Viertens: Schließlich muss es uns darum gehen, die Aufnahmebereitschaft von uns Europäern zu steigern. Das wird nur gelingen, wenn wir es schaffen, den Zuzug auf wirklich Schutzbedürftige zu beschränken und die Rückkehr von Nichtschutzbedürftigen durchzusetzen. Die Schutzquoten liegen nicht bei allen Asylantragstellern so hoch wie bei Syrern, 84,2 Prozent, Irakern, 91,4 Prozent, Afghanen, 38,4 Prozent, und Eritreern, 69,1 Prozent. Nicht wenige Asylantragsteller wenden sich ohne Fluchtgründe nach Europa.
Nein, danke! – Armut veranlasst nicht wenige dazu, Zugang in die ja auch sozialpolitisch sichere Europäische Union zu suchen. In den ersten vier Monaten des Jahres 2015 waren unter den Top Ten der Herkunftsstaaten fünf Staaten, in denen es keine nennenswerten Fluchtgründe gibt,
in denen die Schutzquoten nicht über 0,5 Prozent gelegen haben. Und aus diesen Ländern kam die Hälfte der Asylanträge aus den Top-Ten-Staaten, eine erhebliche Zahl. Das gehört auch zur Wahrheit. Und wenn Sie wie ich wollen, dass die Aufnahmebereitschaft der Menschen in diesem Land und in ganz Europa gegenüber Flüchtlingen steigt, dann müssen wir ihnen versichern können, dass wir die Schutzbedürftigen schützen und nicht die nicht Schutzbedürftigen aufnehmen. Und da wüsste ich gern mal – –
In diesem Bereich haben Sie bisher überhaupt keine Ideen entwickelt, sondern Sie beschränken sich immer auf ein Teilthema, und das halte ich für unglücklich. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Zimmermann! Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, der gestern Nachmittag im EU-Parlament gesprochen hat, hat als einen seiner wesentlichen Redepunkte gesagt: Das Retten von Menschenleben muss absolute Priorität haben.
Wenn es nach Ihnen ginge, wäre er mit diesen Worten zu spät gekommen. Aber ich komme später noch dazu, weshalb ich das auch inhaltlich falsch finde. – Ban Ki Moon hat übrigens dazu gefügt, lieber Kollege von der CDU, das Schlepperunwesen zu bekämpfen, wie es jetzt vielfach in aller Munde ist, reiche nicht aus. Wenn, dann geht es um eine umfassende Migrationspolitik und natürlich – das füge ich jetzt hinzu, das haben Sie auch zu Recht gesagt – die Bekämpfung von Fluchtursachen. Gestatten Sie mir aber an dieser Stelle: Zu den Fluchtursachen gehört eben auch, dafür zu sorgen, dass es eine gerechte Weltwirtschaftsordnung gibt. Im Gegensatz zu Ihnen halte ich die Flucht vor Hunger und Not in der Tat für einen hinreichenden Fluchtgrund.
Und wenn wir hier unlängst über die zu beschließenden Freihandelsabkommen zwischen der EU, Kanada und den USA gesprochen haben, dann zementieren eben diese
Freihandelsabkommen auch diese ungerechte Weltwirtschaftsordnung, die Fluchtursachen begründen und sie nicht bekämpfen. Insofern ist das, was Sie hier vorgetragen haben, leider nicht glaubwürdig.
Nun hat uns der Kollege Zimmermann vorgetragen, dass das, was die Mission Frontex macht, weit an Mare Nostrum heranreicht. Falsch! Gestern hat der Chef von Frontex die neue Mission vorgestellt und deutlich gemacht: Für die neue Mission vor Italien – Triton – stehen, in diesem Jahr, wohlgemerkt, 38 Millionen Euro zur Verfügung. Rechne ich das wohlmeinend auf sechs verbleibende Monate um, komme ich lange nicht auf 9 Millionen Euro, lieber Kollege Zimmermann, sondern auf 6,3 Millionen Euro. Das ist dann genau diese Verdreifachung der 2,1 Millionen Euro, die es vorher gab, aber es sind nicht die 9 Millionen Euro von Mare Nostrum.
Schaue ich mir die Ziele an, dann wird deutlich, dass aus diesem Geld eine neue Frontex-Niederlassung in Sizilien aufgemacht wird – das kostet ja gar nichts –, und es werden neun Befragungsteams eingerichtet, die die ankommenden Flüchtlinge in Sizilien befragen sollen, mit wem sie gefahren sind, wer sie eingeladen hat, wo die Boote herkamen – als wäre es das ursächliche Ziel dieser Menschen, diese Erkenntnisse herauszukriegen und weiterzugeben. Die sind froh, dass sie lebend übers Mittelmeer gekommen sind, und dann sollen sie so befragt werden! Das ist unglaublich, und dass Sie das so stützen, macht mich wütend!
Ich will gerne noch einmal Willy Brandt zitieren, den ich auch in der ersten Rederunde zitiert habe: Wer Unrecht duldet, stärkt es. – Sie dulden durch Nichtstun und Zuwarten.
Insofern, denn es hat auch etwas mit den Grundwerten der Europäischen Union zu tun, das Recht auf Leben steht in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ist Heribert Prantl zuzustimmen, der gesagt hat:
Die EU ist Träger des Friedensnobelpreises. Einer EU, die dem Sterben zuschaut, sollte der Preis wieder weggenommen werden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Zu diesem Tagesordnungspunkt ist von der Piratenfraktion die namentliche Abstimmung beantragt worden.
Ich bitte den Saaldienst, die vorgesehenen Tische aufzustellen, sodann bitte ich die Besitzerinnen und Beisitzer nach vorne. Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 71 Abs. 2 S. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses eine namentliche Abstimmung mit dem Namensaufruf durchzuführen ist. Das Mitglied des Präsidiums Frau Haußdörfer wird gleich die Namen aufrufen. Die Stimmkarten werden Ihnen durch die Präsidiumsmitglieder ausgegeben. Ich weise darauf hin, dass die tatsächliche Stimmabgabe erst nach dem Namensaufruf möglich ist. Zuvor werden die Urnenschlitze von den Präsidiumsmitgliedern abgedeckt. Nur so ist ein reibungsloser und geordneter Wahlgang möglich. Sie finden eindeutig gekennzeichnete Urnen vor – eine Urne für die Ja-Stimmen, eine Urne für die Nein-Stimmen, eine Urne für die Enthaltungen sowie für die nicht benötigten restlichen Karten und Umschläge.
Ich eröffne die Abstimmung über den Antrag der Oppositionsfraktionen. Zum Antrag Drucksache 17/2220 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen Grüne, Linke und Piraten, bei Enthaltung einer Stimme der SPD – die Ablehnung. – Ich bitte Frau Haußdörfer, nun mit dem Namensaufruf zu beginnen.
Ich frage noch mal: Hatten alle anwesenden Mitglieder des Hauses die Möglichkeit abzustimmen, und haben sie diese genutzt, sofern sie es wollten? – Es widerspricht niemand. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Präsidiumsmitglieder, die Auszählung vorzunehmen. Für die Dauer der Auszählung ist die Sitzung unterbrochen.
Meine Damen und Herren! Wir haben ein Ergebnis. Ich bitte Platz zu nehmen, damit wir mit der Sitzung fortfahren können. – Vielen Dank! Wir setzen die Sitzung fort. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung:
zur Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß § 38 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin
Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Der Hauptausschuss empfiehlt einstimmig bei Enthaltung Grüne und Linke die Zustimmung. Wer dem Vermögensgeschäft Nr. 06/2015 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der SPD, die Fraktion der CDU, die Fraktion der Piraten. Gegenstimmen? – Es gibt eine Gegenstimme aus dem Kreis der Piratenfraktion. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie die Linksfraktion. – Damit ist das angenommen.
zur Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß § 38 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin
Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Eine Beratung ist auch hier nicht vorgesehen. Der Hauptausschuss empfiehlt einstimmig bei Enthaltung Grüne und Linke die Zustimmung. Wer dem Vermögensgeschäft Nr. 04/2015 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU, die Piratenfraktion. Gegenstimmen? – Es gibt eine Gegenstimme aus dem Kreis der Piratenfraktion. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie die Linksfraktion. – Damit ist das so beschlossen.