Protokoll der Sitzung vom 27.11.2014

[Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]

Das ist unser Bestreben, dass wir hier – und das wissen Sie, Kollegen Schneider und mir und anderen Koalitionshaushältern ist das ein besonderes Anliegen – mit den investiven Mitteln auch ordentlich umgehen.

[Steffen Zillich (LINKE): Da waren Sie noch nicht restlos erfolgreich!]

Gleichwohl sagen wir, wir brauchen auch noch institutionalisiert einen anderen Umgang. Deswegen ist das Gesetz, das wir Ihnen heute vorlegen, genau der richtige

(Joachim Esser)

Weg, weil wir damit verbindlich sagen: Wir wollen einen zusätzlichen Schwerpunkt in Investitionen legen. Die wachsende Stadt können Sie drehen und wenden, wie Sie wollen, das kann bedeuten, wir brauchen eine neue Schule, aber es kann auch sein, dass wegen wachsender Einwohnerzahlen eine alte Schule renoviert werden muss. Na gut, dann haben wir eben auch eine Bestandssanierung einer Schule. Das sind alles Dinge, die wir für die wachsende Stadt benötigen. Infrastruktur ist jedenfalls in den Facetten, die wir hier aufgezeigt haben, für uns sehr wichtig – und daneben auch die Schuldentilgung.

Wir begrüßen es sehr, Herr Dr. Nußbaum, dass die Finanzplanung, die Sie aufgelegt haben, diese Umstände auch bereits berücksichtigt. Das heißt, auch hier haben wir eine gute Zusammenarbeit mit dem Senat und der Finanzverwaltung, wofür ich mich ausdrücklich bedanken möchte. Ich glaube, wir haben hier mit dem vorliegenden Gesetzentwurf noch einmal die gerade und erfolgreiche Linie der Koalition in Haushalts- und Finanzpolitik unterlegt. Ich glaube, das haben die Fraktionsvorsitzenden Saleh und Graf hier auch bei der Vorstellung dieser Initiative, die nicht erst gestern war, sehr deutlich gemacht. Wir wollen das in diesem Jahr noch umsetzen, damit es im nächsten Jahr in Kraft treten kann. Wir glauben, dass wir damit noch einen wichtigen Baustein in eine erfolgreiche Haushalts- und Investitionspolitik dieses Landes gesetzt haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Kollege Goiny! – Für die Fraktion Die Linke erteile ich jetzt dem Kollegen Zillich das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wohl wahr, die Stärkung der Infrastruktur in der wachsenden Stadt ist ein drängendes Problem. Investieren und die Stadt nicht weiter auf Verschleiß fahren ist in der Tat das Gebot der Stunde. Das diskutieren wir nicht erst seit heute, und die finanziellen Spielräume dafür sind auch vorhanden, auch wenn sie eher kleiner als größer werden. Insoweit sollten wir uns freuen, insoweit freue ich mich tatsächlich, dass die Koalition dem jetzt Rechnung trägt, denn wir erinnern uns noch an die Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre. Die Opposition hatte vorgeschlagen, die Jahresüberschüsse für Investitionen in Wohnen, Nahverkehr und den Rückkauf der Wasserbetriebe zu verwenden. Was sind wir beschimpft worden, Kollege Esser hat es angedeutet, das sei jenseits der finanzpolitischen Vernunft.

[Uwe Doering (LINKE): Von Schneider und Co.!]

Gut, dass es hier eine Kurskorrektur seitens der Koalition gibt, schlecht dass sie so spät geschieht, denn die Chance

für Investitionen im Umfang von mehreren Hundert Millionen Euro wurde dadurch vertan.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Uwe Doering (LINKE): Lieber spät als nie!]

Aber gerade angesichts der Vorgeschichte muss man sich über die Genese des Antrags doch schon wundern. Der Inhalt ist auch für die Koalition nicht neu. Der erste Entwurf stammt spätestens vom Oktober 2013. Er ist inzwischen im Frühling, Sommer, Herbst und Winter der Entscheidungen mehrfach angekündigt und öffentlich verbraten worden, ohne dass etwas passiert ist.

[Torsten Schneider (SPD): So macht man das!]

Und wie gesagt, die tatsächliche Politik von Senat und Koalition war währenddessen immer eine andere.

[Heiterkeit von Carsten Schatz (LINKE)]

So wundern wir uns natürlich schon, wenn wir dieses auch für Sie nicht neue Thema dann gestern als dringlichen Antrag vorgelegt bekommen. Ich will mich jetzt nicht formal mit dem Thema Dringlichkeit auseinandersetzen, darum geht es nicht, sondern es geht um den Politikmodus und auch um die mangelnde Ernsthaftigkeit, die dadurch sichtbar wird.

Nun bekommen wir heute eine Tischvorlage, die diesen gestrigen Antrag ersetzt. Wie das? – Die Opposition hat die Koalition gestern darauf aufmerksam gemacht, dass das, was sie öffentlich und in der Begründung behauptet, dass sie beantragen würde, tatsächlich mit dem Antrag gar nicht beantragt wird. Ich bekomme langsam ein Problem mit meinem Oppositionsverständnis. Offensichtlich ist unsere Aufgabe, dem Senat und der Koalition zu helfen, erst beim Besoldungsgesetz, jetzt hier, aber wir machen das ja gerne, wenn andere arbeiten wie die Profis.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Aber der Unterschied zwischen diesen beiden Versionen ist doch kein kleiner oder redaktioneller, sondern es geht um den relevanten Unterschied: Geht es um die geplanten Überschüsse, oder geht es um die tatsächlichen Überschüsse? Um es einmal deutlich zu machen: Für das vergangene Jahr, für 2013 wäre das ein Unterschied zwischen 0 Euro und einer knappen Viertelmilliarde Euro gewesen. Für dieses Jahr wird es wahrscheinlich ein Unterschied zwischen 10 Millionen Euro und ebenfalls einer Viertelmilliarde Euro sein, aber das kann einem ja mal so durchrutschen.

[Zuruf von Senator Dr. Ulrich Nußbaum]

Das ist korrigiert, aber es bleiben darüber hinaus noch ein paar grundlegende Kritikpunkte. Ich will darüber reden. Kollege Esser hat es angedeutet. Erstens sind die Investitionen tatsächlich auf die Hälfte der Überschüsse reduziert. Der Kollege Wowereit hat ja zu Recht gesagt, das

(Christian Goiny)

Ganze ist ein Tilgungsgesetz. Warum ist das ein Kritikpunkt? – Wenn wir eine Tilgung von jährlich 100 Millionen Euro, wie es die Finanzplanung vorsieht, in Augenschein nimmt, dann bedeutet das einen Schuldenabbaupfad von über 500 Jahren. Eine Finanzplanung auf solche Zeiträume auszulegen, ist albern.

Zum Zweiten, Kollege Esser hat es gesagt: Die Unterlassung von Investitionen zugunsten der Tilgung ist nichts anderes als eine besonders teure Form der Neuverschuldung, und Tilgung durch Neuverschuldung ist Quatsch.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Der zweite Kritikpunkt ist, auch das hat Kollege Esser schon gesagt, die Begrenzung der Investitionen auf die wachsende Stadt. Mal sehen, wie es dann ausgelegt wird. Es gibt genügend Investitionen, die jenseits der wachsenden Stadt dringend nötig sind. Darüber werden wir in den Ausschussberatungen reden.

Der dritte Punkt – auch da hat der Kollege Esser recht: die Abwicklung des Sondervermögens – so lese ich es – jenseits des Haushalts und des Budgetrechts des Parlaments. Wenn das jetzt ein anderes Verständnis bekommen sollte, dann werden wir darüber in den Ausschussberatungen sinnvoll reden können.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Koalition! Wir werden das alles in den Ausschussberatungen einzeln diskutieren, aber am Schluss muss ich doch noch Ihre Begründung zitieren. Sie schreiben da:

Wir werden daher auch zukünftig sparsam Politik gestalten…

[Heiterkeit – Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Nun teilen wir den Eindruck durchaus, dass Sie vom Instrument der Politikgestaltung bisher sparsam Gebrauch gemacht haben, aber wenn Sie nun bekennen, das auch weiterhin so zu halten, dann überrascht das uns zwar nicht, aber es ist gleichwohl ernüchternd für die Stadt. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Torsten Schneider (SPD): Hätten Sie mal gestern sagen können, dann hätte ich es noch geputzt! – Joachim Esser (GRÜNE): Dann hättet ihr den Satz auch eliminiert! – Heiterkeit]

Vielen Dank, Kollege Zillich! – Für die Piratenfraktion darf jetzt der Kollege Herberg das Wort ergreifen. – Bitte schön!

Danke schön, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren!

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Meine Damen und Herren! Würden Sie bitte dem Redner die Aufmerksamkeit zuteil kommen lassen!

Das ist ja wie im Ältestenrat hier. – Fange ich einmal an mit dem zitierten Satz von Herrn Schneider: „Was lange währt, wird endlich gut.“ Da fragt man sich doch wirklich, warum dann dieser Antrag einen Tag, bevor das Plenum ist, hier dringlich eingebracht werden musste und warum jetzt da oben in der Ecke auch noch 17/1980 – handschriftlich – „Neu“ stehen muss. Das ist schon ein gutes Zeichen dafür, wie die Koalition hier mit Gesetzen umgeht, vor allen Dingen zu solchen extrem wichtigen Punkten, die auch haushaltsrelevant sind, die Punkte wie die Rechte der Abgeordneten anschneiden und ähnliche Dinge.

Gehen wir mal rein: SIWA – schöner Name! Und zum Zweck: Da steht die wachsende Stadt, insbesondere Neubau und Erweiterung. Warum steht da das Wort „Erhalt“ zum Beispiel nicht drin? Es nützt uns doch überhaupt nichts, wenn wir neue Schulen bauen, und gleichzeitig verfallen andere Schulen. Das hält sich ja dann die Waage. Da bleibt am Ende nichts übrig. Das ist ein Punkt, den wir hoffentlich noch in die Beratungen hineinbekommen.

Ein anderer Punkt, der mich daran stört, ist das Wort „insbesondere“, denn wenn wir uns unsere Geschäftsordnung angucken, wo das Wort „grundsätzlich“ bei 19.00 Uhr steht, dann wissen wir ja, wie Sie normalerweise „grundsätzlich“ und andere Wörter auslegen. Wenn da solche harten Wörter wie „insbesondere“ drinstehen, dann fragt man sich schon, ob dann am Ende wirklich nur, wenn die Stadt wächst, wenn neue Leute kommen, das Geld in Neubau hineingepackt werden darf. Oder können wir das Geld auch ausgeben, wenn in einem Jahr zufälligerweise keine neuen Menschen kommen und die Stadt somit nicht wächst? Wenn man das so schwammig in Gesetze schreibt, sollte man sich lieber länger darüber Gedanken machen. Wir haben jetzt noch zwei Wochen Zeit. Das ist alles kurz vor Ende des Jahres. Uns hätten Sie das um die Ohren geschlagen. Sie machen es trotzdem. Sie haben die Mehrheit. Das ist schade. Reden wir

(Steffen Zillich)

darüber lieber im Hauptausschuss noch einmal. – Über Rechtschreibfehler sage ich jetzt lieber nichts.

Dann kommen wir zu § 3, die Stellung im Rechtsverkehr: Wenn man sich das alles durchliest, dann heißt das für mich im Prinzip, Sie geben die Hälfte aller Überschüsse, die wir im Land Berlin erzielen, als Parlament aus der Hand, weil Sie hineinschreiben, dass einzig und allein der Senat vorschlagen darf. Damit haben wir als Parlament kein Initiativrecht, um über diese Mittel zu entscheiden. Das ist eine Farce. Das heißt, wir sind als Parlament in Zukunft noch stärker vom Senat abhängig, um unser Geld auszugeben, als wir es ohnehin schon sind. Und das wollen Sie jetzt noch ins Gesetz schreiben. Ich gehe mal davon aus, dass wir das, was Herr Esser schon angesprochen hat, nämlich die Problematik der Rechte des einzelnen Abgeordneten, nicht nur im Hauptausschuss andiskutieren, sondern auch juristisch prüfen lassen müssen.

[Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Es kann ja nicht sein, dass wir unsere eigenen Rechte aus der Hand geben.

[Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Wenn wir dann mal zur Finanzierung übergehen – das wurde ja schon angesprochen; da wurden die gröbsten Fehler schon rausgenommen – und uns den Haushaltsplan und das Haushaltsrecht angucken, dann haben Sie ebenfalls schon den wichtigen Punkt aufgemacht, nämlich Haushaltsklarheit, Haushaltswahrheit und Haushaltstransparenz. Natürlich sind wir uns dessen bewusst, dass nicht jede Ausgabe exakt in einen Haushaltsplan geschrieben werden kann, dass z. B. jetzt bei Flüchtlingen abgewichen werden muss. Aber es kann doch nicht sein, dass wir im Prinzip fest veranschlagen, dass eine bestimmte Summe komplett in das exekutive Handeln übergeben werden kann, und wir als Parlament im Prinzip nur noch zuschauen und im Zweifelsfall Nein sagen können. Das ist ja eine Abhängigkeit von der Regierung, die wir da aufbauen, die Sie als Mehrheitsfraktionen noch mittragen können, aber die elementaren Rechte der Opposition, an diesen Punkten überhaupt mitzudiskutieren, haben Sie damit weggenommen. Das ist ein Punkt, an dem wir definitiv so nicht mitgehen können. Darüber müssen wir noch einmal ernsthaft reden.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN]

Wenn ich mir noch einmal den Anfangssatz von Ihnen zurechtlege: Was lange währt, wird endlich gut. – Ja, Sie haben sich echt viel Zeit gelassen, denn die letzten beiden Jahre wären eigentlich die gewesen, in denen wir ein Gesetz oder Haushaltsberatungen dieser Art gebraucht hätten. Wir haben zwei Jahre lang nicht die Mittel, die wir zur Verfügung hatten, in Investitionen gesteckt. Das fällt uns jetzt nicht nur bei den Flüchtlingen mit Wohnungen und Ähnlichem auf die Füße, denn wir hätten die Möglichkeit gehabt, dort in die Infrastruktur der Stadt zu investieren. Das haben Sie leider unterlassen, und Sie