Protokoll der Sitzung vom 10.12.2015

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Frau Kollegin Sommer! Sie haben jetzt das Wort für die Linksfraktion. – Bitte schön!

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Herr Schneider! Ich bin jetzt an der Reihe! – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kolat! Sie als Frauensenatorin haben leider wieder einmal hier die Chance verpasst, die Mitarbeiterinnen in den Frauenprojekten tarifgerecht zu bezahlen.

[Beifall bei der LINKEN]

Die meisten von ihnen arbeiten in nahezu prekären Beschäftigungsverhältnissen. Das gehört zur Wahrheit. Im Frauenetat gibt es 2016 und 2017 jeweils eine zweiprozentige Erhöhung. Damit soll Vorsorge für Tarifangleichungen und Tarifsteigerungen für alle Mitarbeiterinnen der Frauenprojekte und die allgemeine Kostensteigerung getroffen werden. Das ist doch absurd. Bei einer zweiprozentigen Steigerung kann keine Rede von einer Angleichung an den Tarif sein. Dieser Betrag deckt nicht einmal die aktuellen Tarifsteigerungen im Zuwendungszeitraum. Die Projektfinanzierung hat sich Jahr für Jahr weiter von den Tabellenwerten des TVL, dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, entfernt. Die Finanzierungslücke ist kontinuierlich gewachsen. Die Umsetzung des TVL in den Projekten erfordert deutlich mehr Personalmittel als bisher. Die Kosten für die Sachmittel steigen ebenfalls kontinuierlich. Es stellt sich hier die berechtigte Frage, wie die Umsetzung der Tarifanpassung erfolgen soll. Darauf müssen Sie eine Antwort geben.

Wie soll perspektivisch sichergestellt werden, dass die Arbeitsplätze in den Frauenprojekten tarifgebunden sind? Die von Ihnen angesetzten zwei Prozent, liebe Frau Czyborra, sind Sand, den Sie in die Augen der Mitarbeiterinnen der Frauenprojekte streuen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierungskoalition – nicht mehr und nicht weniger. Das muss hier auch noch einmal gesagt werden, weil Sie sich so gern mit Ihrem Haushalt abfeiern.

Im Jahr 2014 hatten die Projekte des Berliner Frauennetzwerks bereits erforderlichen Mehrbedarf für die tarifgerechte Bezahlung der Mitarbeiterinnen von 600 000 Euro geltend gemacht. Wir haben in unserem Antrag eine zwanzigprozentige Erhöhung des Frauenetats gefordert. Zehn Prozent sollen die Tarifsteigerungen decken, die anderen zehn Prozent sollen verwendet werden, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden. Das umfasst insbesondere eine Angebotserweiterung für Flüchtlingsfrauen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Kolat. Eine weitere Finanzierungslücke – das wurde hier kurz angesprochen – gibt es im Anti-Gewaltbereich. Wie Sie wissen, sind die Kapazitäten der Frauenhäuser erschöpft. Aktuell gibt es in Berlin 439 Plätze in Frauenhäusern und Zufluchtswohnungen. Allein im Jahr 2012 konnten mehr als 208 hilfesuchende Frauen überhaupt nicht vermittelt werden. Seitdem steigt die Zahl stetig. Frau Kofbinger hat von 1 900 gesprochen. Doch statt mehr Plätze zu schaffen, werden weniger Plätze ausfinanziert.

Frau Kollegin! Einen kleinen Moment bitte! – Meine Herrschaften! Es gibt wieder Parallelgespräche im Raum. Bitte gehen Sie doch nach draußen oder hören Sie sonst der Rednerin zu! – Danke!

Vielen Dank! – Im zweiten Frauenhaus sind von 60 vorgesehenen Schutzplätzen nur 56 regulär finanziert. Vier Plätze, die wir hier dringend benötigen, werden nicht ausfinanziert. Wir hatten bereits in unserem Antrag gefordert, dies zu tun. Sie haben es einfach abgelehnt, Frau Czyborra. Wir brauchen dringend mehr Frauenhausplätze. Das geben Sie auch selbst zu. Wir brauchen Sie mehr denn je, denn wir müssen die Frauenhäuser der aktuellen Entwicklung unserer Stadt anpassen. Es ist offensichtlich, dass in den nächsten Monaten der Bedarf stetig steigen wird. Es wird diese Nachfrage geben. Ich weiß aus mehreren Flüchtlingsunterkünften, dass dort Frauen leben, die in ihren Herkunftsländern Gewalt erfahren haben und auch weiterhin Gewalt erfahren. Diese Frauen brauchen Schutz, werden aber aufgrund der Vollbelegung in den Frauenhäusern abgewiesen.

Es ist auch kein Geheimnis, dass es schlimmer wird. Ich will auch nicht den Teufel an die Wand malen, aber eines ist gewiss, dass sich die Situation noch verschärfen wird. Dem wird dieser Haushalt ganz und gar nicht gerecht.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE) und von Heiko Herberg (PIRATEN)]

Danke schön! – Für die Piratenfraktion erteile ich jetzt dem Kollegen Kowalewski das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Neunzigerjahre sind eigentlich vorbei.

[Andreas Baum (PIRATEN): Was?]

Das ist auch gut so. Ja! – An einer Stelle haben sie sich aber bis heute erhalten. Auch mit den leichten Erhöhungen im neuen Haushalt verdienen die Frauen und auch vereinzelt Männer, die in Beratungs- und Hilfsangeboten für Frauen in Frauenhäusern und Zufluchtswohnungen, in Frauenzentren sowie Frauenprojekten und -verbänden wichtige – die Kollegin Czyborra nannte sie gerade unverzichtbare – Arbeit leisten, inflationsbereinigt noch weniger als das, was 1995 schon zu wenig war.

Die finanzielle Geringschätzung der Arbeit von Frauen im Berliner Frauenhaushalt ist ein Makel, den wir wohl nie loswerden können. Das ist auch als Symbol verheerend. Beispielsweise sind – gerade schon erwähnt – die Frauenhäuser für viele Frauen die letzte Fluchtmöglichkeit und immer mehr überfüllt. Im vergangenen Jahr konnte allein in Berlin 1 900 hilfesuchenden Frauen kein Platz angeboten werden. Das sind 500 mehr als im Vorjahr. Die Frauenhäuser müssen also dringend erweitert und besser finanziert werden, und zwar vollständig besser finanziert, nicht nur für ausgewählte Plätze, gerade, weil es in Berlin zunehmend schwieriger wird, eine neue Wohnung zu finden. Oder wollen Sie Frauen, die Schutz vor Gewalt suchen, weiterhin auf das Land nach Brandenburg und somit aus ihren sozialen Strukturen, die gerade in solchen Situationen essentiell sind, verweisen?

Die Zweite-Stufe-Unterbringung und die 0,75 Stellen in der Wohnraumvermittlung sind da ein Tropfen auf den nicht mehr nur heißen, sondern sogar schon rot glühenden Stein. HYDRA bekommt eine Stelle einmalig für ein Jahr zur Ergebnissicherung des DIWA-Projekts. Das Beratungsangebot kann dadurch nicht ausgeweitet werden. Es steht eher zu befürchten, dass es gekürzt werden muss, um die Mietsteigerung auszugleichen, die auf den Träger zukommen. Das geschieht in dem Zweijahreszeitraum, in dem dank Manuela Schwesigs neuem Überwachungsgesetz ein ganz neuer Beratungsbedarf entsteht, sei es die Beratung zur Überwindung der unsinnigen Bürokratie für

(Evrim Sommer)

Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, die ihren Beruf weiter ausüben, die Ausstiegsberatung, für die, die sich nicht in diesem Ausmaß gängeln lassen wollen und natürlich die Einstiegsberatung für diejenigen, die diese dort entstehende Lücke wieder auffüllen wollen.

Für mehr Beispiele habe ich jetzt keine Zeit.

[Dr. Gottfried Ludewig (CDU): Och!]

Es tut mir leid. Das Problem sollte aus meinem Beitrag sowie denen der beiden Vorrednerinnen relativ deutlich geworden sein. Der Frauenhaushalt ist mit einem Volumen von um die 20 Millionen Euro der kleinste Haushalt, über den Sie hier eine eigene Rederunde führen. Deswegen sollte es aber nicht auch gleichzeitig der armseligste sein. Global betrachtet würde es nicht mehr als einen Tag BER-Baustelle kosten, die gute Arbeit von Frauen hier in Berlin angemessen zu vergüten. Das sollte es uns doch wert sein. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE)]

Danke schön, Kollege Kowalewski! – Es gibt noch eine weitere Wortmeldung der SPD-Fraktion. Die Kollegin Dr. Kitschun hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Einzelplan 09 ist auch das Landesprogramm gegen Rechts etatisiert. Das hat hier bisher keine große Rolle gespielt außer bei der Senatorin, aber ich möchte unsere Aufmerksamkeit doch noch auf diesen wichtigen Bereich lenken.

Berlin ist eine Stadt der Vielfalt mit einer starken Demokratie und vielen Engagierten. Die große Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner heißt die Geflüchteten aus aller Welt bei uns willkommen. Aber auch in Berlin haben in diesem Jahr rechte Übergriffe und rechte Hetze zugenommen – gegen Geflüchtete, gegen ihre Unterkünfte und gegen ihre Unterstützerinnen und Unterstützer. In dieser Situation gewinnt aus unserer Sicht der Kampf gegen Rechts und für unsere Demokratie noch stärker an Bedeutung.

[Beifall von Ülker Radziwill (SPD), Benedikt Lux (GRÜNE) und Dr. Simon Weiß (PIRATEN)]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Reinhardt?

Ich würde jetzt gerne weitermachen. – Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir die finanzielle Absicherung der vielen Initiativen, Engagierten und Projekte deutlich verbessern. Das Landesprogramm gegen Rechts wird in den nächsten beiden Jahren verstärkt, und zwar um 600 000 Euro pro Jahr auf dann 3,2 Millionen Euro.

Diese zusätzlichen Mittel werden dringend benötigt. Sie werden benötigt für die Beratung von Willkommensinitiativen für Geflüchtete, für den organisierten Dialog mit Anwohnerinnen und Anwohnern von Flüchtlingsunterkünften. Sie werden benötigt für antirassistische Fortbildungen, für Flüchtlingsheimbetreiber und Wachdienste. Sie werden benötigt für Antisemitismusprävention und für die Dokumentationsarbeit der Registerstellen. Mit der deutlichen Aufstockung des Landesprogramms gegen Rechts verbessern wir die Situation von Engagierten und Geflüchteten gleichermaßen. Und wir leisten einen Beitrag für gelebte Vielfalt in unserer Stadt.

Noch eine Klarstellung: Den Aktionsplan zur Einbeziehung ausländischer Roma führen wir im gleichen Umfang fort. Zusätzlich kommen noch EU-Mittel dazu. Und auch im Rahmen des Landesprogramms gegen Rechts wird weiter das Projekt Amaro Foro finanziert, denn auch das gehört in diesen Bereich. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer nun dem Einzelplan 09, Arbeit, Integration und Frauen, unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Hauptausschusses gemäß Drucksache 17/2600 und den Auflagenbeschlüssen des Hauptausschusses Nummern 50 und 51 vorbehaltlich der am Ende der Sitzung abzustimmenden Änderungsanträge der Fraktionen zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? – Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Enthaltungen – gibt es keine. Damit ist das angenommen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1 g:

Einzelplan 10 – Bildung, Jugend und Wissenschaft –

und verknüpfe dies mit der Beratung über die Auflagenbeschlüsse des Hauptausschusses Nummern 52 bis 64 Drucksache 17/2600. – In der schulpolitischen Rederunde beginnt die Fraktion der SPD mit dem Kollegen Özışık. – Bitte schön!

(Simon Kowalewski)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Chancengerechtigkeit ist der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Keine andere Partei hat sich das so sehr auf die Fahne geschrieben wie die SPD. Gute Bildung ist die Grundlage einer solidarischen Gesellschaft. Das heißt auch, dass wir alles tun müssen, dass kein Mensch in diesem Sinne je abgeschrieben wird, egal, wer er ist, welche Bildungsvergangenheit er hat oder welche anderen Voraussetzungen er mitbringt. Bildung startet bei den Kindern.

Berlin braucht eine zukunftsgerichtete gerechte Bildungslandschaft, die kein Kind zurücklässt. Dabei gilt es zu begreifen, gute Bildung gibt es nicht umsonst. Deshalb haben wir die Ansätze im Bildungshaushalt deutlich erhöht und gehen auch konsequent an die Strukturen. Viele Baustellen sind wir dabei angegangen. Der Übergang Kita – Schule und Schule – Beruf sind zwei Beispiele, die Jugendberufsagentur, das Landeskonzept Berufs- und Studienorientierung, das umfassende Lehrkräftebildungsgesetz, die integrierten Sekundarschulen, das Schulmittagessen, das Sanierungsprogramm für Schultoiletten, Finanzmittel für Sportstätten, die Fleximittel zur freien Verfügung für Schulen, das Brennpunktschulenprogramm und dessen Ausweitung auf Berufs- und Privatschulen und das Programm zur wachsenden Stadt umfasst allein eine halbe Milliarde Euro. Dies sind nur einige Dinge, die der Senat und das Abgeordnetenhaus zusammen angepackt haben. Aber wir werden nicht müde, weiter für eine gerechte Bildungslandschaft zu kämpfen.

Wir haben in dieser Legislaturperiode insgesamt richtig viel Geld in die Hand genommen, um Weichen für die Berliner Bildungslandschaft neu zu stellen. Darauf können wir stolz sein. Aber wir können uns jetzt nicht ausruhen. Wir müssen genauso energisch wie bisher an der Umsetzung unserer Vorstellungen eines gerechten Bildungssystems weiterarbeiten. Der kommende Bildungshaushalt soll genau dafür die Grundlage sein. Wir leben in einer sich rasant wandelnden Stadt. Dies ist sowohl eine große Herausforderung als auch eine große Chance für alle Berliner. Wir stellen die Weichen für kommende Generationen.

Der künftige Bildungshaushalt steht ganz im Zeichen des wachsenden Berlins. So wurden klar Prioritäten beim Personal gesetzt, bei der Sanierung und dem Ausbau von Schulen. Weiter geht es um die Inklusion, eine Ausweitung des Brennpunktschulenprogramms und dezentrale Schulbudgets. Für den Bereich Bildung stehen nach dem aktuellen Beschluss für beide Haushaltsjahre knapp 6 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist gegenüber dem jetzigen Haushalt noch einmal ein deutliches Plus von weit über 400 Millionen Euro. Davon werden unsere Kinder und diejenigen profitieren, die für gute und gerechte Bildung arbeiten. Zu erwähnen wären hier als

Beispiele 1 Million Euro zusätzlich für Verwaltungsleiterinnen und -leiter, 600 000 Euro für Bildungsverbünde, 100 000 Euro für die Förderung von Integration und Vielfalt „Dialog macht Schule“ und 360 000 Euro für Familienzentren.

[Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE): Wahnsinn!]

Berlin braucht Lehrkräfte. Deshalb wird zusätzliches Schulpersonal eingestellt werden, mehr Lehrkräfte wegen der wachsenden Stadt und zur Verbesserung des pädagogischen Angebots, für Willkommensklassen, zur Anhebung des Integrationsdeckels und für die weitere Ausgestaltung der Inklusion. Zur Stärkung der Berliner Grundschulen werden darüber hinaus die Schulleiterinnen und Schulleiter an unseren Grundschulen höher vergütet werden. Dies sind zusätzliche Kosten, die enorm sind, aber eben auch enorm wichtig zur Unterstützung und Wertschätzung der tagtäglichen Arbeit.

Berlin hat viel aufzuholen;

[Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE): Ja!]

insbesondere bei den Schulgebäuden wurde in den vergangenen 30 Jahren zu wenig investiert. Doch die Wende wurde in dieser Legislaturperiode geschafft. Für Bauinvestitionen im Schulbereich stehen für 2016 und 2017 insgesamt über 150 000 Millionen Euro zur Verfügung. Darin sind zwar auch modulare Ergänzungsbauten ein Thema, doch wird auch das Schulanlagensanierungsprogramm ausgeweitet und das Sonderprogramm Schultoiletten aus dem Jahr 2015 dauerhaft etabliert.

Über das dezentrale Schulbudget können Schulen Mittel nach ihren Bedürfnissen direkt, ohne großen Verwaltungsaufwand für Schönheits- und Kleinreparaturen, für Honorare, für Fortbildungen einsetzen. Hiervon profitieren allen öffentlichen Schulen.