig klar, wenn das nicht berücksichtigt wird, dann droht die gesamte Vergabe bei einer gerichtlichen Überprüfung gekippt zu werden. Nur, einzig und allein verantwortlich ist die Schlamperei dieses Senats, nichts anderes, die Schlamperei dieser Finanzverwaltung.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Denn die Möglichkeit zur Korrektur, die hätte die Finanzverwaltung bereits im März gehabt. Die vollständige Urteilsbegründung vom BGH, lieber Herr Stroedter, die ist am 12. März veröffentlicht worden, nicht im Juni oder Juli, wie Sie hier erzählen. Darauf hat die Opposition sieben Tage später im Hauptausschuss auch hingewiesen. Ihnen war das aber egal. SPD und CDU war das egal, denn die CDU hat gehofft, dass das Verfahren im Nachhinein platzt, weil sie sich politisch mit Ihnen nicht einigen konnte, und Sie haben darauf vertraut, dass es keiner merkt. Halten Sie die Leute für blöd, oder was?

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir haben doch damals gesagt: Überarbeitet den Vergabebrief noch einmal! Das haben SPD und CDU brüsk abgelehnt. Und die Finanzstaatssekretärin hat allen Ernstes im Hauptausschuss erklärt – das können Sie im Protokoll nachlesen:

Die BGH-Entscheidung habe man antizipiert, ohne sie zu kennen.

Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Antizipiert, ohne sie zu kennen! – Meine Fraktion empfiehlt dem Senat dringend, im Umgang mit strittigen Rechtsfragen auf das bewährte Mittel des Lesens von

(Jörg Stroedter)

Urteilsbegründungen zurückzugreifen. Motten Sie die Glaskugel in der Klosterstraße ein, Herr Nußbaum! Motten Sie sie ein!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Es ist natürlich völlig klar, dass die Vergabe der Gasnetzkonzession – das ist Ihr Lieblingsthema, meine Herren – unter genau demselben Rechtsfehler leidet. Sie ist damit ebenfalls rechtlich angreifbar. Denn der 3. Gasverfahrensbrief wurde am 14. Januar 2014 vom Senat beschlossen. Auch da war schon bekannt, dass es ein höchstrichterliches Urteil des BGH gibt, und auch da hätte man warten und sagen können: Wir gucken erst einmal, wie die Urteilsbegründung aussieht. Aber wahrscheinlich haben Sie auch da antizipiert, ohne sie zu kennen. Auch das wird Ihnen um die Ohren fliegen, Herr Nußbaum.

Beide katastrophalen Fehlleistungen fallen in die politische Verantwortung der Vergabestelle, also der Senatsverwaltung für Finanzen, von niemandem anderen. In richtigen Regierungen wäre bei solchen katastrophalen Fehlleistungen ein Rücktritt fällig. Aber da dieser Senat ohnehin nur schlecht verwaltet, geschieht folgerichtig, was in Verwaltungen immer passiert: Alles bleibt auf seinen Plätzen und man ergeht sich in gegenseitigen Schuldzuweisungen. Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Lieber Herr Stroedter! Sie können sich ja mit den Grünen darüber auseinandersetzen, ob sie eine Position haben oder nicht. Was wir hier im Abgeordnetenhaus als Opposition beantragt haben: Die Entwicklung einer energiepolitischen Konzeption für Berlin, die Frage, wie man mit der GASAG umgeht, wie man gar nicht erst dafür sorgt, dass eine Rest-GASAG entsteht, die nicht mehr in der Lage ist, die notwendigen Investitionen in die Energiewende zu stecken, die Debatte um ein Stadtwerk, das nicht nur irgendwo drei Windräder stehen hat und zwei Kunden – vielleicht zwei öffentliche Unternehmen, die BWB und die BSR –, all diese Dinge liegen bisher unbearbeitet auf dem Tisch. Sie haben dazu nichts zuwege bekommen. Das Einzige, worauf Sie sich einigen können, ist, dass Netze Geld bringen. Deswegen wollen Sie gern die Netze haben. Das ist die sozialdemokratische Politik, von der Sie hier reden.

[Zuruf von Iris Spranger (SPD)]

Substanziell ist daran nichts, in Bezug auf Energiewende in der Stadt ist da gar nichts dran. Mit denen können Sie sich nicht einigen und deshalb ziehen Sie sich zurück auf Befangenheitsvorwürfe und ähnlich absurdes Zeug, um von Ihrem eigenen Versagen abzulenken.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Fabio Reinhardt (PIRATEN)]

Unter dem Strich heißt das: Zu Ihrer politischen Planlosigkeit kommt die totale Vergabeunfähigkeit der Finanz

verwaltung dazu, und das ist das eigentlich Katastrophale an der Senatsposse, über die wir hier heute reden.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Dr. Lederer! – Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat nun der Herr Abgeordnete Stroedter. – Bitte sehr!