Und der dritte Punkt ist das politische Baurecht. Ich erinnere mich, dass der Kollege Saleh – die Initiative ist, glaube ich, inzwischen ein bisschen eingeschlafen – mal eine Initiative verkündet,
die hieß: Wir reden jetzt mit dem Volk. Und wir fragen das Volk, was es möchte. Und wir versuchen mal, unsere Entscheidungen im Vorfeld mit dem Volk zu diskutieren. – Jetzt haben Sie hier ein Beispiel – das ist ja erst zufällig herausgekommen, das hätten wir hier sonst vielleicht gar nicht gemerkt –, wie Sie genau das Gegenteil tun. Sie machen Gutsherrenpolitik. Sie machen politisches Baurecht. Und das ist nicht in Ordnung.
Herr Otto! Ich habe Ihnen ganz aufmerksam zugehört und fand das wirklich spannend, jetzt gerade den interessanten Vorschlag, das zu öffnen und mehrere Hunderttausend Touristen aus Amerika in den Barockgarten zu holen. Ich bin mir nicht sicher, ich habe heute Morgen im Radio gehört, dass das Ganze losgestoßen ist, weil die Anwohner sich schon darüber beschwert haben, dass diese Hinterhofparlamentsgeschichte von Siemens gebaut werden soll. Da würde mich jetzt Folgendes interessieren: Haben Sie Ihren Vorschlag, den Sie eben verkündet haben, mit irgendwem mal vorbesprochen, vor allem mit den Nachbarn, ob die Bock haben, dass da 180 000 Touristen vorbeikommen?
Dieser Vorschlag ist öffentlich, und ich vermute, dass die alle da oben sitzen und mir mit Interesse zuhören, lieber Herr Eggert!
Ich bin hier nicht dafür da, ausschließlich die Interessen einzelner Anwohner zu vertreten – das haben Sie missverstanden, wenn Sie dieser Überzeugung sein sollten –, sondern ich plädiere dafür, dass Sie in der Tat solche Entscheidungen, bevor der Regierende Bürgermeister Anweisungen erteilt, kundtun, dem Parlament vorstellen und hier diskutieren. Das kann man doch im Ausschuss erzählen. Da kann man sagen: Ich muss als Regierender Bürgermeister hier Wirtschaftspolitik machen, und ich beabsichtige, die Denkmalbehörden und das Bezirksamt Mitte zu überstimmen, weil ich das darf, und die anzuweisen, einen Bauvorbescheid herauszuschicken. – Das hätten wir hier mal diskutieren sollen, und das hätten wir uns möglicherweise auch mit der Öffentlichkeit darüber austauschen können, ob das die Form von Baupolitik ist, die die SPD in diesem Land Berlin favorisiert. Das habe ich neben das gestellt, was Herr Saleh verkündet, und ich habe da – sehen Sie es mir nach – einen kleinen Widerspruch entdeckt.
Die Redezeit ist jetzt fast um, aber einen Schlusssatz hat man immer noch: Ich habe das Gefühl, die Firma Siemens hat sich dort ein zu kleines Grundstück für ihr Reihenhaus gekauft und dann beim Dorfschulzen angerufen und will jetzt ein Hochhaus genehmigt haben. Das geht nicht. Reden Sie mit Siemens! Sagen Sie denen, wir suchen gemeinsam einen anderen Standort! Lassen Sie den Barockgarten in Ruhe! Der muss öffentlich genutzt werden. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Otto! – Für die CDU-Fraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Evers. – Bitte!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Otto! Wenn bei Ihnen Neubauten unterhalb der Traufhöhe schon als Hochhäuser fungieren, dann mache ich mir langsam wirklich Sorgen um unseren Alexanderplatz.
Ich freue mich, dass das barocke Berlin in diesem Haus so viele Freunde gewonnen hat. Ich hoffe, diese Freunde bleiben uns erhalten, wenn es denn so weit ist, dass wir das wiederhergestellte Berliner Stadtschloss eröffnen,
dass wir vielleicht mit Ihnen von der Linken und den Grünen, wo Sie jetzt neue Freunde barocker Gartenkunst sind, über die Wiederherstellung einer barocken Freiraumgestaltung rund um das Berliner Stadtschloss reden können, denn auch das wäre letztlich ja ein barockes Gartendenkmal, das Ihre Leidenschaft verdient hätte, ein wiederhergestellter barocker Garten, wie es der – übrigens mit Siemens-Mitteln – wiederhergestellte barocke Garten am Magnus-Haus auch ist.
Ich finde es außerdem spannend, wie Sie hier mit Siemens umgehen, gar nicht so sehr, weil es der Weltkonzern ist, der immer Ihre Schelte verdient, sondern weil Sie ihm eine Weitsicht unterstellen, die ich selten vernommen habe, wenn es von Ihrer Seite um den Umgang und den Weitblick solcher Weltkonzerne geht. Schon 1994 brachte Siemens 10 Millionen Euro auf, um dieses Haus wieder in einen denkmalfachlichen Zustand zu versetzen, um den Garten wiederherzustellen.
Das können wir gerne später machen. – Das setzt einen Weitblick, wenn ich jetzt mal das Mietvertragsende der Deutschen Physikalischen Gesellschaft nehme, von 30 Jahren voraus. Für ein Unternehmen, dem Sie unterstellen, nur in Quartalszahlen zu denken, finde ich das schon ziemlich bemerkenswert. Selbst wenn man sagt, diese 10 Millionen Euro haben Sie vergessen, unterstellen Sie Siemens immer noch, dass im Jahr 2001, als das Gebäude dann an Siemens übertragen wurde – – Ich glaube, es war final unter Rot-Rot. Ich weiß gar nicht, ob Rot-Rot nicht sogar noch Mittel gehabt hätte, das zu verhindern. Das sei mal dahingestellt.
Jedenfalls wäre das immer noch ein Weitblick von deutlich über 20 Jahren gewesen. 20 Jahre, was für ein Spekulationsobjekt, das sich Siemens da an Land gezogen hat! Übrigens 20 Jahre, innerhalb derer die Deutsche Physikalische Gesellschaft mietfrei im Magnus-Haus logiert, was ich völlig in Ordnung finde! Ich finde von Siemens großartig, der DPG diese langfristige Planungssicherheit gegeben zu haben. Wenn man jetzt die Frage nach dem Verkehrswert im Jahr 2001 stellt – dem Verkehrswert eines Objekts, in das Siemens vorher 10 Millionen Euro gesteckt hat –, dann finde ich das angesichts dessen, was die wirtschaftliche Verwertbarkeit bei einem dann doch zur Vermietung gegebenen Objekt, bei dem keine Mietzahlungen fließen und das mindestens bis zum Jahr 2024, recht spannend. Ich freue mich dann auch auf die beihilferechtliche Prüfung durch die EU-Kommission. Das Ergebnis dürfte vor allem Sie überraschen.
Wenn es um den heutigen Diskussionsgegenstand geht, um die Frage, ob es Siemens erlaubt sein soll, hier an seinem Geburtsort, in der Hauptstadt Berlin, in der Stadt, in der es nach wie vor einer der größten Arbeitgeber ist, wie übrigens auch deutschlandweit, an einem Ort, übrigens ziemlich genau dem Ort, an dem nach der Gründungslegende, die ja nun auch schon vielfach von Siemens infrage gestellt wird, Siemens einst geboren wurde, geistig, in der Begegnung der Firmengründer, da denke ich, ist es zunächst einmal etwas, das wir nicht infrage zu stellen haben, sondern worüber wir uns zu freuen haben.
Dass diese Standorttreue, nachdem wir uns in der Tat gemeinsam darüber geärgert haben, dass die Konzernzentrale von Siemens gewandert ist. Ich hätte mich unter Rot-Rot übrigens angesichts dessen, was wir hier heute erleben, als Siemens auch nicht anders entschieden, denn diese Art des Umgangs kann einen auch von Berlin fernhalten.
Aber ja, ich freue mich darüber, dass Berlin diese Standorttreue hält und dass man im Übrigen nicht bis zum Jahr 2024 wartet, denn so, wie Sie hier schreien, könnte man ja meinen, dass Sie Siemens dazu treiben wollen, bis
2024 zu warten, die DPG aus dem Haus zu werfen und dann ins Hauptgebäude einzuziehen. Das ist nicht das, was wir wollen.
Wir wünschen uns, dass weiterhin ein Miteinander im und um das Magnus-Haus stattfindet, ein gedeihliches Miteinander von Physik, Kultur und Unternehmensrepräsentanz. Mitnichten wird hier ein Gartendenkmal, das es nämlich nicht ist, verletzt oder beeinträchtigt, sondern es wird – warten Sie den Architekturwettbewerb ab – wie an anderen Orten in der historischen Mitte Berlins gelingen, ein Miteinander zu finden. Ich gehe davon aus, dass im Architekturwettbewerb auch der Denkmalschutz völlig zu Recht seine Stimme erheben wird. Warten wir das doch einmal ab, so wie wir die Diskussion in den Ausschüssen abwarten! Hier bleibt final nur die Fassungslosigkeit darüber, wie Sie mit diesem Vorgang umgehen, wie Sie etwas zu skandalisieren versuchen, das nicht im Ansatz einen Skandal darstellt. Mögen wir gemeinsam gerne Einblick in Verträge nehmen! Mögen wir miteinander im Ausschuss darum ringen! Ich behaupte, es ist eine gute Nachricht für den Standort Berlin, dass hier anständig mit Siemens umgegangen wird und dass wir eines der größten Berliner Unternehmen auch an prominenter innerstädtische Stelle verankert haben, nicht mehr in einer Mietetage am Gendarmenmarkt, denn das ist mitnichten angemessen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Evers! – Nun hat das Wort zu einer Zwischenbemerkung der Abgeordnete Herr Dr. Lederer.
Lieber Herr Kollege! Ich finde total spannend, dass Sie die ganze Zeit über Siemens reden. Also mit Siemens habe ich unmittelbar überhaupt kein Hühnchen zu rupfen. Wenn Siemens hier ein Grundstück kaufen will, dann ist das deren freie Entscheidung und deren Interesse, dann können sie sich darum bewerben. Völlig in Ordnung! Siemens darf das gerne tun. Die Frage ist, ob der Senat – ich rede hier über den Senat, und zwar zunächst über den schwarz-roten Senat Diepgen und dann über den rotschwarzen Senat Müller, vorher Wowereit – dieses Grundstück für einen Apfel und ein Ei hätte verschleudern dürfen
und ob es vielleicht verlangt werden kann, dass sich ein Senat, der an einen Konzern ein Baudenkmal mit umliegendem Garten verkauft, vorher die Frage stellt, was die Perspektive dieses Baudenkmals sein soll.
Und Sie können sich hier hinstellen und sagen, die Interessen von Siemens sind identisch mit den Interessen des
Landes Berlin. Wenn Siemens pfeift, stehen wir stramm – egal, ob wir dafür Recht brechen müssen, egal, ob wir dafür Grundstücke verschenken müssen, völlig egal! Das kann ja sein, dass dies Ihre Haltung ist.
Ich finde, die Aufgabe der Regierung des Landes Berlin ist es auch, das baukulturelle, das bauhistorische Erbe Berlins zu sichern und der Nachwelt zu erhalten. Das ist die Aufgabe des Senats von Berlin.
Der zweite Punkt: Die Notifizierungspflicht nach Beihilferecht, lieber Herr Kollege Evers, ist eine Rechtspflicht. Der Senat hat kein Ermessen. Und wenn so ein Grundstück unter Wert verkauft wird, ist zu notifizieren, sonst ist dieser Akt rechtswidrig. Das heißt, der damalige Senat hat einen Rechtsbruch begangen – den ersten Rechtsbruch, der Diepgen-Senat. Dazu haben Sie hier nichts gesagt. Das ist völlig in Ordnung, dass die Senate einfach so, wie sie wollen, Rechtsbruch begehen, im konkreten Fall Europarechtsbruch? – Finden Sie das okay? Dazu haben Sie nichts gesagt.
Und jetzt kommen wir in die Gegenwart. Dazu haben Sie auch nichts gesagt. Herr Jahnke hat hier rumgeschwabbert, da kam man gar nicht richtig drauf, was er uns eigentlich sagen wollte. Er redete immer: Wirtschaftsförderung, Wirtschaftsförderung, Wirtschaftsförderung, – ansonsten blieb seiner Rede Sinn ja recht dunkel. Eines steht fest: Es ist Denkmalschutzrecht gebrochen worden. Und der von mir vorhin zitierte Paragraf aus dem Landesdenkmalschutzgesetz ist die Rechtsgrundlage dafür, wann baudenkmalschützerische Aspekte überwunden werden dürfen und wann nicht. Wenn Sie in diese Norm einmal reinschauen, werden Sie feststellen, dass Siemens‘ Bauwünsche nur dann Baurecht einfach beiseite fegen können, wenn man erklärt, dass die Wünsche von Siemens, und zwar sämtliche Wünsche von Siemens, immer gleichbedeutend mit dem dringenden öffentlichen Interesse des Landes Berlin sind.