Protokoll der Sitzung vom 12.03.2015

Ich glaube, auch Herr Evers hat schon einmal einen Antrag geschrieben.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde schon angesprochen: Die Grundlage für diesen Antrag ist ein konkreter Vorgang, von dem wir über die Presse und im Untersuchungsausschuss erfahren haben, und zwar die Causa Imtech, ImCa. Es geht um die Frage: War alles in Ordnung mit den Nachträgen, die im Dezember 2012 gezahlt worden sind – 74 Millionen Euro nach dem Erkenntnisstand des Untersuchungsausschusses? Konnte wirtschaftlicher Schaden, wie Herr Evers es gerade ausgedrückt hat, ausgeschlossen werden? – Das können wir realistischer- und ehrlicherweise noch nicht ausschließen, denn von der Prüfung, die dieser gedachten Bürgschaft und der Zahlung mit den 5 Prozent Zinsen zugrunde liegen sollte, wissen wir nicht, ob sie jemals erfolgt ist.

Wir wissen nicht, ob die dann neuen Strukturen mit dem Kommen von Herrn Mehdorn und dem Einführen des Sprintprogramms dazu geführt haben, dass die Entscheidung des Aufsichtsrats aus dem Jahr 2012 tatsächlich einmal überprüft worden ist und ob die Nachträge, die bewilligt worden sind, geprüft wurden. Insofern wissen wir gar nicht, ob der wirtschaftliche Schaden auszuschließen ist. Es kann genauso gut sein, dass die 74 Millionen Euro als Vorauszahlung geflossen sind und niemand die Zeit gefunden hat nachzugucken, ob das zu Recht passiert ist – so, wie es eigentlich mal dem Aufsichtsrat versprochen worden ist und wie es die Auflage

in dem Beschluss gewesen ist. Soweit sind wir im Untersuchungsausschuss noch nicht. Es deutet aber im Moment auch nichts darauf hin, dass dieses sukzessive passiert ist.

Darauf deutet auch die Aussage der Compliancebeauftragten hin, die uns zugegangen ist und auch schon erwähnt wurde. Sie sagt:

Vor dem Hintergrund der in Rede stehenden komplexen Projekte halte ich die Wahrscheinlichkeit, durch eine solche Prüfung Feststellungen treffen zu können, für gering.

Die Compliancebeauftragte sagt, das System Flughafengesellschaft, was Rechnungslegung, Abrechnung, Nachträge usw. angeht, ist so komplex, dass eine interne Prüfung bezüglich der Vorfälle um diesen Bereichsleiter keine Aussicht auf Erfolg haben wird. Diese Aussage der Compliancebeauftragten ist uns zugegangen, insofern an dieser Stelle der Debatte ein Pluspunkt für die Grünen! Da muss ein Externer her. Auch das sagt sie im Nebensatz:

Eine solche Prüfung wäre nur mit großem zeitlichem Einsatz und unter Hinzuziehung externer Prüfer möglich.

Genau das ist für mich der Inhalt des Antrags der Grünen. Das hat die Piratenfraktion in ähnlicher Weise schon öfter gefordert. Das ist sinnvoll und notwendig.

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Der Senat kann das ja beauftragen, Herr Kollege Evers. So verstehe ich den Antrag tatsächlich auch. Da ist es ein bisschen fishy. Insofern ist es gut, dass es in die Ausschüsse überwiesen wird. Der Senat selbst kann natürlich keine Rückforderungen stellen, aber er kann über den Aufsichtsrat – wir hoffen ja, dass er über die Vertreter im Aufsichtsrat proaktiv tätig wird – diese Rückforderung, die Prüfung anstrengen. Das ist ja unser Hebel, da wir – Sie uns ich – nicht im Aufsichtsrat sitzen.

Ich will hier gar nicht über die Korruption reden. Hier wird ermittelt. Darum werden wir uns im Untersuchungsausschuss kümmern, aber im Moment können wir nur spekulieren. Es geht um die Rechnungslegung, die Vergabe und die Frage der Prüfung. Die ganzen Ermittlungen, die Gerüchte und Spekulationen in der Öffentlichkeit zeigen, dass an dem System etwas faul ist, dass es nicht so ist, wie Herr Mehdorn sagt, der behauptet, das System funktioniere. – Das System funktioniert eben nicht, wenn völlig unklar ist, ob eine der wichtigsten Firmen im Flughafenbau und auch noch eine der Firmen, die unter Verdacht steht, an so etwas wie Korruption beteiligt zu sein, zu Recht oder zu Unrecht Geld erhalten hat. Da hätte ich einen Brief – zum Beispiel des Hauptausschusses – erwartet, in dem genau nachgefragt wird, ob die Prüfung am 31. Juni 2013 erfolgt ist, ob sie erfolgreich abgeschlossen worden ist und ob die Zahlungen berechtigt waren.

(Stefan Evers)

Mir geht der Antrag der Grünen in einem Punkt nicht weit genug – das habe ich schon ausgeführt –, und zwar werden die Strukturen der Flughafengesellschaft damit nicht geprüft. Das wäre hier eine Tiefenprüfung im Einzelfall. Aber unser Interesse als Vertreter der Anteilseigner in dieser Flughafengesellschaft, nämlich der Steuerzahler, sollte es sein, die Flughafengesellschaft strukturell so aufzustellen und so zu prüfen, dass solche Verdachtsmomente in der Zukunft erst gar nicht entstehen können und dass wir uns in Zukunft sicher sein können, dass das mit rechten Dingen zugeht. Im Moment können wir das jedenfalls nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Kollege Delius! – Kollegin Matuschek hat das Wort zu einer Kurzintervention. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Eine kleine Kurzintervention: Herr Delius! Ich habe Sie, glaube ich, missverstanden, oder ich frage andersherum: Die Aufgabe des Untersuchungsausschusses ist es ja, nicht nur zu sagen, dass da großes Chaos ist, sondern auch deutlicher zu benennen, in welchen Bereichen die Strukturen nicht richtig gewesen sind. Eine mögliche Erkenntnis des Untersuchungsausschusses – so habe ich es bisher immer verstanden – wäre ja z. B. auch, dass eine Empfehlung an die Gesellschafter – an das Land Berlin – erforderlich ist: In den Bereich der TGAAbrechnungen müssen Forensikteams hinein, um die tatsächliche Tiefenprüfung extern vorzunehmen, die notwendig ist, um dort auch auszuschließen, was möglicherweise schwer nachweisbar ist, dass nämlich Leistungen bezahlt werden, die nicht erbracht worden sind! – Das ist das eine.

Und das andere ist natürlich nach wie vor: Auch der Rechnungshof hat aus eigenem Ermessen die Möglichkeit, im Nachhinein abgeschlossene Vorgänge zu überprüfen und Empfehlungen zu geben – z. B. Empfehlungen, wie in öffentlichen Unternehmen die Rechnungslegung insbesondere des Nachtragsmanagements aufgestellt werden muss, damit es zu solchen chaotischen Zuständen auch unter schweren Bedingungen nicht kommt. Das sind doch mögliche Ergebnisse des Untersuchungsausschusses. Insofern haben die Grünen sicherlich einen Anspruch formuliert, wobei noch darüber zu reden sein wird, wie er denn erfüllt werden kann.

[Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank! – Kollege Delius, Sie haben natürlich das Recht zu replizieren. Ich möchte nur anmerken: Kurzin

terventionen mögen bitte durch die Geschäftsführung angemeldet werden. – Bitte sehr!

[Jutta Matuschek (LINKE): Entschuldigung! – Steffen Zillich (LINKE): Sie haben recht!]

Ich verspüre da große Einigkeit bei der Linksfraktion. Ich glaube, das ging alles mit rechten Dingen zu.

Frau Matuschek! Sie haben natürlich recht: Möglichst konkret Handlungsempfehlungen zu benennen, was man jetzt aufgrund dieser Misere macht, was man in Zukunft besser machen kann und wie man sie hätte verhindern können, das ist Aufgabe des Untersuchungsausschusses. Aber Sie haben es selbst gesagt: Abgeschlossenheit ist hierbei das Stichwort. – Imtech und Caverion sind weiterhin und auch zukünftig ein Problem für die Flughafengesellschaft, und wir können als Untersuchungsausschuss nicht jedes Mal, wenn ein neues Desaster in diesem Desaster auftaucht, den Untersuchungsauftrag erweitern. Das ist nicht Sinn der Verfassung, und insofern muss hier auch mal das Haus tätig werden. Das sage ich als Vorsitzender dieses Ausschusses. Insofern ist es auch gut, dass es einen solchen Antrag gibt, auch wenn er seine Schwächen hat. Darüber sind wir uns ja einig.

Es wäre zudem sehr wünschenswert – das war schon in der Vergangenheit meine Bitte an den Rechnungshof –, dass sich auch der Rechnungshof unterstützend um das Problem kümmert, weil das Problem eben nicht abgeschlossen ist. Es ist nicht vorbei, es geht nicht um die Prüfung eines zurückliegenden Ereignisses wie z. B. einer Verschiebung, sondern es geht hier darum, dass bei der Flughafengesellschaft solche Verdachtsmomente immer noch existieren, die Firmen immer noch dabei sind und offensichtlich auch einen Hebel und ein Erpressungspotenzial gegenüber der Flughafengesellschaft haben, und darum müssen wir uns kümmern. – Danke schön!

[Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung an den – kurz gesagt – Rechtsausschuss und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

(Martin Delius)

lfd. Nr. 3.5:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 16

Ankommen – Teilhaben – Bleiben. Flüchtlingspolitik für Berlin Hier: Wohnungen für alle

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2114

Es beginnt die Fraktion Die Linke, und die Kollegin Lompscher hat das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Jetzt ist die Senatsbank nur noch einfach besetzt.

[Bürgermeister Frank Henkel: Reicht ja!]

Herr Henkel findet, dass das reicht. Okay! Das lasse ich mal so stehen. Das Thema sollte eigentlich wichtig genug sein, dass nicht nur ein Senator hier sitzt.

[Zurufe]

Aber ich halte trotzdem meine Rede. Sie können es dann ja den Kollegen erzählen.

[Beifall bei der LINKEN – Bürgermeister Frank Henkel: Ja! Genau!]

Die Rechte von Flüchtlingen zu stärken und ihnen frühzeitig eine Integrations- und Bleibeperspektive zu bieten, das ist unser Anspruch an die Berliner Flüchtlingspolitik. Diese von Rot-Rot Anfang der 2000er-Jahre eingeleitete Neuausrichtung wurde und wird von breiten Teilen der Bevölkerung getragen. Seit dem Antritt der SPD-CDUKoalition allerdings werden die erreichten Standards aufgeweicht und abgebaut. Ein Großteil der Flüchtlinge lebt wieder in Sammelunterkünften. Der Senat plant und baut inzwischen große Containersiedlungen und bringt Flüchtlinge in Turnhallen unter. Viele neue Notunterkünfte und die – vorsichtig gesagt – unglückliche Kommunikation über deren kurzfristige Einrichtung erschweren oder verhindern gar Willkommenskultur und nachbarschaftliche Solidarität und Hilfe. Das ist Ihre flüchtlingspolitische Bilanz.

Keine Frage: Immer mehr Flüchtlinge müssen untergebracht werden. Aber hätte der Senat der absehbaren Entwicklung nicht zu lange tatenlos zugeschaut, wären die aktuellen Lösungen vermeidbar gewesen.

[Beifall bei der LINKEN]

Die Strategie des Senats, sich ausschließlich auf Sammel- und Notunterkünfte zu konzentrieren, ist falsch. Zwingende Voraussetzung für gelingende Integration ist dagegen, dass auch geflüchtete Menschen in Wohnungen leben wie alle anderen auch. Wer Flüchtlinge stattdessen in Heime oder gar Containerlager steckt, nimmt ihnen die

Menschenwürde, demoralisiert sie und verhindert, dass sie schnell in diese Gesellschaft hineinwachsen.

[Beifall bei der LINKEN]

Gemeinschaftsunterkünfte zu vermeiden und Flüchtlingen von Anfang an ein Leben in Wohnungen zu ermöglichen, das muss deshalb für uns alle absolute Priorität haben. Auch bei schwierigen Rahmenbedingungen kann es gelingen, dieses Primat umzusetzen und genügend Wohnraum für Flüchtlinge zu erschließen, nämlich durch eine konsequente Neuausrichtung und Nutzung der wohnungspolitischen Instrumente und durch koordinierte Anstrengungen von Senat, Bezirken, öffentlicher Wohnungswirtschaft und Zivilgesellschaft.

Flüchtlinge sind von der angespannten Wohnungsmarktsituation und Verdrängung besonders betroffen. Die Erhaltung bzw. Bereitstellung preiswerten Wohnraums hat der Senat in den letzten drei Jahren trotz zunehmender Anspannung vernachlässigt. Der Senat hat weder vorhandene Instrumente wie z. B. das Kontingent der Kooperationsvereinbarung „Wohnen für Flüchtlinge“ ausgebaut noch neue Instrumente entwickelt. Diese Versäumnisse treffen alle benachteiligten Gruppen auf dem Wohnungsmarkt, nicht nur die Flüchtlinge, aber diese besonders. Gefragt ist also im Kern ein Konzept zur sozialen Wohnraumversorgung unter besonderer Nutzung städtischer Liegenschaften und der Ressourcen der öffentlichen Wohnungsunternehmen.

Das Thema „Wohnen für Flüchtlinge“ muss in die wohnungspolitischen Initiativen des Senats nicht nur aufgenommen werden, sondern es muss dort eine zentrale Rolle spielen. Hierfür nenne ich Ihnen jetzt einige Beispiele aus unserem Antrag: Das Kontingent der „Wohnungen für Flüchtlinge“ muss erhöht und zusätzliche Kooperationspartner wie z. B. die Berlinovo, Genossenschaften oder große Private müssen gewonnen werden. Mehr Wohnungen für Flüchtlinge werden in die Vorgaben der städtischen Wohnungsbaugesellschaften aufgenommen, die dafür im Gegenzug mehr Eigenkapital erhalten. Temporäre, z. B. sanierungsbedingte Leerstände bei städtischen Wohnungsbaugesellschaften und gegebenenfalls auch bei anderen Vermietern werden für Zwischennutzungen aktiviert. Geeignete, nicht mehr benötigte Fachimmobilien werden unkompliziert und zügig hergerichtet. In der Wohnraumförderung und bei der Vergabe städtischer Grundstücke wird die Bereitstellung von Wohnungen für Flüchtlinge einbezogen und besonders gewichtet. Flüchtlinge erhalten einen Wohnberechtigungsschein wie jeder andere und werden bei der Anmietung unbürokratisch unterstützt – ebenso freie Träger, wenn diese als Vermieter für Flüchtlinge agieren. Nicht zuletzt sollte das für die Unterbringung zuständige Landesamt selbst Wohnungen anmieten können.

Was wir hier vorschlagen, ist keine Zauberei oder höhere Mathematik. Es geht um ein integriertes Konzept und darum, nicht eine nachgeordnete Landesbehörde, freie