Protokoll der Sitzung vom 28.05.2015

Die Petitionen der Petenten sind ein Anzeiger, was in der Stadt Berlin nicht ganz so vernünftig läuft. Man sollte dabei beachten, dass die Petitionen letztlich immer nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Viele Menschen trauen sich gar nicht, eine Petition zu schreiben, oder denken sich, die da oben helfen uns nicht. Dementsprechend ist

(Regina Kittler)

klar, dass, wenn man ein vermehrtes Auftreten von Petitionen feststellt, nachsteuern muss. Ich bin der Meinung, dass man hier nur der Reparateur von Verfehlungen auf anderer Ebene ist. Viele Petitionen kommen dadurch zustande, dass kein Personal vorhanden ist, dass Geld eingespart wurde und etwas deswegen nicht läuft. Damit zusammenhängend müssen wir eigentlich auf anderer Ebene arbeiten und dort etwas zur Verfügung stellen. So kann z. B. Folgendes nicht sein: Ich habe ein Petentin in meinem Zuständigkeitsbereich, die davon betroffen ist, dass seit fast zwei Jahren ein Streit um die Unterhaltspflicht zwischen dem Bezirksamt Schöneberg und einem Landkreis in Brandenburg ausgefochten wird. Diese Petentin hat in diesen fast zwei Jahren kein Geld bekommen, weil sich zwei Ämter nicht einig sein können, wer zuständig ist. Solche Sachen müssen bereinigt werden. Der Streit um die Zuständigkeit kann weiter ausgefochten werden, aber auf Amtsebene, und der Antragsteller, der alles getan hat, um seine Leistungen zu bekommen, und alle Anträge eingereicht hat, muss diesbezüglich sein Geld bekommen. Es kann nicht sein, dass auf dem Rücken der Ärmsten und Bedürftigsten so etwas ausgetragen wird.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Philipp Magalski (PIRATEN) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Magalski?

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Ist auch nicht abgesprochen!]

Ja, ich gestatte eine Zwischenfrage.

Bitte!

Vielen Dank! – Herr Kollege Claus-Brunner! Können Sie bemessen, wie viel Zeit der Ausschuss im Durchschnitt für die Befassung mit einer Petition hat, und betrachten Sie diese als ausreichend, um allen Petitionen adäquat gerecht zu werden?

Vielen Dank!

Die Zwischenfrage war nicht abgesprochen. Das sage ich, um irgendwelchem Misstrauen entgegenzutreten. – Ich

empfinde die Zeit als ausreichend, denn der Abgeordnete kann sich persönlich mit seinem Berichtsbereich auseinandersetzen, und dementsprechend kann er ja die Zeit, die dafür aufgewendet werden muss, ausdehnen. Seitens des Petitionsbüros, der Mitarbeiter, wird auch außerordentlich viel Zeit investiert, um bei den entsprechenden Amtsstellen nachzufragen oder Stellungnahmen einzufordern. Also das ist meiner Meinung nach durchaus ausreichend bis befriedigend leistbar. Wenn man mehr haben möchte, müsste man einerseits als Abgeordneter mehr Zeit investieren und andererseits mehr Leute im Petitionsbüro einstellen. Da bin ich aber jetzt an der falschen Stelle, um das weiter zu erörtern. – So weit dazu.

Es gibt auch noch einen anderen Bereich, und da wiehert der Amtsschimmel mal wieder ganz gewaltig. Eine Petitionsschreiberin hat ein Parkknöllchen bekommen und hat die Ordnungsstrafe auch rechtzeitig bezahlt. Der einzige Fehler, der hier passiert ist: Sie hat das Aktenzeichen mit einem Zahlendreher versehen. Daraus ergab sich ein Bußgeld und so weiter und so weiter. – Wir als Petitionsausschuss haben vorgeschlagen, dass die entsprechenden Stellen, die dafür zuständig sind, ein Verfahren einführen, damit solche nicht zuordenbare Zahlungen wieder zurückgebucht werden, sodass derjenige, der eingezahlt hat, rechtzeitig weiß: Moment, da ist etwas schiefgelaufen, ich mache das noch mal! – Denn so, wie das jetzt abgelaufen ist, ist das ungünstig, teuer und ärgerlich für die, die das zu zahlen haben. Das geschah ja nicht zum ersten Mal. Dieser Vorschlag für eine Automation ist bis jetzt noch abgelehnt worden. Da müssen wir noch mal ein bisschen Druck ausüben, damit das besser wird.

Schlussendlich gibt es auch noch viele andere Dinge, wo man immer wieder feststellt: Ja, wenn das Land Berlin die entsprechenden zuständigen Stellen – Ämter, Bürgerämter usw. – vernünftig mit Personal und Finanzmitteln ausstatten würde, würden uns wesentlich weniger Petitionen erreichen. In diesem Zusammenhang fände ich es gut, dass wir auf die Menschen hören und für die Menschen etwas tun, und nicht, dass wir auf der einen Seite alles einsparen und zurückfahren und uns dann wundern, dass so viele Menschen sich beschweren und Probleme haben. Das ist in vielen Fällen hausgemacht, selbstgemacht, und da sollten wir uns an die eigene Nase fassen, auf anderen Ebenen etwas tun und den Menschen mehr zur Verfügung stellen, denn die machen das nicht aus Jux, sich bei uns zu beschweren, sondern sie haben tatsächlich ernste Probleme.

Wir als Petitionsausschuss können hier nur bedingt helfen. Wir können – wie das ja auch im Bericht steht – bei bis zu zwei Dritteln mit Auskunft und weiterer Nachfrage etwas auslösen, aber im Zusammenhang betrachtet ist es nicht so schön, immer wieder reparieren zu müssen, wenn man auf der anderen Seite durch günstige und richtige Arbeit besser dastehen würde.

Ich komme zum Schluss – mein letzter Satz –: Es kann nicht sein, dass ich den Banken als Land Berlin 2 Milliarden Euro pro Jahr gebe und bei den Bezirken und anderen Ämtern diesen Betrag mehrfach zurückhalte, was keinen Sinn haben kann.

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN – Beifall von Katrin Lompscher (LINKE)]

Vielen Dank, Herr Claus-Brunner! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Bericht wurde abgegeben und besprochen. Das ist die formale Erklärung an der Stelle. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mich auch im Namen des Präsidiums dem bereits vielfach ausgesprochenen Dank an alle Beteiligten des Petitionsausschusses für ihre Arbeit anzuschließen. – Vielen, vielen Dank!

[Allgemeiner Beifall]

Wir kommen nun zu

lfd. Nr. 4:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.1:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 12

Stromnetzvergabe neu ausschreiben!

Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 6. Mai 2015 Drucksache 17/2263

zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2209

Für die Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von grundsätzlich fünf Minuten zur Verfügung. Die Auswirkung einer Redezeitüberschreitung und Anrechnung auf das Kontingent der Fraktion ist Ihnen bekannt. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat Herr Abgeordneter Harald Wolf. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit unserem Antrag wollen wir erreichen, dass das Ausschreibungsverfahren für die Vergabe der Stromnetzkonzession aufgehoben wird und die Vergabe der Stromnetzkonzession neu ausgeschrieben wird. Nun haben die Koalitionsfraktionen zusammen mit den Piraten im Hauptausschuss empfohlen, diesen Antrag abzulehnen. Das kann man machen, und das ist uns auch relativ egal, solange Sie das machen, was wir vorschlagen.

[Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit]

Das passiert ja auch gelegentlich. Ich kann mich erinnern, dass wir vor ca. einem Jahr den Antrag gestellt haben, dass der Senat Verhandlungen mit den Anteilseignern der GASAG aufnehmen soll mit der Zielsetzung, Eigentumsanteile an der GASAG, und zwar Mehrheitsanteile, und unternehmerische Führung in der GASAG zu erreichen. Dieser Antrag schmort seit einem Jahr in den Ausschüssen, aber Sie machen ja jetzt das, was wir beantragt haben. Insofern sind wir zufrieden, und wir hoffen, dass es mit diesem Antrag trotz Ablehnung genauso geschieht. Ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass der Senat die Frage, ob er das Konzessionsverfahren auf null zurücksetzt und neu ausschreibt oder ob er das Verfahren nach einigen Korrekturen fortsetzt, noch in der Schwebe lässt.

Ich will an dieser Stelle noch mal erklären, weshalb wir dafür plädieren, das Vergabeverfahren abzubrechen und wegen einer Vielzahl von rechtlichen Mängeln aufzuheben und neu auszuschreiben. Die Argumente dafür will ich noch mal darstellen.

Der erste wesentliche Grund ist der, dass mit dem Gerichtsurteil im Verfahren zur Vergabe der Gasnetzkonzession erhebliche Rechtsunsicherheiten aufgetreten sind – egal, wie man das Urteil im Einzelnen bewertet. Diese rechtliche Unsicherheit existiert, und wie die Berufung ausgeht, weiß man nicht. Das heißt, darauf zu setzen, dass das Land Berlin in der Berufung Erfolg hat, ist in gewisser Weise ein Vabanquespiel. Man kann dabei gewinnen, man kann aber auch verlieren. Wir wollen – das ist unser Interesse – die Risiken ausschließen und fordern deshalb die Zurücksetzung des Verfahrens. Denn nur ein Teil der Mängel, die das Landgericht am GASAG-Verfahren gesehen hat, ist im Verfahren selbst zu beheben – und nicht alle.

Die entscheidende Frage lautet: Ist Berlin-Energie bieterfähig, und durfte Berlin-Energie überhaupt im Verfahren zugelassen werden? – Diese Frage kann im Verfahren nicht mehr geklärt werden. Deshalb sagen wir: Das Verfahren muss aufgehoben werden, Berlin-Energie muss bieterfähig aufgestellt werden, und zwar sowohl, was die Personal- und Kapitalausstattung angeht, als auch, was die Frage einer eigenständigen Rechtsform angeht.

[Beifall bei der LINKEN]

Wer das Verfahren nicht zurücksetzt, sondern das Verfahren weiterbetreibt, geht damit das Risiko ein, dass es keine Chance auf eine hundertprozentige Rekommunalisierung gibt, und wir wollen die Chance einer hundertprozentigen Rekommunalisierung des Stromnetzes bewahren.

[Beifall bei der LINKEN]

(Gerwald Claus-Brunner)

Zweiter Punkt: Wenn das Verfahren fortgesetzt wird und sich in den weiteren rechtlichen Auseinandersetzungen nicht die Rechtsauffassung des Senats durchsetzt – was ja in der ersten Instanz beim Gasverfahren der Fall gewesen ist –, dann hat Vattenfall letztendlich eine extrem komfortable Position in diesem Verfahren. Es ist der einzige Bieter für das 100-Prozentlos und der einzige Bieter für die Kooperationslösung im Wettbewerb mit der BürgerEnergie. Ich melde auch meine Zweifel an, ob es ein Selbstgänger ist, dass sich Bürger-Energie an dieser Stelle durchsetzt. Wer auch seine Verhandlungsposition gegenüber Vattenfall stärken will, muss für eine Zurücksetzung des Verfahrens sein.

Ich will noch einen letzten Satz zu dem Antrag sagen, den wir hier nicht an diesem Punkt behandeln, dem Antrag der Piraten. Selbstverständlich ist es so, dass der Senat in den Gesprächen mit den Gesellschaftern nicht über die Frage der Stromnetzkonzession verhandeln darf. Es ist dem Senat sicher bewusst, weil alles andere Harakiri wäre. Deshalb geht die Kritik der Piraten an dieser Stelle auch fehl. Das, was der Senat an Verhandlungen führt, muss sauber von der Vergabe des Stromnetzes getrennt sein. Das ist ein eigenständiges Verfahren. Und die Frage, ob man Gesellschafteranteile an der GASAG oder Gesellschafteranteile an Vattenfall erwirbt, hat nichts und darf nichts mit der Stromnetzkonzession zu tun haben. Das halte ich hier noch einmal fest. Das ist sicherlich auch die Position des Senats. Jedenfalls hat das gestern der Senator in der Enquete-Kommission so erklärt. Deshalb, liebe Piraten, ist der erste Punkt eures Antrags eine Selbstverständlichkeit und richtig, der zweite Punkt allerdings fatal, zu fordern, dass das Stromnetzverfahren fortgesetzt werden muss. Damit läuft man genau in die von mir geschilderten Probleme hinein, die wir nicht wollen. Wir wollen ein Zurücksetzen des Verfahrens. Wir wollen die Chance auf eine 100-prozentige Rekommunalisierung des Stromnetzes wahren. Wir wollen, dass die Verhandlungsposition des Landes gegenüber Vattenfall eine gute ist und die Verhandlungsposition nicht geschwächt wird.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Wolf! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Stroedter. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Wolf! Wir haben das Thema hier und auch in verschiedenen anderen Sitzungen schon öfter miteinander debattiert. Sie unterstellen natürlich immer, dass sich die Probleme mit dem Antrag, den Sie haben, lösen. Das ist eine offene Frage. Man kann das auch etwas anders diskutieren. Wenn wir jetzt zurücksetzten, entstünde ein Zeitverlust. Meine Position ist, dass

das zu vernachlässigen ist. Wir haben darüber hinaus aber andere Probleme. Es wird mit Sicherheit ein weiteres Klageverfahren kommen; denn der Betreiber Vattenfall, den Sie angesprochen haben, wird das nicht einfach so hinnehmen, dass zurückgesetzt wird. Er wird sich entsprechend positionieren. Die Frage ist, ob eine Neuausschreibung möglicherweise auch Auswirkung auf den Kaufpreis hat. Das ist in dieser ganzen ungeklärten Situation, die wir leider haben, noch offen.

Sie haben das Gasnetzurteil angesprochen. Die SPDFraktion ist davon überzeugt, dass das ergangene Urteil sehr problematisch ist und es genügend Gründe gab, hier eine Berufung einzulegen. Das ist auch getan worden. Ich finde es auch richtig, dass sich Berlin-Energie an der Berufung beteiligt hat, schon aus wirtschaftlichen Gründen ist das alles zwingend erforderlich.

Man wird dann sehen, dass man die Frage der Rechtsform von Berlin-Energie noch einmal genau debattiert. Das wird sicherlich passieren. Dann muss man schauen, welche Möglichkeiten man hat. Man hat aus meiner Sicht genau zwei Möglichkeiten. Die Opposition ist hier in der Frage leider auch nicht besonders einig. Sie haben sich hier zu Recht aus ihrer Sicht von dem Antrag der Piraten abgesetzt.

Eine Variante ist, das Verfahren nachzubessern. Dazu habe ich schon einmal gesagt und möchte das an dieser Stelle hier wiederholen, dass es drei Punkte gibt. Die Frage der Unterkriterien ist unstrittig, die bei den Urteilen gefallen sind. Da muss man etwas tun. Hinsichtlich der Frage der Change of Control mit dem Bundeskartellamt gehe ich davon aus, dass der Finanzsenator schon relativ weit ist. Für uns als SPD-Fraktion ist diese Klausel zwingend wichtig. Daran wollen wir auch nichts ändern. Dann geht es um die finanzielle Ausstattung von Berlin Energie, die ausreichend sein muss, um die Eignung als Netzbetreiber nicht infrage zu stellen.

Auf der anderen Seite ist es so, dass es sein kann – wenn man es andersherum betrachtet –, es als sinnvoll anzusehen, das Verfahren noch einmal auf null zu setzen. Ich will auch gar nicht abstreiten – Dr. Garmer wird sich auch noch äußern –, dass wir uns in der Koalition in dieser Frage nicht ganz einig sind. Es ist auch nicht ganz einfach, wenn es unterschiedliche Positionen gibt. Es wäre sehr viel einfacher, wenn wir eine Inhouse-Lösung hätten. Eine solche haben wir leider nicht. Das Energiewirtschaftsgesetz ändern wollen übrigens auch viele Kommunen, auch CDU-Kommunen, Herr Dr. Garmer, wenn ich das schon einmal im Vorgriff zu Ihrer Rede sagen darf, weil es sinnvoll ist. Nun hat es diese Senatsklausur gegeben, auf der das auch schon diskutiert worden ist. Ich will noch einmal ganz deutlich für die SPDFraktion feststellen, was dort beschlossen worden ist, weil ich immer den Eindruck habe, dass es anschließend etwas anders interpretiert wird. Es steht in dem