Protokoll der Sitzung vom 23.04.2015

Ja, wenn es kurz geht.

Vielen Dank, Herr Wolf! – Teilen Sie die Einschätzung, dass nur ein Bieter gewinnen kann, der den kombinierten Netzbetrieb angeboten hat – in diesem gesamten Verfahren –, und dass es eben auch nur einen Bieter gibt, der den kombinierten Netzbetrieb angeboten hat, und dass eine Rücksetzung des Verfahrens demzufolge erst mal die Möglichkeit eröffnet, dass alle diese gute Idee, die nur einer gehabt hat, kopieren – das ist nicht unbedingt wettbewerbsfreundlich, aber das wird ermöglicht – und dass z. B. andere, die irgendwann mal nach 2010, als die SPD

schon darauf gekommen war, darauf gekommen sind, dass Netze interessant sind, sich dann auch bewerben?

Herr Karsten! Das Problem ist, dass Sie immer Ihre Wünsche für die Wirklichkeit nehmen.

[Beifall bei der LINKEN]

Dass nur einer, der den kombinierten Netzbetrieb anbieten kann, gewinnen kann,

[Nikolaus Karsten (SPD): Hat!]

kann sich die SPD ja wünschen. Ich finde das auch vernünftig. Das heißt aber nicht, dass die Frage der Bieterfähigkeit von Berlin-Energie vor Gericht Bestand hat, wenn Sie nicht das Verfahren zurücksetzen und damit auch die Möglichkeit haben, Berlin-Energie so aufzustellen, dass die Einwände des Landgerichts fehlgehen. Da ist mit der Eigenkapitalausstattung was gemacht worden, und ich finde, auch mit der Rechtsform muss dringend was gemacht werden, wenn man da erfolgreich sein will.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Andreas Otto (GRÜNE)]

Jetzt will ich nicht bestreiten, Kollege Stroedter, dass natürlich auch bei einer Aufhebung des Verfahrens und bei der Neuausschreibung ein Klagerisiko besteht. Natürlich wird Vattenfall versuchen, dagegen zu klagen. Aber was kann denn am Ende dabei herauskommen? – Eine mögliche Schadensersatzforderung. Da sage ich: Angesichts der Tatsache, dass wir darüber entscheiden, ob wir eine kommunale Verfügung über eine zentrale Infrastruktur für die Energiewende für die nächsten 15 Jahre haben, und dass das eine Entscheidung ist, die in den nächsten 15 Jahren nicht mehr reversibel ist – es sei denn, Vattenfall gibt das freiwillig ab, was ich nicht glaube –, bin ich bereit, eher in dieses Klagerisiko zu gehen, als in das Risiko zu gehen, dass ich vollständig verliere, Vattenfall 100 Prozent bekommt und alle Rekommunalisierungspläne, die wir hier gemeinsam haben, Makulatur sind. Das bitte ich zu bedenken – auch bei der Entscheidung, die in der Senatsklausur zu fällen ist.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Wolf! – Für die CDU-Fraktion hat nun das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Garmer. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Finanzsenator Kollatz-Ahnen ist sicherlich um die vielen Baustellen, die er von seinem Vorgänger geerbt hat, nicht zu beneiden.

(Harald Wolf)

[Uwe Doering (LINKE): Das war doch auch Ihr Finanzsenator!]

Eine der schwierigeren Baustellen ist sicherlich das Thema mit den beiden Konzessionsverfahren – Strom und Gas – im Hinblick auf politische, rechtliche und auch finanzielle Aspekte. Allerdings haben die ersten 100 Tage gezeigt, lieber Herr Finanzsenator, dass Sie der richtige Mann sind, um hier die Scherben zusammenzufegen, zu kitten und zu versuchen, zu retten, was zu retten ist.

Fakt ist, dass das Landgericht Berlin die Vergabe der Gasnetzkonzession an das landeseigene Unternehmen Berlin-Energie gestoppt hat. Man muss sich schon vergegenwärtigen, dass die Argumente, die das Landgericht genannt hat, nicht alle völlig aus der Luft gegriffen zu sein scheinen, zumal auch viele dieser Argumente vorher im Senat durchaus diskutiert worden sind, also auch bekannt waren. Für uns als CDU-Fraktion ist aber entscheidend, dass wir beide Verfahren, sowohl Strom als auch Gas, zeitnah und rechtssicher zu Ende führen – auf jeden Fall noch in dieser Legislaturperiode.

Nun hat die Linksfraktion den vorliegenden Antrag gestellt, das Stromverfahren auf null zu setzen. Lieber Herr Kollege Wolf! Das ist sicherlich eine mögliche Option, damit umzugehen. Allerdings wissen Sie auch, dass der Senat, wenn er das Stromverfahren auf null zurücksetzen würde, sich dem Vorwurf aussetzen würde, das Gasverfahren verlorenzugeben, und sich dem Vorwurf aussetzen würde, die Argumente des Landgerichts Berlin scheinen ja zuzutreffen, sodass wir das Stromverfahren auf null zurücksetzen müssen. Es ist klar, dass ein solcher Schritt also logischerweise nicht zur Berufung vor dem Kammergericht passen würde. Außerdem würde ein Zurücksetzen des Stromverfahrens – das ist auch klar – zu möglichen Schadensersatzansprüchen noch verbleibender Bieter im Stromverfahren führen. Diese Risiken müssen bedacht werden, müssen rechtlich geprüft werden. Wir als CDU-Fraktion erwarten hier vom Senat, insbesondere vom Finanzsenator, zeitnah rechtlich fundierte Vorschläge für die weitere Vorgehensweise – eine schwierige Abwägung.

Wir begrüßen auch ausdrücklich, dass es Verhandlungen gibt zwischen dem Finanzsenator und den Anteilseignern der GASAG über eine mögliche Kooperation zwischen dem Land Berlin und der GASAG. Aber auch dieser Weg wird nicht einfach sein, weil nicht klar ist, ob es eine Kooperation innerhalb oder außerhalb des Verfahrens geben kann, und wie man dann, wenn man sich im Grundsatz einig ist, die rechtlichen Probleme löst. Aber jedenfalls zeigt die Lebenserfahrung, dass Verhandlungslösungen immer besser und dauerhafter sind, als sich jahrelang vor Gericht zu streiten und dann nach Jahren irgendwelche unkalkulierbaren Urteile zu bekommen.

Darüber hinaus – das sage ich auch sehr deutlich – würde es die CDU-Fraktion sehr begrüßen, wenn ein oder meh

rere private energiewirtschaftliche Unternehmen mit an Bord blieben als private Partner des Landes Berlin bei der Lösung der vielfältigen energiewirtschaftlichen, energiepolitischen Aufgaben, die im Rahmen der Energiewende in den nächsten Jahren auf uns zukommen. Mit privaten Partnern an Bord hätten wir das notwendige Know-how in den Unternehmen und auch in den Aufsichtsgremien, was sonst möglicherweise fehlen würde. Mit privaten Partnern hätten wir auch das notwendige Kapital das wir in den kommenden Jahren brauchen werden, denn – liebe Kollegen, machen wir uns nichts vor – die Energiewende wird erhebliche Investitionen in die Netze erforderlich machen, und die werden wir als Land Berlin alleine nicht stemmen können – weder finanziell noch vom Know-how her. Das eine oder andere in Frage kommende Unternehmen hat auch schon deutlich gemacht, dass es durchaus dazu bereit ist. Ich bitte also die Kollegen von der Opposition, verbal etwas abzurüsten. Es geht nicht darum, mit jemandem gemeinsame Sache zu machen, sondern es geht darum, Know-how und Kapital, das wir dringend brauchen, nutzbar zu machen.

Zusammengefasst: Wir als CDU-Fraktion erwarten jetzt vom Senat Vorschläge für die weitere Vorgehensweise, dass wir zeitnah und rechtssicher zu Ergebnissen kommen und spätestens zum Ende dieser Legislaturperiode Entscheidungen getroffen haben, die für die nächsten 10 bis 20 Jahre tragfähig sind. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Dr. Garmer! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Mayer. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Werte Gäste! Wie wir schon gehört haben, ist die Situation schwierig und kompliziert; und kompliziert – das habe ich gelernt – ist immer schlecht hier im Haus. Denn dann dauert das alles, und die Gefahr, dass es so wie in diesem Fall in einem Desaster endet, ist dann immer sehr groß. Ich habe meinen Vorrednern sehr aufmerksam gelauscht und mich gefragt: Wo ist denn jetzt eigentlich hier die Kontroverse und wer hat denn jetzt hier eigentlich recht? Und irgendwie hatte man das Gefühl, eigentlich haben irgendwie alle recht an der Stelle.

Ich gehe jetzt erst mal auf den Antrag der Linken ein, sozusagen den Reset zu machen bei der Stromnetzvergabe. Es ist sicherlich richtig, erst mal festzustellen: Es ist nicht unbedingt erforderlich, das Verfahren neu durchzuführen, um eine rechtssichere Vergabe hinzubekommen. Das kann man feststellen. Also, es muss nicht unbedingt sein. Aber genauso kann man feststellen, dass, wenn man die Rekommunalisierung will, ein Zurücksetzen auf null sicherlich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass eine

(Dr. Michael Garmer)

vollständige Rekommunalisierung am Ende stattfinden kann. Die Frage ist jetzt tatsächlich: Will man die Rekommunalisierung? Und da sind die Positionen bei allen Fraktionen hier im Haus relativ klar, mit Ausnahme der CDU, wo man eigentlich eher das Gefühl hat, Sie wollen die Rekommunalisierung nicht, aber möchten es auch nicht so laut äußern. Es gibt auch durchaus gute Gründe und Argumente, eine Kommunalisierung infrage zu stellen. Das haben wir in der Vergangenheit immer wieder gehört. Gerade bei einer LHO-Gesellschaft und Infrastruktur ist Berlin auch nicht in den letzten zehn Jahren dafür bekannt gewesen, mit Infrastruktur besonders gut umzugehen. Nur haben wir es sicherlich in dem Fall mit einer anderen Situation zu tun, wenn es sich in einer eigenen Gesellschaft befindet.

Aber selbst die andere Variante, wenn man sich Vattenfall anschaut: Wie ist Vattenfall mit dem Stromnetz umgegangen? – Da haben wir jetzt gehört, dass man speziell in Hamburg, nachdem rekommunalisiert wurde, festgestellt hat: Da ist viel zu wenig investiert und saniert worden im Stromnetz. Um es klar zu sagen: Vattenfall hat das Stromnetz in Hamburg schon etwas vergammeln lassen. In Berlin haben wir uns das angeschaut, hier ist die Situation nicht ganz so schlimm, aber was man auch für Berlin festhalten kann, ist, dass Vattenfall keinen Sanierungsstau abgebaut hat, sondern unterm Strich, wenn man einfach Lebensdauer und Alter des Stromnetzes nimmt, wie viel davon saniert worden ist, dann kann man sagen, ist das Stromnetz jetzt in keinem besseren Zustand als zu dem Zeitpunkt, als Vattenfall es übernommen hat, sondern es ist eher etwas mehr gealtert als saniert wurde. Das kann man auch für Berlin an der Stelle sehen.

[Martin Delius (PIRATEN): Das überrascht ja nicht!]

Insofern kann man unterm Strich festhalten, dass jedenfalls für uns die Argumente, die für eine Rekommunalisierung sprechen, auch vor dem Hintergrund der Energiewende, definitiv überwiegen. Problem ist natürlich: Heiligt jetzt der Zweck die Mittel an der Stelle, weil man sich dem Vorwurf aussetzt, wenn man es auf null zurücksetzt, dass man die Ausschreibung so lange wiederholt, bis es passt? Das ist natürlich auch keine Art und Weise, mit solchen Verfahren umzugehen. Der Aufwand für die Beteiligten in einem solchen Verfahren – das hat auch noch niemand ins Feld geführt – ist einfach immens. Das gilt auch für das Frustrationspotenzial, wenn gerade die öffentliche Hand ein Verfahren durchführt. Man investiert Zeit und Geld, und am Ende wird alles in die Tonne getreten. Das habe ich von der anderen Seite oft genug erlebt. Das ist schon alles andere als schön.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schäfer?

Ja!

Bitte!

Vielen Dank! – Herr Kollege Mayer! Meinen Sie nicht, dass es ein Argument sein könnte, das Verfahren auf null zurückzusetzen, dass es nur noch einen bietfähigen Bewerber um 100 Prozent am Stromnetz gibt? Es gibt nur einen bietfähigen Bewerber, der sich für 100 Prozent am Stromnetz bewirbt. Könnte nicht das ein Argument sein, es auf null jenseits der eigenen Interessen des Landes zurückzusetzen?

Ich weiß nicht, ob man das an der Stelle so trennen kann, die Eigeninteressen des Landes oder übergeordnete Rechtsgüter wahren zu wollen. Der Senat ist sicherlich auf jeden Fall in der Bredouille. Aus der kommt man auf keine einfache Art heraus. Es ist egal, welcher Weg jetzt eingeschlagen wird

[Senator Dr. Matthias Kollatz-Ahnen: Es wird kompliziert!]

ich will jetzt nicht das unparlamentarische Wort der „Arschkarte“ verwenden, aber nun habe ich es doch getan –, es gibt einfach leider keinen Königsweg an der Stelle. Das muss uns allen klar sein. Egal, was jetzt passiert oder was getan wird, es wird leider immer suboptimal bleiben. – Die Zeit läuft gar nicht weiter. Es ist völlig in Ordnung.

Ich komme jetzt langsam zum Ende. Es ist alles problematisch. Vermutlich erhöht, wenn man die Rekommunalisierung will, ein Reset des Verfahrens die Wahrscheinlichkeit, birgt aber auch eine ganze Reihe von Problemen an sich. Meiner Meinung nach ist es aber eine wichtige Voraussetzung, um die große Katastrophe zu vermeiden, dass sich die Koalition endlich über Lippenbekenntnisse hinaus einig wird, was sie will. Will sie kommunalisieren, ja oder nein? Dann soll sie das Ganze aber auch tun und sich nicht, wie es in der Vergangenheit bei anderen Gelegenheiten geschehen ist, sich gegenseitig in den Rücken fallen. Ich habe schon einmal erwähnt, dass durchaus Foulspiel auf beiden Seiten im Weg war. Die ganze Sache ist schwierig genug. Wenn man sich nicht einig ist, kann das nur im Desaster enden. Insofern appelliere ich an Sie: Ziehen Sie es durch! – Danke!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Nikolaus Karsten (SPD)]

Vielen Dank, Herr Mayer! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Hauptausschuss empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf die

lfd. Nr. 3.3:

Priorität der Fraktion Die Linke

Seenotrettung wiederbeleben

Dringlicher Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion Die Linke und der Piratenfraktion Drucksache 17/2220

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat der Abgeordnete Schatz. – Bitte!

Frau Präsidentin!

Meine Damen und Herren! Deutschland, die EU, wir wollen angesichts dieser Ereignisse nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wir müssen verhindern, dass weitere Menschen im Mittelmeer zu Tode kommen. Migration ist schwierig genug.... Migration darf keine Frage von Leben und Tod werden.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Es ist ganz erstaunlich, wie Beifall an dieser Stelle verteilt war. Ich habe eben den Bundesinnenminister aus der Bundestagsdebatte von gestern zitiert. Es kommt offensichtlich in diesem Haus auch darauf an, wer welche Position sagt, und nicht, welche Position er vertritt,