Danke, Herr Präsident! – Lieber Kollege Schreiber! Ein bisschen erschütternd ist es schon, dass Sie einfach ungeprüft den Sachstandbericht des Innensenators zum V-Leute-Einsatz beim LKA als Beweis dafür nehmen, dass sich das lohnt. Wir haben in dieser Sitzung nicht überprüfen können, inwieweit die Ermittlungsergebnisse und die Anklagen, die es gegeben hat, nicht auch durch Hinweisgeber, durch verdeckte Ermittler oder sonst eine kriminalpolizeiliche Tätigkeit hätten erreicht werden können.
Ja, in dem Bereich bin ich natürlich auf Mutmaßungen angewiesen. Aber in dem Bereich, den wir untersucht haben, den auch Herr Schreiber richtigerweise angesprochen hat, da sind wir nicht mehr auf Mutmaßungen angewiesen, das ist der Bereich V-Leute im Rechtsextremismus. Dort, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Schneider, ist der Staat in Komplizenschaft beim Aufbau rechtsextremer, militanter, terroristischer Strukturen gegangen, und es ist durch das jetzige System und auch durch das, was der Deutsche Bundestag jetzt in Auswertung des Bundestagsuntersuchungsausschusses als Absichten erklärt hat, nicht geklärt, dass das nicht wieder stattfinden kann. Das ist das Problem.
Die einfache Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Geheimdienstliche Tätigkeiten lassen sich rechtstaatlich nicht kontrollieren. Das ist eine Erfahrung aus mehreren Diktaturen, es ist übrigens auch eine Erfahrung aus der DDR-Geschichte.
Geheimdienste lassen sich nicht rechtstaatlich kontrollieren, und der Einsatz von V-Leuten, ob sie vom LKA, vom Verfassungsschutz oder einem anderen Dienst eingesetzt werden, ist geheimdienstliche Tätigkeit.
Nun zum Thema NPD-Verbotsverfahren: Das wissen Sie, Herr Schreiber, doch auch viel besser als der Herr Innensenator, der sich mit dem Thema nur beschäftigt, wenn er sich beschäftigen muss. Wir wissen, seit Dr. Körting als Innensenator nach dem ersten gescheitertem NPDVerbotsverfahren, als vom Bundesverfassungsgericht die Auflage gekommen ist, es ginge wirklich nur, wenn alle V-Leute aus den Führungsstrukturen der NPD zurückgezogen seien, für Berlin erklärt hat, das habe er gemacht, dass mittlerweile die gesamte Führungsstruktur der Berliner NPD ausgetauscht worden ist. Mittlerweile sind die militanten Kameradschaften die Führungsstruktur der
Berliner NPD. Es gibt gar keine Sicherheit, dass mit der damaligen Erklärung heute alle V-Leute draußen sind. Deswegen muss der Innensenator liefern. Er muss Transparenz herstellen. Transparenz kann er im V-LeuteBereich nur herstellen, wenn er V-Leute abschaltet. – Danke schön!
Herr Präsident! – Lieber Herr Wolf! Dann will ich noch einmal den letzten Satz oder das letzte Fazit wiederholten. Ich habe gesagt, klar und deutlich: Erstens: Wir brauchen ein reformiertes V-Mann-Wesen.
Zweitens: Wir brauchen klare Regeln im System, wie es denn funktioniert. Der Bund hat jetzt im Grunde genommen eine klare Vorlage gegeben durch den Gesetzesentwurf, der im Deutschen Bundestag diskutiert worden ist. Mir ist auch bekannt, wie die Diskussionslage der einzelnen Parteien gewesen ist. Drittens, der letzte Punkt – das haben Sie gerade angesprochen –: Natürlich geht es auch darum, dass wir die Dinge nicht einfach nur zur Kenntnis nehmen, abheften und sagen: Schön, dass wir darüber geredet haben. –, sondern dass wir auch selbst als Parlament sagen: Wir schauen uns die Dinge mit einer gewissen Regelmäßigkeit an. Wenn man sich in der Historie anschaut, was den NSU betrifft, ist es doch sicherlich ein Armutszeugnis für die Bundesrepublik, dass diese Mordserie stattgefunden hat und es letzten Endes erst danach zu diesen ganzen Konsequenzen im Sicherheitsapparat gekommen ist. Völlig klar! Es ist auch richtig, dass der Bund, wie auch die Länder, im Grunde genommen das, was die Untersuchungsausschüsse an Erkenntnissen beigetragen haben, mit übernehmen, mit überarbeiten und deutlich machen, man hat aus diesen schwerwiegenden Fehlern klar und deutlich gelernt. Ich glaube, das muss man, unabhängig davon, welcher politischen Couleur oder Parteifarbe der Innenminister angehört. Es ging allen nah. Da kann man niemandem unterstellen, das habe man einfach so laufen lassen und das interessiere niemanden.
Ich glaube sehr wohl daran, das gilt auch für das Land Berlin, dass das, was hier zusammengetragen wurde, dem entspricht, was uns das Bundesverfassungsgericht mit dem Hinweisbeschluss aufgetragen hat, und zweitens geht es auch darum, dass wir den Bericht, den ich angesprochen habe – – Da war nicht mehr viel Zeit im Innenausschuss, das werden wir alles noch einmal tun, aber der
Innensenator hat doch aufgeliefert. Sie springen doch als Linksfraktion etwas zu kurz, wenn Sie dieses V-MannWesen immer nur auf den Bereich Verfassungsschutz reduzieren.
Herr Taş hat kurz den Bereich OK angesprochen. Aber Sie müssen da schon ein bisschen ehrlicher sein. Zum Thema Ehrlichkeit, liebe Linksfraktion, will ich Ihnen schon sagen: In Thüringen haben Sie groß die Backen aufgeblasen,
indem Sie gesagt haben: Es wird keine Ausnahme beim Einsatz von V-Leuten in Thüringen geben, nur in begründeten Einzelfällen zur Terrorismusbekämpfung. – Dann wurde öffentlich gesagt, es gebe keine V-Leute mehr im Bereich der rechten Szene. Dazu sage ich Ihnen nur: Herzlichen Glückwunsch! Wo Sie die in Thüringen einsetzen, ist bei der Beobachtung von Salafisten und der türkischen PKK.
Ja, das hat Ihr Regierungssprecher dort erklärt. Ich würde das nicht als Quatsch bezeichnen. Wenn Sie das so sagen, dann ist das Ihr Problem und nicht meins. Ich will damit deutlich machen: Man kann nicht mit dem Dampfhammer raufschlagen und sich am Ende wundern, dass man gar keine Informationen mehr bekommt bzw. nicht informiert war.
Sie haben gestern erlebt, was bundesweit an Razzien stattgefunden hat – durch die Zuarbeit der Geheimdienste, durch den Verfassungsschutz,
Wenn Sie das sozusagen nicht für ehrbare Münze nehmen, was da stattgefunden hat, und alles negieren, dann gehören Sie tatsächlich zu der dritten Kategorie, die ich benannt habe, zu den Gegnern, ganz glasklar. Damit können wir auch politisch leben.
Aber es heißt in der Politik auch, dass man Verantwortung übernimmt. Verantwortung tragen heißt auch, dass man genau weiß, dass das Sicherheitssystem,
Ich komme gleich zum Ende. –, dabei hilft, dass wir nicht nur die Verfassung zu schützen haben, sondern auch Menschen, die hier leben, und dass wir gegen Extremisten jeglicher Couleur vorgehen,
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt der Kollegin Herrmann das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte am Anfang meiner Rede an die Aktuelle Stunde von heute Morgen erinnern und deutlich machen, dass wir alle gemeinsam erklärt haben, wie wichtig der Kampf gegen Rassenwahn, gegen Rassismus, gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und alle anderen Formen von Menschenfeindlichkeit ist. Ich möchte dies voranstellen, weil das Geplänkel, das wir hier erlebt haben, an der eigentlichen inhaltlichen Thematik vorbeigeht.
Auch das muss die Lehre aus dem NSU-Skandal sein. Dreieinhalb Jahre nach Bekanntwerden des NSU ist die Aufklärung noch längst nicht abgeschlossen. Im Übrigen auch noch nicht die Konsequenzenziehung.
Heute reden wir über zwei Anträge der Linken, die in die Richtung Konsequenzen ziehen gehen. Der eine beschäftigt sich mit der Frage NPD-Verbot. Auch hier kann ich mich nur noch einmal wiederholen. Ein mögliches Verbot der NPD ist kein Allheilmittel im Kampf gegen Rechtsextremismus, aber die Innenminister der Länder, Sie, Herr Henkel, und Ihre Kolleginnen und Kollegen, haben einen zweiten Versuch gewagt, nachdem der erste Versuch unter einer rot-grünen Bundesregierung an der Frage der V-Leute scheiterte. Sie müssen sich hier schon die
Frage stellen lassen, warum das Bundesverfassungsgericht dieses deutliche Alarmsignal, diesen deutlichen Warnschuss ausgesprochen hat. Und nichts anderes ist es. Wenn Sie nicht in einer Woche liefern, dann scheitert das zweite Verbotsverfahren an genau denselben Gründen wie das erste. Und das darf nicht wahr sein, das ist peinlich.
Ein erneutes Scheitern würde die NPD stärken. Und das ist etwas, was wir alle gemeinsam nicht wollen. Dieses Interesse, Herr Kollege Schreiber, haben wir alle gemeinsam. Aber dann frage ich mich, warum Sie dem Antrag der Linken nicht zustimmen können, warum Sie hier nicht Transparenz herrschen lassen können und warum wir nicht im Parlament darüber reden können, was es für Beweise gibt, dass keine V-Leute hier mehr eingesetzt werden.
Ich möchte auch noch mal auf eine Dokumentation verweisen, die die ARD kürzlich ausgestrahlt hat, mit dem Titel „V-Mann-Land“. Hier hat ein ehemaliger V-Mann aus Nordrhein-Westfalen namens Wolfgang Frenz – vielleicht kennen seine Geschichte einige von Ihnen, der war 36 Jahre lang V-Mann des Landesverfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen in der NPD –, deutlich gemacht: Ohne die Gelder des Verfassungsschutzes hätte die Gründung der NPD zumindest in Nordrhein-Westfalen nicht stattfinden können. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, was passiert, wie gefährlich V-Mann-Einsätze sind. Genau deshalb kommen wir, kommt meine Fraktion mit den Erfahrungen aus NSU, alles zugemüllt mit Verfassungsschutz, V-Männern, die haben Geld vom Staat bekommen, damit haben sie rechtsextreme Organisationen aufgebaut. Ich erinnere an Tino Brandt und den Heimatschutz, man muss aber auch Tarif nennen, man kann Kai D. nennen, man kann Toni S. oder Corelli, Piatto nennen, man kann alle möglichen Leute als Beispiele heranziehen, die in diesen Skandal verwickelt sind und Geld erhalten haben und damit rechtsextreme Strukturen überhaupt erst aufbauen oder stärken konnten. Aber die NSUMordserie ist nicht aufgedeckt worden, sie ist nicht verhindert worden, sie ist nicht unterbrochen worden. Wie viele Beweise braucht es denn noch, dass V-Männer im Bereich Verfassungsschutz nun wirklich ein unnützes Mittel sind und man von einem V-Mann-Unwesen sprechen muss und man das unterbinden muss?