Protokoll der Sitzung vom 27.11.2014

[Beifall bei der SPD und der CDU – Benedikt Lux (GRÜNE): Jeder kann in die Datei kommen!]

Sie behaupten immer wieder, obwohl Sie wissen, dass das nicht stimmt, einen Umfang dieser Datenbank, der nicht gegeben ist, und versuchen, auf dem Rücken dieser Leute eine Stimmung zu schüren und eine Angst zu erzeugen. Das ist unverantwortlich, und das müssen wir hier zurückweisen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Benedikt Lux (GRÜNE): Das glauben Sie ja selbst nicht!]

Vielen Dank, Kollege Zimmermann! – Jetzt hatte der Kollege Udo Wolf um eine Kurzintervention gebeten. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte schön!

Danke, Herr Präsident! – Lieber Frank Zimmermann! Sie sind Fachmann genug, um zu wissen, dass die Speicherung von solchen Merkmalen in der polizeilichen Datenbank für die Eigensicherung von Polizeibeamten im Einsatz nichts, aber auch gar nichts bringt.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Eigensicherung von Polizeibeamten im Einsatz ist uns sehr wichtig. Wir haben im letzten Innenausschuss gemeinsam über den Bericht „Gewalt gegen Polizeibeamte“ diskutiert. Es lag uns ein ausführlicher Brief der Gewerkschaft der Polizei vor. Ich gebe zu, die wollen auch solche Merkmale drin haben. Aber der entscheidende Punkt für die Eigensicherung ist die Ausbildung der Polizeibeamten, damit sie sich in gefährlichen Situationen adäquat verhalten können.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Das, was der Kollege Schatz angesprochen hat, die Krankheitsmerkmale, die bisher in polizeilichen Datenbanken gespeichert werden, sind überhaupt nicht durch den Beamten zu beeinflussen, wenn er das vorher weiß. Wenn jemand Hepatitis C oder B hat oder wenn jemand HIV-infiziert ist, ist das für den Einsatz, für die konkrete Situation überhaupt kein Hilfsmittel. Der Kollege Trapp sagt immer: Dann weiß der Beamte vorher, dass er Handschuhe anziehen muss. – Das ist doch kompletter Blödsinn.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Es geht hier um Diskriminierung in einer staatlichen Datenbank, und diese Diskriminierung gehört abgeschafft und nicht umgewidmet oder umgeschrieben.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Und wenn wir das kurz vor dem Welt-Aids-Tag diskutieren, ist das umso absurder, was hier für ein Geeier gemacht wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion! Sie sollten es besser wissen. Sie sollten wissen, dass eine solche Diskriminierung nicht abgeschafft werden kann, indem man Begriffe ändert, aber am Tatbestand nichts verändert.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Diese Diskriminierung ist praktisch und keine Frage der Formulierung.

Danke schön! – Kollege Zimmermann möchte replizieren und hat jetzt auch das Wort.

Lieber Udo Wolf! Da haben Sie jetzt ja ordentlich Stimmung gemacht. Ich gratuliere, das haben Sie geschenkt, echt geschenkt, weil die Substanz dieses gar nicht hergibt. Der Vorwurf der Diskriminierung fällt in sich zusammen, wenn man sich tatsächlich anguckt, was dort in diesen Datenbanken passiert und was da vorgehalten wird. Da sind Begriffe, die sind problematisch, die sind antiquiert, und die können eine diskriminierende Wirkung haben.

[Wolfgang Brauer (LINKE): Es geht nicht um Begriffe, sondern darum, dass Sie was reinschreiben und speichern!]

Diese Begriffe werden wir beseitigen. Dass aber bestimmte Informationen für die handelnden Polizisten in den Datenbanken vorhanden sind, werden wir nicht ändern, auch wenn Sie sich echauffieren, ein bisschen künstlich, lieber Herr Wolf. Ich glaube, das nimmt Ihnen keiner ab. – Danke schön!

[Udo Wolf (LINKE): Das ist überhaupt nicht künstlich! Eine bodenlose Frechheit!]

Danke schön! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Kollege Lux das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist das Einzige, was die Opposition hier tun kann, nämlich noch eine leidenschaftliche Debatte zu servieren, wo sie eigentlich schon jede Hoffnung auf Rechtstaatlichkeit der Koalitionsfraktionen in dieser Frage aufgeben hat. Heute haben wir es schwarz auf weiß. Die Koalition besiegelt den innenpolitischen Rückfall in die Westberliner Achtzigerjahre. Die Berliner Mauer ist seit 25 Jahren Geschichte, aber nicht in den

(Frank Zimmermann)

Köpfen von Rot-Schwarz. Es war vor 25 Jahren schon einmal Konsens im Haus – übrigens unter einer CDURegierung –, dass diese personengebundenen Hinweise „Ansteckungsgefahr“ und „geisteskrank“ abgeschafft werden. Ich sage noch einmal: Diese personengebundenen Hinweise müssen abgeschafft werden!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Berlin war schon immer eine Stadt, die weltoffener, freier und rechtsstaatlicher war, gerade weil sie weiß, dass sie mit staatlicher Gewalt und Polizei behutsam und besonnen umgehen muss. Das war ein Prozess, den man erst angehen musste. In den Sechzigerjahren wurden hier Demonstranten noch mit Leberwürsten verglichen. Heute erprobt die Polizei ein Deeskalationskonzept, das, gut angewandt, vorbildlich für Großlagen aller Art sein kann. Aber was machen Sie? – Sie führen durch die Hintertür die Merkmale „Ansteckungsgefahr“ und „geisteskrank“ wieder ein – 26 Jahre später führen die SPD und die CDU das wieder ein, und Sie bleiben, Herr Zimmermann, wirklich jeder Erklärung und Rechtfertigung schuldig.

Wohlgemerkt: Ihre Regelung ist uferlos. Jeder, der HIV hat, jeder, der unter Hepatitis leidet, kann in diese Datenbank kommen. Er muss nur in eine polizeiliche Kontrolle geraten. Die Gefahrenabwehr reicht; es reicht, wenn er als Zeuge gemeldet ist; es reicht, wenn ein Polizist das aufnimmt und sagt: Ich will dieses Merkmal gespeichert haben. – Dann landet die Person in dieser Datei, und das ist stigmatisierend, ausgrenzend und muss abgeschafft werden!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Ihre Märchenstunde, Herr Zimmermann, dass es begrenzt sei – diese Datei ist brandgefährlich für den sozialen Frieden in der Stadt. Und zu Ihrem Argument der Eigensicherung: Das ist auch eine Scheinsicherheit für die Polizei. Sie schaffen damit keine Sicherheit für die Polizei – im Gegenteil! Sie machen die Situation gefährlicher. Denn erstens ist es in den alltäglichen Situationen, in die man als Polizist kommt – Nahkontakt mit Bürger-innen und Bürgern, aus denen sich unvorhergesehen eine Gefahr entwickelt, – gar nicht möglich, noch eine Dateiauskunft einzuholen. Ihre Speicherung bringt für diese vielen, vielen Fälle rein gar nichts!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Die zweite Situation ist der gezielte Einsatz, bei dem man vorher Zeit hat, Auskunft einzuholen, Vorbereitungen zu treffen und auch Handschuhe anzuziehen, lieber Peter Trapp. Und wie geht man dann vor? – Richtig, man geht mit polizeilicher Überlegenheit vor. Sie gehen nur in den Nahkontakt, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Das sollten Sie aber ohnehin machen, wenn Sie als Polizei die Zeit haben, und in der Regel bekommen Sie ja dadurch, dass noch nicht so viele Menschen da gespeichert sind,

eine Nichtauskunft, weil niemals alle Daten von vermeintlich ansteckenden oder psychisch kranken Menschen gespeichert werden. Hier schafft Ihre Datenspeicherung eben eine gefährliche Scheinsicherheit für die Eigensicherung der Polizei, denn der Umkehrschluss, ohne Eintrag lägen keine bestimmten Gefahren vor, läuft völlig ins Leere, und das wollen wir nicht.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Ich sage Ihnen: Durch diese Regelung gefährden Sie konkret Polizistinnen und Polizisten in ihrem Alltag. Machen Sie diesen Quatsch nicht mit!

Auf der anderen Seite öffnen Sie Tür und Tor für die Speicherung aller HIV-Positiven, aller an Hepatitis Erkrankten und aller psychisch kranken Menschen. Das ist der grundrechtliche Dammbruch eines Staats, der vieles über seine Bürgerinnen und Bürger wissen will und nicht sieht, dass es hierbei keinen Rechtsschutz für die Betroffenen und eine unglaublich hohe Missbrauchsgefahr gibt. Auch das wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Man kann in Zukunft speichern und abfragen, wer alles in der Stadt HIV-positiv oder psychisch krank ist. Sie verkennen dabei völlig – auch in Ihrer Beschlussempfehlung –, dass die meisten psychisch Kranken eher friedlich sind und vielleicht nur einmal einen kleinen Moment haben, in dem sie gewaltbereit sind. Das übersehen Sie, und das kann nicht sein. Eine so pauschale Regelung, alle Personen zu speichern – das ist die Politik der frühen Achtzigerjahre, und es kann nicht sein, dass wir als Berliner Parlament das mittragen. Deswegen noch einmal mein eindringlicher Appell: Wenn Sie etwas Gutes für die Eigensicherung der Berliner Polizei tun wollen, dann stimmen Sie diesem Antrag nicht zu!

Noch etwas zu Ihrer tatsächlichen Bilanz bei der Eigensicherung der Polizei: Es gibt kaum noch Fortbildungen, weil der Regeldienst vorgeht. Verhaltens- und Einsatztraining für schwierige Situationen sind auf ein Mindestmaß reduziert, weil Ausbilderinnen und Ausbilder fehlen, und selbst das Waffentraining wird in Berlin kaum geübt, da fast alle Schießstände marode sind. – Das ist Ihre Bilanz für mehr Eigensicherung der Polizei, und das ist eine fatale Bilanz! Sie schlagen den Sack und meinen den Esel. Wir als Oppositionsfraktionen geben dem völlig zu Recht eine klare Absage. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Danke schön, Kollege Lux! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Kollege Dr. Juhnke das Wort. – Bitte sehr!

(Benedikt Lux)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hatten am Montag im Innenausschuss den Lagebericht über Gewalt gegen die Polizei. Wir hatten eine ungewohnt sachliche Debatte, und alle haben die Notwendigkeit des Schutzes der Polizei vor Übergriffen und Verletzungen betont. Ich glaube, dass nicht zuletzt die starke Präsenz von Vertretern der Polizeigewerkschaften dazu beigetragen hat, dass auch die Vertreter, die die Polizei sonst primär in ihrer Täterrolle wahrnehmen, in dieses Horn gestoßen haben. Ich sage es auch hier: Die personengebundenen Hinweise sind ein Mittel, um Polizisten zu schützen. Dieses Mittel lassen wir uns nicht nehmen, wie es in Ihrem Ursprungsantrag gefordert wurde. Im täglichen Einsatz sind diese Hinweise sinnvoll, aber logischerweise natürlich nur da, wo das polizeiliche Gegenüber bekannt ist. Herr Lux hat Herrn Lauer schon vorweggenommen, der sicher gleich mit dem Stichwort „Sicherheitsesoterik“ kommen wird,

[Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN)]

wenn man darauf hinweist, dass etwas nicht hundertprozentig wirksam ist, dann sollte man es gleich sein lassen. Natürlich ist das nur wirksam, wenn man weiß, wer das polizeiliche Gegenüber ist. In allen anderen Situationen nützt es nichts; da haben Sie vollkommen recht. Aber es ist ja Ihre ständige Logik: Wenn etwas keinen hundertprozentigen Schutz liefert – und was tut das schon? –, dann sollte man es gleich abschaffen. Dieser Logik können wir allerdings nicht folgen, denn das ist ein durchschaubarer Kurzschluss.

Die CDU wird dem nicht folgen. Diese Hinweise können wichtige Informationen sein, um die Mitarbeiter zu schützen. Warum fordern denn die Vertreter der Polizeigewerkschaft nicht nur eine Beibehaltung, sondern sogar eine Ausweitung, wenn das angeblich nichts bringt? Bei diesen Hinweisen geht es im Übrigen nicht um Stigmatisierung, denn diese Informationen sind nur wenigen Berechtigten bekannt, die in dieses System Einblick haben. Vor allem geht es nicht um eine flächendeckende Datensammlung, da lediglich Personen, die die in diesem Datensystem gespeichert sind, davon betroffen sein können. Ich hoffe, das hat mittlerweile jeder verstanden. Deshalb ist es völliger Blödsinn zu sagen, hier ginge es um eine flächendeckende HIV-Datei oder ähnliche Dinge. Und selbst wenn man das aus Motiven vorhätte, für die mir im Moment die Phantasie nicht reicht, wäre diese Datenbank aus den genannten Gründen das völlig falsche Medium. Also sind die Vorwürfe pure Angstmacherei und völlig unseriös. Ich glaube, es geht vor allem um Stimmungsmache zum anstehenden Welt-Aids-Tag.

[Zurufe: Hä?]

Die Krankheiten, die hier unter dem Label „Ansteckungsgefahr“ genannt sind, sind im Übrigen mit dem Robert-Koch-Institut gemeinsam erarbeitet worden. Es sind, schon genannt, HIV und Hepatitis B und C. Sie sind

dort aufgenommen worden, weil es sich um Krankheiten handelt, die nicht heilbar sind.

Dieses Vorgehen ist im Übrigen kein Rückfall in irgendwelche Gesichtsklitterungen, die Herr Lux hier gerade über die Achtzigerjahre von sich gegeben hat, sondern bundesweit einheitlich und klar geregelt. Berlin wendet sie genauso wie das grün-rot-regierte BadenWürttemberg oder andere Bundesländer in dieser Bundesrepublik Deutschland an. Es werden im Übrigen auch nur gesicherte und durch ärztliche Gutachten belegte Hinweise aufgenommen. Somit bestehen auch jene Bedenken nicht mehr, auf die berechtigterweise hingewiesen wurde und die 1988 zu der Empfehlung geführt haben, diese Hinweise nicht mehr zu verwenden.

Wir bekennen uns zur Anwendung dieser personengebundenen Hinweise, weil wir den Schutz der Beamten gewährleisten wollen. Das ist ein Schutz, den wir nicht nur als Lippenbekenntnis anführen wie die Opposition, die in der Praxis ja alles ablehnt, was in diese Richtung geht.

Ich erinnere beispielsweise an die Diskussion um neue Ausstattungen. Wenn es darum geht, wird noch nicht einmal die Diskussion begonnen, sondern es wird gleich abgelehnt. Geht es um mehr Personal, um bessere Ausstattung, zum Beispiel in eine Investition in die Schießstände oder die Polizeischule – der Haushalt wird abgelehnt. Geht es darum, den Unterbindungsgewahrsam maßvoll auszudehnen, um damit potenzielle Gefährder auszuschalten, dann wird das Geschrei groß.

[Zurufe von der LINKEN und den PIRATEN]

Meine Damen und Herren! Der Redner hat das Wort!