Protokoll der Sitzung vom 15.01.2015

was getan werden muss, damit sich die Messe weiterhin in einem schrumpfenden Markt mit härter werdendem Wettbewerb behaupten kann. – Ich hoffe, dass wir mit unserem Antrag einen Anstoß dazu geben können, einmal ausnahmsweise Probleme anzugehen, bevor sie unlösbar werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Kollege Mayer! – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Jahnke. – Bitte sehr!

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Messe- und Kongressgeschäft ist für Berlin ein wichtiger Standort- und Wirtschaftsfaktor. Selbstverständlich hat die Messe Berlin GmbH daran einen entscheidenden Anteil und erwirtschaftet mittlerweile einen Umsatz – jedenfalls in geraden Jahren, Herr Mayer – von über 200 Millionen Euro. Wie es in der Begründung des vorliegenden Antrags der Piratenfraktion völlig zu Recht beschrieben wird, hat sich die Berliner Messe in einem hart umkämpften und volatilen Markt als fester Player etabliert und im Wettbewerb behauptet.

Der Hinweis auf eine hohe Nachfrage nach weiteren Messeflächen in Berlin ist ebenfalls richtig: Bei der ITB, der InnoTrans, der IFA – die seit einigen Jahren bereits im jährlichen Rhythmus stattfindet – und bei weiteren Messen ist noch viel Luft nach oben, könnte noch erheblich mehr Umsatz gemacht werden, wenn wir mehr Fläche zur Verfügung hätten. Genau dies war seinerzeit auch die Begründung für den Bau des City-Cubes: dort in erster Linie zusätzliche Messeflächen zu schaffen. Die Nutzung des City-Cubes als Ausweichquartier für Kongresse war ursprünglich von der Messegesellschaft als temporäre Lösung für eine möglichst kurz zu haltende Schließzeit des ICC während der Sanierung propagiert worden.

Hier kommen wir nun zu einem entscheidenden Punkt für die weitere Entwicklung des Messe- und Kongressstandorts Berlin, der im Piratenantrag mit keinem Wort Erwähnung findet. Es heißt dort lediglich vage in der Begründung, dass

sich die Messe mit ihrem Umzug weg vom traditionellen Standort ICC zum City-Cube veränderten Rahmenbedingungen stellen muss.

Das Wort Kongresse kommt in Ihrem gesamten Antrag überhaupt nicht vor.

Die positive Entwicklung des Messe- und Kongressgeschäfts in Berlin lief jedoch bisher Hand in Hand. Kongressbesucher lassen im Durchschnitt auch erheblich mehr Geld in der Stadt als reine Messebesucher. Hiervon

profitieren Hotels, Gastronomie und Handel. Das heißt, Wertschöpfung und Arbeitsplätze entstehen. Es gehört zu den großen Versäumnissen der Messe Berlin GmbH, dass sie in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren auf ein schickes neues Kongresszentrum hoffend alles hintertrieb, was auf eine rechtzeitige Ertüchtigung des ICCs für die kommenden Jahrzehnte hinauslief.

[Beifall von Jörg Stroedter (SPD) – Joachim Esser (GRÜNE): Und die anderen in Ihrer Fraktion?]

Seien Sie mal ruhig, Herr Esser! – Hierzu gehört natürlich auch die bereits geschilderte Taktiererei um die Zweckbestimmung des City-Cubes. Diese Unaufrichtigkeit fällt uns nun auf die Füße. Der City-Cube kann nicht beides zugleich leisten: die Messefläche signifikant erweitern und für Kongresse uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Der City-Cube steht für mindestens drei Monate des Jahres als Kongresszentrum überhaupt nicht zur Verfügung, weil er dann mit ebenfalls dringend benötigten Messeflächen belegt ist. Die Messegesellschaft hat sich in ihrem jahrelangen Taktieren um das ICC im wichtigen Kongresssegment selbst das Wasser abgegraben. Und sie hat damit ungeachtet aller sonstigen Erfolge dem Kongressstandort Berlin objektiv geschadet. Von Platz drei in der Reihe der internationalen Kongressstädte ist Berlin bereits auf Platz fünf abgesunken. Ein weiteres Abfallen steht zu befürchten. In Wien beispielsweise, der Nummer eins auf dem Weltmarkt, stehen internationalen Kongressveranstaltern mehrere erstklassige Kongressfacilitäten bis hin zur Hofburg zur Verfügung. Die Frage lautet dort nur: Welche hätten S‘ denn gern?

Wir in Berlin hingegen werden auf Jahre hinaus nur vermehrt auf private Angebote verweisen können, sofern diese überhaupt bestehen, während unsere landeseigene Messegesellschaft in ihrem Angebot an Kongressflächen stark beschränkt bleibt. Vielleicht lässt sich einiges im ehemaligen Flughafengebäude Tempelhof realisieren, vielleicht kann der City-Cube temporär stärker für die Kongressnutzung geöffnet werden, aber dies, wie gesagt, würde wiederum die Wachstumschancen für die großen Messen begrenzen. Es führt kein Weg daran vorbei, die dringend benötigten Kongressflächen auch im ICC zu schaffen.

Die Mischnutzung des ICC, auf die sich die Koalition verständigt hat, macht vieles vorstellbar. Jedoch kann erstens mit der Umsetzung nicht mehr ewig gewartet werden, wollen wir nicht unter den Kongressstädten völlig abfallen.

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Zweitens kann es in Anbetracht der Nachfrage nach Kongressflächen kaum eine sinnvolle Mischung sein, wenn im ICC nur ein großes Shoppingcenter mit ein paar kleineren Kongressflächen übrig bleibt.

[Steffen Zillich (LINKE): Wie viel Geld?]

(Pavel Mayer)

Sie sehen, das Thema ist weitaus komplexer, als im Antrag der Piratenfaktion angelegt. Wir werden hierauf aber bei der Diskussion in den Ausschüssen eingehen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Jetzt hatte der Kollege Mayer um eine ganz kurze Kurzintervention gebeten. – Bitte schön!

Genau, nur ganz kurz. – Herr Jahnke! Ich wollte noch hinzufügen, dass das Kongressgeschäft bei der Messe gerade mal ungefähr 10 Prozent des Umsatzes ausmacht. Das ist vielleicht wichtig zu wissen. Und damit ist es deutlich weniger als nur eine einzige der großen Messeveranstaltungen. Generell haben Sie recht, aber die Frage besteht, ob man vielleicht, wie sich auch Frau Yzer in der Presse geäußert hat, das ganze Kongressgeschäft eher den Privaten überlassen sollte. Ich finde, das ist auch eine Debatte, die wir in dem Zusammenhang dringend führen sollten. Ich hatte nur nicht genug Redezeit, darauf noch einzugehen. – Danke!

Danke schön! – Herr Kollege Jahnke! Sie können gerne antworten. – Bitte sehr!

Ja, Herr Mayer! Da haben Sie recht, dass der Anteil der Messeerträge natürlich bei der Messegesellschaft höher ist als der Anteil der reinen Kongresserträge. Aber in meiner Rede habe ich bereits auf die Zusammenhänge hingewiesen, dass man Messe und Kongresse im Zusammenhang sehen muss und dass das eine das andere mit sich zieht und sinnvoll ergänzt. Ich habe auch etwas gesagt über die wirtschaftspolitischen Effekte für das Land Berlin, die von Kongressen ausgehen. Die sind natürlich immens höher als bei Messen. Deshalb sollten wir die Kongresse nicht vergessen. Kongresse kann man natürlich auch bei Privaten veranstalten. Das ist möglich, aber ich sagen Ihnen, nicht jeder Kongressveranstalter wird nun ins Estrel gehen, so schön das Estrel sein mag, aber die Lage ist nicht ganz zentral. Wir müssen, meine ich, Kongressfacilitäten rund um das Messegelände am Funkturm neu schaffen oder wieder entwickeln.

[Beifall von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Das Gelände selbst mit einem zweiten City-Cube zu bebauen, halte ich für völlig verfehlt und irre, gemessen an den Flächen, die wir auf dem Messegelände für Messen brauchen. Das ICC steht dort als ein erfolgreiches, in aller Welt eingeführtes Gebäude. Man muss es nur er

tüchtigen für das 21. Jahrhundert. Das sollte hier unser politischer Wille sein.

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Jetzt aber hat die Kollegin Ludwig für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Heute Abend wird in Berlin die Grüne Woche eröffnet, erfolgreich wie nie. Jeder Messequadratmeter ist belegt, erstmals seit 40 Jahren.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Jürn Jakob Schultze-Berndt (CDU)]

Die erfolgreichste Schau für „niedliche“ Massentierhaltung und extensive Landwirtschaft! Mit einer Halle für Bioprodukte wird das grüne Gewissen bedient. Ansonsten: politische Weichenstellung? – Fehlanzeige! Denn diese Messe soll die Kasse füllen, mehr nicht.

[Zuruf von Jürn Jakob Schultze-Berndt (CDU)]

Nächste Woche Fashion-Week, da gibt es ja mehr Veranstalter als nur die Messe. So kann man ja schön vergleichen, was die anderen so machen. Die Premium z. B. präsentiert erstmals „wearable IT and fashion tech“, ein absolutes Trendthema, auch wenn Sie es vielleicht noch nicht gehört haben. Aber da können Sie sehen, dass so etwas, wenn irgendwoher, doch nur aus Berlin kommen kann. Frau Yzer hat das in ihrer Pressearbeit dankbar aufgegriffen. Denn von ihrer Messe ist nicht viel zu erwarten. Ich frage mich: Finden Sie das nicht auch schade, dass Sie sich hier mit fremden Federn schmücken müssen?

Und die Messe Frankfurt veranstaltet während der Fashion Week in Berlin den Green-Showroom und die Ethical Fashion Show im Postbahnhof. Und warum? – Das liest man auf deren Internetseite: Grüne Mode ist ein Wachstumsmarkt. Ja, da sind sie ganz meiner Meinung.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Genau deswegen investiert die Messe Frankfurt seit Jahren in diesen Bereich, während die Messe Berlin es sich mit der Panorama unter dem Funkturm gemütlich macht und dort das Forum für die etablierten Marken bietet.

[Zuruf von Pavel Mayer (PIRATEN)]

Das ist peinlich, da erwarte ich mehr von landeseigenen Unternehmen. Diese sollen doch Trends aufgreifen, die Berlin weiterbringen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Denn es ist doch bekannt, nach Medizin und Wissenschaft sind die großen Potenziale für Berlin im Bereich Messen und Kongresse bei IT und grünen Umwelt

(Frank Jahnke)

themen. Also warum passiert da nicht mehr? – Ich kann es Ihnen sagen, warum. Dieses Landesunternehmen hat ausschließlich kurzfristige betriebswirtschaftliche Ergebnisse im Blick. Dann kommt dabei so etwas heraus: eine Messegesellschaft, die agiert wie ein Privatunternehmen, denn politische Zielvorgaben fehlen. Da braucht man sich auch gar nicht zu wundern, liebe Frau Yzer, wenn sich die Messe am liebsten gar nicht mehr in ihr Geschäft hineinreden lassen will, denn mit Betriebswirtschaft kennen die sich besser aus als dieser Senat.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ihre Schlussfolgerung aber, die Sie uns am Montag im Wirtschaftsausschuss präsentiert haben, man könne auch gleich das ganze Kongressgeschäft privatisieren, ist absolut absurd und gefährlich. Uns interessiert doch im Wesentlichen der volkswirtschaftliche Output, der durch die Kongresse erbracht wird. Der Private wird natürlich immer nur die Betriebswirtschaft im Blick haben.

[Michael Dietmann (CDU): Und wo ist da der Unterschied?]

Wir holen doch die Kongresse nicht für ein paar Tausend Euro Saalmiete her, sondern für über 2 Milliarden Euro Kaufkraft, die dadurch in die Stadt gespült werden, und das jährlich. Und wenn Sie künftig nicht nur Schulklos sanieren wollen, sondern vielleicht auch ganze Schulen, dann sollte Ihnen an diesen Einnahmen, die sich dann auch im Haushalt widerspiegeln, mehr als gelegen sein.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Das alles setzen Sie mit Ihrer Politik aufs Spiel. Und damit ist es auch richtig, dass die Piraten hier diesen Antrag stellen. Nur sehe ich als Adressaten, den Sie im Antrag immer nennen, nicht so sehr die Messe Berlin, die ihre Hausaufgaben machen muss, sondern vielmehr den Senat in der Pflicht. Sie haben die Aufgabe, Ihrem Landesunternehmen die Richtung vorzugeben. Und wenn Ihr Unternehmen – ich sage mal: dankenswerterweise – eine recht sinnvolle Studie in Auftrag gibt, um die für Berlin notwendigen Kongresskapazitäten zu ermitteln, dann ist das absolut korrekt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dietmann?

Ja, selbstverständlich.