Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Initiatorinnen und Initiatoren des Mietenvolksentscheids haben innerhalb weniger Wochen etwa 40 000 gültige Unterstützerunterschriften für das Volksbegehren gesammelt. Das ist eine bemerkenswerte Leistung. Allerdings hätte es mich überrascht, wenn diese Zahl an Unterstützern nicht zustande gekommen wäre. Ich habe vor etwa drei Monaten, als die Initiative ihren Vorschlag vorgestellt hat, gesagt, der Mietenvolksentscheid behandelt wichtige Anliegen, und an vielen davon arbeiten wir bereits intensiv. Wir erhöhen das Angebot an bezahlbaren Wohnungen in Berlin. Wir haben leistungsfähige kommunale Wohnungsunternehmen. Wir setzten uns dafür ein, dass die Mieten im sozialen Wohnungsbau auch künftig bezahlbar bleiben. Die Einnahmen unserer kommunalen Wohnungsbaugesellschaften gehen nicht in den Haushalt, sondern sie gehen vollständig in die Subventionierung sozialer Mieten, in die Sanierung des Bestands unserer Wohnungen, in den Neubau und in die Stadtteilrendite. Sehen Sie es mir deshalb bitte nach, dass ich beim besten Willen nicht erkennen kann, in welchen Punkten das Volksbegehren diese Wohnungspolitik abstrafen sollte.
Bei den Zielen haben wir praktisch wenig Dissens. Anders sieht es bei den Wegen zum Ziel aus. Hier bleibe ich bei meiner Einschätzung, dass der Vorschlag der Initiative einen für den Landeshaushalt sehr teuren und langwierigen Systemwechsel bedeuten würde. Wir brauchen jetzt aber in Berlin eine schnell umsetzbare und kurz- und mittelfristig wirkende Mietenpolitik. Ich würde gerne Ideen und Anregungen der Initiative diskutieren und gegebenenfalls auch übernehmen, sofern diese zielführend, schnell umsetzbar und bezahlbar sind und nicht zu neuen langwierigen, bürokratischen Verfahren führen.
Und noch weniger kann ich die Forderung der Grünen verstehen, jetzt einen Dialog für bezahlbare Mieten in Berlin zu starten, denn – erstens – meine Verwaltung steht auf Staatssekretärsebene bereits seit drei Jahren im regelmäßigen Gesprächskontakt zu einigen Beteiligten
der Mieteninitiative. Zweitens hat der Senat bereits 2014 als eines der ersten Gesprächsergebnisse sehr schnell das Mietenkonzept für die Großsiedlungen des sozialen Wohnungsbaus beschlossen. Drittens gelten seit diesem Jahr in der AV Wohnen um 10 Prozent höhere Angemessenheitsgrenzen für den sozialen Wohnungsbau. Viertens waren diverse Mitglieder der Mieteninitiative auch in den Expertenrunden meines Hauses zum sozialen Wohnungsbau beteiligt.
Fünftens bemühen wir uns auch weiterhin darum, in Gesprächen mit der Initiative einige problematische Punkte in deren Gesetzentwurf zu diskutieren. Wir stellen dabei fest, dass auch die Initiative, die einen über 50 Paragrafen umfassenden, umfänglichen Gesetzentwurf vorgelegt hat, offensichtlich nicht alle Konsequenzen dieses Entwurfs überblicken konnte und an diesem noch laufend Veränderungen vornimmt. So haben die Initiatorinnen und Initiatoren jetzt scheinbar verinnerlicht, dass sie den Eigentümern den Ausstieg aus der Förderung zusätzlich vergolden würden, wenn sie ihnen, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, unabhängig vom aktuellen Zustand und Marktwert der Objekte sämtliche bisherigen Aufwendungen erstatten würden. Auch scheint es Bewegung in der Subventionierung von haushalten in Objekten ohne Anschlussförderung zu geben.
Aber wir stoßen hier auf eine Grenze, die sich das Abgeordnetenhaus mit den Entscheidungen über das Abstimmungsgesetz selbst gesetzt hat. Die Initiative kann ihren äußerst komplizierten Gesetzentwurf selbst nur noch so weit verändern, wie der Wesenskern des Entwurfs gewahrt bleibt. Die entsprechenden Prüfungen laufen noch. Deshalb sehen Sie es mir bitte nach, dass ich als der für Wohnungspolitik zuständige Senator heute lediglich Fragen an Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, und an die Damen und Herren Initiatoren des Mietenvolksentscheids stellen kann.
Erstens: Können wir es uns in einer Phase starken Zuwanderungsdrucks und zunehmender Marktenge auf dem Wohnungsmarkt wirklich leisten, den Luxus einer Strukturreform, der Umwandlung unserer leistungsstarken städtischen Wohnungsbaugesellschafen in Anstalten öffentlichen Rechts zu starten, wie sie der Mietvolksentscheid vorsieht?
Zweitens: Wollen wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der städtischen Wohnungsunternehmen, die täglich einen harten Job leisten, tatsächlich in Tochtergesellschaften auslagern, wie es in Anstalten öffentlichen Rechts der Fall wäre? Ich sehe das kritisch. Gemeinsam mit den Gewerkschaften, die diesen Teil des Mietenvolksentscheids sehr kritisch sehen, finde ich nicht, dass das der Weg wäre.
Drittens: Was macht die Initiative Mietenvolksentscheid eigentlich so sicher, dass die Mieten im sozialen Woh
nungsbau auf einen Durchschnittswert von 5,74 Euro pro Quadratmeter monatlicher Nettokaltmiete sinken, obwohl sie aus ihrer Mitwirkung an unserer Expertenrunde wissen, dass der Durchschnittswert schon heute wesentlich höher liegt?
Viertens: Reicht es aus, die Mieten für 6,5 Prozent der Berliner Haushalt nach unten zu subventionieren
für 6,5 Prozent der Haushalte – und sich also ausschließlich auf den Bestand zu konzentrieren? Meine Antwort ist: Nein, das reicht nicht aus. Die Aufgaben, vor denen wir stehen, sind wesentlich komplexer.
Die Mietpreisdämpfung ist dringend erforderlich, und deshalb – das ist hier heute schon mehrfach gesagt worden, auch von der Opposition – hat der Senat in den letzten drei Jahren geradezu im Stakkato Entscheidungen dazu getroffen: Die Kappungsgrenzenverordnung, die Zweckentfremdungsverbotsverordnung, die übrigens dazu führt, dass die Zahl der Ferienwohnungen abnimmt, das Bündnis für soziale Mieten, die Umwandlungsverordnung, um die Verdrängung der Mieterinnen und Mieter zu stoppen, die Mietpreisbremse, die wir als erstes und bisher einziges Bundesland vollständig umgesetzt haben. Aber: All das schafft keine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt.
Entspannung auf dem Wohnungsmarkt ist angesichts des Wachstums in unserer Stadt nur über Neubau zu erreichen. Richtig ist, das, was bisher in den vergangenen drei Jahren an Neubau stattgefunden hat, war privater Natur. Deshalb ist es wichtig, dass endlich der kommunale Neubau mit preiswerten Mieten an den Markt kommt. Das werden in diesem Jahr die ersten 1 300 Wohnungen sein, und wir werden noch bis zum Ende dieser Legislaturperiode 10 000 Sozialwohnungen im Bau beginnen oder fertiggestellt haben.
Wir müssen dazu – ich gehe davon aus, dass der Senat für die Haushaltsberatungen einen Vorschlag für den Haushalt 2016/2017 unterbreiten wird – die Wohnungsbauförderung deutlich aufstocken. Ich spreche von verdoppeln bis verdreifachen. Wir müssen die Sozialmieten im ehemaligen sozialen Wohnungsbau bei 30 Prozent des Haushaltseinkommens kappen. Wir brauchen diese Härtefallklausel. Die Mieteninitiative schlägt die grundsätzliche Kappung vor. Das halte ich nicht für sozial gerecht. Wir würden damit Mieten von Menschen mit Steuermitteln kappen, die diese Förderung nicht nötig haben. Wir brauchen diese Steuermittel aber dringend, um die Menschen zu unterstützen, die unserer Hilfe bedürfen.
bis 2026 von 300 000 auf 400 000 aufstocken. Wir haben mit unseren kommunalen Wohnungsbaugesellschaften einen solchen Wachstumspfad vereinbart. Wir brauchen diese neuen Wohnungen auch, um beispielsweise das geschützte Marktsegment verdoppeln zu können oder um Flüchtlingen, die in unserer Stadt sind, Wohnungen anbieten zu können.
Auch das haben wir in dieser Legislaturperiode begonnen. Das hat hier heute noch keine Rolle gespielt. Aber die Wohnungsbauförderung aus dem Haushalt reicht eben nicht aus. Gerade deshalb hat der Senat vor Kurzem das Modell der kooperativen Baulandentwicklung beschlossen, um unsere Grundstücke klug einzusetzen.
Wenn Sie sich anschauen, wem die Grundstücke in unserer Stadt, die für Neubau geeignet sind, gehören, stellen Sie fest: 85 Prozent der Grundstücke befinden sich in privatem Eigentum, 15 Prozent in öffentlichem. Wir haben also nicht unbegrenzt öffentliche Grundstücke. Wir müssen diese Grundstücke sehr klug einsetzen, damit wir damit bezahlbaren Wohnraum schaffen können. Deshalb ist dieses Modell der kooperativen Baulandentwicklung mit einer 25-prozentigen Sozialquote versehen, das heißt, wer ein Grundstück des Landes Berlin für Geschosswohnungsbau, für Mietwohnungsbau erwirbt, muss sich verpflichten, darauf 25 Prozent Sozialwohnungen zu errichten.
Aus dem Wohnungsbau folgt aber auch Infrastrukturbedarf. Diese Infrastruktur muss finanziert werden, richtig. Das ist eine riesige Herausforderung, die vor uns steht. Auch dafür ist dieses Modell der kooperativen Baulandentwicklung notwendig, denn die Schulen, die Kindertagesstätten, die Spielplätze, die Grünflächen, die neu gebaut oder angelegt werden müssen, die Ausweitung des öffentlichen Personennahverkehrs, die soziale Infrastruktur, all das muss bezahlt werden. Dazu gehört auch die Entwicklung der sozialen Stadt, die Finanzierung des Quartiersmanagements, des Stadtumbaus Ost, des Stadtumbaus West, des Aktive-Zentren-Programms, all die Dinge, die die soziale Stadt ausmachen und den Wohnungsbau in unserer Stadt flankieren.
Wir hatten vor Kurzem, vor wenigen Tagen, das Stadtforum im kleinen Saal des Tempodroms. Das hat sich mit der Frage beschäftigt: Wem gehört der öffentliche Raum? – Auch das ist eine Frage der Akzeptanz in der wachsenden Stadt. Wenn wir die öffentlichen Plätze in Berlin
nicht vor Verwahrlosung schützen, wenn wir zulassen, dass große Grünflächen, große Parks übernutzt sind und deshalb qualitativ höherer Aufwendungen bedürfen, wenn wir das nicht in den Griff bekommen, werden wir bei den Berlinerinnen und Berlinern keine Akzeptanz für die wachsende Stadt finden.
Ich will an dieser Stelle, weil die Grünen das Thema aufgebracht haben, jetzt nicht mit Grünen-Bashing antworten. Aber das, was in den vergangenen Jahren im Görlitzer Park passiert ist, ist kein Ruhmesblatt für die Stadt. Das werden wir gemeinsam verändern müssen, damit sich eben nicht das Recht des Stärkeren im öffentlichen Raum durchsetzt.
Das wird nur gelingen, wenn wir Regeln setzen. Ohne die wird Akzeptanz bei den Berlinerinnen und Berlinern nicht zu finden sein.
[Christopher Lauer (PIRATEN): Es geht um Wohnungspolitik! Warum diskutieren wir jetzt über den Görlitzer Park? – Udo Wolf (LINKE): Was heißt der Vorschlag? Bauen wir da jetzt Eigentumswohnungen im Görli? – Weitere Zurufe von der LINKEN]
Und, das hat heute auch schon eine Rolle gespielt: Die Berliner Mischung muss erhalten bleiben. Was bedeutet das eigentlich? – Im Unterschied zu anderen großen Metropolen ist es in Berlin noch möglich, an allen Stellen der Stadt mit unterschiedlichen Einkommensgruppen zu wohnen. An einigen Stellen in der Friedrichstraße wird es abends schon recht dunkel und still. Da müssen wir aufpassen. Aber wenn wir diese Mischung, die die Attraktivität Berlins ausmacht, erhalten wollen, dann müssen wir erstens die Mietentwicklung bremsen und zweitens Sozialwohnungen bauen – und zwar an allen Orten in der Stadt, im inneren und im äußeren Bereich der Stadt. Gerade in der Mitte der Stadt geht das nicht konfliktfrei, weil der Platz nicht überall ausreicht.
Kann Berlin ohne das auskommen? – Die Antwort lautet: nein! Berlin kann ohne diesen Neubau nicht auskommen, sozialer Ausgleich muss organisiert werden. Das Wachstum der Stadt muss gestaltet werden. Daran arbeiten wir hart. Wir bitten dafür die Berlinerinnen und Berliner um ihre Unterstützung. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Senator! – In der zweiten Rederunde hat jetzt Herr Kollege Otto von den Grünen das Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Senator! Sie haben ein bisschen das Glück, dass Sie hier später dazugekommen sind.
Wenn Sie erlebt hätten, wie in den vorangegangenen Jahren, und nicht zuletzt in der vorangegangenen Legislaturperiode, alle unsere Vorschläge, die viele von den Schritten betrafen, die heute gemacht sind, wie die hier abgelehnt worden sind, wie die hier verspottet wurden, dann würden Sie anders darüber sprechen. Aber Sie haben Glück, Sie können sich so äußern, wie Sie möchten.