Protokoll der Sitzung vom 26.11.2015

Alles in allem gibt es – das ist hier auch schon zu Recht von meinem Kollegen Schneider gesagt worden –, überhaupt keinen Grund, einen Nachtragshaushalt zu fordern. Das ist Klamauk, Das ist keine seriöse Haushaltspolitik. Wir befinden uns in der Schlussphase der Haushaltsberatungen für die Jahre 2016/2017. Mit diesem Haushaltsentwurf gestaltet die Koalition die Zukunft dieser Stadt.

[Udo Wolf (LINKE): Arme Stadt!]

Ich freue mich, dass wir nächste Woche noch Gelegenheit haben, mit Ihnen darüber intensiv zu diskutieren. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege! – Für die Piratenfraktion hat jetzt der Kollege Herberg das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Koalition! Lieber Herr Schneider! Lieber Herr Goiny! Ihre Reden können Sie in zwei Wochen noch einmal halten. Ich kann verstehen, dass Sie jetzt zu guter Stunde Ihre Rede halten wollen, weil Sie beim nächsten Mal als Haushälter erst später an der Reihe sind. Das Thema ist aber nicht der Haushalt 2016/2017, sondern die Betrachtung der Jahre 2014/2015. Das ist auch das, was in dem Antrag der Linken enthalten ist. Damit sollen sich die jetzigen Reden beschäftigen. Deshalb komme ich auch noch einmal zum Thema zurück.

Wenn wir uns das Jahr 2015 anschauen, haben die Linken, die Grünen und wir festgestellt – Ihre eigene Regierung und Sie selbst auch –, dass wir wieder Überschüsse produzieren werden, nicht in kleinem, sondern in sehr großem Maß, im dreistelligen Millionenbereich, was zur Folge hat, dass Geld zur Verfügung steht. Wenn wir uns anschauen, woher das Geld kommt, stellen wir fest, dass es wieder weniger Ausgaben für die Zinstitel gibt. Das führt uns zur der Schlussfolgerung, dass der Senat im Haushalt 2014/2015 und vor allem im Nachtragshaushalt 2015 – zu dem uns angekündigt wurde, dass jetzt ordentlich veranschlagt worden ist – wiederum nicht ordentlich veranschlagt wurde. Das ist Haushaltsvoodoo etc. Darüber haben wir schon mit Nußbaum gekämpft. Da hat es sich auch schon nicht verbessert. Das kreiden wir heute wieder an.

Dann: Wo kommt noch Geld her? – Unterlassene Ausgaben bei Investitionen zum Beispiel! Das grundlegende Problem, das wir hier mit den Haushaltsplänen haben, ist: Wir stellen Geld für Investitionen ein, und das nicht nur im Haushalt, sondern mittlerweile auch in den ominösen SIWA-Topf, den wir auch noch haben. Da werden ebenfalls Gelder eingestellt.

[Torsten Schneider (SPD): Sie sollen zu dem Antrag reden!]

Ich rede zu dem Antrag. – Dort werden Gelder für Investitionen eingestellt. Diese Gelder werden aber nicht abgerufen. Was passiert? – Es entstehen daraus Überschüsse. Es entsteht Geld, das auf einmal wieder frei ist. Das Problem, das wir mit der Situation haben, ist, dass wir in einem laufenden Haushaltsjahr natürlich nicht massiv in die Exekutive eingreifen und sagen können, das Geld soll anders verwendet werden, denn wir haben der Exekutive ja gesagt, wie das Geld zu verwenden ist. Das heißt, wir als Parlament, als höchstes Verfassungsorgan haben beschlossen, wie das Geld verwendet werden soll.

[Torsten Schneider (SPD): Sind wir in einem Proseminar?]

Der Senat hält sich aber nicht daran. Er gibt das Geld nicht aus. Das Geld fließt wieder zurück und wird nicht für die Sachen verwendet, für die es verwendet werden soll. Das Problem, das wir damit haben, ist: Auf der einen Seite wird das Geld nicht für die Dinge verwendet, für die es vorgesehen ist, und fließt deshalb in die Schuldentilgung.

Dann kommen wir zu dem gesamten Dilemma, bei dem wir jetzt gerade sind. Das Geld ist natürlich nicht verloren. Es ist auch nicht weg. Man hört immer Aussagen, dass Geld, wenn es in die Schuldentilgung fließt, weg und nicht mehr zu gebrauchen sei. Das ist die Debatte, die Sie, liebe Koalition, immer eröffnen und wegen der Sie das SIWA beschlossen haben. Dass Sie über dieses Geld verfügen und dieses Geld ausgeben wollen, weil es sonst verloren sei, ist haushälterisch Blödsinn. Das Geld ist nicht weg. Wenn wir 500 Millionen Euro im Jahr 2015 in die Schuldentilgung packen würden und dieses komplette unnötige SIWA-Gesetz, das nur dazu führt, dass es keine Haushaltstransparenz mehr gibt, dass es keine ordentliche Beratungen über die Haushaltspläne mehr im Parlament gibt, dass immer mehr Schattenhaushalte aufgebaut werden, dass es für die Abgeordneten und die Bürger und Bürgerinnen immer schwieriger wird zu verstehen, wo das Geld in Berlin hinfließt, von wo es kommt – das ist ein Riesenproblem. Ihr SIWA-Gesetz führt dazu, dass über kurz oder lang auch Sie als Koalition den Überblick verlieren werden. Wir haben jetzt die SIWA-Liste 1. Wir werden demnächst die SIWA-Liste 2 bekommen. Die SIWA-Liste 1 ist aber noch nicht abgeflossen. Da sind nur 10 Prozent abgeflossen. Dann kommen die SIWA-Listen 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 und 10, die alle parallel – neben den dann aktuellen Haushalten – entstehen. Es wird ein Konvolut an Listen entstehen mit Abflüssen von A nach B, wo selbst Sie, Herr Schneider – Sie schütteln jetzt den Kopf –, irgendwann den Überblick verlieren werden. Der Senat wird als Einziger, weil er über genügend Personal verfügen und mit den Bezirken reden kann, in der Lage sein, den Überblick zu behalten.

Wissen Sie was? – Sie werden aktuell auch schon veräppelt. Wir haben es gestern im Hauptausschuss mitgekriegt. Wir reden über den Haushalt 2016/2017 und darüber, dass Bezirke, Senatsverwaltungen und Ähnliches, wenn sie Projekte haben, diese bei uns anmelden sollen. Und was sagt uns der Senat gestern? – Na ja, wir haben den Haushalt jetzt hier, aber wir reden über das nächste SIWA, das schon kommt, mit den Bezirken, damit sie damit ihre Projekte finanzieren können.

[Torsten Schneider (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Das heißt, während wir hier als Parlament, als Verfassungsorgan über den Haushalt 2016/2017 reden, redet der Senat im Hintergrund schon darüber, wie er Gelder, die in

die Schuldentilgung etc. fließen sollen, ausgeben will, um es uns im nächsten Jahr hier vorzulegen.

Herr Schneider, Sie können eine Zwischenfrage stellen.

Bitte schön, Herr Schneider!

Sehr geschätzter Herr Kollege Herberg! Stimmen Sie mir in meiner Wahrnehmung zu, dass der Weg zwischen Ihrer Vision der vollständigen Schuldentilgung und der der Linken, die keinen Cent tilgen will, die Opposition dastehen lässt, als sei sie von verschiedenen Sternen?

Nein! Dem kann ich nicht zustimmen, denn wenn man sich die Haushaltsberatung für 2016 und 2017 anschaut, stellt man fest, dass die komplette Opposition nicht das macht, was SPD und CDU behauptet haben, nämlich 90 oder 120 Milliarden Schulden aufzubauen. Wir haben Änderungsanträge vorgelegt, die zeigen, dass wir sogar alle trotzdem noch Schulden in den Jahren 2016 und 2017 getilgt haben. Das heißt, wir sind genauso mit dem Geld umgegangen.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Wir sind auch nicht dafür verantwortlich, Ihre Hausaufgaben zu machen. Heute geht es, wie gesagt, um die Überschüsse aus 2015, und das grundlegende Problem, weswegen Investitionen etc. dransteht, ist, dass Sie als Koalition in der gesamten Amtszeit, die Sie hier waren, nicht in der Lage waren – obwohl das Land Berlin Jahr für Jahr riesige Überschüsse produziert hat und eines der Bundesländer ist, das super dasteht –, die Investitionsquote dieses Landes anzuheben und überhaupt in die Nähe anderer Bundesländer zu kommen.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Wir gehen auf eine Schuldenbremse zu, und Sie fahren diese Stadt komplett auf Verschleiß. Das fällt uns 2020 und in den Folgejahren massiv auf die Füße, weil die Gesetzeslage beschissen ist und dazu führt, dass wir die gesamten Schulden, die wir jetzt in der Infrastruktur aufbauen, dann nicht mehr ordentlich bearbeiten können. Wir müssen die Investitionen jetzt hochfahren, und wir müssen die Investitionsgelder vor allen Dingen auch ausgeben.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Udo Wolf (LINKE)]

Ich komme noch zu dem Antrag, dass es so, wie es vorgeschlagen ist, nicht hundertprozentig funktionieren wird.

Das Problem ist nämlich: Wir als Opposition können die besten Ideen haben – am Ende sind es Haushaltstricks, wie man damit umgeht. Packen wir das Geld jetzt in einen Nachtragshaushalt oder – – Niemand hindert uns daran, im Jahr 2015 500 Millionen Euro zu tilgen und im Doppelhaushalt 2016/2017 einfach 500 Millionen Euro neue Schulden aufzunehmen. Das macht der Senat im Hintergrund mit seinen Kassenkrediten sowieso. Der schichtet Geld von A nach B um. Am Schuldenstand würde sich nichts ändern. Es wäre keine Neuverschuldung, weil die Vorstellung, dass Geld, wenn man tilgt, weg ist, Blödsinn ist. In der Kasse bleibt nichts. Wir haben Schulden. Und wenn wir Geld ausgeben wollen, ob wir mit dem Geld nicht tilgen oder neues Geld aufnehmen, ändert am Ende nichts. Das Problem ist nur: Auch wenn wir als Opposition die schönsten Ideen haben, werden wir am Ende an der SPD und der CDU scheitern, die nicht in der Lage sind, es ihren Verwaltungen und den Bezirken zu ermöglichen, diese Investitionsgelder auch auszugeben. Das ist das grundlegende Problem, über das wir heute hier reden. Wir sehen ja, dass wir in der gesamten Stadt einen Sanierungsstau haben, den Sie aktuell auffahren. Sie haben uns mit der SIWA-Liste versprochen, dass die Investitionen in den Bezirken etc. ankommen. Wir sehen aber, dass da nichts passiert. Der Sanierungsstau wird nicht abgebaut. Der Sanierungsstau steigt noch überall. Er steigt in den Hochschulen, den Krankenhäusern, den Bezirken, den Schulen, der S- und U-Bahn, auf der Straße und überall.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Heidi Kosche (GRÜNE)]

Sie von der SPD und der CDU sind nicht in der Lage, diesen Sanierungsstau abzubauen. Deshalb wäre es sinnvoll, in der aktuellen Phase 2016/2017, wozu wir in den Haushaltsberatungen sind, die Gelder, wenn wir sie dafür verwenden wollen, in den aktuellen Haushalt zu schreiben.

Wir als Piraten werden den Antrag der Linken ablehne, und zwar aus einem Grund. Wir lehnen das Instrument SIWA in Gänze ab. Wir lehnen es ab, neben den normalen Haushaltsplänen mit Schattenhaushalten zu agieren. Das haben wir unter Nußbaum schon abgelehnt, der sich seine Polster gebastelt hat. Das bauen Sie jetzt als Koalition mit den SIWA-Listen wieder auf. Die Vorstellung, dass mit einer SIWA-Liste Geld auf irgendeinem Konto liegt, ist Blödsinn. Intern schuldet der Senat dieses Geld sowieso um. Es gibt keine Konten, auf denen 400 Millionen Euro liegen, die zu 0 Prozent verzinst werden, wenn stattdessen 400 Millionen Euro Schulden getilgt werden intern in der Kalkulation, damit wir weniger Zinslast haben.

[Beifall von Andreas Baum (PIRATEN)]

Das passiert intern im Senat sowieso. Wir müssen uns als Opposition und Sie müssen sich als Koalition überlegen: Welche Projekte sind sinnvoll? Welche Projekte können finanziert werden? Wie bekommen wir es hin, dass die

Investitionsgelder, die wir hier als Parlament bzw. Sie als Koalition – – Wir haben ja kein Mitspracherecht; das hat man gestern im Hauptausschuss gesehen. Sie waren nicht mal in der Lage, Ihre eigenen Anträge zu erklären. Wenn ich nur mal einen Antrag herausnehme. Der ist so absurd, dass er unbedingt hier erklärt werden muss.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Zuruf von Dr. Manuela Schmidt (LINKE)]

Die CDU hat ihr Sicherheitspaket. Darin ist ein Antrag zu einer sogenannten Anti-Terror-Force, was auch immer das sein soll.

[Beifall von Stefan Evers (CDU)]

Da können Sie klatschen. – Das Problem ist nur, dass Sie so inkompetent sind und das Geld nicht einmal in den Haushaltsplan richtig eingestellt haben. Wo haben Sie es eingestellt? – In einem Titel, der sich Überführungen nennt. Was eine Anti-Terror-Force, was auch immer das sein soll, in einem Titel Überführungen zu suchen hat, das konnten Sie im Ausschuss auch nicht erklären. Stattdessen haben Sie der Opposition vorgeworfen, sie sei dafür, dass alle Islamisten nach Berlin kommen, um uns wegzubomben, und gegen Sicherheit in Berlin. Wenn Sie mit einer solchen Argumentation kommen, müssen Sie sich nicht wundern, wenn wir am Ende Ihrem Haushalt nicht zustimmen können. Das, was Sie eingestellt haben, konnten Sie als Koalition nicht einmal selbst begründen. Wenn Sie als Koalition das nicht können und der Senat sagt, er begründet es nicht, weil es nicht seine Anträge sind, und wir als Opposition keine Antworten darauf bekommen, worüber Sie da reden, wie sollen wir dann irgendwelchen Blackboxen zustimmen können, von denen anscheinend keiner in diesem Parlament weiß, was damit gemacht werden solle.

[Steffen Zillich (LINKE): Was sollen Sie auch machen? Sie wissen es ja selbst nicht!]

Dagegen sind wir komplett.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Herberg! – Für den Senat hat jetzt Senator Dr. Kollatz-Ahnen das Wort. – Bitte schön, Herr Senator!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fange mal mit Frau Dr. Schmidt an: Ich hoffe, dass Sie nicht tatsächlich das Gefühl haben, dass die Diskussion mit der Opposition von oben herab stattfindet.

[Zuruf von Dr. Manuela Schmidt (LINKE)]

Das ist nicht das, was ich zu praktizieren versuche.

[Zurufe von der LINKEN]

Das ist nicht das, was der Senat praktiziert, und das ist auch nicht das, was wir bisher in den Haushaltsberatungen erleben konnten.

[Steffen Zillich (LINKE): Sie sind ja auch nicht immer da! – Heiterkeit von Torsten Schneider (SPD)]

Das Ziel, den Haushalt des Landes Berlin zu konsolidieren, war über lange Jahre Konsens in diesem Haus. Die Senate unter der Führung von Klaus Wowereit haben zunächst, als ersten Schritt, den Anstieg der Ausgaben gebremst. Dann haben sie als Zweites den Schuldenstand stabilisiert und als Drittes schließlich mit der Schuldentilgung begonnen. Der Senat von Michael Müller hat das Erreichen laufender Haushaltsüberschüsse und den Schuldenabbau verstetigt. Wir haben, weil wir uns nun mühsam diese Spielräume geschaffen haben, neben das Ziel der anhaltenden Konsolidierung gleichgewichtig, gleichberechtigt das Ziel des Investierens gesetzt. Und zusätzlich hat das Abgeordnetenhaus diese doppelte Zielsetzung mit den Stimmen der Regierungsfraktionen durch Gesetzesbeschluss mit dem SIWA, dem Sondervermögen „Infrastruktur der Wachsenden Stadt“, für die Verwendung ungeplanter Haushaltsüberschüsse einen weiteren gesetzlichen Rahmen geschaffen.

Die Haushaltskonsolidierung und die Schuldentilgung waren richtig, und sie bleiben auch in Zukunft richtig. Deswegen werden wir auch nicht davon abrücken. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei! Es ist keine Symbolpolitik! Der Hauptpunkt Ihres Antrags ist die Frage: „Machen wir auch Schuldentilgung, ja oder nein?“ Deswegen will ich auch zu diesem grundsätzlichen Thema Stellung nehmen.

Um das klarzustellen: Natürlich lässt sich über die Sinnhaftigkeiten der volkswirtschaftlichen Nutzung von Tilgung relativ zu Investitionen differenziert streiten. Aber man muss in der Situation, in der Bundesländer sind, sehen: Den Luxus einer solchen Debatte können sich nur diejenigen leisten, deren Schuldenquote eher in der Größenordnung von 30 als von 60 Prozent des regionalen Bruttoinlandsproduktes liegt. Leider gehört Berlin zu der Gruppe, in der sie eher bei 60 Prozent liegt.