Protokoll der Sitzung vom 11.06.2015

[Beifall bei der CDU]

Im Übrigen wurden noch immer etwa zwei Drittel der im Jahr 2013 Geborenen – 682 000 Kinder – in Deutschland in Ehen geboren. Sollen – an dieser Stelle finde ich die Überlegung der saarländischen Ministerpräsidentin keinesfalls an den Haaren herbeigezogen – künftig eigentlich auch WGs, enge Freunde und Geschwister unter den Schutz der Ehe fallen dürfen? Wenn nein, warum eigentlich nicht?

[Martin Delius (PIRATEN): Sollen die doch ihre Hunde heiraten!]

Es handelt sich häufig um auf lange Zeit angelegte Gemeinschaften, die füreinander Verantwortung übernehmen und sich vielleicht ebenso den Traum von Kindern erfüllen möchten. Mit welchem Argument soll man diesen Menschen die Eheschließung versagen? Soll in die Definition der Ehe, um diesen Aspekt auszuschließen, künftig aufgenommen werden, dass es sich um eine Beziehung zwischen Menschen handeln muss, die auf einer sexuellen Grundlage basiert? Warum dürfen, wenn wir schon bei der Neuregelung sind, eigentlich nur zwei Menschen miteinander die Ehe schließen?

Ich bin – meine Kollegen aus dem Rechtsausschuss wissen das – kein Fan davon, Verfassungen schnell einmal zu ändern, ohne die Folgen zu Ende zu denken.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Es ist ja nicht so, dass Sie Argumente hätten!]

Diese Zeit zur Diskussion sollten wir uns auch nehmen, es sei denn, es geht Ihnen gar nicht um die Sache, sondern nur um Symbolik.

[Beifall bei der CDU]

Wie ist es nun mit der Adoption? Hier soll das abstrakte Kindeswohl ohne Wenn und Aber im Vordergrund stehen. Natürlich sind adoptierte Kinder immer Wunschkinder, denen eine besondere Fürsorge zuteilwird. Natürlich ist jedes Kind bei liebenden Eltern gleich welcher geschlechtlichen Orientierung besser aufgehoben als in einem Heim. Allerdings braucht es hierfür nicht die Änderung des Artikels 6 Grundgesetz, sondern eine Reform des Adoptionsrechts. Wenn wir die in Angriff nehmen, sollten wir auch die vielen weiteren Menschen in Deutschland mit völlig berechtigtem Kinderwunsch berücksichtigen. Warum kann denn die alleinstehende Frau oder der alleinstehende Mann, die oder der den Partner für das Leben noch nicht gefunden hat, in Deutschland keine Kinder adoptieren?

[Martin Delius (PIRATEN): Weil die CDU zu lange regiert!]

Es ist doch längst gesellschaftliche Realität, dass Alleinerziehende bei uns leben.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Was hat das mit dem Thema zu tun?]

Warum gibt es immer noch eine Altersgrenze, die jeweils weit unter der biologischen Altersgrenze liegt, mit der

Frauen Kinder bekommen? Warum sind so viele Paare und alleinstehende Menschen in Deutschland gezwungen, zur Adoption ins Ausland zu fahren? Hier sehe ich tatsächlich dringenden Handlungsbedarf und zwar im Interesse der Kinder.

Wenn man allerdings die Zahlen betrachtet, scheint die Diskussion um die Adoption doch eher symbolischen Charakter zu haben. Im Jahr 2013 gab es in Deutschland insgesamt 3 793 Adoptionen. Abzüglich der Adoption von Stiefeltern verbleiben noch 1 555 adoptierte Kinder. Wenn Sie davon noch die Verwandschaftsadoptionen abziehen, sind wir bei einer Zahl weit unter 1 000 Kindern, die im Jahr adoptiert werden können. Was folgt daraus? Als nächstes wird es den Wunsch nach der Leihmutterschaft oder der Eizellenspende in Deutschland geben, damit sich auch alle gleichgeschlechtlichen Paare den Kinderwunsch erfüllen können. Ist die Leihmutterschaft ethisch zu Ende durchdacht? Was heißt es eigentlich für Kinder, mit einer solchen Herkunft zu leben?

[Elke Breitenbach (LINKE): Wovon reden Sie eigentlich?]

Alles in allem drängt sich der Eindruck auf, dass es der versammelten Opposition hier um reine Symbolpolitik geht. Wenn Sie diese brauchen, bitte sehr! Der Sache selbst leisten Sie damit keinen guten Dienst.

[Beifall bei der CDU]

Wir jedenfalls werden die nächsten Wochen und Monate nutzen, um hier in einen ernsthaften Diskurs mit der Berliner Gesellschaft einzusteigen.

[Andreas Baum (PIRATEN): Über die Ehe? – Zurufe]

Meine Herrschaften! Bitte!

Auch wenn Sie es nicht für möglich halten, gibt es in Berlin große Bevölkerungsteile, die keineswegs für eine Gleichstellung und Öffnung der Ehe eintreten. Ich verstehe es als unser Anliegen als CDU, auch diese Bevölkerungsteile ernsthaft in die Diskussion mit einzubeziehen.

[Beifall bei der CDU]

Wesentliche gesellschaftspolitische Entscheidungen möchte ich weder dem Bundesverfassungsgericht überlassen, noch möchte ich sie mit knappen Mehrheitsverhältnissen über das Knie brechen.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Zweidrittelmehrheit ist knapp!]

Mit der Änderung von Gesetzen und sei es auch der deutschen Verfassung ist den Betroffenen nicht allein gedient, wenn die gesellschaftliche Akzeptanz fehlt. Wenn es

Ihnen um die endgültige Abschaffung von Diskriminierung geht, unterstützen Sie uns dabei, einen gesellschaftlichen Konsens herzustellen, statt mit pawlowschen Reflexen vermeintlich überholte Positionen anzuprangern.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Frau Kollegin Seibeld! – Die Kollegin Pop von Bündnis 90/Die Grünen hatte um eine Kurzintervention geben. Ich erteile ihr jetzt das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um vorneweg etwas zum Thema Schwarz-Grün zu klären: In Hessen ist es so, dass dort der Ministerpräsident mit der Richtlinienkompetenz ein Schwarzer und kein Grüner ist

[Zurufe von der CDU]

und da klar wird, wer Koch und wer Kellner ist, und nicht wie bei Ihnen, wo der Hund nicht mit dem Schwanz, sondern der Schwanz mit dem Hund wedelt.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Frau Seibeld! Nun zu Ihnen!

[Zurufe von der SPD und den PIRATEN]

Es wäre schön, wenn es etwas ruhiger wäre!

Meine Damen und Herren! Ich bitte jetzt noch mal, Disziplin zu wahren. Das gilt für alle hier.

Sie haben die Frage gestellt, warum denn nun zu gleichen Rechten, warum man da auch noch die Ehe einführen möchte, weil die Rechte fast die gleichen seien, ob das nicht Symbolik sei. Die Frage kann ich Ihnen umgekehrt genauso stellen, liebe Frau Seibeld: Warum wollen Sie eigentlich bei gleichen Rechten nicht zugestehen, von Ehe zu sprechen? Ist das nicht eher Symbolpolitik von Ihrer Seite? –, frage ich da.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Zurufe von der CDU]

Dazu, Menschen das Recht zu verwehren, die Person zu heiraten, die sie lieben, und zu einigen anderen Ihrer unschönen Ausführungen hat Ihr Parteikollege Jens Spahn das Nötige gesagt. Sie beleidigen damit das Leben und das Lieben von Schwulen und Lesben in Deutschland und das ihrer Familien. Das müssen Sie in Ihrer Partei klären.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Beifall von Rainer-Michael Lehmann (SPD)]

Und Sie erliegen noch einem weiteren Irrtum. Sie haben gesagt, es müsse für uns alles hopplahopp gehen, wir hätten Angst, denn wenn sich eine Gesellschaft länger damit beschäftige, könnte vielleicht irgendwas herauskommen, was denjenigen nicht passe, die hier den Antrag eingebracht haben.

[Zuruf von Cornelia Seibeld (CDU)]

Liebe Frau Seibeld! Gucken Sie sich einfach die letzten 25 Jahre an. Je länger unsere Gesellschaft sich damit beschäftigt hat, desto gleichstellungsfreundlicher ist sie geworden. Vor 14 Jahren die eingetragene Lebenspartnerschaft im Deutschen Bundestag! Das Bundesverfassungsgericht der letzten Jahre – Schritt für Schritt die rechtliche Gleichstellung vorangetrieben, die von Ihrer CDU im Bund blockiert wurde. Heute müssen Sie doch endlich erkennen, dass Sie von der Realität überholt worden sind und da nur noch hinterherlaufen!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Evrim Sommer (LINKE): Genau!]

Sie mögen glauben, sich mit Ihrer Mitgliederbefragung über den heutigen Tag gerettet zu haben, aber Sie werden nicht darum herumkommen – das sage ich auch in Richtung von Herrn Henkel –, sich zu positionieren. Spätestens bei der Mitgliederbefragung werden Sie sagen müssen, wo Sie in dieser Frage stehen, lieber Herr Henkel! Dann werden Sie sich nicht mehr wegducken können! Vielleicht ist es ja nach dem Wahlparteitag vom Samstag schon so weit, dass wir Ihre Meinung in dieser Frage erfahren werden. Aber in Sachen Großstadtpolitik kann ich sagen: Das Wort können Sie einmotten, das nimmt Ihnen ab heute keiner mehr ab. Und das Traurigste ist: Die SPD macht da offensichtlich auch noch mit.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Die Kollegin Seibeld will nicht erwidern. Dann erteile ich jetzt für die Linksfraktion dem Kollegen Dr. Lederer das Wort.

[Zurufe von den PIRATEN]

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Morgen werden im Bundesrat zwei Anträge verhandelt, ein Gesetzentwurf und eine Entschließung, eine Resolution an die Bundesregierung, beide mit dem Ziel der Öffnung der Ehe. Über den Entschließungsantrag wird sofort abgestimmt. Er wird eine Mehrheit finden, das ist völlig klar. Für uns als Berlinerinnen und Berliner ist es

(Cornelia Seibeld)