Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Absatz 3 der Verfassung von Berlin Drucksache 17/2272
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion die Linke bitten um Überweisung der lfd. Nr. 1 VO-Nr. 17/186 Verordnung zur zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn gemäß § 556d Abs. 2 BGB (Mietenbegrenzungsverordnung) an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr.
Die Fraktion der CDU bittet um Überweisung der lfd. Nr. 2 VO-Nr. 17/187 Zwanzigste Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Straßenreinigungsverzeichnisse und die Einteilung in Reinigungsklassen an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt.
Die Fraktion Die Linke bittet um Überweisung der lfd. Nr. 4 VO-Nr. 17/189 Sechste Verordnung zur Änderung der Verordnung über die zentrale Vergabe von Studienplätzen durch die Stiftung für Hochschulzulassung an den Ausschuss für Wissenschaft.
Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Stellen wir uns Berlin in Zukunft vor! Es gibt immer mehr ältere, alleinstehende Menschen, bildlich gesprochen nach der letzten Prognose in 15 Jahren ein Bezirk mit über 80-Jährigen und zwei weitere mit 65- bis 80-Jährigen. Gibt es dann noch Seniorenwohnhäuser? Wo und wie werden alte Menschen wohnen? Sie brauchen oft barrierefreie Wohnungen. Sie können häufig nicht mehr umziehen. Sie sind auf ihr soziales Umfeld und ihre vertraute Umgebung angewiesen. Wohnen muss für sie vor allem bezahlbar sein, damit der Rest des Einkommens für lebensnotwendige, aber auch für schöne Dinge des Lebens reicht.
Eines ist sicher: Die Renten sind es nicht. Die Altersarmut steigt, und die Wohnkosten spielen dabei eine große Rolle. Vor diesem Hintergrund ist es unverantwortlich,
Die Berliner Seniorenwohnanlagen sind eine Besonderheit. Auf der Grundlage von sogenannten Grundstücksleihverträgen mit verschiedenen Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften wurden Ende der Sechziger- bis Mitte der Siebzigerjahre Seniorenwohnhäuser im Westteil Berlins errichtet. Nach zahlreichen Verkäufen in der Vergangenheit und bis heute sind noch 27 dieser Häuser mit 2 039 Wohnungen im Eigentum des Landes Berlin, der Bezirke oder der städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Es sind durchweg bezahlbare Wohnungen mit Kaltmieten von 3 Euro bis 6 Euro. Das ist ein kleines, aber für die Wohnraumversorgung bedeutendes Segment, das jetzt endgültig wegzubrechen droht. Denn Bezirke, die einen Teil der Wohnanlagen als Fachvermögen besitzen, sind in der Bredouille. Derzeit prüft etwa SteglitzZehlendorf die Zukunft eigener Seniorenwohnanlagen. Dazu gehört auch die Möglichkeit der Veräußerung. Instandhaltung und Instandsetzung waren in der Vergangenheit nicht ausreichend, und jetzt drohen hohe Modernisierungskosten. Der Bezirk hat auf die Frage von Uwe Doering und mir ehrlich geantwortet: Das Investitionsvolumen für alle bezirklichen Immobilien beträgt demnach 2,6 Millionen Euro, der Investitionsbedarf für die Seniorenwohnanlagen rund 8 Millionen Euro. Damit ist klar, dass das mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht annähernd möglich sein wird. Andere Bezirke haben aus ähnlichen Gründen Seniorenwohnhäuser an Private verkauft, die nun die Mieten hochtreiben mit dem Effekt, dass die Wohnungen nicht mehr für die ursprüngliche Zielgruppe zur Verfügung stehen. Das darf nicht so weitergehen.
Und was tut der Senat? – Er lässt die Bezirke im Regen stehen. Er antwortet, wie wir es kennen: Den Bezirken stehe eine Globalsumme zur Verfügung, und die Seniorenwohnhäuser lägen in ihrer alleinigen Verantwortung.
Der Senat kann sich bei diesem wichtigen Thema aber nicht hinter Finanzlogik und Zuständigkeiten verstecken. Die Seniorinnen und Senioren finden bei ihm offensichtlich kein Gehör. Beispielhaft hat der DGB-Seniorenarbeitskreis daran erinnert, dass seniorengerechte Wohnungen ein lebenslanges Wohnen in vertrauter Umgebung ermöglichen sollen. Bisher hielt es der Senat nicht für nötig, die Bezirke zu unterstützen, aber jetzt muss er handeln.
Er muss für auskömmliche Zuweisungen für bezirkliche Seniorenwohnhäuser sorgen, nach unseren Vorstellungen in einem eigenen Haushaltstitel.
Wir sind sehr gespannt, wie sich die Koalition bei diesem wichtigen Thema zu dem entsprechenden Antrag von uns verhalten wird. Wir fordern einen umgehenden Stopp des Verkaufs an Private. Die Bezirke sind zu verpflichten, Seniorenwohnanlagen nur an das Land oder an eine städtische Wohnungsbaugesellschaft zu verkaufen. Der Instandhaltungsstau muss beseitigt werden, Modernisierung behutsam und im Einvernehmen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern durchgeführt werden.
Seniorenwohnhäuser sind Teil der Daseinsvorsorge. Wir fordern daher eine individuelle Obergrenze in Höhe von maximal einem Drittel des verfügbaren Einkommens.
Auch der Rückkauf ehemaliger öffentlicher Seniorenanlagen soll vom Senat geprüft werden. Wir finden uns nicht mit der pauschalen Antwort ab, das sei derzeit nicht beabsichtigt.
Seniorenwohnhäuser müssen Teil der Geschäftstätigkeit von städtischen Wohnungsunternehmen werden bzw. bleiben. Sie sollen sie von Dritten, seien es Private oder Bezirke, erwerben.
Für unseren Antrag haben wir viel Lob von Seniorenvertretungen erhalten. Deren Erwartungshaltung ist hoch. Der Antrag sollte bei der Koalition und beim Senat etwas auslösen, deshalb sind wir aufgeschlossen für Gespräche, für einen Allparteienantrag. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Lompscher! – Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort Frau Abgeordnete Radziwill. – Bitte!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Lompscher! Ich teile Ihre Sorge. Die Altersarmut steigt in Berlin, und der Bedarf an günstigen seniorengerechten Wohnungen steigt auch. Es ist auch gut, dass die Anzahl der Hochaltrigen in Berlin steigt, das können Sie auch der Vorlage „80plus“ entnehmen, die jüngst – ich glaube, letzte Woche – von Herrn Czaja präsentiert worden ist. Es ist wichtig, dass wir für diese Zielgruppe, für die Seniorinnen und Senioren mit geringem Einkommen, hier in Berlin Wohnungen vorhalten. Deshalb teilen wir die Grundintention Ihres Antrags.
Sie wissen, dass wir in dieser Legislaturperiode festgehalten haben, dass wir keinen Verkauf von Wohnungen im städtischen Bestand zulassen wollen. Die Bestände der städtischen Wohnungsbaugesellschaften werden erhöht durch Zukauf, aber auch durch Neubau. Uns ist es wichtig zu prüfen und den Weg des Senats zu unterstützen, die Strategie so zu ändern, dass die vorhandenen Senio
renwohnhäuser der Bezirke perspektivisch auch über den Liegenschaftsfonds auf die städtischen Wohnungsbaugesellschaften übertragen werden. Aus unserer Sicht ist das der richtige Weg, wie notwendige Sanierungen, notwendige Weiterentwicklungen möglich gemacht werden können. Meine Fraktion unterstützt auch die Überlegungen des Senats, Seniorenwohnungen in die Zuständigkeit der städtischen Wohnungsbaugesellschaften zu übertragen.
Ich denke, das ist eine wichtige Aussage, auch für Sie. Sie sehen, dass uns das Anliegen enorm wichtig ist. Wichtig ist auch, dafür zu sorgen, auch beim Neubau, dass weitere günstige Wohnungen für Seniorinnen und Senioren zur Verfügung gestellt werden. Ich denke, wir werden diesen Antrag gemeinsam konstruktiv im Ausschuss beraten.
Uns ist wichtig, dass keine weiteren Verkäufe an private Dritte vorgenommen werden. Wir fordern das ausdrücklich ein. Und es ist auch wichtig, das Kontingent bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften für besondere Bedarfsgruppen insgesamt zügig auszubauen, denn es ist wichtig, für alle Zielgruppen in Berlin – und das geht über die Gruppe der Seniorinnen und Senioren hinaus –, auch für Menschen, die ein niedriges Einkommen haben und sich bestimmte Wohnklassen nicht mehr leisten können, bezahlbaren Wohnraum vorzuhalten. Deshalb freue ich mich auf die Debatte im Fachausschuss. Ich bin mir sicher, dass wir die Ziele Ihres Antrags insgesamt gemeinsam umsetzen werden. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Radziwill! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Villbrandt. – Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein schwieriges Thema, das die Fraktion Die Linke mit diesem Antrag anspricht! Zur Besonderheit von Seniorenwohnhäusern möchte ich Sie an etwas erinnern. Die in der Sechziger- und Siebzigerjahren in Berlin errichteten, meistens von den Bezirken bewirtschafteten Seniorenwohnhäuser sind zu einer traurigen Geschichte geworden. Jahrelanger Leerstand und Stau im Sanierungsbereich zwangen die Bezirke, viele Seniorenwohnhäuser zu verkaufen. Die dann doch durchgeführten Modernisierungen und Sanierungen führten wiederum zum Anstieg der Mieten, die für die Bewohner und Bewohnerinnen zum Teil unbezahlbar wurden.
Als Bezirksverordnete war ich in den Neunzigerjahren bereits mit dieser Problematik konfrontiert. Als Anfänge
rin in der Politik dachte ich damals, dass vor allem Seniorinnen und Senioren mit Migrationshintergrund Gefallen an den kleinen Wohnungen in Seniorenwohnhäusern fänden, wenn sie nur von denen erführen. Viele von diesen Seniorinnen und Senioren wohnten zum Teil in viel schlechteren Hinterhauswohnungen. Die Sozialberatung, die damals Seniorenwohnhäuser angeboten haben, hätten sie auch gut gebrauchen können. Ich habe mich getäuscht. Die Rentner und Rentnerinnen, die ich kannte, wollten ihre Kieze nicht verlassen. Die sozialen Kontakte, die sie dort hatten, die Nischen, ihre Minigesellschaften waren für sie unverzichtbar. Die Seniorenwohnhäuser blieben halb leer, Sozialberatung und Hausmeister konnten nicht mehr finanziert werden, für Sanierung gab es kein Geld. Es gibt ganz sicher auch andere Erfahrungen, auch neue Entwicklungen in diesem Bereich, aber insgesamt wurden diese Seniorenwohnhäuser für die Bezirke zu einer nicht zumutbaren Belastung. Für die Seniorinnen und Senioren, die sich vor vielen Jahren für einen letzten Umzug in solch eine Wohnung entschieden haben, ist die heutige Situation sehr bitter. Die steigenden Mieten, vielleicht ein notwendiger Umzug – das alles ist angstbesetzt und für sie kaum lösbar. Wo sollen diese Menschen entsprechenden Ersatz bekommen? Wie sollen sie ihren Umzug organisieren?
Für uns Grüne ist in erster Linie wichtig, dass die betroffenen Seniorinnen und Senioren in ihrem gewohnten Wohnumfeld bleiben können, unabhängig davon, ob sie in einer privaten Mietwohnung oder in einer bezirklichen Seniorenwohnung wohnen. Das ist das Ziel unserer grünen Wohn- und Mietenpolitik in Berlin, die auch viele weitere Maßnahmen umfasst. Niemand soll in fortgeschrittenem Alter gezwungen werden umzuziehen, schon gar nicht, wenn er behördlich ermuntert wurde, damals noch geförderten Wohnraum anzumieten.
Nach unserer Meinung sollten wir alles tun, um den Menschen, um die es geht, gewaltige Mietsteigerungen und sogar einen Umzug zu ersparen. Insofern teilen wir grob das Grundanliegen dieses Antrags. Wir haben aber die Aufgabe, alle ärmeren Seniorinnen und Senioren in Berlin im Blick zu haben, und das sind einige mehr als die, die jetzt bereits in Seniorenwohnhäusern wohnen.
Einige Forderungen aus dem Antrag können wir allerdings ohne ausführliche Diskussionen und Überlegungen nicht übernehmen. So sehen wir es im Antrag als etwas problematisch an, dass nach Modernisierung eine Bruttomietbelastung von maximal einem Drittel des Einkommens garantiert werden soll. Ich würde gerne wissen, welche rechtliche Grundlage es dafür gäbe. Selbst wenn es wünschenswert ist, scheint uns Ihre Forderung, die Bezirke zu verpflichten, Seniorenwohnhäuser nur an städtische Wohnungsbaugesellschaften zu veräußern, ein zu großer Eingriff in die Handlungsmöglichkeiten der
Bezirke und auch als rechtlich fraglich. Warum sollen die Wohnungen nicht an Träger übertragen werden? Über diese und einige weitere Fragen wie z. B., was aus diesen Häusern im Einzelnen werden soll, müssen wir in den Fachausschüssen beraten.
Bitte erlauben Sie mir noch abschließend eine Bemerkung zur Erhaltung des Wohnumfelds für bisherige Mieter: Ja, das gilt für alle Mieterinnen und Mieter, für ältere insbesondere. Perspektivisch bevorzugen wir von Bündnis 90/Die Grünen jedoch Wohnkonzepte, die nicht auf die gemeinsame Unterbringung einer bestimmten Altersgruppe und damit ein Stück weit auf ihre Trennung vom Rest der Gesellschaft hinauslaufen. Wir setzen auf durchmischte Wohnformen. Ältere Menschen inmitten aller anderen Generationen, das ist die Vision, die wir haben. – Danke schön!