Protokoll der Sitzung vom 10.12.2015

Sie können ja noch so laut schreien, aber das wird es nicht wettmachen, dass viel im LAGeSo und viel für die Flüchtlingsunterbringung geschehen ist – zweifelsohne nicht genug, aber immer noch mehr als in den Bezirken, wo Sie Verantwortung haben.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir haben viele Dinge innerhalb des Landesamtes für Gesundheit und Soziales verändert.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Ein Offenbarungseid!]

Wir haben ein eigenes Sockelportfolio geschaffen, den Paradigmenwechsel eingeleitet und auf eigenem Grund und Boden dezentrale Modularbauten ausgeschrieben. Wir haben die gesundheitliche Versorgung in Berlin verbessert,

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Und Paradigmenwech- sel eingeleitet – ja!]

indem wir das zentrale Impfen eingeführt und dazu beigetragen haben, dass die elektronische Gesundheitskarte zum 1. Januar 2016 eingeführt wird.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Wann begründen Sie denn endlich Ihren Antrag? – Weitere Zurufe]

Wir haben einzigartige Bearbeitungsabläufe geschaffen,

[Unruhe]

mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, der Ausländerbehörde und der Polizei, aber – und das ist mir besonders wichtig – auch mit der Bundesagentur für Arbeit. Wir haben über 300 zusätzliche Stellen im LAGeSo geschaffen, um diese Aufgabe zu bewältigen.

[Zuruf von Elke Breitenbach (LINKE)]

Sie können noch so laut schreien, Frau Kollegin, und dürfen gleich reden. Ich merke ja, dass ich Sie enorm getroffen habe, indem ich einmal deutlich gemacht habe, was schon alles geschehen ist.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Nein! Sie machen wieder nicht Ihren Job!]

Aber die Herausforderung ist noch einmal gestiegen. Die Herausforderung ist seit dem 5. September dahin gehend gestiegen, dass wir noch zusätzliche Aufgaben bekommen haben und eine eigenständige Führung und Struktur für diese gewachsene Aufgabe brauchen.

Denn: Die Aufgabe wird nicht kleiner werden. Der Regierende Bürgermeister hat völlig recht, wenn er sagt: Jetzt geht es darum, die Unterbringung von Flüchtlingen zu organisieren – ein Dach über dem Kopf!

[Elke Breitenbach (LINKE): Jetzt! – Unruhe bei der LINKEN]

Aber im weiteren Schritt geht es eben auch um die Integration. Es geht um die Möglichkeit, schnell Arbeit zu finden. Dafür haben wir in der Bundesallee modellhaft Schritte unternommen, und dieses Modellhafte jetzt in das Regelgeschäft umzusetzen, ist eine der Aufgaben, für die wir ein neues Landesamt benötigen.

Wir haben eine neue Liegenschaftspolitik umgesetzt – ich sprach davon. Diese neue Liegenschaftspolitik muss sich nun auch im Verwaltungshandeln des neuen Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten widerspiegeln. Und wir brauchen mit der wachsenden Quantität auch eine wachsende Qualität der Prozesse. Deswegen ist es aus unserer Sicht erforderlich, jetzt die richtigen Weichen zu stellen und ein neues Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten zu schaffen. Deswegen haben wir uns mit diesem Gesetzentwurf in das Parlament begeben, und wir hoffen auf schnelle Zustimmung dafür.

[Beifall bei der CDU]

Aus unserer Sicht bietet das neue Landesamt auch die Basis dafür, die neue gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung zu verbessern und zu lösen, denn während bislang im Landesamt für Gesundheit und Soziales etwas mehr als 5 Prozent der Mitarbeiter dafür zuständig waren, so sind es jetzt schon weit über 30, und mit dem Beschluss dieses Haushaltes werden es über 40 Prozent der Mitarbeiter sein.

Diese eigene Struktur ist erforderlich, um die Aufgabe zu bewältigen. Das muss im Interesse des Parlaments sein. Das ist im Interesse der Berlinerinnen und Berliner. Das ist auch im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesamtes für Gesundheit und Soziales und natürlich vor allem im Interesse der Flüchtlinge, die damit schneller und besser in Berlin aufgenommen, registriert und denen auch Arbeit und anderer Rahmenbedingungen zur Integration vermittelt werden können. – Ich bitte Sie um Zustimmung zur Errichtung dieses Landesamtes!

[Beifall bei der CDU – Benedikt Lux (GRÜNE): Das war es? Eine Unverschämtheit ist das! – Udo Wolf (LINKE): Das ist ja grotesk!]

Vielen Dank, Herr Senator Czaja!

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Der hatte schon wieder keine Ahnung! – Weitere Zurufe]

Meine Damen und Herren! Ich würde gerne in die Beratung einsteigen!

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Herr Czaja müsste da noch was vorstellen, glaube ich!]

(Senator Mario Czaja)

In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat Frau Abgeordnete Bayram. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer sich noch gefragt hat – weil er nicht so stark mit dem Thema befasst war –, warum es dort nicht klappt, der konnte sich bei dieser Rede vom Senator überzeugen: Wenn einer von einer Sache nichts versteht, dann kann er sie auch nicht bewältigen!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Deswegen ist es wirklich gut, Herr Regierender Bürgermeister, dass Sie die klaren Worte gefunden haben und dass wir zumindest einen Weg frei haben, um eine neue Chance für das Flüchtlingswesen im Lande Berlin zu erhalten. Aber, Herr Regierender Bürgermeister, das wird nicht reichen, um tatsächlich die Situation vor Ort zu verbessern,

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

denn – Sie hatten es in Ihrer letzten Regierungserklärung sehr schön dargestellt – die Wir-wollen-es-nichtschaffen-CDU wird es nicht schaffen, weil sie es nicht schaffen will.

Zögerlich, seit über einem Jahr schlägt sich Senator Czaja damit herum, wie er sich hinter Herrn Allert verstecken kann und wie er verhindern kann, dass irgendjemand mal nachfragt: Was macht eigentlich Czaja? Heute heult die CDU herum, weil der Stil, mit dem der Regierende Bürgermeister dafür gesorgt hat, dass Herr Allert nicht mehr im Amt ist, nicht gefällt. Da frage ich mich: Er, der Herr Czaja, hatte so lange Zeit, warum hat er es nicht einfach gemacht? Irgendwann wäre auch mir der Kragen geplatzt!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Inszenieren von Überlastung, das ist das Geschäft des Mario Czaja, und damit ist er in Gesellschaft der CDU, die die ganze Zeit zeigen will: Schaut her, alle Welt, nach Berlin, es geht nicht! – Aber das wird weder den Berlinerinnen und Berlinern noch diesem Parlament gerecht, denn die Mehrzahl sagt: Wir wollen das! – und: Refugees are welcome, und wir können es auch. – Aber dafür muss auch noch ein Senator aus diesem Senat seinen Stuhl räumen, und darauf werden wir weiter pochen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Denn in den letzten Wochen war es doch dem Ehrenamt der Berlinerinnen und Berliner und dem milden Winter zu verdanken, dass es noch keine Geflüchtete gibt, die

erfroren sind. Hart an der Grenze zur Gesundheitsgefährdung stehen die Menschen dort, und der Senator steckt den Kopf in den Sand. Das ist politische Verantwortungslosigkeit!

Die jetzige Situation mit dem neuen Landesamt, das ich eigentlich grundsätzlich befürworte, hat die Herausforderung, dass schon in der Vorlage steht: Zum 1. Januar soll es entstehen. – Herr Czaja! Wie wollen Sie das machen? Über Weihnachten ist doch das LAGeSo zu! Das ist wirklich an Absurdität kaum zu überbieten. Der Staat trägt hier dazu bei, dass Menschen rechtlos gestellt werden. Oberste Priorität müsste jetzt haben: registrieren, registrieren, registrieren. Denn 70 000 Menschen sind hier; nach dem Königsteiner Schlüssel müssen wir jedoch nur 50 000 aufnehmen. Da ist doch die Antwort ganz klar: Wir haben über 20 000 Menschen, die gar nicht in Berlin sein müssten, die in anderen Bundesländern ordentlich untergebracht und behandelt werden könnten. Und wir haben 15 000 Menschen in Unterkünften, die wir für Berliner Geflüchtete nutzen könnten.

Aber weil dieser Mann versagt, ist es so, dass wir hier monatlich über 10 Millionen Euro dafür ausgeben, dass es nicht gelingt, die Menschen zu registrieren. Dass ist der eigentliche Skandal, und dass ist das, was die Geflüchteten nicht verdient haben. Sie würden verdienen, in anderen Bundesländern menschenwürdig untergebracht und behandelt zu werden. Hier wird uns das zeitnah wahrscheinlich nicht gelingen!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Bayram! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Radziwill. – Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen! Meine Herren! Berlin bekennt sich als weltoffene Stadt zu einer humaneren und solidarischen Flüchtlingspolitik. Die seit Längerem anhaltenden chaotischen Zustände vor dem LAGeSo sind daher nicht länger hinnehmbar. Völlig zu Recht hat der Regierende Bürgermeister Michael Müller gestern den zuständigen Senator aufgefordert, endlich zu handeln, eine überfällige Personalentscheidung zu treffen, Konsequenzen zu ziehen und die Situation am LAGeSo zügig zu verbessern. Die bisherigen Bemühungen haben nicht ausgereicht, Herr Czaja. Eine inhaltliche und weitere, sichtbare Verbesserung im Interesse der Geflüchteten muss, auch bei steigenden Zahlen von Geflüchteten, umgesetzt werden. Es gibt hier leider kein Wenn und Aber.

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

Seit Monaten, ja Jahren, debattieren wir über diese Situation am LAGeSo. Hilfreiche, sinnvolle Vorschläge sind bisher vom Parlament nicht abgelehnt worden.

[Fabio Reinhardt (PIRATEN): Doch, zahlreiche!]

Herr Senator! Wir haben Sie bisher, wenn auch manchmal zähneknirschend, unterstützt, und wir unterstützen auch weiterhin jeden guten Vorschlag. Nun liegt ein Vorschlag vom Senat auf dem Parlamentstisch. Ein neues Landesamt für Flüchtlinge soll aufgebaut werden. Die Mahnungen, nicht zu hetzen und voreilig zu entscheiden, sondern es gut vorzubereiten, kann ich durchaus nachvollziehen. Eine solche umfangreiche Veränderung beim Amt und im laufenden Betrieb muss ordentlich und sensibel vorbereitet und beraten werden.

Ob und wie es von hier verabschiedet wird, werden dann die Beratungen zeigen. Aber, Herr Czaja, ich kann Ihren Ansatz verstehen: Waren vorher nur 8 Prozent der Mitarbeiter für den Bereich Flüchtlinge im LAGeSo zuständig, sind es mittlerweile schon 40 Prozent. Eine bessere Struktur zu wollen, ist daher nachvollziehbar, nur: Gehindert hat Sie bisher keiner daran.

[Beifall bei der LINKEN – Canan Bayram (GRÜNE): Tja!]