Protokoll der Sitzung vom 10.12.2015

Genauso ging es weiter mit Herrn Brauner, der sagte, Fahrradstationen müssten gebaut werden. Ja sicher, das sieht man, wenn man seine Augen aufmacht. Genauso die Dinge bei den Baustellen und Ähnliches.

Ich muss sagen: Entscheidend ist die Frage, was mit dem Geld eigentlich passiert, das in den Haushalt eingestellt wurde. Es kommt dabei auf drei entscheidende Fragen an: Erstens, ob das Geld überhaupt ausgegeben werden kann, zweitens, ob das Geld richtig ausgegeben wird, und drittens, ob mit den Ausgaben die Ziele erreicht werden können, die man sich gesetzt hat. Da zeigt gerade das Beispiel S-Bahn, dass es damit nicht so weit her ist.

Zur Frage, ob die Mittel auch ankommen, kann man sagen: Von den 6 Millionen Euro, die 2014 für die Sanierung und den Neubau von Infrastruktur für den Radverkehr zur Verfügung gestanden haben, wurden fast 2,5 Millionen Euro nicht verbaut. Das liegt daran, dass elf

(Harald Wolf)

von zwölf Bezirken über kein für die Radverkehrsplanung qualifiziertes Personal verfügen. Die einstimmige, also auch von SPD und CDU unterstützte Empfehlung des Verkehrsausschusses, in jedem Bezirk zwei neue Verkehrsingenieure einzustellen, findet sich in diesem Haushalt allerdings nicht wieder.

[Martin Delius (PIRATEN): Unerhört!]

Vielmehr wurde sie im Hauptausschuss abgelehnt, nachdem sich die Piratenfraktion diese zu eigen machte.

Ob die Bemühungen um bessere Organisation und die zusätzlichen Stellen in der Verkehrslenkung ausreichen, um das dortige Chaos zu beseitigen, darf abgewartet werden. Mit Blick auf aktuelle Berliner Verwaltungsleistungen habe ich da so meine Zweifel.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Obwohl der Senat selbst zugibt, dass z. B. eine wirksame Kontrolle von Falschparkern angesichts der personellen Situation der Ordnungsämter – ich zitiere –: „ausgeschlossen ist“, wird dieses Problem mit diesem Haushalt nicht gelöst. Ich stelle also fest: Ohne ausreichendes und qualifiziertes Personal gerade in den Bezirken kommen die vorhandenen Mittel nicht dort an, wo sie gebraucht werden. Dieses Problem ist in diesem Haushalt erkennbar.

Zum zweiten Punkt: Wofür werden die Mittel ausgegeben? – Dazu muss ich gar nicht mehr viel sagen. Gerade beim Thema S-Bahn wird klar, dass da ein wirkliches Chaos herrscht. Hierzu stelle ich fest: Mittel werden in gescheiterte Ausschreibungen verpulvert, statt für strategisch sinnvolle Projekte verwandt.

Zu Drittens: Was kann mit den Investitionen erreicht werden? – Mit rund 9 Millionen Euro im Jahr 2016 und rund 10 Millionen Euro im Jahr 2017 werden pro Jahr und Einwohner gerade einmal 2,60 Euro bzw. 2,80 Euro für den Radverkehr ausgegeben. Das ist selbst gemessen an den Vorgaben von 5 Euro pro Jahr und Einwohner – das hatten wir schon oft – viel zu wenig. Zum Vergleich: Jedes Auto wird in Berlin mit umgerechnet rund 130 Euro im Jahr subventioniert.

Die Ausweitung des Straßenbahnnetzes ist eine ökologische und vergleichsweise kostengünstige Möglichkeit, Kapazitäten des öffentlichen Nahverkehrs zu erhöhen. Doch Vorhaben, die zum Teil schon seit Jahren oder Jahrzehnten diskutiert werden, wie die Strecke vom Alexanderplatz zum Rathaus Steglitz oder von der Warschauer Brücke zum Hermannplatz, werden auch in den kommenden Jahren kaum vorangebracht.

Auch für die Eindämmung von Luftverschmutzung und Lärmbelästigung oder jüngst für den Klimaschutz hat sich der Senat hohe Ziele gesetzt und ist immer wieder gescheitert. Mittel für die Umsetzung werden auch in die

sem Haushalt nicht dafür bereitgestellt. Dabei kosten Tempo-30-Zonen oder die Ausweisung von Fahrradstraßen nicht einmal viel Geld. Ich stelle also auch hier fest: Hehre Ziele, die in unzähligen Strategien, Programmen oder Plänen auf dem Papier zu finden sind, werden auch mit diesem Haushalt nicht umgesetzt. Wer also wirklich zukunftsorientierte Verkehrspolitik sehen will, muss leider weiterhin seinen Blick in andere europäische Großstädte wie Paris, London und Wien wenden. Dabei wäre es auch in Berlin für Themen wie Klimaschutz, eine Luft, die nicht krank macht, eine sichere und für alle gleichermaßen zugängliche Mobilität höchste Zeit. Schade, dass dies zumindest mit diesem Haushalt noch nicht in Berlin angekommen ist. Es ist Zeit, dass sich das ändert. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Baum! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wer nun dem Einzelplan 12 – Stadtentwicklung und Umwelt – unter Berücksichtigung der Empfehlung des Hauptausschusses gemäß Drucksache 17/2600 und der Auslagenbeschlüssen des Hauptausschusses Nummern 67 bis 82 – vorbehaltlich der am Ende der Sitzung abzustimmenden Änderungsanträgen der Fraktionen – zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der SPD und die Fraktion der CDU. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die Piratenfraktion. Enthaltungen? – Ich sehe keine Enthaltungen. Dann ist dem so zugestimmt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1 j:

Einzelplan 13 – Wirtschaft, Technologie und Forschung –

Ich verknüpfe dies mit der Beratung über die Auflagenbeschlüsse des Hauptausschusses Nummern 83 und 84. In der wirtschaftspolitischen Debatte beginnt die Fraktion der SPD. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jahnke.

[Unruhe]

Verzeihung! Nur der Abgeordnete Jahnke hat das Wort.

Frau Präsidentin ! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Wichtigste kommt bekanntlich immer zum Schluss oder zumindest kurz davor und so kommen wir zu später Stunde nun auch zum Einzelplan 13 – Wirtschaft, Technologie und Forschung. Wenn der Haushalt, wie es immer so schön heißt, in Zahlen gegossene Politik ist, dann können Sie an unserem Doppelhaushalt ins

(Andreas Baum)

gesamt und am Einzelplan 13 insbesondere ablesen, welche große Bedeutung die Koalition der Berliner Wirtschaft beimisst.

Im Jahr 2016 werden wir 748 Millionen Euro im Bereich Wirtschaft, Technologie und Forschung ausgeben und im Jahr darauf noch einmal knapp 20 Millionen Euro mehr. Das zeigt deutlich, dass wir hier auch in Zukunft klare Akzente setzen wollen. Auch 2016/2017 konzentriert sich die Koalition unter der Führung von Michael Müller weiter auf eine Stärkung der lokalen Wirtschaftsstrukturen. Vorbei sind die Zeiten, in denen man irrig glaubte, allein Dienstleistungen seien einer pulsierenden Metropole angemessen und die Industrie sei ein Relikt von gestern. Die Berliner SPD setzt bereits seit geraumer Zeit auf Reindustrialisierung, und wir können mittlerweile beachtliche Erfolge vorweisen. Wir führen vor, wie eine moderne, urbane Industrielandschaft aussieht. Die traditionellen Berliner Industriebranchen befinden sich auf stabilem Wachstumskurs und bestehen längst nicht mehr aus verlängerten Werkbänken am Subventionstropf, sondern sind auf den internationalen Märkten konkurrenzfähig. Entsprechend hoch ist ihr Exportanteil. Zugleich gilt Berlin aber auch als Start-up-Metropole Nummer eins auf dem europäischen Kontinent und lockt gut qualifizierte, überwiegend junge Menschen als aller Welt an. Die fühlen sich hier wohl und engagieren sich mit ihrem Knowhow gewinnbringend für die Stadt.

Wir setzen auf die Zukunftsfelder Medizin-, Informations- und Kommunikationstechnologie, Biotechnologie, Optik und Mobilität und legen Wert darauf, diese Branchen eng mit Forschung und Entwicklung an ihren Standorten zu verknüpfen. Es sind diese Cluster, die sich insbesondere an den von Berlin entwickelten Zukunftsorten entwickeln, wie etwa am Medizincampus Buch oder bei der WISTA in Adlershof, und mit Wachstumsraten weit über dem Durchschnitt zu Berlins positiver Entwicklung beitragen.

In diesem Zusammenhang freut es mich sehr, dass wir im September das Gründerzentrum CHIC am Campus Charlottenburg, in meinem Wahlkreis, eröffnen und damit auch in der City-West Forschung und Wirtschaft noch ein Stück enger zusammenführen konnten. Genauso entsteht das Umfeld, in dem insbesondere Start-ups und andere junge Unternehmen die Bedingungen finden, die sie für ihre Etablierung und weitere Entwicklung brauchen. Das Stichwort Industrie 4.0 ist für Berlin gerade auch in diesem Zusammenhang zu sehen.

Bei der digitalen Umgestaltung und Vernetzung unserer Wirtschaft darf Berlin nicht nur irgendwie im Trend mitschwimmen, sondern muss ganz vorn an der Spitze der Bewegung stehen, wie es der Regierende Bürgermeister als Anspruch formuliert hat. Wir nehmen die Herausforderung an, Berlin als technologiestarken Innovations- und Digitalstandort weiter auszubauen. Dafür haben wir ins

besondere auch in der Mittelstandsförderung Förderprogramme aufgestockt, um die heimischen Unternehmen bei Entwicklung und Einsatz digitaler Technologien zu unterstützen. Mit diesem Haushalt stehen rund 200 Millionen Euro für den Mittelstand zur Verfügung.

Berlin überzeugt des Weiteren als wachsender Messe- und Kongressstandort, lockt Veranstalter und Gäste aus aller Welt zu uns. Die Nachfrage nach Kongressflächen übersteigt perspektivisch das Angebot an privaten wie öffentlichen Kongress- und Messeflächen,

[Benedikt Lux (GRÜNE): Auch da sind Sie überfordert!]

sodass ich an dieser Stelle mit Blick auf die Haushaltsjahre 2018/2019 sagen darf: Ich begrüße den Senatsbeschluss zur Wiederherstellung des ICC, zumindest auf einem Teil der Fläche, zu dem, was es über drei Jahrzehnte erfolgreich war: ein internationales Kongresszentrum. Das ICC ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Berliner Messe- und Kongresslandschaft und muss zwingend wieder in den Markt zurückgeführt werden. Dies sei auch allen Piraten dieser Welt ausdrücklich gesagt.

[Lars Oberg (SPD): Mir musst du das auch noch mal erklären!]

Das Messe- und Kongressgeschäft ist ein großer Gewinnbringer für die Stadt, sowohl für einzelne Branchen, deren Messen und Kongresse hier stattfinden, als auch für Handel, Gastronomie und Hotellerie. Deshalb haben wir in diesen Haushalt auch 500 000 Euro zusätzlich für das kongressbezogene Berlin-Marketing eingestellt.

Dass Wirtschaft und Stadtentwicklung in Berlin seit je her eng verzahnt waren, zeigt sich nicht nur am ICC. Berlin ist mit der Industrie groß geworden. Berlin ist durch Industrie geprägt worden und Industriekultur ist damit auch ein Kernbestandteil der Berliner Stadtentwicklung. Dies ist ein Pfund, mit dem wir wirtschaftlich und kulturell wuchern können. Der entsprechende inhaltliche Antrag wurde vorhin ohne Beratung in die Ausschüsse überwiesen. Aber lassen Sie mich an dieser Stelle betonen, dass wir die Förderung des Berliner Zentrums für Industriekultur – BZI – von 90 000 Euro in diesem Jahr auf künftig 140 000 Euro jährlich anheben und neu im Einzelplan 12 verstetigen konnten.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Auch in Ihrem Wahlkreis?]

Industriekultur ist ein Querschnittsgebiet aus Wirtschaft, Stadtentwicklung und Kultur.

Last but not least möchte ich die Entwicklungszusammenarbeit nicht unerwähnt lassen, die im Einzelplan 13 ihren Niederschlag findet. Global denken, lokal handeln, ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten keine leere Phrase, sondern wir versuchen, mit den finanziellen Möglichkeiten eines Stadtstaates Vorfeldarbeit und Bildungsarbeit im Bereich der internationalen

Kooperationen zu leisten. Deshalb investiert das Land nach wie vor in Projektförderung und institutionelle Förderung entwicklungspolitischer Institutionen. Wir stocken den entsprechenden Titel im Doppelhaushalt um eine Viertelmillion jährlich auf, setzen das Promotorenprogramm für Berlin fort und werden auch den Aufbau des Eine-Welt-Hauses als Zentrum der Entwicklungszusammenarbeit unterstützen.

Dieser Einzelplan 13, einschließlich der von uns im Wirtschaftsausschuss vorgeschlagenen und vom Hauptausschuss verabschiedeten Ergänzungen bildet eine solide Grundlage für die Wirtschaftspolitik der kommenden zwei Jahre. Ich bitte um Unterstützung des Einzelplans. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Jahnke! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Ludwig. – Bitte!

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Innovationen gibt es viele in dieser Stadt, aber Ihre Rede, lieber Herr Jahnke, gehörte definitiv nicht dazu.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN) und Carsten Schatz (LINKE)]

Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht, an diesem eisernen Grundsatz wird auch dieser Haushalt nichts ändern, und das ist gut so. Denn, wie Herr Jahnke schon sehr blumig ausführte: Viele Bereiche der Berliner Wirtschaft entwickeln sich sehr gut und die sind ganz froh, wenn sich Politik nicht zu sehr einmischt, zumindest nicht diese, die gerade diese Stadt regiert.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Dabei ist es aber nicht so, dass man sich nicht einmischen könnte, wenn man denn wollte. Wirtschaftspolitik kann moderieren, Prozesse anstoßen, Rahmenbedingungen justieren und überlegen, ob sich die wirtschaftliche Entwicklung nicht auch für langfristige, weiterreichende Ziele nutzen lässt. Aber genau dies versäumen Sie.

Ja, Sie bemerken die Zukunftsthemen der Stadt. Irgendetwas hat es wohl zu tun mit Smart City, Industrie 4.0, Internet der Dinge, Digitalisierung und Start-ups. Doch aus all den Schlagwörtern Absichtsbekundungen, Webseiten, Bewerbungen ein schlüssiges Gesamtkonzept zu entwickeln, ist Ihnen bis heute nicht gelungen, und das ist fahrlässig.