Protokoll der Sitzung vom 28.01.2016

eine wichtige Entscheidung, um wegzukommen von den Notunterkünften.

Ja, wir alle wollen gemeinsam nicht dauerhaft Notunterkünfte. Und wir werden alle unsere Anstrengungen unternehmen, um weitere Unterkünfte zu schaffen. Aber wir wollen auch die Belegung der Turnhallen beenden. Wir hoffen, dass wir darauf jetzt verzichten können, und wir wollen schnell die bereits genutzten Turnhallen wieder leerziehen. Aber dafür ist es eben erforderlich, dass andere und feste Unterkünfte geschaffen werden. Man kann nicht immer sagen, das eine darf man nicht, das andere darf man nicht. Tempelhof darf man nicht, jenes darf man nicht; aber wir müssen die Unterbringung menschenwürdig organisieren. Beides geht nicht gleichzeitig, sondern es geht nur, wenn man die anderen Maßnahmen eben auch mit Nachdruck und Fleiß umsetzt.

[Antje Kapek (GRÜNE): Wenn Sie vorher etwas getan hätten, brauchten wir Tempelhof gar nicht!]

(Senator Mario Czaja)

Wir sind jetzt in der Phase der ersten Unterbringung, der Registrierung und der Schaffung der Modularbauten.

[Antje Kapek (GRÜNE): Seit einem Jahr!]

Aber es geht um mehr, es geht darum, die Integration durch Hilfe zur Selbsthilfe zu stärken. Für kommenden Dienstag hat Frau Kolat mit mir gemeinsam alle großen Betreiber eingeladen, um mit diesen darüber zu sprechen, wie Flüchtlinge noch schneller als bisher in Einrichtungen zu Arbeit kommen können. 2 048 Flüchtlinge haben bereits eine Arbeitsgelegenheit in einer Unterkunft. Wir wollen nun 1 000 weitere Beschäftigungen ermöglichen, um einen Einstieg in die Arbeitsmarktintegration anzustoßen. Arbeit und schnelle Sprachkenntnisse sind die besten Mittel für Integration. Daran wollen wir weiter arbeiten.

Alle von mir aufgezeigten Maßnahmen und Schritte haben das Ziel, die Leistungsfähigkeit des LAGeSo und der Verwaltung insgesamt zu verbessern. Jede Verbesserung, die wir heute schon erreichen, muss im LAGeSo sofort zur Anwendung kommen. Aber wenn wir uns einig darüber sind, dass die Integration von Flüchtlingen keine Aufgabe nur von heute und morgen ist, sondern eine Aufgabe der kommenden Jahre und möglicherweise sogar Jahrzehnte, dann ist es richtig, dafür ein eigenes Amt zu schaffen und dafür die Kräfte zu bündeln, um eine moderne großstädtische Migrationsbehörde zu schaffen, an der auch künftig andere Bereiche angedockt werden können, die heute vielleicht noch nicht die Rolle spielen, die aber in Zukunft in einer solchen Einrichtung Fuß fassen können.

[Canan Bayram (GRÜNE): Dann hätten Sie doch unse- rem Antrag zustimmen können!]

Es ist richtig, dass das Parlament heute diese Entscheidung trifft und sie nicht vertagt auf den 1. Januar 2017.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Ja, wir sind mit unserer Arbeit noch nicht dort angekommen, wo wir hinwollen. Aber ich habe sehr viele Menschen bei ihrer Arbeit erlebt, die auch in außergewöhnlichen Situationen den richtigen Ton und die richtige Lösung gefunden haben. Dafür sage ich allen Kolleginnen und Kollegen im Senat, aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlich Dank! Und ich will das auch deutlich nach den Vorkommnissen gestern sagen: Dieser Dank gilt auch den unzähligen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die sich seit Monaten um die Geflüchteten kümmern. Ihre Hilfe war und ist notwendig und hat unsere Arbeit oft erleichtert. Lassen Sie uns in der Flüchtlingsfrage nicht in parteipolitisches Klein-Klein verfallen. Es ist weiterhin notwendig, dass wir diese Aufgabe über Parteigrenzen hinweg lösen und gemeinsam an einem Strang ziehen. Heute werden zwei wichtige Entscheidungen getroffen, um diese Aufgabe weiter zu bewältigen. Ich sage dem Parlament für die Beratung und diese Unterstützung herzlich Dank.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank! – In der zweiten Rederunde hat jetzt Frau Kollegin Radziwill noch das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Meine Damen! Meine Herren! Bleiben wir bei der Wahrheit und bleiben wir fair! Kein Flüchtling ist auf dem Tempelhofer Feld oder den Hangars eingesperrt. Sie sind frei und können sich frei bewegen. Ich möchte, dass wir uns dieses vergegenwärtigen.

Ich möchte auch daran erinnern, dass dieses TempelhofGesetz eine klare zeitliche Begrenzung hat. Das ist uns wichtig. Auf der Bürgerversammlung hat Staatssekretär Dieter Glietsch auch noch einmal darauf hingewiesen – das haben Sie leider unterlassen zu sagen, Frau Kapek –, dass die Menschen aus den Hangars sehr schnell in andere Einrichtungen weiter vermittelt werden.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das findet aber nicht statt!]

Herr Senator hat es eben ausgeführt, es sind schon die ersten in die Daimlerstraße in Marienfelde umgezogen. Vorrang wird es haben, die Menschen aus den Hangars in weitere, neu eröffnete Einrichtungen zu bringen. Sie werden dort nicht über Jahre festgehalten.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Ach, das ist jetzt der Maßstab?]

Wir brauchen hier deshalb eine minimale gesetzliche Änderung. Deswegen liegt der Vorschlag vor. Wir bitten um Unterstützung.

Am LAGeSo sind dringend weitere strukturelle Verbesserungen notwendig. Herr Senator! Sie haben das eben sehr gut dargestellt. In der Tat waren noch vor zwei, drei Jahren 5 bis 8 Prozent des Personals im Bereich Flüchtlingsunterbringung und Leistungsgewährung beschäftigt. Nun sind es rund 40 Prozent, auch nach den Haushaltsberatungen, denn wir haben Personalstellen bewilligt. Daher begrüßen wir Ihre Bemühungen, uns hier eine strukturelle Verbesserung vorzulegen. Am 10. Dezember haben wir in erster Lesung das Gesetz zur Errichtung eines Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten hier und – auch aus meiner Sicht – ausführlich in den Fachausschüssen beraten. Wir werden Sie nun dabei unterstützen, dass Sie loslegen und diese strukturellen Verbesserungen am Landesamt für Gesundheit und Soziales umsetzen können.

Es ist dringend notwendig, dass sich dort einiges verbessert. Sie haben die beste Unterstützung. Das haben Sie eben auch in Ihrer Rede dargestellt. Alle Kolleginnen und Kollegen, wir vom Parlament, andere Dienststellen, alle unterstützen Sie, damit es dort im Interesse der Betrof

(Senator Mario Czaja)

fenen besser läuft. Ich hoffe, dass es auch besser laufen wird. Einiges hat sich in der Turmstraße auch schon verbessert. Auch darauf möchte ich Sie noch einmal aufmerksam machen.

Das Landesamt für Flüchtlinge wird ein Teil der Integrationsaufgaben, wie wir uns vorstellen können, nicht sofort aufnehmen können. Es muss aber erst einmal umgesetzt werden, dass es überhaupt zu einer Landesbehörde werden kann. Wir können uns vorstellen, dass es zu einer Willkommensbehörde entwickelt werden kann. Das wird auch die Aufgabe in der nächsten Legislaturperiode sein. Liebe Grüne, liebe Linke! Sie sagen, Sie haben Ihre Vorstellung von Integration in Konzepten vorgelegt. Ich sehe bisher aber keine Lösungsansätze für sofortige Verbesserungen und bezweifle, dass bei steigenden Flüchtlingszahlen diese Konzepte von Ihnen der Belastung standhalten.

[Antje Kapek (GRÜNE): Doch!]

Wir brauchen hier kein Klein-Klein. Wir müssen vielmehr gemeinsam als Demokraten und Demokratinnen zusammenhalten. Wir müssen weiterhin für Akzeptanz, für Toleranz in dieser Stadt werben. Ich danke an dieser Stelle ausdrücklich den ehrenamtlichen Helfern und Helferinnen und bitte Sie um Unterstützung für dieses Gesetz. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Jetzt hat gemäß § 65 Herr Kollege Lauer die Gelegenheit, eine persönliche Bemerkung abzugeben. Sie darf nur persönliche Angriffe zurückweisen oder eigene Ausführungen berichtigen. – Bitte schön, Herr Kollege!

Christopher Lauer (PIRATEN) [Persönliche Erklärung gemäß § 65 GO Abghs]:

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, ich bedanke mich jetzt ganz herzlich bei Herrn Ever dafür, dass ich jetzt bis zu fünf Minuten Zeit habe, seinen persönlichen Angriff zurückzuweisen. Herr Ever

[Stefan Evers (CDU): Evers!]

implizierte in seiner Rede, dass es irgendwelche Mitglieder der Opposition gegeben hätte, die gestern diesen mutmaßlichen, angeblichen Tod eines syrischen Flüchtlings instrumentalisiert hätten. Dann begang

[Andreas Gram (CDU): Beging!]

er den Fehler und sagte: Der Lauer, da auf Twitter! – Jetzt einmal Hefte heraus, Klassenarbeit! Jetzt lese ich nämlich vor, was ich getwittert habe. Gestern um 7.00 Uhr twitterte ich – Herr Evers, jetzt zuhören –:

Anscheinend 24-jähriger Syrer, der tagelang vorm LAGeSo in Kälte wartete, verstorben.

Ich helfe Ihnen auf die Sprünge. Was bedeutet anscheinend? Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus dem Duden:

dem/allem Anschein nach, dem/allem Vernehmen nach, es ist denkbar/möglich, es kann sein, es sieht so aus, möglicherweise, offenbar, offensichtlich, vermutlich, wahrscheinlich, wie behauptet/gesagt/vorgegeben wird, wie es aussieht/scheint, wie man hört, wohl; (gehoben) augenscheinlich, dem Augenschein nach, mutmaßlich; (landschaftlich, besonders süddeutsch und schweizerisch) scheints

Das scheint damit jetzt nichts mehr zu tun zu haben. Herr Ever!

[Andreas Gram (CDU): Evers!]

Ich weise Sie also darauf hin, dass es eine Vermutung war, die ich dort geäußert habe. Dann habe ich auch geschrieben, Konjunktiv, konditional:

Sollte sich diese Schilderung bewahrheiten, muss Mario Czaja unverzüglich zurücktreten.

Diese Äußerung hat sich, wie wir jetzt erfahren haben, nicht bewahrheitet.

[Andreas Gram (CDU): Aha!]

Das war alles, worauf ich gestern hingewiesen habe, Herr Evers. Deswegen weise ich Ihren Angriff zurück – Sie können noch einmal einen Brief schreiben, wie sich diese Flüchtlingsheime auf die Immobilienpreise auswirken.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Ich weise Sie darauf hin, dass ich zumindest nicht gemeint gewesen sein kann, als Sie hier behaupteten, irgendwelche Mitglieder der Opposition hätten hier irgendetwas instrumentalisiert. Dem unbenommen

[Andreas Gram (CDU): Dessen!]

bin ich natürlich der Meinung, dass Mario Czaja zurücktreten sollte.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Wäre ich Regierender Bürgermeister, hätte ich ihn schon längst entlassen. Man kann nicht alles im Leben haben, Herr Evers, das wissen auch Sie.