Protokoll der Sitzung vom 25.06.2015

Wenn Sie erlebt hätten, wie in den vorangegangenen Jahren, und nicht zuletzt in der vorangegangenen Legislaturperiode, alle unsere Vorschläge, die viele von den Schritten betrafen, die heute gemacht sind, wie die hier abgelehnt worden sind, wie die hier verspottet wurden, dann würden Sie anders darüber sprechen. Aber Sie haben Glück, Sie können sich so äußern, wie Sie möchten.

[Daniel Buchholz (SPD): Wir leben in einem freien Land!]

Alles, was Sie aufgezählt haben, sind Schritte, die nicht falsch sind, aber es muss doch mehr passieren. Es muss mehr für diese Stadt geschehen! Sie haben gesagt: die Berliner Mischung. – Ja, die wollen wir! Aber wir sehen doch, wo und wie die verlorengeht. Wenn wir sehen, dass in Neukölln Milieuschutzgebiete aus politischen Gründen von SPD-Stadträten verhindert werden, dann ist das falsch, dann macht das die Berliner Mischung kaputt. Ich erwarte, dass Sie dagegen vorgehen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Zurufe von der SPD]

Das Volksbegehren ist eine komplexe Angelegenheit, hat Herr Brauner vorhin gesagt. Das ist wahr. Das unterscheidet das Volksbegehren zum Beispiel von der Frage, ob die Ehe für alle richtig oder falsch ist – worüber Sie eine Abstimmung mit sieben Punkten machen wollen. Das ist der Unterschied zwischen einfachen und schwierigen Themen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Nicht zuletzt nach der gestrigen Beratung im Hauptausschuss ist doch relativ klar, welche Fragen wir beantworten müssen. Das ist übrigens völlig unabhängig davon, ob dieses Volksbegehren stattfindet, ob es angenommen wird oder ob es abgelehnt wird. Alle diese Fragen stehen auf der Tagesordnung – auch völlig ohne das Volksbegehren. Das Verdienst des Volksbegehrens und der Initiative ist es, dass die etwas Druck hier hineinbringen, damit wir uns möglichst bald zu diesen Fragen verständigen.

Jetzt lassen Sie mich kurz sagen, welche Hauptfragen ich dabei sehe. Das ist zum einen die Frage, wie viel wir in den nächsten Haushalten und in den nächsten Jahren für Wohnungspolitik ausgeben wollen. Diese Frage müssen wir hier beantworten und als Haushaltsgesetzgeber klären.

[Zuruf von Renate Harant (SPD)]

Der Ort dafür ist dieses Parlament, und der Zeitpunkt dafür sind die Haushaltsberatungen, die jetzt anfangen. Da müssen wir diese Frage beantworten.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Die zweite Frage betrifft die alten Sozialwohnungen mit ihrer langen Geschichte. Wie macht man das? Steigt man da wieder in eine Förderung ein? Nimmt man die quasi wieder auf? Wem gibt man Geld, den Mieterinnen und Mietern oder den Eigentümern? – Sie wissen, dass wir einen Vorschlag gemacht haben, der durch das Gutachten des Senats – wir haben es vorhin gehört: seit zwei Jahren liegt das vor – gedeckt ist. Wir wollen nämlich eine Richtsatzmiete, und wir wollen die Eigentümerinnen und Eigentümer daran beteiligen, die Kosten für diesen alten sozialen Wohnungsbau mit zu übernehmen. Darum muss es gehen, und dazu habe ich von Ihnen noch nichts gehört.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Die dritte Frage: Wie soll dieser Fonds, der da gebildet werden soll, genutzt werden? Wofür? Was kann man damit machen?

Ist er – und das ist dann die vierte Frage – dafür geeignet und angelegt, günstigen Neubau zu finanzieren? Diese Frage muss geklärt werden.

Und die fünfte Frage: Hilft uns das Ganze beim Klimaschutz und bei der energetischen Modernisierung der Bestände an Wohnungen in dieser Stadt?

Das sind die fünf Fragen, die ich hier sehe. Die stehen vorne an, die müssen wir beantworten, und das müssen wir im nächsten halben Jahr tun.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Hier spielte schon der Zehn-Punkte-Plan des Senators eine Rolle. Frau Spranger hat ihn referiert. Frau Spranger! Ich weiß nicht, ob Sie beim letzten Plenum hier waren. Da hat uns der Senator gesagt – ich habe es extra noch mal nachgeschaut –, es handle es sich um ein „internes Überlegungspapier“,

[Iris Spranger (SPD): Ja!]

das er in seiner ehrenamtlichen Funktion als Mitglied des SPD-Landesvorstands verfasst habe. Dazu muss ich sagen: Wenn das nicht mal das Papier des Senators ist, nicht mal das Papier des Berliner Senats, nicht mal das Papier dieser Koalition, dann ist das, liebe Frau Spranger, nichts wert.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Martin Delius (PIRATEN): Nicht mal das Papier des SPD-Vorstands!]

Wir haben in der nächsten Zeit eine ganze Menge zu tun, und unsere Fraktion – das lassen Sie mich hier sagen – steht bereit für Verhandlungen darüber, welche Wohnungspolitik in den nächsten Jahren stattfinden soll. Das wollen wir mit Ihnen besprechen, mit dem Senat und mit der Initiative, die dieses Volksbegehren angestoßen hat. Verhandlungen sind richtig, aber lassen Sie mich das noch mal betonen: Wir müssen nicht darauf warten, wie das Volksbegehren ausgeht, sondern wir müssen jetzt damit anfangen. Die Haushaltsberatungen sind hier der Knackpunkt und der richtige Ort. Ich will uns alle aufrufen: Das ist kein Thema, wo wir uns zerstreiten sollen, sondern das ist ein großes Thema – soziales Wohnen in dieser Stadt, die Berliner Mischung –, und das geht uns alle an. Da sind wir alle in der Verantwortung, und ich will uns aufrufen und ermuntern, das auch gemeinsam anzupacken. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 2:

Fragestunde

gemäß § 51 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Die Wortmeldungen beginnen wie immer in zwei Runden nach Stärke der Fraktionen mit je einer Fragestellung an den Senat. Das Verfahren ist Ihnen bekannt. Die erste Frage steht der Fraktion der SPD zu. – Frau Kollegin Radziwill! Bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich frage den Senat: Nach welchem Zeitplan wird der Senat das Berliner Flüchtlingsmanagement neu organisieren, um die Handlungsempfehlungen der Wirtschaftsprüfer umzusetzen, und welche Anstrengungen unternimmt der Senat, um eine Gesundheitskarte bzw. Chipkarte für geflüchtete Menschen anzubieten? – Vielen Dank!

Danke schön! – Es antwortet Herr Kollege und Senator Czaja. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Radziwill! Zu zwei unterschiedlichen Themen haben Sie gefragt – einerseits zur Neuorganisation des Berliner Flüchtlingsmanagements und andererseits zur Situation um die Chipkarte bzw. Gesundheitskarte.

Die Neuorganisation des Berliner Flüchtlingsmanagements haben wir, wie Sie wissen, bereits vorgenommen, als der Bericht der Wirtschaftsprüfer noch nicht vorlag und auch der Bericht der Revision noch nicht vollständig vorlag. Vielmehr haben wir damit schon sehr frühzeitig begonnen, indem die Fachaufsicht in der Vergangenheit von ihrem bisherigen Modell der kooperativen Fachaufsicht abgewichen und stärker in einzelne Weisungen und Hinweise eingestiegen ist. Dazu gehörte unter anderem, dass es am Ende dann auch Genehmigungsvorbehalt für die Errichtung von Gemeinschaftsunterkünften und Notunterkünften sowie Hinweise zur Standardisierung von Prozessen gegeben hat und dazu, wie Wirtschaftlichkeitsberechnungen auszusehen haben und welche Sollstrukturen aus der Sicht der Fachaufsicht innerhalb des Landesamtes für Gesundheit und Soziales vorliegen müssen.

Das neue Berliner Flüchtlingsmanagement besteht im Kern daraus, dass die Berliner Unterbringungsleitstelle eine andere Aufgabenaufteilung hat, nämlich die Frage der Beschaffung von Immobilien, der Vertragsangelegenheiten und der Projektsteuerung für Neugeschäft und für die Sanierung von Altbauten oder Altbeständen getrennt ist und das organisatorisch separat innerhalb dieses neuen Referats aufgebaut wird. Darüber haben wir, wie Sie wissen, ein Aufbaumanagement gestellt, um die von Ihnen angesprochenen oder die mit der Frage einhergehenden Strukturen aufzubauen, und dies unmittelbar an den Staatssekretär angebunden.

Wir haben im Rahmen des Vorgriffs auf den Haushalt zusätzliche Stellen für das Berliner Flüchtlingsmanagement bekommen, sodass statt früher nur sechs Mitarbeitern in der Berliner Unterbringungsleitstelle – am Beginn der Wahlperiode – jetzt 51 Mitarbeiter für diesen Bereich arbeiten werden.

Wenn Sie fragen, wann der Zeitplan fertig ist bzw. wann das Berliner Flüchtlingsmanagement fertig organisiert ist, muss man sagen, dass natürlich nicht alle Stellen von heute auf morgen besetzt sind. Und weil das so ist, haben wir uns verabredet, Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen in die Berliner Unterbringungsleitstelle zu bringen, um sofort, unmittelbar mit den Aufgaben zu beginnen, die da zu erledigen sind. Das sind Betriebsprüfer aus der Senatsfinanzverwaltung, Steuerjuristen, Sachverständige aus dem Vertragsmanagement städtischer Wohnungsbaugesellschaften, und es sind Regierungsinspektoren und Regierungsräte, die sofort und unmittelbar die Aufgaben dort wahrgenommen haben. Diese werden

(Andreas Otto)

jetzt schrittweise die Aufgaben der Wirtschaftsprüfer abarbeiten. Dabei geht es darum – das habe ich auch im Ausschuss deutlich gemacht –, bis Ende des Jahres wesentliche Ergebnisse erzielt zu haben, insbesondere sich auch der Frage der Datenlage, der komplexen Errichtung von Ziel- und Sollstrukturen und der großen Ausgabepositionen insbesondere im Bereich der Herrichtungskosten anzunehmen. Diese befinden sich ja auch in dem Wirtschaftsprüferbericht einzeln aufgelistet. Wir haben dazu ein dreieinhalbstündige Beratung im Hauptausschuss gehabt und uns in der vergangenen Woche auch im Fachausschuss dazu ausgetauscht.

Zu Ihrer zweiten Frage – der Chipkarte –: Sie wissen, dass die Chipkarte für diejenigen gilt, die 15 Monate oder länger im Asylbewerberverfahren sind. Für diejenigen, die kürzer da sind, ist es so, dass sie in Berlin Behandlungsscheine erhalten, die für ein Quartal gültig sind, und in diesen Behandlungsscheinen die gleiche Leistung haben wie in den Bundesländern, in denen es bereits Chipkarten gibt.

Unser Ansinnen war, dass wir diese Chipkartenlösung für die Flüchtlinge deutschlandweit geregelt bekommen, und zwar vom ersten Tag an. Deswegen hat sich die Senatskanzlei mit uns gemeinsam im Bundesrat und auch an den dafür notwendigen Stellen dafür eingesetzt, dieses Recht auf die Chipkarte, das nach 15 Monaten gilt, mit den vereinfachten Verwaltungskostengebühren gegenüber den Krankenkassen anzupassen. Das ist bisher auf Bundesebene leider noch nicht geschehen. Deswegen haben wir über alternative Fragestellungen nachgedacht und sind derzeitig mit der AOK, die wesentlicher Partner für die Behandlungsscheine ist, in der Diskussion darüber, wie wir das Hamburger oder Bremer Modell auch auf Berlin übertragen können. Dabei ist es uns aber wichtig, dass zusätzliche Ausgaben des Landes nicht nur für höhere Verwaltungskosten der Krankenkassen eingesetzt werden, wenn wir zu solchen in dieser Frage kommen. Wenn es höhere Ausgaben des Landes für die Gesundheitsversorgung gibt, sollen diese dann auch den Flüchtlingen zugutekommen.

[Fabio Reinhardt (PIRATEN): Das war doch Stand im Januar!]

Richtig war, um den Zwischenruf gleich mit aufzunehmen – ich gehe davon aus, dass Herr Reinhardt noch eine weitere Frage dazu stellt –, dass dies der Stand im Januar war und sich die Situation zu dem Zeitpunkt so darstellte.

[Fabio Reinhardt (PIRATEN): Was gibt es Neues?]

Am 18. Juni spielte bei den Beratungen im Bundeskabinett gerade dieses Thema eine Rolle, auch der Berliner Vorschlag, die Leistungsabrechnung auf den Personenkreis derer auszuweiten, die weniger als 15 Monate hier sind.

[Martin Delius (PIRATEN): Das ist richtig!]

Es war unsere Intention, eine deutschlandweite Regelung dafür zu bekommen. Für diesen Bereich zeichnet sich derzeit keine positive Entwicklung ab, wenngleich mit den Veränderungen nicht ausgeschlossen ist, dass die Einführung einer Chipkarte auch möglich ist. Das ist der Sachverhalt, den wir derzeit auch beraten. Was die medizinische Versorgung angeht, ist sie in Berlin genauso gut wie in Hamburg und Bremen, die das Chipkartenmodell haben. Beide Länder zahlen aber höhere Verwaltungskosten an die Krankenkassen, als wir das in Berlin tun.

Vielen Dank! – Für eine Nachfrage hat zuerst Frau Radziwill das Wort.

Vielen Dank, für die Antwort! Ich habe auch einige Fragen, will mich aber auf Folgende konzentrieren: Wann soll ganz genau bei der Berliner Unterbringungsleitstelle das angekündigte Personal komplett zur Verfügung stehen? Ziel ist es, auf die 51 Stellen zu kommen, damit die Arbeit dort geleistet werden kann. Das würde mich als Erstes interessieren. – Ist eine weitere Nachfrage erlaubt, Herr Präsident?

Nein! Der Senator antwortet jetzt aber auf Ihre Nachfrage. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Radziwill! Wir haben viele Stellen schon besetzen können. Anforderungsprofile sind geschrieben, Ausschreibungen laufen. Der Abschluss von Ausschreibungsverfahren ist weder in der Privatwirtschaft und schon gar nicht im öffentlichen Personalrecht genau vorhersehbar. Unser Ziel ist es, diese Aufgabe extrem schnell zu bewältigen, weshalb wir auch aus den anderen Abteilungen eine unterstützende Büroleitung für das Berliner Flüchtlingsmanagement gebildet haben, um die Stellen noch schneller besetzen zu können.