Evrim Baba

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Berlin verfügt über eine breitgefächerte Fraueninfrastruktur mit hochprofessionell arbeitenden Expertinnen. Obwohl nie bedarfsgerecht ausgestattet und nur untertariflich bezahlt, haben die Frauenprojekte ihre Angebote kontinuierlich weiterentwickelt und immer mit Blick auf die realen Bedingungen vorangebracht. In Berlin gibt es ausreichend Möglichkeiten, frauenspezifische Angebote für Flüchtlinge zu machen.
Unser Antrag hat das Ziel, geflüchtete Frauen für den Arbeitsmarkt fit zu machen und ihnen ein selbstständiges Leben zu ermöglichen. Das schließt auch ein, dass sie natürlich auch menschenwürdig untergebracht werden. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie bitten – weil Frau Vogel auch noch reden wird –, mir zu erklären, wie Sie das zusammenfügen können, wenn Sie begründen, warum Sie unseren Antrag ablehnen, dass Sie als CDUKreisvorsitzende bei einer Demonstration gegen Flüchtlingsunterkünfte Seite an Seite mit NPD-Mitgliedern mobil gemacht haben.
Scheinbar – wir setzen uns mit dem Antrag für geflüchtete Frauen ein – wollen Sie tatsächlich am rechten Rand fischen.
Ihre Rechnung, damit Stimmen zu fangen, wird, glaube ich, Frau Vogel, nicht aufgehen, da die Wählerinnen und Wähler leider lieber das Original wählen, also NPD oder AfD.
Sie jedoch machen mit Rechtspopulisten diese neofaschistische Partei salonfähig. Ich finde das widerwärtig und kann das auch nicht nachvollziehen, wenn Sie nachher zu diesem Antrag reden. Das muss ich hier deutlich machen.
Unser Antrag zielt darauf, dass wir Frauen für ein selbstständiges Leben fit machen wollen und damit die bestehende Infrastruktur der Frauenprojekte für diese Integrationsarbeit ausstatten. Das muss viel stärker gefördert werden. Immer noch arbeiten die Mitarbeiterinnen in den Frauenprojekten ohne tarifgerechten Lohn. Mit dem Haushalt 2016/17 hat der Senat leider wieder einmal die
Chance verpasst, Frauenprojekte bedarfs- und tarifgerecht auszustatten. 12,4 Millionen Euro stehen als pauschale Mittel für die Finanzierung der Flüchtlingsarbeit zur Verfügung. Wir fordern, dass 10 Prozent, also 1,24 Millionen Euro, für die Erweiterung von Angeboten für Frauen verwendet werden. Diese sollen Flüchtlingsfrauen den Zugang zur bestehenden Berliner Infrastruktur ermöglichen.
Frau Senatorin Kolat verwies im Ausschuss darauf, dass 3,7 Millionen Euro der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen für die Flüchtlingsarbeit bereitstehen. Diese Mittel seien für geflüchtete Frauen eingesetzt worden. Verteilt man aber diese Mittel auf die vier Bereiche, die ich schon genannt habe, so wären es gerade einmal 930 000 Euro für den gesamten Frauenbereich. Dabei bleibt nicht viel für die Erweiterung der Angebote der Frauenprojekte übrig. Einmal mehr wird deutlich, dass der Frauensenatorin der politische Wille fehlt, die Situation geflüchteter Frauen in den Fokus zu nehmen.
Sie haben sich einfach, Frau Senatorin Kolat, wenn Sie mir jetzt zuhören, mit der Höhe der Mittel zufrieden gegeben. Dabei haben Sie ein großes Ressort – ich habe es aufgelistet – und hätten tatsächlich Ihren Anspruch geltend machen können und müssen. Das haben Sie leider wieder mal nicht gemacht.
Darüber hinaus trafen Sie eine Aussage im Ausschuss, die ich überaus befremdlich fand und die Vertreterin des Berliner Frauennetzwerks ebenso. Sie als SPD-Senatorin haben sich ganz in CDU-Manier von der Doppelstrategie bezüglich der Geschlechtergerechtigkeit verabschiedet. Stattdessen spielen Sie Gender-Mainstreaming und die strukturelle Förderung der Frauenprojekte gegeneinander aus. Dabei haben wir in unserer gemeinsamen Regierungszeit immer den Grundsatz vertreten, eine Doppelstrategie zu fahren, die beides beinhaltet, denn es geht nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-alsauch. Solange es die strukturelle Diskriminierung von Frauen gibt, brauchen wir diese Doppelstrategie. Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. – Vielen Dank!
Ich will nur zwei Punkte ansprechen. – Frau Vogel! Sie hätten die Situation nutzen können und sich von Ihren Äußerungen,
die Sie auf dieser Demonstration, Seite an Seite mit der NPD, von sich gegeben haben, zu distanzieren. Das haben Sie nicht gemacht, und das ist eine Schande für das Hohe Haus, dass Sie sich hier hinstellen und auch noch über die besondere Situation der geflüchteten Frauen reden. Ich finde, Sie haben nicht das Recht dazu,
solange Sie sich nicht von Ihrer Position distanzieren.
Darüber hinaus frage ich die CDU: Die Fälle in der CDU häufen sich im Moment. Auch der Abgeordnete Danny Freymark – in meinem Wahlkreis in Hohenschönhausen – hat, Seite an Seite mit der AfD und NPD, gegen Flüchtlingsunterkünfte mobil gemacht, ganz zu schweigen von dem Skandal mit diesem Video in Riga. Wie tief ist die CDU gesunken, dass sie mit Nazis und Rechtspopulisten gemeinsame Sache macht?
Das ist einfach widerwärtig!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die besondere Situation von geflüchteten Frauen sollte auch die Frauensenatorin Kolat interessieren. Ich würde sie bitten, hier im Saal anwesend zu sein, wenn wir über das Thema reden.
In wenigen Tagen jährt sich der Internationale Frauentag zum 105. Mal. In diesem Jahr richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die besondere Situation von geflüchteten Frauen. Im Jahr 2015 kamen mehr als 54 000 Ge
flüchtete nach Berlin. Ein Drittel dieser Menschen sind Frauen und Mädchen. Dennoch ist die Flüchtlingspolitik auf dem Genderauge blind. In Deutschland sind die Unterbringungsbedingungen, die Aufenthaltsperspektiven und die gesellschaftliche Integration von Geflüchteten überwiegend auf männliche Geflüchtete ausgerichtet, so auch in Berlin.
Geflüchtete Frauen haben es besonders schwer. In jeder vierten Flüchtlingsfamilie aus Syrien kämpft eine Frau allein um ihr Leben und das ihrer Kinder. Viele dieser Frauen fliehen aus den gleichen Gründen wie Männer. Sie suchen Schutz vor politischer Verfolgung, Unterdrückung und vor kriegerischer und religiös begründeter Gewalt. Dazu kommen allerdings weitere Fluchtursachen, von denen Frauen und Mädchen betroffen sind: Genitalverstümmelung, Zwangsverheiratung und sexualisierte Gewalt. Diese Frauen benötigen dringend Hilfe und spezifische Angebote.
Berlin verfügt über eine gut ausgestattete Fraueninfrastruktur. Da arbeiten Expertinnen mit besonderen Erfahrungen und Spezialkenntnissen hochprofessionell. Es liegt in der Tat auf der Hand, die Frauenpolitik in Berlin mit der Flüchtlingspolitik zu vernetzen. Meine Fraktion Die Linke hat während der Haushaltsberatungen eine Aufstockung des Etats der Frauenprojekte um 20 Prozent gefordert.
10 Prozent sollten zum Ausgleich von Tarifsteigerungen verwendet werden, die anderen 10 Prozent zur Erweiterung der Angebote für geflüchtete Frauen. Unser Antrag wurde natürlich abgelehnt. Allerdings wurden in der Schlusslesung des Haushalts 2016/2017 pauschale Mehrausgaben in Höhe von 12,4 Millionen Euro für 2016 und 10,9 Millionen Euro für 2017 für Integrationsmaßnahmen beschlossen.
Dies haben wir zum Anlass genommen, den Senat aufzufordern, davon 10 Prozent für spezifische Angebote für geflüchtete Frauen zu verwenden. Damit könnte sichergestellt werden, dass in allen Notunterkünften und Flüchtlingsheimen frauenspezifische Belange berücksichtigt werden. Geflüchtete Frauen brauchen Informationen über passgerechte Ausbildungsmöglichkeiten, Qualifizierung und den Berufseinstieg. Frauen- und mädchenspezifische Angebote sind für sie dringend erforderlich und könnten durch diese Mittel finanziert werden.
Die Berliner Frauenprojekte haben das Know-how für Beratung, Qualifizierung und zum Berufseinstieg von Migrantinnen. Das wissen wir. An Ideen und Konzepten mit speziellen Angeboten für geflüchtete Frauen und Mädchen mangelt es nicht, jedoch fehlen die erforderlichen finanziellen und personellen Kapazitäten. Geflüchtete Frauen brauchen eine gesicherte Kinderbetreuung, um Sprachkurse besuchen zu können und sich beruflich
(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)
weiterzuqualifizieren. Sie brauchen Unterstützung beim Einstieg in die Ausbildung und ins Berufsleben. Das würde vielen geflüchteten Frauen helfen, sich in Berlin selbstständig und selbstbestimmt eine neue Perspektive aufzubauen.
Der Senat ist hier in einer Gesamtverantwortung, würde ich sagen, natürlich insbesondere die Frauensenatorin, weil das auch ihr Ressort betrifft, was die Integration von geflüchteten Frauen anbelangt. Geflüchtete Frauen leben in einer besonderen Situation, und sie brauchen insbesondere spezifische Angebote. Unser Antrag wird heute in den Frauen- und Haushaltsausschuss überwiesen, und dort werden wir die Möglichkeit haben, uns noch mal ausführlich über diese Problematik und Lösungen zu verständigen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Ereignissen in Köln redet jetzt jeder über se
(Anja Kofbinger)
xuelle Gewalt an Frauen, oft jedoch leider in Verbindung mit rassistischen Vorurteilen. Das Thema sexuelle Gewalt ist nun in aller Öffentlichkeit, und ich finde, das ist auch gut so. Gewalt gegen Frauen ist ein wichtiges Thema und ein Problem, das in allen Bereichen der Gesellschaft nach wie vor existiert und nicht erst seit der Silvesternacht in Köln.
Dennoch bleibt es oft nur ein kurzer Aufschrei. Keine Erwähnung finden andere Formen sexueller Gewalt, die tatsächlich omnipräsent sind. Ignoriert werden andere, dunkle und schwer einsehbare Räume. Ich rede hier von der digitalen Welt, die mehr und mehr zu unserer natürlichen Umwelt wird. Menschen verbringen mehr Zeit bei Facebook und anderen sozialen Netzwerken als auf Bahnhofsvorplätzen. Es gibt jedoch Übereinstimmungen im Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung dieser Form von sexueller Gewalt. Frau Reker, die Oberbürgermeisterin von Köln, rät z. B., sich von gefährlichen öffentlichen Räumen fernzuhalten. Oft wird Opfern von Cybergewalt auch geraten, sie sollen digitale Räume meiden, in denen sie gemobbt oder sexualisiert angegriffen werden. Statt ein Problem zu erkennen und es zu bekämpfen, werden lediglich die potenziellen Opfer aus dem Sichtfeld entfernt, ganz nach der Logik: kein Opfer, kein Verbrechen! Das kann nicht der Weg sein, um sexuelle Gewalt und Cybergewalt zu bekämpfen. Das kann so nicht gelöst werden.
Wir Frauenpolitikerinnen sind uns einig, dass Cybergewalt ein immer größer werdendes Problem ist. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Da sind wir uns auch einig. Im Frauenausschuss haben wir lang und breit darüber diskutiert, welche Maßnahmen konkret dafür nötig sind. Was jedoch diese Einsicht nicht untermauert hat, war, dass keine Konsequenz dabei herausgekommen ist. Der Antrag der Grünen, dem wir als Linksfraktion zustimmen, wurde trotz des offensichtlichen Handlungsbedarfs im Frauen- und Rechtsausschuss einfach mal so abgelehnt.
Der Regierende Bürgermeister hat angekündigt, eine digitale Agenda vorzubringen, aber es ist nur eine Ankündigung. Diese zehn Punkte habe ich mir auch angeschaut. Es ist tatsächlich nicht mehr als eine Ankündigung, und wir wissen nach fünf Jahren nur zu gut, dass Ankündigungen der SPD-CDU-Koalition in der Regel keine Folgen haben.
Wir kennen Ihren Politikstil inzwischen. Es wird geprüft, Ankündigungen werden gemacht, dann werden Ankündigungen wiederholt, und am Ende passiert nichts.
Das ist sozusagen das Verfahren dieser Regierung. Wir haben mehrfach vorgeschlagen, einen Maßnahmenplan analog zum Aktionsplan gegen häusliche Gewalt aufzulegen. Doch für diese Legislaturperiode können wir wohl die Hoffnung begraben, dass der Senat hier tatsächlich aktiv wird. Er bringt nicht einmal die integrierte Maßnahmenplanung gegen sexuelle Gewalt auf den Weg. Dieser Senat steht für Stillstand auch im Bereich der Frauenpolitik. Die letzten fünf Jahre sind meines Erachtens verschenkte fünf Jahre. Die Aufgabe eines neuen Senats nach den Wahlen wird sein, den Scherbenhaufen dieser SPD-CDU-Regierung aufzukehren, den geschlechterpolitischen Stillstand zu überwinden und endlich wieder die Probleme unserer Stadt anzupacken. – Vielen Dank!
Herr Schneider! Ich bin jetzt an der Reihe! – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kolat! Sie als Frauensenatorin haben leider wieder einmal hier die Chance verpasst, die Mitarbeiterinnen in den Frauenprojekten tarifgerecht zu bezahlen.
Die meisten von ihnen arbeiten in nahezu prekären Beschäftigungsverhältnissen. Das gehört zur Wahrheit. Im Frauenetat gibt es 2016 und 2017 jeweils eine zweiprozentige Erhöhung. Damit soll Vorsorge für Tarifangleichungen und Tarifsteigerungen für alle Mitarbeiterinnen der Frauenprojekte und die allgemeine Kostensteigerung getroffen werden. Das ist doch absurd. Bei einer zweiprozentigen Steigerung kann keine Rede von einer Angleichung an den Tarif sein. Dieser Betrag deckt nicht einmal die aktuellen Tarifsteigerungen im Zuwendungszeitraum. Die Projektfinanzierung hat sich Jahr für Jahr weiter von den Tabellenwerten des TVL, dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, entfernt. Die Finanzierungslücke ist kontinuierlich gewachsen. Die Umsetzung des TVL in den Projekten erfordert deutlich mehr Personalmittel als bisher. Die Kosten für die Sachmittel steigen ebenfalls kontinuierlich. Es stellt sich hier die berechtigte Frage, wie die Umsetzung der Tarifanpassung erfolgen soll. Darauf müssen Sie eine Antwort geben.
Wie soll perspektivisch sichergestellt werden, dass die Arbeitsplätze in den Frauenprojekten tarifgebunden sind? Die von Ihnen angesetzten zwei Prozent, liebe Frau Czyborra, sind Sand, den Sie in die Augen der Mitarbeiterinnen der Frauenprojekte streuen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierungskoalition – nicht mehr und nicht weniger. Das muss hier auch noch einmal gesagt werden, weil Sie sich so gern mit Ihrem Haushalt abfeiern.
Im Jahr 2014 hatten die Projekte des Berliner Frauennetzwerks bereits erforderlichen Mehrbedarf für die tarifgerechte Bezahlung der Mitarbeiterinnen von 600 000 Euro geltend gemacht. Wir haben in unserem Antrag eine zwanzigprozentige Erhöhung des Frauenetats gefordert. Zehn Prozent sollen die Tarifsteigerungen decken, die anderen zehn Prozent sollen verwendet werden, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden. Das umfasst insbesondere eine Angebotserweiterung für Flüchtlingsfrauen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Kolat. Eine weitere Finanzierungslücke – das wurde hier kurz angesprochen – gibt es im Anti-Gewaltbereich. Wie Sie wissen, sind die Kapazitäten der Frauenhäuser erschöpft. Aktuell gibt es in Berlin 439 Plätze in Frauenhäusern und Zufluchtswohnungen. Allein im Jahr 2012 konnten mehr als 208 hilfesuchende Frauen überhaupt nicht vermittelt werden. Seitdem steigt die Zahl stetig. Frau Kofbinger hat von 1 900 gesprochen. Doch statt mehr Plätze zu schaffen, werden weniger Plätze ausfinanziert.
Vielen Dank! – Im zweiten Frauenhaus sind von 60 vorgesehenen Schutzplätzen nur 56 regulär finanziert. Vier Plätze, die wir hier dringend benötigen, werden nicht ausfinanziert. Wir hatten bereits in unserem Antrag gefordert, dies zu tun. Sie haben es einfach abgelehnt, Frau Czyborra. Wir brauchen dringend mehr Frauenhausplätze. Das geben Sie auch selbst zu. Wir brauchen Sie mehr denn je, denn wir müssen die Frauenhäuser der aktuellen Entwicklung unserer Stadt anpassen. Es ist offensichtlich, dass in den nächsten Monaten der Bedarf stetig steigen wird. Es wird diese Nachfrage geben. Ich weiß aus mehreren Flüchtlingsunterkünften, dass dort Frauen leben, die in ihren Herkunftsländern Gewalt erfahren haben und auch weiterhin Gewalt erfahren. Diese Frauen brauchen Schutz, werden aber aufgrund der Vollbelegung in den Frauenhäusern abgewiesen.
Es ist auch kein Geheimnis, dass es schlimmer wird. Ich will auch nicht den Teufel an die Wand malen, aber eines ist gewiss, dass sich die Situation noch verschärfen wird. Dem wird dieser Haushalt ganz und gar nicht gerecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Czyborra! Ich weiß nicht, wo Sie leben. Wir leben hier in Berlin, und tagtäglich besuchen wir Flüchtlingsunterkünfte und sprechen mit Frauen. Die Realität, die Sie beschrieben haben, insbesondere, dass es Schutzräume für traumatisierte Frauen gibt, die in ihren Ländern sexuelle Gewalt erfahren haben, kann ich leider nicht bestätigen; die gibt es in Berlin in der Tat nicht. Es gibt sie in Brandenburg und nicht hier in Berlin. Auch Frau Stolle, die Vorsitzende von Terre des Femmes, hat heute noch einmal klar dargestellt, wie die Situation in den Flüchtlingsunterkünften bezüglich geflüchteter Frauen aussieht, nämlich sehr dramatisch. Frau Czyborra! Sie haben hier also ein Bild aufgezeigt, das so nicht korrekt ist und nicht der Realität entspricht.
Eigentlich müsste von uns ein Signal ausgehen, das mehr ist als das alljährliche Hissen einer Fahne vor dem Abgeordnetenhaus. Das war richtig. Ich finde es auch wichtig, denn diese Initiative geht auch auf unsere Fraktion zurück. Doch diesem symbolischen Akt müssen auch Taten folgen. Die Zahl von Flüchtlingen steigt und damit auch die Zahl der weiblichen Flüchtlinge. Die meisten fliehen vor politischer Verfolgung, Gewalt und Krieg. Oft waren sie in dem Land, aus dem sie flohen, oder auf der Flucht Opfer sexueller – –
Danke, Herr Präsident! – Sie waren oft Opfer sexueller Gewalt. Angekommen in Berlin, brauchen sie einen besonderen Schutz. Die Situation in den Flüchtlingsunterkünften ist für die geflohenen Frauen unzumutbar. Das habe ich schon erwähnt. Ich habe vor einigen Tagen das
AWO-Refugium in Lichtenberg besucht. Das ist eine Erstaufnahme für Erwachsene und Familien. Dort hatte ich Gelegenheit, mit mehreren syrischen Flüchtlingsfrauen zu sprechen. Deren Männer sind im Kampf gegen den IS gefallen. Sie sind jetzt allein mit ihren Kindern hier. Zu Hause haben sie sexuelle Gewalt erfahren, und jetzt teilen sie sich mit den Männern die sanitären Anlagen, und sie haben nachts allein die Toiletten zu benutzen. Das ist die Realität, die in den Unterkünften herrscht.
Viel schlimmer ist die Lage in den großen Notunterkünften, in den Turnhallen. Frauen können dort sehr leicht Opfer von Gewalt werden. Sie brauchen sichere Orte, abschließbare Zimmer, separate Sanitär- und Duschanlagen und geschützte Gemeinschaftsräume.
Flüchtlingsfrauen benötigen leicht zugängliche Angebote der gesundheitlichen Versorgung sowie psychosoziale oder psychologische Betreuung. Darüber hinaus muss das Personal sensibilisiert und interkulturell geschult werden.
Flüchtlingsfrauen finden heute kaum mehr Zuflucht vor Gewalt in Frauenhäusern, weil die Frauenhäuser schon seit 2012 melden, dass sie voll belegt sind. Also dort können wir diese Frauen, die von Gewalt betroffen sind, nicht unterbringen. Das gehört auch zur Realität. Die Zahl der Plätze in den Frauenhäusern muss erhöht werden.
Frauen in Flüchtlingsnotunterkünften müssen den notwendigen Schutz vor Gewalt haben. Der Berliner Senat muss hier schnellstmöglich handeln. Da ist natürlich auch die Frauensenatorin aufgefordert. Doch heute Vormittag hat sie einmal mehr bewiesen, dass sie sich von Notsituation zu Notsituation hangelt. Das Thema der geflüchteten Frauen erreicht kaum die Öffentlichkeit. Niemand redet darüber, nur punktuell geschieht das. Die Flüchtlingspolitik ist seit Jahrzehnten lediglich auf Männer ausgerichtet. Wie bereits gesagt, würde ich mir wünschen, dass die Frauensenatorin hier mal aktiv wird. Aber sie hört nicht zu. Es gab vor ein paar Monaten diesen Antrag. Er wurde auch diskutiert und wurde hier abgelehnt. Man sieht auch daran, welche Aktivitäten die Frau Senatorin hier noch mal dargestellt hat, dass sie in dem Bereich nicht aktiv ist. Das sollte man an dieser Stelle noch einmal deutlich machen.
Hier steht, dass meine Redezeit zu Ende ist. Das kann nicht sein.
Ja, genau! – Es ist also notwendig, dass man auch eine gegenderte Flüchtlingspolitik auf die Tagesordnung setzt. Frau Kolat! Sie können sich gern mal in Brandenburg umschauen. Dort wird es gemacht. In Potsdam gibt es seit zwei Jahren ein Haus für traumatisierte Frauen und ihre Kinder. Mitten in der Altstadt von Potsdam unterhält der Verein „Soziale Stadt Potsdam“ ein Wohnheim, in dem geflüchtete Frauen untergebracht und geschützt sind. So etwas brauchen wir auch in Berlin, aber Sie haben ja gesagt, dass das für Sie nicht gerade wünschenswert ist.
Der Antrag der Grünen geht in die richtige Richtung. Meine Fraktion, Die Linke, unterstützt ihn. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorrednerinnen haben schon darauf verwiesen, dass Cybergewalt eine neue Form der Gewalt ist.
In unserer digitalen und vernetzten Welt ist sie omnipräsent. Frau Kofbinger hat gesagt, es ist wichtiger denn je. Das finde ich auch, dass das Thema tatsächlich sehr wichtig ist, und es wirklich nötig ist, dass es jetzt auch aufgegriffen wurde. Und es ist nicht so, dass hier irgendetwas aufgepickt wurde, sondern es ist tatsächlich eine Form von Gewalt, mit der wir uns hier auch beschäftigen müssen.
Cybergewalt hat tatsächlich verschiedene Gesichter. Sie umfasst sowohl Cybermobbing, also das Mobbing und Schikanieren einer Person im Internet, Cybergrooming, die Anbahnung von sexualisierter Gewalt gegenüber Kindern durch Erwachsene im Netz, oder auch Cybersexismus, also offene Misogynie, das heißt, Frauenhass im Internet. Auf der 24. und der 25. Konferenz der Gleichstellungs- und der Frauenministerinnen der Länder wurde das Thema Cybergewalt gegen Frauen und Mädchen tatsächlich diskutiert. Die Ministerinnen und Senatorinnen schlugen verschiedene Schritte gegen Cybergewalt an Mädchen und Frauen vor. Was, glaube ich, hier auch noch mal deutlich wurde, Frau Czyborra, Sie haben gesagt, dass das tatsächlich auch überfällig ist. Ich finde das auch, dass das überfällig ist, dass das Thema jetzt so aufgegriffen wurde.
Allerdings gab es keine konkreten Vorschläge zur Bekämpfung von Cybergewalt. Auf Landesebene gab es lediglich vage Prüfaufträge, das haben Sie auch gesagt, Frau Czyborra, und da müssen wir ansetzen.
Die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen forderte von den Ländern insbesondere geschlechtsspezifische Aufklärung und Hilfsangebote. In Berlin, das muss man auch fairerweise sagen, wird dies teilweise bereits an Schulen und in Freizeiteinrichtungen getan, aber angesichts des Ausmaßes und der zunehmenden Bedeutung von Cybergewalt ist das leider so nicht ausreichend. Wir brauchen die verstärkte Sensibilisierung für das Thema. Speziell muss es Schulungen von Polizei
(Dr. Ina Czyborra)
und Justiz, Aufklärung in Schulen, aber auch Universitäten sowie in Freizeiteinrichtungen geben. Das hat auch meine Kollegin Frau Kofbinger hier gesagt, was ich auch sehr wichtig finde.
Eine allgemeine Sensibilisierung für das Problem Cybergewalt könnte etwa durch eine breite Kampagne erreicht werden. Das wurde hier auch angesprochen. Das will ich noch mal unterstreichen, dass wir das tatsächlich für die Sensibilisierung brauchen.
Auf der anderen Seite muss es konkrete Hilfsangebote und Opferschutz geben, Frau Czyborra, das ist, glaube ich, das A und O hier. Natürlich müssen die bestehenden Beratungs- und Anlaufstellen für weibliche Opfer sexueller Gewalt für den Bereich der Cybergewalt erweitert bzw. ausgebaut werden.
Wir brauchen eine effektive Bekämpfung von Cybergewalt, und dazu habe ich auch einmal gesagt, dass hier vielleicht auch ein Aktionsplan notwendig wäre. Im Bereich der häuslichen Gewalt haben wir in Berlin bereits einen Aktionsplan, und der ist effektiv, und das kann man, glaube ich, auch hier übertragen.
Berlin muss sich aber auch auf Bundesebene dafür einsetzen, dass es einen verbesserten Opferschutz gibt. Dafür sind Änderungen, das hat meine Kollegin Frau Kofbinger auch schon angesprochen, des Strafrechts und des Gewaltschutzgesetzes notwendig.
Die Palette von Aktionen gegen Cybergewalt ist tatsächlich groß. Der Antrag wird heute in den Rechtsausschuss und den Frauenausschuss überwiesen, und dort werden wir die Möglichkeiten ausloten bzw. die Möglichkeit haben, den vorliegenden Antrag der Grünen, den ich unterstütze, noch zu verbessern oder noch zu qualifizieren. Wir haben dann dort die Gelegenheit, unsere Ideen einzubringen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie predigen schon seit Anfang der Legislaturperiode, dass das Gesetz nun Wirkung zeigen soll. Wir haben es 2010 novelliert, auf den modernsten Stand gebracht.
Wir waren bundesweit Vorbild, aber es sind jetzt fünf Jahre. Wo ist denn bitte die Wirkung? Das müssen Sie uns genau darlegen.
(Dr. Ina Czyborra)
Sie machen ja nichts, Sie unterwandern das Gesetz. Deswegen zeigt dieses Gesetz auch keine Wirkung, und Sie erzählen hier was von Wirkung. Mittlerweile ist das Gesetz nun fast 24 Jahre alt. Es ist 24 Jahre her, dass das Landesgleichstellungsgesetz in Berlin eingeführt wurde, nächstes Jahr 25 Jahre. Wir hatten 2010, wie ich schon sagte, die Novellierung. Das war damals das fortschrittlichste Gesetz dieser Art im bundesweiten Vergleich.
Eine Lücke konnte allerdings nicht geschlossen werden, und darauf werde ich auch noch eingehen. Laut Landesgleichstellungsgesetz können Frauenvertreterinnen oder die betroffenen Frauen gegen fragwürdige Auswahlverfahren, wie meine Kollegin am Fallbeispiel der BSR dargelegt hat, klagen. Das passiert aber aus verständlichen Gründen auch hier oft nicht. Das Verbandsklagerecht würde tatsächlich Abhilfe schaffen. Deswegen finde ich auch den Antrag der Grünen richtig. Meine Fraktion unterstützt das auch. Wir haben diese Lücke auch 2010 erkannt, aber leider konnten wir das bei unserem Koalitionspartner SPD nicht durchsetzen.
Ja, es ist bekannt, dass es in den letzten Jahren – –
Herr Schneider, hören Sie zu!
Ich habe das Wort. Herr Schneider, hören Sie mal zu! Ich glaube, in dem Bereich haben Sie wirklich keine Ahnung.
Es ist bekannt, dass es in den letzten Jahren immer wieder grobe Verstöße gegen das LGG gab, so etwa beim Auswahlverfahren des Polizeipräsidenten. Frau Koppers hatte als Bewerberin kaum eine Chance, sich dagegen zu wehren. Wir hätten diese Verbandsklage damals auch sehr gebraucht, aber Fehlanzeige, wir hatten sie nicht.
Frau Czyborra! Sie haben hier wieder Ihre fadenscheinigen Argumente gegen das Verbandsklagerecht beim LGG dargelegt.
Sie meinen, es würde die Rolle der Frauenvertreterinnen schwächen. Ich sage Ihnen, das stimmt nicht. Es würde eher die Frauenvertreterinnen in ihrer Arbeit stärken. Das Verbandsklagerecht ist auch eine Forderung – das ist auch kein Geheimnis – der Frauenvertreterinnen. Frau Czyborra! Was Sie hier erzählen, ist völlig absurd, dass
sie das schwächen würde. Also die Frauenvertreterinnen fordern das selber. Insofern müssten Sie sich ein anderes Argument suchen. Das stimmt so nicht.
Das Landesgleichstellungsgesetz fordert, dass in Unternehmen mit Landesbeteiligung Frauenvertreterinnen gewählt werden. Frauenvertreterinnen können gegen LGG-Verstöße klagen. Dazu muss es aber auch Frauenvertreterinnen in Unternehmen geben. Weniger als die Hälfte der Beteiligungsunternehmen, also fast 41 Prozent, haben überhaupt keine Frauenvertreterin im Amt.
Das muss man sich noch mal vergegenwärtigen. 41 Prozent! Das geht, Frau Czyborra, aus der Antwort auf Ihre Kleine Anfrage von 2013 hervor. Ich glaube, an dieser Situation hat sich auch jetzt, im Jahr 2015, kaum etwas verändert. Insofern muss man sich auch noch einmal dieses Argument zu Gemüte führen.
Nehmen wir etwa die Messe: Angekündigt ist, im ersten Quartal 2015 endlich eine Frau zu wählen. Nun wissen wir nicht, ob das erfolgt ist oder nicht. Bisher liegen uns keinerlei Informationen vor. Das wäre aber, wenn es erfolgt ist, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die 50-Prozent-Marke bei der Wahl von Frauenvertreterinnen in Beteiligungsunternehmen ist damit noch nicht geknackt. Und es zeigt sich auch deutlich, dass externe Instrumentarien wie ein Verbandsklagerecht hermüssen. Denn wenn intern kein Wille da ist, muss die Abhilfe eben von außen kommen.
Es ist auch ein Trauerspiel, dass das Landesgleichstellungsgesetz permanent missachtet oder unterwandert wird. Für die Berliner Regierung ist das Wort Gleichstellung auch in anderen Bereichen – Gleichstellungsprogramm, Rahmenprogramm – in dieser Legislaturperiode ein Fremdwort, liebe Frau Czyborra.
Das führen Sie uns jedes Mal im Ausschuss vor, und das muss ich hier ganz deutlich sagen. Ein Gesetz wie das Landesgleichstellungsgesetz muss den jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden. Das haben wir in unserer Regierungszeit gemacht. Was haben Sie gemacht? – Nichts haben Sie gemacht!
Und die Schließung dieser eklatanten Lücke ist überfällig.
Meine Fraktion Die Linke unterstützt diesen Antrag, und ich habe Ihnen die Argumente hier dargelegt. Stimmern Sie dem Antrag zu! – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte gerne aufgreifen, was meine Kolleginnen und Kollegen hier vorweg bereits gesagt haben. Die sexuelle Selbstbestimmung ist in der Tat ein Menschenrecht. In Deutschland sind daher die Sexualaufklärung und die Beratung zur Verhütung, Familienplanung, Schwangerschaft, Geburt gesetzliche Pflichtaufgaben. Die Bundesländer müssen in diesem Zusammenhang wohnortnah Beratungsstellen anbieten. Wie auch schon gesagt wurde, wächst Berlin rasant. Wie der Arbeitsbericht „Wachsende Stadt“ zeigt, wuchs Berlin im letzten Jahr um etwa 44 000 Einwohner. Die Tendenz ist steigend. Wachstum bringt nicht nur die Reichen und Schönen in die Stadt, sondern auch mehr soziale Probleme. Das ist eine enorme Herausforderung für Berlin.
Allerdings verfügt Berlin über ein gut ausgebautes Netz an Beratungsangeboten, jedoch wird dieses Netz immer weniger dem wachsenden Bedarf gerecht. Das trifft auch auf die Infrastruktur von Hilfs- und Beratungsangeboten für Frauen zu. Die Fraueninfrastruktur muss ausgebaut und dem steigenden Bedarf angepasst werden. Schon jetzt sind die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen an ihre Grenzen gekommen. Je 40 000 Einwohnerinnen und Einwohner muss es laut dem Schwangerschaftskonfliktgesetz eine Vollzeitstelle in den jeweiligen Beratungsstellen geben. Dies ist jetzt schon nicht mehr gewährleistet. Wir brauchen also dringend eine bedarfsgerechte personelle Ausstattung.
Für die neu hinzukommenden Aufgabenbereiche der Beratungsstelle wie etwa Beratung im Kontext der Pränataldiagnostik, vertrauliche Geburt, Vernetzungsauftrag
nach dem Bundeskinderschutzgesetz gibt es keinerlei neue Stellen oder Stellenanteile. Das kann nicht sein! Als Folge daraus können die gesetzlich geforderten kurzfristigen Termine bei der Pflichtberatung nicht mehr gewährleistet werden. Darüber hinaus leidet die Qualität der Beratung aufgrund des akuten Zeitmangels. Ja, Frau Haußdörfer hat das schon angesprochen: Wir hatten letzten Mittwoch im Frauenausschuss dazu eine Anhörung. Es wurde deutlich, dass Schwangerschaftsberatungsstellen in freier Trägerschaft personell und finanziell gegenüber dem öffentlichen Gesundheitsdienst benachteiligt sind. Das war sozusagen die Kernproblematik, die im Ausschuss von der anwesenden Expertin klar dargestellt wurde. Es besteht insbesondere eine tarifliche Ungleichheit. Die Mitarbeiterinnen der Schwangerschaftsberatungsstellen der freien Träger bekommen für gleichwertige Arbeit weniger Entgelt. Darum geht es hier. Das ist im höchsten Maße ungerecht.
Wir wissen, dabei finden 80 Prozent der allgemeinen Schwangerschaftsberatungen bei den freien Trägern statt. Wie wir in unserem Antrag fordern, muss es eine tarifliche Angleichung des Entgelts geben. Die bei den freien Träger arbeitenden Beraterinnen müssen endlich eine dem öffentlichen Gesundheitsdienst gleichgestellte Vergütung bekommen.
Diese beiden Forderungen haben wir in unserem Antrag formuliert: erstens die personelle und finanzielle Ausstattung der Schwangerschaftsberatungsstellen sowie zweitens die tarifliche Erhöhung des Entgelts in Anlehnung an den Tarif des öffentlichen Gesundheitsdienstes für die Beraterinnen bei den freien Trägern. Die müssen in den laufenden Haushaltsberatungen aufgenommen werden. Meine Kolleginnen Frau Vogel und Frau Haußdörfer haben gesagt, das hätten sie mitbedacht. Das wird auch so kommen. Da kann ich Ihnen auch sagen: Da haben wir unseren Antrag zur goldrichtigen Zeit eingereicht. Das ist das, was Sie hier noch einmal bestätigt haben. Ich appelliere an Sie in den entsprechenden Ausschüssen, wohin der Antrag jetzt überwiesen wird, in den Hauptausschuss und auch in den Frauenausschuss übrigens – dort war auch die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales vertreten, insofern war das schon richtig, dass wir diese Anhörung im Frauenausschuss gemacht haben –, unserem Antrag zuzustimmen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: Wenn jetzt in Falkenberg begonnen wird, die Container für Flüchtlinge aufzustellen, hat dann der Senat ausreichend geprüft, ob der Boden kontaminiert ist – immerhin hat die BSR das Gelände vorher genutzt?
Warum bauen Sie schon? Können Sie wirklich ausschließen, dass der Boden kontaminiert ist?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ollech! Es geht hier nicht darum, Nachhilfe zu erteilen, sondern darum, auch Sie als Koalitionspartner aufzufordern, die Leitlinien, die 2012 aktualisiert wurden, umzusetzen, denn das passiert leider nicht.
Die Entwicklungspolitik in Deutschland gewinnt immer mehr an Bedeutung. Das wurde hier schon gesagt. Sie ist schon lange kein Politikfeld der Gutmenschen und Moralisten mehr, sondern ein hartes Politikfeld. Dies gilt besonders für Berlin. Hier leben Menschen aus 190 Ländern. Berlin internationalisiert sich immer mehr. Das hat selbstverständlich auch einen großen Einfluss auf die Entwicklungspolitik.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in ihrem Antrag den Senat auf, ein umfassendes Monitoring seiner entwicklungspolitischen Wirkungen vorzulegen. Diese Forderung ist prinzipiell richtig. Unsere Position ist, dass eine stärkere Zusammenarbeit der verschiedenen Senatsressorts dringend notwendig ist. Die ressortübergreifende Zusammenarbeit muss mit einem regelmäßigen Monitoring verbunden werden. Entwicklungspolitik ist in der Tat eine Querschnittsaufgabe, denn sie umfasst nicht nur die Wirtschaftspolitik, sondern auch die Mobilität, den Klimaschutz, die Energiepolitik, Bildung, Kultur und weitere Bereiche. Alle, die sich jemals mit der Entwicklungspolitik beschäftigt haben, würden dem sofort zustimmen. – Doch da gibt es ein Problem. Wie kann man ein solches Thema Querschnittsaufgabe werden lassen, wenn der jetzige Senat sich untereinander bekämpft, nicht ressortübergreifend arbeitet und schon gar keine gemeinsame Strategie vertritt? Das zeichnet diesen Senat ja aus.
Übrigens: Berlin hat seit 2012 aktualisierte entwicklungspolitische Leitlinien, zu denen sich der Senat ausdrücklich bekannt hat. Wirtschaftssenatorin Yzer hat im August 2014 eine Reform des Vergabegesetzes angekündigt. Um die entwicklungspolitischen Leitlinien hier einfließen zu lassen, hätte es eine Rückkopplung mit den NGOs geben müssen. Aber nein! Die Senatorin hat lediglich mit den Wirtschaftsverbänden zusammengearbeitet. Darüber hinaus will sie die Novellierung über Rechtsverordnungen am Wirtschaftsausschuss und am Parlament vorbei durchsetzen. Soviel zu diesen Leitlinien.
Zunächst würde ich mir natürlich wünschen, dass die zuständige Senatorin – in diesem Fall Frau Yzer – die entwicklungspolitischen Leitlinien umsetzt, aber das tut sie nicht. Wenn zuallererst die entwicklungspolitischen Leitlinien von der zuständigen Senatorin Yzer ignoriert
(Liane Ollech)
werden, wie kann dann Entwicklungspolitik überhaupt zu einer Querschnittsaufgabe werden? Das frage ich mich.
Die Forderung der Grünen ist schön. Ich finde sie auch richtig. Wir haben das auch immer gefordert. Aber leider habe ich wenig Hoffnung, dass dieser Senat irgendetwas tun wird, um sie zu erfüllen. Wie soll er auch? Viel zu sehr ist er damit beschäftigt, Gutachten und Gegengutachten zu erstellen – Stichwort O-Platz. Wichtiger wäre es, dass die Wirtschaftsverwaltung selbstverständlich weiterhin als Koordinationsstelle fungiert. Wenn wir nämlich fordern, dass die Entwicklungspolitik eine Querschnittsaufgabe sein soll, fühlt sich am Ende niemand dafür zuständig. Das ist immer meine Befürchtung, wenn wir von Querschnittsaufgabe reden. Aber wer fühlt sich denn in diesem Senat überhaupt noch für irgendetwas zuständig? Das frage ich mich schon seit Anfang der Legislaturperiode. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Berlin sagt nein zu Gewalt an Frauen. Das sind nicht nur Worte. Wir in Berlin zeigen seit mehreren Jahren Flagge. Der 25. November ist der internationale Tag „Nein zu Gewalt an Frauen“. Seit fünf Jahren hissen wir vor dem Berliner Abgeordnetenhaus die Fahne „Frei leben ohne Gewalt“. Dies geht auf eine Initiative meiner Fraktion Die Linke und der überparteilichen Fraueninitiative zurück. Auch dieses Jahr hisste unser Präsident, Herr Wieland, zusammen mit der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes diese Fahne. Ich möchte Ihnen, Herr Wieland, herzlich dafür danken, dass Sie sich dieser wichtigen symbolischen Initiative angenommen haben. Vielen Dank!
(Katrin Vogel)
Es ist wichtig, dass eine solche Initiative nicht nur auf einen Tag beschränkt wird, sondern zu einer ernsthaften Politik der Bekämpfung von Gewalt an Frauen wird. Wir haben deswegen heute das Thema „Situation von Flüchtlingen“ eigentlich für die Aktuelle Stunde vorgeschlagen. Es betrifft insbesondere Frauen, die vor der sexuellen Versklavung und Gewalt fliehen mussten. Ich rede hier von Frauen, die insbesondere aus Syrien und dem Irak vor der Terrormiliz IS flohen. Die SPD-CDU-Koalition hingegen hat nichts Besseres zu tun, als einen Schaufensterantrag vorzuschieben und darin Prüfaufträge zu formulieren. Hier soll von einer Politik des Nichtstuns abgelenkt werden!
Gewalt gegen Frauen ist allgegenwärtig. Laut einer Studie des Bundesministeriums für Familie und Frauen werden mehr als die Hälfte aller Frauen mindestens einmal sexuell belästigt.
Aber auch sexistische Werbung ist ein Teil des Problems. Sie ist ein Angriff auf die Würde der Frauen. Deswegen legte Terre des Femmes in diesem Jahr den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf sexistische Werbung. Sie findet sich überall, selbstverständlich auch hier in Berlin. Terre des Femmes verlieh in diesem Jahr den Zornigen Kaktus, den ersten Preis für frauenfeindliche Werbung, an die Handballprofis Füchse Berlin. Auf der Werbung sehen wir spärlich bekleidete Frauen wie Hühner auf einer Stange, ein Handballfuchs leckt sich das Maul. „Hier ist unser Revier“ heißt es darunter. – Frauen als sexuelle Beute und Trophäe. Das Land Berlin fördert den Verein. Der SPD-CDU-Senat ist hier meines Erachtens in der Verantwortung, etwas zu tun,
aber tut wieder einmal nichts. Dies ist nur ein Beispiel dafür, dass der SPD-CDU-Senat es nicht ernst meint mit dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Die regierende Koalition war nicht bereit, unseren Antrag für sexuelle Selbstbestimmung gegen die radikalen Abtreibungsgegner und ihren sogenannten Marsch fürs Leben zu unterstützen. Die Kollegin Frau Czyborra von der SPD hat das damit begründet, dass sie die pauschale Verurteilung der sogenannten Lebensschützer störe. – Was heißt hier pauschale Verurteilung? Die Initiatoren haben klare Aussagen gegen die sexuelle Selbstbestimmung der Frauen gemacht. Sie fordern ein Europa ohne Abtreibung und sprechen von Euthanasie und Holocaust. Da müssten eigentlich bei allen Alarmglocken läuten – aber nichts bei Ihnen, Frau Czyborra!
Die fadenscheinige Begründung widerspricht jedem Grundprinzip des sozialdemokratischen Feminismus. Das muss man auch hier feststellen. Frau Czyborra, ich bin immer noch fassungslos, dass Sie so eine Position vertreten haben!
Ein wichtiger Aspekt im Kampf gegen sexuelle Gewalt an Frauen ist die Stärkung einer Infrastruktur von Frauenhäusern und Antigewaltprojekten. Die SPD-CDUKoalition hat sich dabei nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Die Antigewaltprojekte sind nach wie vor chronisch unterfinanziert. Auch ist die Verweildauer von Opfern häuslicher Gewalt in den Frauenhäusern gestiegen, vor allem weil bezahlbarer Wohnraum schwer zu finden ist. Das führte dazu, dass diese überfüllt sind und Opfer von Gewalt nun in Frauenhäuser nach Rathenow verwiesen werden. Nicht wenige dieser Frauen haben einen Migrationshintergrund. Bitte, wie sollen sie sich in den brandenburgischen Kleinstädten zurechtfinden? Sie haben hier in Berlin ihre sozialen Netzwerke.
Ein weiteres Beispiel: Das Krisenberatungszentrum LARA, es wurde hier auch schon erwähnt, ist das einzige seiner Art in Berlin. LARA berät und begleitet Frauen, die sexuelle Gewalt erfahren haben. Mit nicht einmal fünf Vollzeitstellen und einem gedeckelten Budget von der Senatsverwaltung für Frauen ist dieses Beratungszentrum an die Grenzen seiner Kapazität gekommen. Für Berlin als Hauptstadt ist das schon ein Armutszeugnis, zumal die Zahl der sexuellen Übergriffe stetig steigt. Das weiß auch die Frauensenatorin, und da würde ich sie auffordern, diese Stelle, die noch offen ist, zu gewähren. Denn sie machen wirklich eine gute Arbeit.
Meine Damen und Herren von der Koalition! Wieso setzen Sie sich nicht konkret im Land Berlin dafür ein, dass es mehr Hilfsangebote für Opfer von sexueller Gewalt gibt? Wie gesagt, LARA bräuchte dringend eine weitere Vollzeitstelle. Aber nein, Sie stellen Schaufensterprüfanträge, die vor allem auf die Bundesebene zielen, aber mit der Realität in unserer Stadt kaum etwas zu tun haben. Und wer soll aus dieser Regierung bitte schön schlau werden?
Unseren dringlichen Antrag „Sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht“, wir haben das auch Ihnen gesagt und hier besprochen, haben Sie in den Ausschuss überwiesen und damit überflüssig gemacht. Und nun stellen Sie hier einen dringlichen Antrag. Zunächst wollten Sie hier sofort abstimmen, aber ich bin froh, dass Sie sich das noch mal überlegt haben, dass wir hier diesen Antrag im Ausschuss gründlich besprechen, weil es Gesetze betrifft,
die auf Bundesebene gerade novelliert bzw. geprüft werden.
Ich möchte aus dieser Sammlung von Prüfaufträgen zum Schluss nur einen einzigen Punkt herausgreifen und darlegen, wie Sie mit konkreten Anträgen umgehen. Der Senat wird in Ihrem Antrag aufgefordert, zu ermitteln – ha, ha, ha, diesmal nicht prüfen, sondern ermitteln; das ist schon mal etwas! –, ob das Land Berlin Schutz der Opfer ergreifen muss, um die Täter nach § 177 StGB verfolgen zu können. Im Antrag der Regierungskoalition bleibt jedoch die Problematik des § 177 Strafgesetzbuch völlig unbenannt. Auf die Lückenhaftigkeit des Paragrafen wird lediglich in der Begründung verwiesen, dies allerdings im Antrag überhaupt nicht angeführt oder kritisiert. Ich finde, das ist absurd. Mehr kann man dazu nicht sagen.
Juristinnen fordern schon längst, § 177 StGB, der die Strafbarkeit nicht einvernehmlicher sexueller Handlungen regelt, zu novellieren. Aber auch – wie meine Kollegin Kofbinger das gesagt hat – § 179 StGB muss unbedingt geändert werden, denn nach diesem Paragrafen wird ein Täter geringer bestraft, wenn er eine Frau mit Behinderung vergewaltigt. Das ist ein Freibrief für die Vergewaltigung von Frauen mit Behinderung. Ich finde, dass das ein Skandal ist.
Und Ihr Antrag von der Koalition nimmt darauf keinen Bezug. Das wiederum halte ich auch für einen Skandal. Das muss man auch noch mal hier feststellen.
Zum Schluss einige Worte zu unserem Antrag, die anonyme anzeigenunabhängige Spurensicherung in Berlin einzuführen. Ich finde, dieser Antrag ist längst überfällig, weil dies in den meisten Bundesländern bereits Praxis ist, nur eben nicht in Berlin. Die Anzeigebereitschaft der Opfer sexueller Gewalt ist aufgrund von Traumatisierung sehr gering. Im Falle einer späteren Anzeige kann jedoch auf gerichtfeste Spurensicherung nicht mehr zurückgegriffen werden, wodurch Täter oft straffrei bleiben. Wenn eine anzeigenunabhängige Spurensicherung vorgenommen würde, stiegen die Chancen enorm, Täter auch bei einer späteren Anzeige zu bestrafen. Ich bitte Sie darum, unseren Antrag, wenn er in den Ausschuss überwiesen wird, zu unterstützen und so den Opfern von sexueller Gewalt zu helfen und die Täter zu bestrafen. Denn genau die anonyme anzeigenunabhängige Spurensicherung ist ein wichtiger Bestandteil des strafrechtlichen Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung, wie Sie das in Ihrem Antrag übrigens auch fordern. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Nummer, die die SPD hier abgezogen hat, unseren Antrag in den Ausschuss zu überweisen, kann ich nur an Frau Czyborra appellieren: Diese Nummer könnten Sie bitte lassen, weil unser Antrag eine besondere Aktualität hat, weil Samstag die Demonstration ist. Den Antrag einfach in den Ausschuss zu versenken und ihn nie wieder zu behandeln, das kennen wir zur Genüge. Das können Sie bitte lassen!
Jeder Mensch hat das Recht, über sich selbst bestimmen zu können. Jeder Mensch hat das Recht, über seinen
eigenen Körper selbst zu bestimmen. Jeder Mensch hat das Recht zu lieben, wen er oder sie lieben will. Das sind basale Rechte, Rechte, für die wir lange genug gekämpft haben, Rechte, die niemand hier im Raum, auch Sie nicht, Frau Czyborra – Sie haben sich ständig widersprochen –, so denke ich, einem Menschen absprechen will. Diese Rechte bilden gewissermaßen das Fundament unserer Gesellschaft. Sexuelle Selbstbestimmung ist das Recht, über den eigenen Körper entscheiden zu können. Es ist in der Tat ein hart erkämpftes Recht, das nach wie vor für alle Frauen auf der ganzen Welt gelten muss.
Gerade deshalb darf niemand, aber auch gar niemand Frauen dieses elementare Recht absprechen, auch nicht die sogenannten Lebensschützer.
Jedes Jahr marschieren um den 20. September herum selbsternannte Lebensschützer unter dem Motto „Marsch für das Leben“ zum Bundeskanzleramt. Sie fordern die Beschränkung der sexuellen Selbstbestimmung. Sie entmündigen Frauen und entreißen ihnen das Recht, ihre Lebens- und Familienplanung selbstständig durchzuführen zu können. Sie stigmatisieren Menschen wegen ihrer sexuellen Präferenz. In unserer Gesellschaft – das geht auch an die CDU – existiert ein humanistisch-demokratischer Konsens. Dieser Konsens erteilt diesen religiösen Fundamentalisten eine klare und deutliche Absage,
egal, wo sie agieren: im Nahen Osten –
Nein, lassen Sie mich erst einmal vortragen – zum Schluss! – egal, wo sie agieren: im Nahen Osten, in Amerika, in Europa.
Die Radikalität und auch die Aggressivität dieser radikalen Abtreibungsgegner sind erschreckend. Die selbsternannten Lebensschützer greifen Ärzte, Ärztinnen sowie Beratungseinrichtungen an. Sie schüchtern Menschen ein, die Frauen helfen wollen. Dabei machen sie auch vor physischer Gewalt nicht halt.
Das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch in Deutschland ist, wie wir alle wissen, gesetzlich verankert. Und niemand darf diese Entscheidungsfreiheit über den Körper von Frauen infrage stellen, auch diese religiösen Fundamentalisten nicht.
Zur Wahrheit gehört auch, dass zu lange die Gefahr dieser frauenverachtenden Ideologie der sogenannten Lebensschützer ignoriert wurde. Das muss ein Ende haben. Deswegen haben wir diesen Antrag eingereicht, um hier ein Stoppschild zu setzen. Solche gewaltbereiten Fundamentalisten dürfen kein Podium haben. Vor allem aus den Reihen bekennender Christen sollte hier auch ein Zeichen gesetzt werden, denn solche Entmündigung von Frauen hat nichts mit christlicher Nächstenliebe zu tun, meine Damen und Herren von der CDU. Das sollten Sie sich mal auf die Fahne schreiben!
Über Jahrhunderte hinweg predigte die Kirche, dass lustvolle Liebe und Sexualität ohne Zeugung eine Sünde sei. Dieses mittelalterliche Menschenbild gehört, ein Glück, mittlerweile in den meisten Teilen Europas der Vergangenheit an. Schwule und lesbische Beziehungen werden mehr und mehr von der Gesellschaft, auch von der Kirche, akzeptiert. Die Frau vornehmlich als Gebärerin und Dienerin ihres Mannes zu sehen, entspricht nicht unserer Realität.
Deshalb darf es keine Stigmatisierung von Frauen geben, die ihr Recht auf selbstbestimmte Entscheidung über ihren Körper und ihr Leben in Anspruch nehmen. Mitarbeiterinnen von Schwangerschaftsberatungskonfliktstellen oder Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbruch gemäß diesen gesetzlichen Regelungen vornehmen, dürfen nicht verunglimpft, bedroht oder tyrannisiert werden. Es ist an der Zeit, dass das Abgeordnetenhaus den gewalttätigen fundamentalistischen Abtreibungsgegnern Einhalt gebietet. Die Politik darf sie nicht verharmlosen. Wir müssen uns gemeinsam –
Komme ich. – diesen Fundamentalisten entgegenstellen. Sie haben keinen Platz in einer weltoffenen, toleranten Stadt wie Berlin. Deshalb haben wir, alle drei Oppositionsfraktionen, –
Ich komme zum Schluss.
unsere Initiative als dringlichen Antrag heute eingebracht. Und ich hatte gehofft, dass die SPD und CDU unserem Antrag zustimmen würden, um diesem religiösen Fundamentalismus in Form der radikalen Abtreibungsgegner eine klare und deutliche Absage zu erteilen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Prostitution hatte Ende des letzten Jahres hohe Wellen geschlagen. Ich erinnere kurz daran: Alice Schwarzer forderte ein Prostitutionsverbot, um ihr neues Buch zu promoten. Dann gab es eine heiße Diskussion. Verschiedene Politiker wollten auf den Zug aufspringen und ihr Foto in der Zeitung sehen, so auch ein Berliner Innensenator Henkel.
Populistisch forderte er die Einführung einer Sperrzone rund um die Kurfürstenstraße, ohne das Problem ausreichend zu kennen, ohne mit den Beteiligten gesprochen zu haben. Dabei verstieß er, nebenbei gesagt, auch gegen EU-Richtlinien und ignorierte bestimmte Berliner Gesetze. Man muss sagen: Eine wirkliche Glanzleistung, Herr Innensenator!
Wir haben daraufhin eine Anhörung mit Expertinnen und Sexarbeiterinnen initiiert, denn wer über etwas redet, sollte sich zumindest mit dem Thema auskennen. Vor allem sollte er auch die Menschen anhören, die es betrifft. Wir als Linksfraktion haben einen Antrag eingebracht, der fordert, ein Handlungskonzept zur Umsetzung und Weiterentwicklung des Prostitutionsgesetzes zu erarbeiten sowie landesrechtliche Anpassungen vorzulegen. Zunächst soll eine Expertengruppe eine Analyse der aktuellen Situation in Berlin erstellen und die Arbeit eines Runden Tisches zur Prostitution vorbereiten. Daran anschließend sollen Empfehlungen zur Umsetzung einzelner Maßnahmen und Initiativen erarbeitet werden. Mit diesem Antrag wollen wir die überfällige Umsetzung des 2002 beschlossenen Prostitutionsgesetzes vorantreiben. Denn gern wird hier und da mal behauptet, das Gesetz sei gescheitert. Dabei wurde aber in vielen Bundesländern
die rechtliche Verordnung gar nicht an das Gesetz angepasst. Es besteht also jede Menge Handlungsbedarf.
Nun zeigt der Beschluss des Bundesrates vom 11. April 2014 zu Maßnahmen zur Regulierung von Prostitution und Prostitutionsstätten, wo gehandelt werden muss. Darin heißt es, dass die öffentliche und mediale Debatte durch Vorurteile, fehlendes Wissen und Skandalisierung geprägt ist. Der Bundesrat spricht sich für eine sachliche Debatte und differenzierte Maßnahmen aus und wendet sich vor allem gegen die pauschale Gleichsetzung von Prostitution und Menschenhandel. Der Beschluss wendet sich also genau gegen das, was Herr Henkel und die CDU immer wieder tun.
Wir wollen eine sachliche Debatte, und dabei brauchen wir das Wissen über die aktuelle Situation in Berlin. Deswegen unser Antrag! Aber die Regierung behauptet, es gebe keinen Handlungsbedarf. Dem widerspricht der aktuelle Beschluss des Bundesrates, und darüber hinaus war doch gerade die CDU der Meinung, dass es unbedingt einen Handlungsbedarf gibt. Diese Regierung stellt sich ein weiteres Armutszeugnis aus, und sie macht eine Frauenpolitik, die keine mehr ist, denn während die CDU immerhin lautstark schreit, schweigt die SPD. Nebenbei gesagt: Sie hat auch das Frauenressort. Die Frauensenatorin Kolat sitzt noch nicht mal hier, macht lediglich medienwirksame Ankündigungen, aber am Ende ist alles nur heiße Luft.
Wir erleben die schlechteste Frauenpolitik der letzten zehn Jahre.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Dr. Czyborra! Die Frage der Urheberschaft – wer nun den 8. März als Frauentag ins Leben gerufen hat – ist immer schwierig. Aber in diesem Fall: Clara Zetkin war nicht in der SPD, sondern – –
Sie war erst in der SPD und dann 1917 in der USPD. So viel hier noch mal zur Aufklärung!
(Anja Kofbinger)
Jetzt zum Thema: Werbung ist ein fester Bestandteil unseres Lebens. Wir beachten sie bewusst oder unbewusst, und immer wieder sehen wir es: Frau gleich Sex, Frau gleich Produkt oder Produkt gleich Frau. Die Frau muss schön sein. Der Mann muss stark sein. Er ist der Ernährer. Sie ist die Hausfrau. – Solche Bilder sind meines Erachtens nicht zeitgemäß und haben für viele selbstbewusste Frauen und Mädchen reichlich wenig mit der Realität zu tun.
Aber die abwertende Darstellung von Frauen oder Männern in der kommerziellen Werbung verfestigt ein bestimmtes Frauen- und Männerbild. Sexistische Werbung manifestiert Geschlechterhierarchien. Das trifft insbesondere junge Menschen, die sich an solchen Bildern und Werten orientieren. Sexistische Werbung ist weder lustig noch amüsant. Nein! Sie reduziert Frauen auf Sexobjekte. Sie verletzt die Würde insbesondere von Frauen. In einer modernen und aufgeklärten Gesellschaft wie der unsrigen kann so etwas nicht mehr toleriert werden.
Sexistische Werbung verletzt die UN-Konvention zur Beseitigung jeglicher Diskriminierung der Frau, die EURichtlinie über audiovisuelle Mediendienste sowie mehrere Entschließungen des Europäischen Parlaments aus dem letzten Jahr.
Wir wissen, dass die Werbung ein Produkt verkaufen will, und Sex sells. Aber es gibt einen Unterschied zwischen selbstbestimmter, gleichberechtigter und lustvoller Sexualität und der Reduzierung der Frau auf ein Sexualobjekt. Wir wollen keinen Rückfall in die Prüderie vergangener Epochen. Wir wollen keine Zensur, und wir wollen auch keine Kunst verbieten. Wir wollen lediglich Werbung, die die Würde der Frauen nicht verletzt. Der Widerstand gegen sexistische Werbung kann sehr vielfältig sein. Wir können die Werbelandschaft beobachten und sexistische Inhalte öffentlich machen. Es gibt die Möglichkeit, Beschwerde beim Deutschen Werberat einzureichen. Wir können Produkte, für die in sexistischer Manier geworben wird, auch boykottieren.
Eine Werbewatchgroup in Berlin einzurichten, das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber dabei darf es selbstverständlich nicht bleiben. Wie Sie wissen, versucht der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sexistische, diskriminierende und frauenfeindliche Außenwerbung auf den vier bezirkseigenen Werbeflächen zu unterbinden. Ein Antrag dazu wurde mit überragender Mehrheit am 26. Februar 2014 im Bezirksparlament verabschiedet.
Ich werbe für eine gesamtgesellschaftliche Sensibilisierung in Bezug auf dieses Problem. Allein mit Verboten kommen wir hier nicht weiter, weil das keinen Bewusstseinswandel herbeiführen kann. Jedenfalls müssen wir
uns wehren und diese offene Form des Sexismus ächten, und zwar nicht nur durch die Einsetzung einer Werbewatchgroup. Lassen Sie uns über die weiteren Möglichkeiten und Maßnahmen gegen sexistische Werbung dann im Ausschuss beraten und dort Ideen zusammentragen! – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor uns liegt ein völlig entstellter Antrag. Er gibt vor, Opfern von sexueller Gewalt helfen zu wollen, verschlimmert aber in Wirklichkeit ihre Situation. Diese Tragödie begann 2012, als meine Fraktion Die Linke einen Antrag für ein Bleiberecht für Opfer von Menschenhandel einreichte. Der federführende Innenausschuss gab ein Jahr lang keine Stellungnahme zu diesem Antrag ab. Dann waren wir als Linksfraktion gezwungen, am 7. November 2013 einen Brief an den Präsidenten zu schreiben. Einen Monat später wurde der Antrag endlich im Innenausschuss behandelt.
Doch was passierte dann? – Ohne verständliche Begründung wurden wir mit einem mündlichen Änderungsantrag konfrontiert. Dieser Änderungsantrag wurde nie an die
(Oliver Höfinghoff)
Mitglieder des Ausschusses verteilt. Erst in der Ausschusssitzung am 13. Januar 2014 erhielten wir ihn als Tischvorlage. Das ist absolut unprofessionell!
So etwas habe ich in meiner gesamten Zeit im Abgeordnetenhaus noch nie erlebt. Es macht deutlich, dass die SPD/CDU-Koalition nicht bereit ist, tatsächlich etwas für den Schutz der Opfer zu tun.
Dabei haben wir nichts Revolutionäres gefordert, nur einfach die längst überfällige Umsetzung einer EURichtlinie. Kern dieser EU-Richtlinie ist der menschenrechtsbasierte Ansatz, dass beim Umgang mit Menschenhandel das Opfer in den Mittelpunkt zu stellen ist. Dabei ist das Aufenthaltsrecht der Dreh- und Angelpunkt. Solange Betroffene von Menschenhandel nur als Zeugen gesehen werden, werden sie weiterhin missbraucht, nicht nur von den Menschenhändlern, sondern nun auch von staatlicher Seite.
Sie sagen, für Sie stehe die Kriminalitätsbekämpfung im Vordergrund. Das ist richtig und wichtig, doch genau sie funktioniert nicht, wenn das Opfer nicht ausreichend geschützt wird. Schlimmer noch: Die Frau wird unter Generalverdacht gestellt, ein Aufenthaltsrecht erschleichen zu wollen. Mit Verlaub, das sind fast indische Verhältnisse, in denen sich die Frauen befinden.
Rechtlich gesehen haben die Opfer einer Straftat, die in Deutschland begangen wurde – und das trifft in diesen Fällen zu –, einen Anspruch auf medizinische Behandlung, Bildung und Ausbildung, auf juristischen Beistand und auf Wiedergutmachung. Das alles ist ohne einen gesicherten Aufenthaltsstatus nicht möglich. Eine Frau, die Opfer von Menschenhandel ist, wird lediglich als Zeugin gesehen. Damit kann sie der Gewaltspirale nicht entfliehen, Herr Juhnke! Das begünstigt wiederum Menschenhandel in diesem Land.
Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass Sie, Herr Henkel, Ihre Finger im Spiel hatten. Die Änderungsvorschläge tragen Ihre Handschrift, Herr Henkel! Einmal mehr demonstrieren Sie Ihre Unkenntnis von EURichtlinien, Herr Henkel! Statt diese umzusetzen, kritzeln Sie in unserem Antrag herum und entstellen ihn völlig.
Nun widerspricht sogar der Inhalt der Überschrift. Wir wollen die Opfer schützen, und Sie stellen sie unter Generalverdacht. Das ist unerhört!
Skandalös ist auch, dass die SPD-Fraktion dieses mitträgt. Liebe SPD-Fraktion! Es ist nicht zu fassen, wie wenige sozialdemokratische Grundsätze in Ihrer Politik übrig geblieben sind. Während unserer gemeinsamen Regierungszeit – daran will ich kurz erinnern – hatten wir immerhin noch einen kompetenten und beliebten Innensenator.
Man vergisst schnell, dass es so etwas mal gab. Zu jener Zeit war einer der wichtigsten Grundsätze der Innenpolitik, dass der Opferschutz im Mittelpunkt steht. Mit diesem Antrag haben Sie sich nun endgültig von dieser Prämisse verabschiedet. Das ist antisozialdemokratisch.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Liebe Frau Kolat! Liebe Kollegin Czyborra! Ich sage nur: Ha, ha, ha. Da lachen ja die Hühner.
Was Sie hier vorgetragen haben, können Sie nicht ernst meinen.
Die Komödie begann bereits Dienstag, als der Senat die Fortschreibung des gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms beschloss. Zwei Jahre haben Sie für diese Fortschreibung verstreichen lassen – zwei Jahre! Und in Sachen Frauenpolitik gibt es in Berlin nur Negativschlagzeilen.
Eine weitere erreichte uns gestern: Frau Gäde-Butzlaff wird im kommenden Jahr den Vorstandsvorsitz der BSR aufgeben. Das ist die Frauenpolitik des Senats. – Herr Nußbaum! Sie hätten alles tun müssen, um diese herausragende Führungskraft in der BSR zu halten. Das haben Sie leider nicht getan. Diese Chance haben Sie verpasst.
Auch die vorliegenden Haushaltszahlen sprechen eine deutliche Sprache. Ein fester Bestandteil der Frauenpolitik in dieser Stadt sind die Frauenprojekte. Seit Jahren fordern Sie – und wir unterstützen Ihre Forderung –, die Mitarbeiterinnen in diesen Projekten endlich tarifgerecht zu bezahlen.
Der Senat lehnt dieses kategorisch ab. Wie sollen Frauen professionell arbeiten, wenn sie nicht richtig entlohnt werden?
Von dem Berliner Frauennetzwerk wurde ein Mehrbetrag von 566 000 Euro nachgewiesen. Das sind etwa 460 000 Euro in Antigewaltprojekten. In der letzten Plenarsitzung und auch heute sagten Sie, Frau Senatorin Kolat: Ich bin mit den Haushaltsberatungen gerade in dem Bereich Frauen und Gleichstellung sehr zufrieden. –
Zufrieden mit einem Fehlbedarf von mehr als einer halben Million Euro? – Außerdem sagten Sie stolz, dass der Senat den Antigewaltbereich stärken konnte. Auch heute haben Sie das noch einmal vorgetragen. Da fehlen 460 000 Euro! Diese Mittel fehlen, das ist einfach so. Frau Kolat! Ist da s Schönfärberei, was Sie hier vorgetragen haben, oder Nichtwissen? Ich lasse das die Öffentlichkeit entscheiden.
Bleiben wir bei den Antigewaltprojekten! In letzter Zeit ist die Verweildauer in den Frauenhäusern gestiegen, vor allem, weil bezahlbarer Wohnraum schwer zu finden ist. Das führte dazu, dass die Frauenhäuser überfüllt sind und die Opfer von Gewalt nun nach Rathenow in Frauenhäuser verwiesen werden. Ich verstehe nicht, warum Sie nicht zur Kenntnis nehmen, dass es für Opfer, insbesondere für Migrantinnen, nicht zumutbar ist, nach Rathenow verwiesen zu werden.
Nicht ausfinanziert sind die Notplätze im zweiten Frauenhaus und die psychologische Kinderbetreuung in den Zufluchtswohnungen. Da geht es sage und schreibe um zwei Stellen – zwei Stellen, die unabdinglich sind und die der Senat einfach nicht finanzieren will. Frau Senatorin Kolat! Sind Sie mit dieser Situation auch sehr zufrieden?
Ein weiteres Problem in diesem Haushalt ist die intransparente Vergabe von Mitteln. Besonders fragwürdig sind die Evaluationsverfahren zur Fraueninfrastrukturförderung. Das habe ich mehrmals gesagt. Weder dem Frauenausschuss noch dem Hauptausschuss werden die angeforderten Unterlagen zu diesem Thema vorgelegt.
Es gibt noch mehr zu beanstanden: Lange haben wir in unserer Regierungszeit dafür gekämpft, dass mit den Frauenprojekten zweijährige Verträge geschlossen werden. Damit gäbe es Planungssicherheit, die solche Projekte weitaus effektiver arbeiten ließen, statt ständig Anträge zu schreiben. Diese Praxis hat sich bewährt. Auch wird dadurch Bürokratie abgebaut. Die Frauensenatorin sieht das anders. Nun werden die Verträge in einjährige Zuwendungsbescheide umgewandelt. Frau Senatorin Kolat! Sie können mit all dem sehr zufrieden sein. Für mich ist das jedoch ein Armutszeugnis für Ihre Frauenpolitik. – Danke!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen! Meine Herren! Kaum eine Debatte ist aktuell medial so präsent, wie die Prostitutionsdebatte. Sogar die Bezirke beschäftigen sich damit.
Doch was tun der Senat und die SPD-CDU-Regierungskoalition? – Sie schweigen. Außer, Sie ahnen es, meine Damen und Herren, Herr Innensenator Henkel. Er denkt, er sei besonders schlau und nimmt schnell einmal wieder seinen Mund voll und posaunt eine populistische Forderung heraus: Sperrzonen jetzt! Ganz nach dem Motto: Was Frau Schwarzer kann, das kann ich auch.
Deshalb ist es für meine Fraktion und für mich persönlich längst überfällig, über dieses Thema und die absurden Auswüchse hier im Parlament zu diskutieren. Ganz im Ernst: Wir müssen hier Position beziehen.
Kurz als Erinnerungsstütze: Vor einigen Wochen veröffentlichte Alice Schwarzer einen Appell gegen Prostitution. Darin fordert sie, was vor ihr niemand in der Geschichte der Menschheit geschafft hat: den Handel mit sexuellen Dienstleistungen abzuschaffen. Hier und da findet Frau Schwarzer Beifall.
Viele denken, alle Sexarbeiterinnen seien arme, bedauernswerte Geschöpfe und Opfer von Gewalt. Dabei werden sexuelle Ausbeutung und freiwillige Prostitution leider gleichgesetzt. Niemand wird leugnen, dass es sexuelle Ausbeutung gibt. Die Betroffenen brauchen jede erdenkliche Hilfe. Doch das betrifft nur einen winzigen Bereich der gesamten Branche. Wer es ernst meint mit dem Schutz vor Gewalt und mit der Selbstbestimmung der Menschen, der sollte nicht lautstark brüllen, sondern den Frauen helfen, die Hilfe benötigen.
So ist es bedauerlich, dass Herr Henkel auf den Verbotszug aufspringt und eine zeitlich begrenzte Zone rund um die Kurfürstenstraße fordert. Bedauerlich ist auch, dass der Koalitionspartner SPD hier keine klaren Aussagen trifft. Auch deswegen müssen wir zu diesem Thema die Argumente austauschen.
Es ist nicht passiert. Im Senat wird gerade noch geprüft, ist in den Zeitungen zu lesen.
Die Zahl der Prostituierten ist rund um die Kurfürstenstraße seit Jahren hoch, aber sie ist gleich geblieben. Ich selbst habe vor einigen Tagen knapp 30 Frauen gezählt. Auch verstehe ich, dass Anwohner immer wieder sagen, sie wollen nicht von den Straßenprostituierten vor Ort belästigt werden. Aber, es gibt andere Möglichkeiten, hier etwas zu tun. Lieber Herr Henkel! Liebe Frau Thamm! Ich möchte Sie daran erinnern, was die Mitarbeiterinnen des Frauentreffs Olga in der Kurfürstenstraße zusammen mit Hydra, mit den Anwohnern und der Polizei in den letzten Jahren erreicht haben – und zwar nicht durch Kriminalisierung und Vertreibung, sondern durch konkrete Hilfsangebote.
Die Sozialarbeiterinnen sprechen die Sprache der Prostituierten, erklären die Rechtslage und werben für ein respekt- und rücksichtsvolles Miteinander. Ein überaus guter Vorschlag kommt übrigens auch von der Vertretung der Sexworkerinnen. Sie wollen durch ihre Arbeit vor Ort die
(Antje Kapek)
Frauen zu weniger anstößigem Benehmen und Sauberkeit bewegen. Erste Erfolge sind bereits zu verzeichnen. Auch die BSR nimmt sich der Sache an.
Durch zeitlich begrenzte Sperrzonen würde Straßenprostitution nicht aus dem Gebiet um die Kurfürstenstraße verschwinden. Übrigens existiert der Strich dort seit mehr als 100 Jahren und es ist sehr problematisch, wenn die Prostitution aus dem öffentlichen Blick verschwindet. Die Frauen werden dadurch erst zu potenziellen Opfern gemacht. Das, Herr Senator, dürfte nicht in Ihrem Interesse liegen.
Lieber Herr Henkel! Liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Regierungsfraktionen! Wenn Sie ernsthaft etwas gegen sexuelle Sklaverei tun wollen, wenn Sie den Opfern helfen wollen, dann ist das ganz einfach: Behandeln Sie endlich unseren Antrag „Bleiberecht für Opfer von Menschenhandel“, den wir vor einem Jahr eingereicht haben! Dieser Antrag ist immer noch nicht endgültig behandelt worden, obwohl wir von allen Fraktionen zustimmende Signale erhalten haben. Es scheint Ihnen also nicht sehr ernst mit dem Schutz der Opfer von sexueller Ausbeutung zu sein. Stattdessen führen Sie sinnlose Verbotsdebatten, ohne dies kritisch in einer Aktuellen Stunde hier zu hinterfragen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Beziehen sich im Rahmen der Ausschreibung zum Programm zur Stärkung der Fraueninfrastruktur die Interessenbekundungen von Frauenprojekten auf alle fünf Handlungsfelder etwa gleichermaßen, oder gibt es besondere Bewerbungsschwerpunkte?
2. Nach welchen Kriterien wird die Bewertungskommission die Auswahl treffen, in welchem Umfang sollen dabei einzelne Handlungsfelder und die regionale/bezirkliche Verteilung von Stellen berücksichtigt werden, und weshalb wurde nach der Kritik an der Evaluation des Programms kein neues Auswahlgremium unter Einbeziehung des Frauenpolitischen Beirates und externer Sachverständiger gebildet?
Ich glaube, die Kritik kommt nicht nur von meiner Seite, sondern auch von vielen Frauenprojekten, Berliner Frauennetzwerk und vielen andern. Darüber haben wir ausführlich im Ausschuss gesprochen, Frau Kolat. Ich glaube, da erzählen Sie etwas Unwahres.
Nichtsdestotrotz: Finden Sie es nicht fragwürdig und befremdend, wenn dieselbe Bewertungskommission, die die Evaluation zu verantworten hat, auch die neue Auswahl treffen soll? Das ist doch grotesk, Frau Senatorin Kolat, oder?
Das Bewusstsein für frauenspezifische Fluchtgründe ist in den letzten Jahren immer stärker in das öffentliche Bewusstsein gelangt. Frauen werden aus ganz unterschiedlichen Gründen verfolgt: Sie fliehen vor politischer Verfolgung, weil sei in einer Opposition aktiv sind, weil sie aufgrund der politischen Betätigung ihrer männlichen Verwandten unter Vergeltungsmaßnahmen leiden, vor drohender Genitalverstümmelung, vor Zwangsabtreibung, Zwangsverheiratung, Zwangssterilisation oder vor Verfolgungsmaßnahmen aufgrund von Verstößen gegen Verhaltens- oder Bekleidungsregeln. Manchmal, wenn sie aus „klassischen politischen Gründen“ verfolgt werden, leiden sie oft zusätzlich unter sexuellen Übergriffen. Man muss sich vor Augen halten: 80 Prozent aller Flüchtlinge in der Welt sind Frauen. Doch nur den wenigsten gelingt eine Flucht nach Europa, deswegen sind in Deutschland nur 30 Prozent der Frauen.
Die deutsche Rechtsprechung hat sich lange dagegen versperrt, frauenspezifische Fluchtursachen anzuerkennen. Erst mit dem Zuwanderungsgesetz wurde Anfang 2005 endlich rechtliche Klarheit geschaffen. Auch nicht
staatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung führen zu einem Schutzanspruch. Jetzt fallen – zumindest theoretisch – auch Misshandlungen im familiären Bereich oder etwa Vergewaltigung unter das Asylrecht.
Theorie und Praxis fallen leider noch oft auseinander. In der Praxis haben viele betroffene Frauen keine Chance auf Asyl. Die Beamten und Beamtinnen, die das Asylverfahren durchführen, sind oftmals nicht ausreichend geschult, um die Asylsuchenden angemessen zu behandeln. Vielen Frauen wird unterstellt, sie hätten sich die Erlebnisse nur ausgedacht. Andere werden abgelehnt, weil sie sich in ihrem Herkunftsstaat in einen anderen Landesteil hätten begeben können. Es fehlt an Sensibilität und Verständnis aufseiten des Amtes. Hier müssen endlich Standards entwickelt werden, die den betreffenden Stellen als Leitfaden für ihre Entscheidungen vorgegeben werden.
Wir unterstützen den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die besonderen frauenspezifischen Belange der Flüchtlingsfrauen und -mädchen zu berücksichtigen und sehen das Land Berlin in der Pflicht. Vom Senat sollte unbedingt eine Initiative ausgehen, die darauf gerichtet ist, die Praxis im Umgang mit Asylverfahren zu ändern.
Der Antrag soll in den Ausschuss für Arbeit, Integration und Frauen überwiesen werden. Ich hoffe sehr, dass der Ausschuss sich zeitnah damit befassen wird. Zu den einzelnen Punkten, die ressortübergreifend verschiedene Senatsbereiche betreffen, kann im Ausschuss genauer debattiert werden. Der Handlungsbedarf ist groß.
Danke, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:
1. Warum wurde die Öffentlichkeit nicht im Vorfeld der am Montag, dem 6. Mai 2013, angemeldeten Neonazi-Kundgebung darüber informiert, dass Derartiges am 8. Mai vor dem Gebäude in Karlshorst, in dem die bedingungslose Kapitulation Nazi-Deutschlands unterzeichnet wurde, geplant ist, und warum erfuhr das Deutsch-Russische Museum erst drei Stunden vor Beginn von dem beabsichtigten Aufmarsch?
2. Wurde durch die Versammlungsbehörde ein Verbot des Nazi-Aufmarsches geprüft, mit dem die millionenfachen Opfer des NS-Regimes verhöhnt und die an diesem historischen Ort anwesenden internationalen Gäste aus Osteuropa und Israel beleidigt wurden?
Herr Henkel! Dass Sie uns das Versammlungsgesetz erklären, verdeutlicht, dass Sie nicht richtig verstanden haben, um welche Problematik es hier eigentlich geht.
Dennoch möchte ich Sie fragen: Das Versammlungsgesetz gibt einen vielfältigen Spielraum zur Beauflagung einer Versammlung, das wissen Sie auch. Hat die Versammlungsbehörde – das wurde nicht deutlich gesagt – angesichts der immensen Provokation und des zu erwartenden Imageschadens für die Stadt Berlin durch die Nazi-Kundgebung direkt – etwa 50 Meter, kann man sagen – vor dem Deutsch-Russischen Museum eine Beauflagung geprüft, und wenn nicht, warum nicht?