Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

Meine Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen werden gleich die neu gebildeten Arbeitsgruppen zum Thema Wohngemeinschaften erwähnen.

[Senator Mario Czaja: Genau!]

Diese sind, auch meiner Meinung nach, sehr wichtig.

[Senator Mario Czaja: Na, sehen Sie!]

(Marion Platta)

Das reicht aber nicht aus. Und diese Arbeitsgruppen dürfen nicht benutzt werden, um die Novellierung des Wohnteilhabegesetzes noch Jahre zu verschleppen.

Wir haben unseren Antrag gestellt, damit sich der Senat endlich auf den Weg macht und unter Beteiligung aller betroffenen Akteure moderne Regelungen findet. Wir brauchen schnell ein Gleichgewicht zwischen der Privatheit der Wohnung und dem Schutz von Pflegebedürftigen. Dafür treten wir Grüne ein – Sie hoffentlich auch! – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die SPD-Fraktion jetzt Frau Kollegin Radziwill – bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen, meine Herren! Es geht um das Gesetz über Selbstbestimmung und Teilhabe in betreuten gemeinschaftlichen Wohnformen, das sogenannten Wohnteilhabegesetz, seit Juni 2010 gültig. Ziel und Zweck dieses Gesetzes ist es, ältere, pflegebedürftige oder behinderte volljährige Menschen in betreuten gemeinschaftlichen Wohnformen vor Beeinträchtigungen zu schützen und sie dabei zu unterstützen, ihre Interessen und Bedürfnisse durchzusetzen. Es ist ein notwendiges, ein gutes Gesetz, und viele von Ihnen haben es damals mit beraten und verabschiedet. Und in der Tat, Frau Villbrandt, da stimme ich mit Ihnen überein: Pflege geht uns alle etwas an, und wir haben genau hinzuschauen.

Erst nach diesem Gesetz müssen nun alle sogenannten Pflege-WGs erfasst werden, das heißt, die Betreiber müssen sie anmelden.

[Thomas Birk (GRÜNE): Es gibt aber keine Betreiber von WGs!]

Und wir haben als Land Berlin nun eine bessere Übersicht. In Berlin ist die entstandene Vielfalt der Wohn-, Pflege- und Betreuungsangebote Pflegebedürftiger und Menschen mit Behinderung nun sehr gut. In keinem anderen Bundesland ist diese Vielfalt so groß. Ich finde, das ist auch grundsätzlich ein Erfolg.

Frau Villbrandt fordert uns nun auf, strengere Qualitätsanforderungen und noch viel mehr zusätzliche Dokumentationen durchführen zu lassen. Ich bin skeptisch, Frau Villbrandt, ob das notwendig und eine sinnvolle Forderung ist, denn viele klagen über zu hohen bürokratischen Aufwand und zu hohen Dokumentationsaufwand. Nach Rücksprache mit Betreuern, Pflegeberatern, Mitarbeitern, aber auch Betroffenen stelle ich fest, dass erstens die Heimaufsicht und MDK mindestens einmal jährlich unangemeldet kontrollieren –

[Thomas Birk (GRÜNE): Wo haben Sie das denn gehört?]

gerne können wir das auch noch im Ausschuss vertiefend beraten –, und bei Beschwerden wird auch zusätzlich kontrolliert.

Zweitens: Es gibt Qualitätsanforderungen.

[Zuruf von den GRÜNEN: Es gibt keine!]

Zu behaupten, es gäbe gar keine, halte ich für anmaßend. Sie können aber gerne konkreter aufführen, was Sie dort verändert haben wollen. Darüber werden wir auch beraten. Aber eine zusätzliche Dokumentation wird, glaube ich, nicht dafür sorgen, dass noch mehr neue Wohnmöglichkeiten erfasst werden.

Ich halte – drittens – die Befragung bei Betroffenen, wie es in dem Modellprojekt Nueva gemacht wurde – wir haben uns darüber auch ausgiebig im Ausschuss beraten –, für eine sehr sinnvolle und notwendige Möglichkeit. Da gibt es, glaube ich, noch Entwicklungspotenzial.

Viertens: Die Gleichung, wie Sie sie in Ihrer Begründung aufgestellt haben, hinkt, denn mit mehr Qualitätskontrollen werden die zusätzlichen Wohnräume nicht geschaffen.

Letzter Punkt: Wir brauchen mehr geeignete Räumlichkeiten für Pflege-WGs. Das wird, denke ich, der Senat auch beim Wohnungsneubau genauer im Blick haben müssen. Wir werden ihn dabei unterstützen. Lassen Sie uns die weitere Beratung im Ausschuss fortsetzen. Ich freue mich auf die Beratung. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall von Irene Köhne (SPD) – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Für eine Zwischenbemerkung hat Frau Kollegin Villbrandt das Wort. – Bitte schön!

Frau Radziwill! Ich muss, obwohl Sie sehr freundlich angefangen haben, jetzt intervenieren, weil es einfach nicht stimmt, was Sie sagen. Erst einmal können Sie nicht sagen, dass die Pflegedienste Betreiber sind. Die sind nicht Betreiber. Damit fängt es schon mal an. Dann ist es auch so, dass es keine Kriterien gibt, und es gibt auch keine regelmäßigen Kontrollen. Das müssten Sie eigentlich wissen. Außerdem möchte ich Sie auch noch etwas fragen: Wissen Sie, dass wir, wenn wir das Wohnteilhabegesetz – ein Gesetz, das richtig und in der Geschichte wichtig ist – anwenden würden, mehr als die Hälfte der Pflegewohngemeinschaften sofort zumachen könnten? Wissen Sie, dass das in einer Grauzone passiert, weil es

gar nicht mehr zutrifft, was darin beschrieben wird? Darum geht es in unserem Antrag.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Danke schön! – Zum Erwidern Frau Radziwill – bitte schön, Frau Kollegin!

Liebe Frau Villbrandt! Ich hätte mir gewünscht, dass wir vorher vielleicht auch eine Anhörung im Ausschuss dazu machen, um herauszuarbeiten, ob Ihre Forderung oder Ihre Behauptung, dass nichts kontrolliert wird, stimmt. Meine Informationen sind andere. Wir können uns hier die Argumente an den Kopf schmeißen, aber wir werden an dieser Stelle nicht weiterkommen. Also, lassen Sie uns den Rest im Ausschuss beraten!

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke jetzt Frau Kollegin Breitenbach – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, ich glaube, wir sind uns alle einig: Wir wollen alle eine gute Qualität in der Pflege. Das ist ein guter Anspruch, den wir alle verfolgen. Den haben wir auch mit Rot-Rot verfolgt, als wir das Wohnteilhabegesetz im Jahr 2010 eingeführt haben. Dabei ging es unter anderem darum, dass es mehr Selbstbestimmung gibt, dass es mehr Selbstständigkeit gibt und dass es auch mehr Selbstverantwortung gibt. Für viele Menschen, die auf Pflege angewiesen sind und nicht mehr alleine oder nicht mehr zu Hause leben können oder auch nicht mehr alleine leben wollen, liegen die Vorteile von Pflege-WGs auf der Hand, weil sie genau dort mehr Selbstbestimmung haben als beispielsweise in stationären Einrichtungen. Das war auch ein Punkt, den wir mit dem Wohnteilhabegesetz damals eingeführt haben oder den wir stärken wollten.

Und ich sage auch heute, dass dieses Wohnteilhabegesetz, obwohl es damals unter sehr schlechten bundesweiten Rahmenbedingungen eingeführt wurde – die Rahmenbedingungen sind heute auf Bundesebene auch nicht besser –, zu vielen positiven Entwicklungen geführt und auch Spielräume eröffnet hat. Das sagen wir heute noch: Dieses Gesetz war gut.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]

Trotzdem gilt: Luft nach oben ist immer. – Die Grünen haben jetzt einige Punkte angesprochen.

[Andreas Otto (GRÜNE): Die richtigen!]

Die sind auch nicht alle von der Hand zu weisen, auch wenn wir nicht jeden Punkt teilen, den sie angesprochen haben. Es ist immer richtig, über Verbesserungsvorschläge zu diskutieren, und das werden wir dann auch im Ausschuss genauer zu tun haben.

[Beifall bei der LINKEN]

Trotzdem sage ich, dass dazu auch gehört – und da hat Frau Radziwill recht –, dass wir uns noch einmal genau angucken, wie die Erfahrungen mit dem Wohnteilhabegesetz sind. Ich finde im Übrigen auch, dass man sich noch mal genauer angucken müsste, wie dieses Wohnteilhabegesetz bis zum heutigen Tage durchgesetzt wurde und wo es dabei hakt. Also Kontrollen sind festgeschrieben, aber wo und wie werden eigentlich Kontrollen durchgeführt, wo müssen sie eingeführt werden und wo will man das nicht. Das sind Punkte, die man sich genauer angucken muss.

Neben der Beleuchtung der Probleme müsste man sich auch noch mal genauer angucken, ob es noch weitere Stellschrauben gibt, an denen gedreht werden sollte. Ich meine: Ja, die gibt es. Da brauchen wir nur das Beispiel Pflegemangel zu nehmen. Auch wenn Herr Czaja heute wieder großartig von der Erfolgsstory der Koalition geredet hat, die wir ja auch für diesen Bereich kennen, meine ich, dass im Pflegebereich auch noch sehr viel Luft nach oben ist, um es höflich auszudrücken. Dieser Senat hat da nicht allzu viel gemacht. Wir gucken uns das mal an. Die Abschaffung des Schulgeldes ist ein wichtiger Punkt, um den Pflegemangel aufzuheben. Wir gucken uns mal an, was da passiert. Bis jetzt konnte ja noch nicht so viel dazu gesagt werden, wie dort der Zeitplan aussieht.

Das sind alles Sachen, wo ich mir wünschen würde, dass dieser Senat und diese Koalition mal irgendwie tätig werden und nicht nur sitzen und gucken würden, wie sich die Situation immer weiter verschlechtert.

[Beifall bei der LINKEN]

Liebe Grünen! Angesichts dieser Erfahrungen muss ich auch sagen, dass wir im Moment noch nicht davon überzeugt sind, dass es eine wirklich gute Idee ist, jetzt zu fordern, dass man mal dieses Wohnteilhabegesetz novelliert. In diesem Zusammenhang – Frau Villbrandt, Sie waren auch schon dabei – erinnere ich an die legendären Reden von Herrn Hoffmann zum Wohnteilhabegesetz. Die Positionen der CDU waren zum Weglaufen, und dieser Senat und diese Koalition sollen jetzt Verbesserungen über eine Änderung des Wohnteilhabegesetzes herbeiführen? Da frage ich Sie: Trauen Sie das diesem Senat wirklich zu? – Dieser Senat hat bisher nichts gemacht. Die wollen keine Politik gestalten, und seit heute zeigen sie uns auch mit diesen lustigen Buttons, was sie wollen: Die wollen nur noch spielen. – Und da muss man sich genau überlegen, was man ihnen in die Hand gibt.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Wolfram Prieß (PIRATEN)]

(Jasenka Villbrandt)

Für die CDU-Fraktion jetzt der Kollege Krüger! – Bitte schön, Herr Krüger!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Ja, natürlich möchte ich die Olympischen Spiele. Aber was hat das denn damit zu tun, dass wir nicht gleichzeitig auch sehr ernsthaft und sehr intensiv über Pflege in dieser Stadt diskutieren?

[Beifall bei der CDU – Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]

Meine lieben Freunde! Sehr geehrte Damen und Herren! Es war ja Ausfluss der Föderalismusreform mit der Abschichtung an die Länder und damit der Inhalte des Heimpflegesetzes des Bundes, dass wir relativ frühzeitig, zu Beginn dieses Jahrzehnts, über ein Berliner Gesetz diskutieren mussten. Ich sage ganz unumwunden: Natürlich war das notwendig, dass im Jahr 2010 so ein Gesetz gemacht wurde. Es war auch gut, dass es gemacht worden ist. Ob dieses Gesetz nun auch noch einige Spielräume nach oben offen lässt, das können wir uns ja noch sehr genau anschauen. Verehrte Damen und Herren! Es ist ja sonst immer Ihr Lieblingswort, das Sie hier recht häufig strapazieren.

Im Koalitionsvertrag haben sich CDU und SPD darauf geeinigt, das Wohnteilhabegesetz für Pflegeheime und für Wohngemeinschaften zu verbessern – Schritt für Schritt. Erkenntnisse der Heimaufsicht evaluieren, Regelungslücken schließen, Berichtswesen verbessern und Nutzerbeteiligung stärken – das waren die vier Punkte, die da vorkommen. Deswegen erwarten wir jetzt, nach einer Geltungszeit des Gesetzes von knapp fünf Jahren, zuerst einmal eine entsprechende Auswertung des Senats, die die Erfahrungswerte in diesem Feld miteinbezieht, die auch die Entwicklung von Wohn-, Pflege- und Betreuungsangeboten dieser Stadt berücksichtigt, sodass das Ergebnis dann zur Grundlage der Reform eines Gesetzes gemacht werden kann.

Dazu gehört auch die Unterscheidung zwischen anbieterverantworteten und selbstverantworteten Wohngemeinschaften. Das ist richtig. Wenn ich recht informiert bin, hat sich die CDU bereits 2010 sehr intensiv mit dieser Frage befasst und positiv befasst, aber damals ist das an der Mehrheit gescheitert und nicht in das Gesetz hineingekommen.

Auch die Erfahrungen gemäß § 17 WTG – die durch die Heimaufsicht des LAGeSo und der Senatsverwaltung festgelegten Prüfrichtlinien für betreute gemeinschaftliche Wohnformen, die entsprechenden Verfahren, der Umgang mit den Prüfberichten usw. – auszuwerten, ist dabei außerordentlich wichtig.