Protokoll der Sitzung vom 07.05.2015

Entschuldigung, meine Damen und Herren! Es ist wirklich viel Gebrabbel im Saal. Wechselseitiges Zeigen auf den anderen nutzt auch nichts. Selbst aktiv werden, ist gut. Deshalb bitte ich darum, dem Kollegen Mayer noch in seiner Schlussminute zuzuhören.

Da ich noch ungefähr eine Minute Redezeit habe, möchte ich noch zwei Dinge loswerden. Erstens zeigt sich auch wieder an dieser Debatte, dass Energiepolitik lange ein Stiefkind im Senat gewesen ist und es nach wie vor zu sein scheint und wir gewaltige Anstrengungen unternehmen müssen, bevor klar wird, dass Berlin, was Energiepolitik angeht, derzeit komplett abgehängt ist, sehr viele Dinge verpennt hat. So beispielsweise das Thema Ausbau von Solarenergie. Da ist es so, dass sich die Bayern alle Solarzellen auf die Dächer gepackt haben. In Berlin ist kaum etwas entstanden, die EEG-Umlage für Solar fließt jetzt nach Bayern. Jetzt, nach deren Absenkung, stehen wir vor dem Problem, dass es sich in Berlin nicht mehr lohnt. Da ist der Zug schon mal für uns abgefahren. Wir müssen jetzt Gewaltanstrengungen unternehmen, um das, was in den letzten fünf bis zehn Jahren energiepolitisch in Berlin versäumt worden ist, wieder aufzuholen. Ich sehe nicht, dass das passiert. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Kollege Mayer! – Weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vor.

Jetzt kommen wir zu den Abstimmungen. Zum Antrag auf Drucksache 17/1190 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen Grüne, bei Enthaltung Linke und Piraten – und der Hauptausschuss mehrheitlich – gegen Grüne, bei Enthaltung Linke – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Grünen. Wer ist dagegen? – Das ist die Koalition plus Piraten. Wer enthält sich? – Das ist die Linke.

[Zuruf von den GRÜNEN: Und zwei Piraten!]

Damit ist der Antrag abgelehnt. – Bei den Piraten gibt es Enthaltungen?

[Martin Delius (PIRATEN): Abweichler!]

Abweichler. Kollege Kowalewski, war das eine Enthaltung oder eine Ablehnung? – Gut, zwei Enthaltungen. Danke für den Hinweis! Ja, das wird protokolliert.

Zu dem Antrag auf Drucksache 17/1222 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – dieses Mal auch wieder gegen Grüne und Piraten, bei Enthaltung Linke – und der Hauptausschuss mehrheitlich – gegen Grüne, bei Enthaltung Linke – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Grünen und zwei Piraten.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Vier!]

Vier? – Kollege Höfinghoff! Könnten Sie den Arm ein bisschen höher nehmen, damit ich das auch sehe? – Ich sehe bislang nur drei. Also der Zahlenraum zwischen eins und zehn ist für mich noch überschaubar. Ich zähle drei und nicht vier. Wer ist dagegen? – Das sind die Koalitionsmehrheit und der fraktionslose Abgeordnete nebst großen Teilen der Piraten. Wer enthält sich? – Das ist Die Linke. Damit ist der Antrag ebenfalls abgelehnt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 7:

Städtepartnerschaft Berlin-Moskau: Für die Freiheit werben! Menschenrechtsverletzungen nicht hinnehmen!

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien vom 25. März 2015 Drucksache 17/2195

zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/1406

Es beginnt Kollege Schatz für die Linksfraktion. – Ich erteile Ihnen das Wort, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der 70. Jahrestag der Befreiung markiert auch die Befreiung vieler Häftlinge, die mit rosa Winkel in den faschistischen Konzentrationslagern saßen, durch Soldaten der roten Armee.

Ich glaube, Kollege Schatz empört sich zu Recht. Es ist ein Gemurmel im Saal. Wenn Sie Privatgespräche führen, machen Sie es draußen! Es ist ein wichtiges Thema, und der Redner hat Anspruch darauf, dass wir ihm zuhören. Die Regierungsbank ebenfalls! – Bitte schön!

Vielen Dank! – Dafür empfinden wir nicht nur Dankbarkeit, sondern das ist uns auch Verpflichtung und Auftrag. Denn Berlin hat gelernt, zerstörte Vielfalt kostet unsere Gesellschaft viel. Es ist total wichtig, dass wir uns als Stadt dafür einsetzen, dass sexuelle und geschlechtliche Vielfalt Teil unserer Stadt, aber auch Teil einer offenen Gesellschaft ist.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Am 30. Juni 2013 trat in der Russischen Föderation ein Gesetz in Kraft, das gemeinhin als Gesetz gegen Homopropaganda bezeichnet wird, der offizielle Name ist „Gesetz gegen die Propaganda von nichttraditionellen sexuellen Beziehungen gegenüber Minderjährigen“. Im Klartext heißt es: Lesben und Schwulen, Bi- und Transsexuellen und Intersexuellen, die sich in der Öffentlichkeit zu ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität bekennen, drohen Strafen. Und letztlich ist dieses Gesetz auch eine staatliche Ermutigung für Homo- und Transfeindlichkeit. Seit der Inkraftsetzung dieses Gesetzes, aber auch vorher schon, es galt nämlich vorher schon in einigen Orten in Russland, beispielsweise in Sankt Petersburg, hat die Anzahl von Übergriffen auf bis hin zu Morden an Lesben und Schwulen in Russland dramatische Zahlen erreicht. Man muss sagen, die russische Zivilgesellschaft kämpft engagiert gegen dieses Gesetz, aber sie braucht Unterstützung aus dem Ausland. Der Regierende Bürgermeister hat heute früh in seiner Rede in der Aktuellen Stunde gesagt, es sei wichtig, sich berühren zu lassen vom Schicksal von Menschen, die in Not sind. Darum geht es an dieser Stelle, sich berühren zu lassen vom Schicksal von Menschen, die in Not sind, nicht nur in unserer Partnerstadt Moskau, sondern in ganz Russland.

Als im Mai 2013 hier im Abgeordnetenhaus das erste Mal über dieses Thema diskutiert wurde – damals wurde unter Verweis darauf, dass man ja hier keine Außenpolitik mache, die Beschlussfassung abgelehnt –, kündigten die Sprecher der Koalition konkrete Ideen an, wie man jetzt tatsächlich in der Städtepartnerschaft, aber auch

anders gegen dieses Gesetz vorgehen könne. Nun, wo sind diese konkreten Ideen? Wir wollten Ihnen mit dem Antrag helfen und haben ganz einfach drei Dinge da reingeschrieben, nämlich der Senat sollte uns sagen: Was ist bisher getan worden in den Städtepartnerschaftsbeziehungen? Was ist geplant? Und wie werden Nichtregierungsorganisationen einbezogen? – Ich finde, drei Dinge, die konkret sind, die beantwortbar sind und die eigentlich nicht weiter geschadet hätten. Der Senat hätte antworten können, und Berlin hätte sich zu seiner Verantwortung, die auch aus der Geschichte erwächst, bekannt.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Stattdessen lag der Antrag ziemlich lange im Ausschuss. In der Zwischenzeit hat bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi im letzten Jahr Staatssekretär Statzkowski ganz tapfer einen Regenbogenschal getragen; nun ja, eine Sache. Aber wie wird die Position Berlins in den partnerschaftlichen Beziehungen zu Moskau einbezogen? Ich habe nach partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Berlin und Moskau in einer Kleinen Anfrage gefragt, und mir wurde geantwortet: Es gibt eine Reihe, im Jugendbereich, in Ausbildungsbereichen. In all diesen Bereichen könnte das eine Rolle spielen. Und es wäre eben nicht der erhobene Zeigefinger, sondern es wäre gelebte Normalität, die tatsächlich vielen Menschen in unserer Partnerstadt, in Moskau, helfen würde. Ich denke, das wäre eine kleine Geschichte gewesen, die tatsächlich Sinn macht.

Sie hätten Zeit gehabt, den Antrag zu ändern, zu ersetzen. Aber Sie neigen ja eher zum Neinsagen, oder njet, wie der Kollege Lehmann-Brauns das vorhin sagte. – Zum Abschluss mal wieder ein Zitat aus dem Buch der Bücher: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.“ Nun, wenn es um die Taten geht, sind Sie nicht nur an diesem Thema leider nicht erkennbar. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Kollege Schatz! – Für die Fraktion der SPD spricht jetzt der Kollege Zimmermann und hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf den ersten Blick erscheint es sehr wohlfeil, die Homophobie in Russland zu brandmarken. Und ich glaube, dass es hier auch einen weitestgehenden Konsens darüber gibt, dass die Situation der Homosexuellen in Russland nicht so ist, wie es wünschenswert wäre, und dass da sicherlich ein Verbesserungsbedarf besteht. Aber bevor wir Ihrem Antrag zustimmen, möchte ich bitte noch überlegen dürfen und Sie bitten, mit mir darüber nachzudenken, ob er

überhaupt in den außenpolitischen Kontext passt, in den er jetzt gestellt wird, ob wir in den Beziehungen zu Moskau und zu Russland überhaupt einen solchen Draht haben, dass wir das jetzt anbringen können, und ob er überhaupt hilft, die Sache voranzubringen, die Sie voranbringen wollen.

Und da bitte ich, einen Moment darüber nachzudenken, in welchem Zustand die deutsch-russischen Beziehungen zurzeit sind und in welchem Kontext wir agieren. Es war Michail Gorbatschow, der vor einiger Zeit gesagt hat, der Westen hat uns schwer getäuscht. Es gab 1990 bei Zwei plus Vier die Verabredung und die Zusage, dass die NATO nicht über Deutschland hinaus nach Osten vorankommt. Und sie ist immer weiter nach Osten vorangerückt.

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Inzwischen stehen amerikanische Luftwaffeneinheiten in der Nähe des Schwarzen Meeres, Kaukasus in Reichweite.

[Carsten Schatz (LINKE): Aber was hat das mit den Schwulen in Russland zu tun?]

Das habe ich erwartet oder befürchtet, dass diese Zwischenfrage kommt: Was hat das damit zu tun? Es ist leider alles nicht so eindimensional, dass man sich ein Problem herausgreifen kann, sondern wir müssen uns schon das ganze Bild zeichnen. Ich bitte, diesen Blick auf das ganze Bild zu werfen.

Kollege Zimmermann, ich habe zwei Zwischenfragen: Dr. Lederer und Kollege Wolf.

Zwei gleich? Ich möchte im Moment gar keine zulassen, denn ich möchte bitte gerne diesen Hauptgedanken ausführen, und der ist die Gesamtsituation. – Wir sind immer weiter herangerückt, und es gibt eine Situation in Russland, die das als eine Eindämmung empfindet. Ob das objektiv gewollt ist, so stattfindet, ist eine andere Frage. Sie empfinden es so und empfinden das als ein Problem.

Der Westen hat zweitens die orangene Revolution in der Ukraine mit unterstützt durch Stiftungen und Ähnliches. Es war und ist die erklärte Politik des Westens, die Ukraine aus der Umklammerung Russlands herauszulösen, den Einfluss auf die Schwarzmeerregion zu erhöhen und dort die Präsenz der EU zu verstärken bis hin zu einer Assoziierung. Das empfindet die russische Regierung auch nicht als besonders freundlich. Es gab Reaktionen darauf, die auch problematisch waren, aber dies ist jedenfalls eine Teilverantwortung auch des Westens für die Situation.

(Carsten Schatz)

Es gibt drittens nach wie Stereotypen in Deutschland über Russland: Es sei rückständig, es sei nicht so demokratisch, es sei nicht so gut drauf, was Menschenrechte betrifft wie wir und Ähnliches. All dies zusammengenommen beschreibt eine Situation, in der sich eine Städtepartnerschaft Berlins mit Moskau bewegen muss. Wir haben eine gewisse Eiszeit in den Beziehungen mit Russland. Und ich plädiere sehr dafür, dass wir, bevor wir sehr eindimensional – tut mir leid, verehrter Kollege Schatz – ein Problem herausgreifen und sagen: Ihr müsst das ändern –, bitte den Gesamtblick auf unsere Beziehungen werfen müssen. Und da plädieren wir eher für Dialog, für Verständigung, für Kooperation und nicht für den erhobenen Zeigefinger. Deswegen sind wir etwas skeptisch, um nicht zu sagen sehr skeptisch gegen über diesem Antrag. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Kollege Zimmermann! – Bündnis 90/Grüne hat als Redner den Kollegen Birk benannt. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute Morgen haben wir im Foyer mit dem Präsidenten und fast allen Fraktionen eine Regenbogentorte angeschnitten, gemeinsam mit dem schwulen Antigewaltprojekt MANEO, anlässlich der Übergabe des Jahresberichts, der Auskunft gibt über homophobe und transphobe Gewalttaten in Berlin. Das soll uns auch heute und in Anbetracht der Nähe zum internationalen Tag gegen Homophobie daran gemahnen, dass wir, wenn wir auf Homophobie und Transphobie in anderen Ländern hinweisen, es immer in dem Bewusstsein tun, dass es auch in Berlin noch genug zu tun gibt.

Jeder Staat und jede Gesellschaft muss sich daran messen lassen, wie sie mit ihren Minderheiten umgeht. Leider ist es in Moskau und Russland noch heute ein großes Risiko, mit einer Regenbogenfahne zu demonstrieren oder sich offen lesbisch, schwul oder trans zu zeigen.

Der Antrag der Linken verweist auf eine Debatte, die wir zu einem gemeinsamen Oppositionsantrag im Rahmen der LSVD-Aktion Freundschaftskuss vor zwei Jahren schon einmal geführt haben, nämlich zur Aufforderung an die Funktionsträgerinnen und -träger des Landes und den Senat als Ganzes, gegenüber Moskau und Russland deutlich zu machen, dass wir eine homophobe Gesetzgebung wie das sogenannte Propagandagesetz – Herr Schatz hat es eben erläutert –, das jegliche positive Erwähnung von Homosexualität in Russland verbietet, ablehnen. Damals hatten sich immerhin die Bezirksverordnetenversammlungen der drei Bezirke mit Partnerstädten in Russ

land, und zwar Spandau zu einem Stadtteil von Wolgograd, Lichtenberg zu Kaliningrad und Neukölln zu Puschkin, entschlossen, entsprechende Briefe an ihre Partnerstädte zu schreiben. Insbesondere Herr Geisel, den ich jetzt leider nicht mehr sehe – eben war er noch da –, hat das damals als Bezirksbürgermeister von Lichtenberg gemacht und uns auch bei einer Diskussion, die wir mit dem LSVD, der Hirschfeld-Eddy-Stiftung und Quarteera dazu veranstaltet haben, beehrt. Nochmal unser Dank dafür!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Das Abgeordnetenhaus konnte sich nicht so schnell entschließen. Unser Antrag wurde damals abgelehnt, obwohl er ganz der Beschlusslage zur „Initiative sexuelle Vielfalt“ entsprach. Aber immerhin: Eine Resolution wurde von vielen unterschrieben. Und kurz vor der Bundestagswahl folgte dann doch noch ein Brief des damals Regierenden Bürgermeisters Wowereit an seinen Moskauer Amtskollegen gegen das sogenannte Propagandagesetz. Es gab bürgerschaftliches Engagement. Das Überfalltelefon MANEO begleitete einen offiziellen BerlinBesuch. Die Raduga-Brücke mit einem Künstlerinnen- und Künstleraustausch wurde eingerichtet. Allerdings war diese Aktion finanziell ein Desaster. So haben für ein Musikprojekt des Sängers Donato Plögert aus Berlin und des Sängers DIK aus Moskau einige hier Anwesende noch einmal tief in die Tasche gegriffen.

Auch hier setzt der Antrag der Linken an, denn es geht auch darum, wie Bürgerinnen und Bürger oder Organisationen materiell, ideell oder ganz praktisch unterstützt werden können, wenn sie im Rahmen der Städtepartnerschaft mit Moskau am Dialog mit NGOs oder Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtlern arbeiten. Dass dies angesichts der Rechtslage in Russland schwierig und heikel ist, ist sicher allen hier bewusst und ein Teil des Problems.