Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was haben die Evangelische Kirche Hessen-Nassau, die Yale University, das Deutsche Versorgungswerk der Presse, die Allianz-Versicherung und die Stadt Belfast gemeinsam, aber nicht mit Berlin? Sie haben gemeinsam, dass sie Divestment betreiben. Sie haben sich von klimaschädlichen Aktien, Anleihen oder Investmentfonds getrennt und investieren klimafreundlich.
Das ist nicht trivial. Heute werde bereits fast 80 Prozent der globalen CO2-Emmission in Städten verursacht. Daher hat Berlin eine herausgehobene Verantwortung, dem fortschreitenden Klimawandel entgegenzuwirken und bis 2050 klimaneutral zu werden. Dazu gehört, dass Berlin sich schnellstmöglich von seinen klimaschädlichen Investitionen verabschiedet. Nach der einhelligen Empfehlung der Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ sind alle Fraktionen aufgerufen, sich dafür einzusetzen, dass direkte und indirekte Investitionen des Landes in Unternehmen, deren Geschäftsmodelle den Zielen der Klimaneutralität zuwiderlaufen, beendet und zukünftig ausgeschlossen werden.
Die Interessen der Konzerne und der Anteilseignerinnen stehen dem Klimaschutz entgegen. Denn Kohle, Öl und Gas, die nicht verbrannt werden können, sind für die Energieunternehmen wertlos und werden zur gestrandeten Wertanlage. Daher kann derjenige, der es mit dem Klimaschutz ernst meint, nicht in schmutzige Energien investieren.
Über welches Geld sprechen wir in Berlin? – Relevant ist insbesondere der Anteil der Versorgungsrücklage des Landes, der in Aktienfonds investiert wird. Das sind derzeit rund 10 Millionen Euro. Dabei handelt es sich um börsengehandelte Indexfonds, die auch Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft wie RWE, Total oder BASF
umfassen. Es passt nicht zusammen, ambitionierte Klimaschutzziele mit Maßnahmen vor Ort zu verfolgen und gleichzeitig mittels Finanzanlagen die globale Erwärmung voranzutreiben.
Die Stiftung der Rockefeller-Familie, die ihren Reichtum einmal mit der Förderung von Öl verdient hat, will ihr Geld zukünftig aus der Förderung fossiler Energieträger abziehen. Der norwegische Pensionsfonds zieht sein Geld aus Kohleunternehmen ab. Oslo, San Francisco, Melbourne, Oxford – immer mehr Stiftungen, Universitäten oder Städte weltweit ziehen ihr Geld aus fossilen Energiereserven ab und investieren in nachhaltige Sektoren. Alle machen vor, dass Divestment ganz unproblematisch möglich ist.
Die Divestmentbewegung hat im letzten Jahr auch hier in Deutschland an Fahrt aufgenommen. Als erste Stadt in Deutschland hat Münster ein Zeichen gesetzt und den Abzug der Finanzanlagen aus dem fossilen Energiesektor angekündigt. Der Landtag von NRW hat gestern beschlossen, die Mittel des Pensionsfonds nachhaltig und fair zu investieren. Was in Münster, was in NRW geht, das geht doch auch in Berlin!
Auch aus ökonomischer Sicht ist Divestment sinnvoll. Fossile Energiekonzerne kämpfen mit fallenden Börsenpreisen und Rekordverlusten. Allein E.ON musste im 3. Quartal des letzten Jahres einen Rekordverlust von fast 7 Milliarden Euro melden. Viele Kommunen, z. B. in NRW, haben Millionenverluste mit ihren Anleihen an RWE und Co. erlitten.
Die Anlagenrichtlinien schreiben vor: Die Investitionen des Landes müssen sicher, rentabel und risikoarm angelegt sein, Herr Finanzsenator. Nur wer jetzt klimafreundlich investiert, erfüllt diese Grundsätze und handelt auch zukünftig ökologisch und ökonomisch verantwortungsvoll.
Es ist eine Chance, in nachhaltige Energieträger und in zukunftsfähige Branchen zu investieren. Es gibt also viele gute Gründe, Divestment zu machen – ökologische und ökonomische. Es geht darum, dass Berlin 2050 klimaneutral werden will, und zu einer glaubwürdigen Klimapolitik gehört auch, klimaschädliche Investitionen zu beenden.
Wir, Grüne und Linksfraktion, stehen gemeinsam hinter diesem Antrag. Leider haben die anderen Fraktionen das Angebot nicht angenommen, diesen Antrag gemeinsam zu stellen. Aber ich gehe davon aus, dass der einstimmige
Beschluss der Enquete-Kommission, den alle Fraktionen mitgetragen haben, weiterhin gemeinsam Konsens ist. Lassen Sie uns die Empfehlung, Berlin zur Hauptstadt des Divestments zu machen, umsetzen. Lassen Sie uns doppelt nachhaltig wirtschaften – finanziell und klimapolitisch! Es gibt keinen Grund zu warten: Berlin, divest now!
Vielen Dank, Frau Herrmann! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Buchholz. Nein, bitte! Der Herr Abgeordnete Karsten.
Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Buchholz hat heute drei Rederunden, und da hat er gesagt, ich soll das jetzt machen; okay. – Ich glaube, wir sind da auch gar nicht so weit auseinander. Eigentlich sind wir überhaupt nicht auseinander, wir haben ja auch in der Enquete-Kommission mitgearbeitet und in der Tat beschlossen, dass wir jetzt die geringen – – „Hauptstadt“ ist ein bisschen groß. Wir haben etwa 10 Millionen Euro. Schön zu wissen, dass wir 10 Millionen Euro in Wertpapieren haben, die noch in schmutzigen Technologien stecken. Die stecken da drin, weil damit Pensionsverpflichtungen abgesichert werden. Es wird sicher einen Weg geben, die da rauszuziehen und trotzdem die Pensionsverpflichtungen abzusichern, auch ohne Investitionen in fossile Industrien.
Sie hatten ja schon das Beispiel Norwegen gebracht. Das ist ganz interessant: Norwegen ist eines der größten Beispiele, weil die ein irres Geld mit Öl und Gas verdienen und dann ihren Staatsfonds für die Zukunft aufbauen. Sie legen also Geld zurück. In der Zukunft wird Norwegen dann, nachdem es kein Öl und Gas mehr hat, auf diesen Fonds zurückgreifen können. Und deswegen investiert dieser Fonds natürlich vor allem in nicht-fossile Industrien.
Ein anderes gutes Beispiel hatten Sie auch genannt: Der Rückversicherer Munich Re hat immer wieder darauf hingewiesen, wie groß die Schäden sind, die durch den Klimawandel entstehen. Dann ist es völlig logisch, dass man, wenn man Prämien einsammelt, um Schäden in der Zukunft ausgleichen zu können, nicht in Industrien investiert, die diese Schäden verursachen. Da wäre man wahrscheinlich schlecht beraten. Insofern ist es auch völlig logisch, dass große deutsche Versicherer, die weltweit Risiken tragen, nicht mehr in fossile Industrien investieren. Das kann ich mir für das Land Berlin auch sehr gut vorstellen. Vielleicht ein Beispiel für Feinschmecker: Greenpeace wollte in die Braunkohlekraftwerke investie
ren, um sie eben zu beenden. Da muss man manchmal ein bisschen genauer hingucken. So etwas gibt es eben auch, dass man da reininvestiert, um etwas einem geordneten Ende zuzuführen, was aus Klimaschutzsicht auch gut sein kann.
Ich denke, es wäre nicht schlecht, wenn das mit den Haushältern im Hauptausschuss beraten wird und wir dann sehen, dass dieser, wenn auch sehr kleine, Anteil doch möglichst kostenneutral umgeschichtet wird. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Karsten! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Harald Wolf. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Klimagipfel in Paris hat nicht nur das Ziel bekräftigt, die Erderwärmung auf 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, sondern das Ziel sogar noch mal ambitionierter ausgestaltet; jetzt wird von 1,5 Grad gesprochen. Allein um dieses 2-Grad-Ziel zu erreichen, müssten 80 Prozent der heute bekannten fossilen Lagerstätten für Kohle, Öl und Gas in der Erde bleiben. Gegenwärtig passiert allerdings das genaue Gegenteil. Die großen Energiekonzerne, die internationalen Konzerne versuchen, immer mehr Lagerstätten zu erschließen, immer neue Lagerstätten zu entdecken, und das heißt nichts anderes, als dass sie damit versuchen, indem sie sagen, wir haben soundsoviel Lagerstätten zur Verfügung an fossilen Energien, ihren Aktien-, ihren Börsenwert zu steigern. Das ist völlig diametral zu all dem, was auf diesen internationalen Klimagipfeln vereinbart wird. Deshalb gibt es auch eine internationale Bewegung des Divestment, die sagt, wir müssen raus aus diesen Anlagen, wir müssen raus aus Investitionen, aus Aktien, aus Fonds, die diese internationalen Konzerne bei der Ausbeutung der Vorräte von fossilen Energien begünstigen und unterstützen.
Wir sind der Auffassung, dass Berlin sich an dieser internationalen Bewegung beteiligen soll, sich den Städten, den Institutionen, die sich schon für Divestment entschieden haben, anschließen sollte. Das hat einen gewissen symbolischen Wert. Wir haben schon darüber gesprochen; es ist erwähnt worden. Wir reden im Moment über etwa 10 Millionen Euro, die in fossilen Unternehmen investiert sind. Es ist ein wichtiges Signal aus der deutschen Hauptstadt zu sagen: Wir investieren nicht mehr in diese Bereiche. Wir sollten eine Stadt wie Münster nicht allein lassen, sondern an dieser Stelle sagen: Berlin nimmt seine Verantwortung wahr und proklamiert nicht nur den Kohleausstieg, sondern tut auch das, was es
Es ist schon angesprochen worden. Es ist auch durchaus ökonomisch sinnvoll, weil die Anlagen in Unternehmen, die ein wesentliches Geschäft im Bereich der fossilen Energien betreiben, durchaus risikobehaftet sind. Wenn man sich den Kursverfall der großen Energieunternehmen in Berlin von E.ON und RWE anschaut, von denen inzwischen Leute aus der Branche sagen, dass diese demnächst staatlich gerettet werden müssten, ist völlig klar, dass das keine sinnvolle Anlagestrategie für die Zukunft ist. Deswegen sagen auch wir, dass es sowohl ökologisch als auch ökonomisch geboten ist, aus diesen Investitionen auszusteigen.
Ich bin dafür, dass man im Hauptausschuss genau diskutiert, in welchen Fristen das geschehen kann, wie diese Anlagestrategie gegenwärtig aussieht, inwieweit hier vertragliche Bindungen existieren. Deswegen haben wir auch klar formuliert, dass wir hier schnellstmöglich aussteigen wollen. Man muss sich einmal ansehen, was die Stadt Münster diskutiert hat. Sie hat das Thema sehr genau untersucht und festgestellt, dass man durchaus rentabel und sicher aus den fossilen Anlagen aussteigen und ökologisch sinnvoll mit stabilen Renditen investieren und damit nachhaltig auch etwas für die Ökologie tun kann. Deshalb schlagen wir vor, dass das Parlament der Enquete-Kommission folgt und nicht nur eine Empfehlung zur Kenntnis nimmt, sondern aus dieser Empfehlung durch Beschlüsse Konsequenzen zieht. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Wolf – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Dr. Garmer. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Energiewende steht nicht zum ersten Mal auf der Tagesordnung dieses Hauses. Im Rahmen der EnqueteKommission haben wir uns auch schon über viele Aspekte der zukünftigen Energiepolitik über alle Fraktionen hinweg geeinigt. Wir sind uns beispielsweise darüber einig geworden, dass die Verstromung von Kohle nur noch eine Übergangstechnologie darstellt. In Berlin werden wir auch früher als andere aus der Kohlenutzung aussteigen. In Brandenburg wird die Kohle noch länger
Jetzt kommen aber Teile der Opposition mit einem Antrag, direkte und indirekte Investitionen des Landes Berlin in Unternehmen, deren Geschäftsmodell den Zielen der Klimaneutralität zuwiderläuft, zu beenden. Wenn wir diesen Antrag ernst nähmen, müssten wir zunächst einmal die Flughafengesellschaft privatisieren.
Es ist doch klar. Die Verbrennung von Kerosin hoch über den Wolken läuft den Zielen der Klimaneutralität diametral entgegen. Das kann jeder nachvollziehen. Die außereuropäischen Fluggesellschaften sind nicht einmal in den Emissionshandel einbezogen. Das geht also gar nicht. Als Zweites müsste dann der Finanzsenator die Gespräche mit der GASAG über den Einstieg des Landes Berlin sofort beenden, denn natürlich entsteht auch bei der Verbrennung von Gas CO2. Auch das geht dann nicht mehr.
Als nächstes kommen BVG und BSR. Hier wird es also trotz der vielen klimaschädlichen Dieselfahrzeuge wahrscheinlich keine Zustimmung von Grünen und Linken zur Privatisierung geben. Aber, verehrter Herr Kollege Schäfer, vielleicht können Sie Frau Dr. Nikutta dafür gewinnen, die Dieselbusse durch Bierbikes, klimafreundliche Fahrzeuge zu ersetzen, zumindest solange die Elektrobusse noch nicht funktionieren.
Ich könnte das jetzt weiter treiben. Aber im Ernst: Verglichen mit den konstruktiven und sachlichen Diskussionen, die wir in der Enquete-Kommission hatten, ist das hier wirklich ein absolutes Randthema. Um nicht missverstanden zu werden: Divestment als unternehmerische Strategie kann im Einzelfall durchaus sinnvoll sein. Das haben wir in der Enquete-Kommission festgestellt. Divestment aber als allgemeines politisches Programm wird doch maßlos überschätzt und ist nicht sinnvoll. Hier sollten wir uns auf das Instrument konzentrieren, das wir schon seit Jahren in Europa haben – den Emissionshandel zu stärken – und damit unsere Klimaziele erreichen.
Natürlich versucht die Finanzverwaltung auch heute schon wie die meisten Anleger, in soziale und ökologisch nachhaltige Anlagen zu investieren. Das ist auch vernünftig. Wir wissen alle, dass nur soziale und ökologisch nachhaltige Anlagen letztlich auch ökonomisch nachhaltig sind.
Die Kohlewirtschaft, aber auch genauso die noch verbleibenden Atomkraftwerke gehören noch eine ganze Reihe von Jahren dazu. Dies ist gesellschaftlich akzeptiert. Meiner Wahrnehmung nach sind es bei diesem Thema vor allem berufsmäßige Aktivisten der einschlägig bekannten Kampagnenindustrie, die hier auf der Suche nach
neuen Kampfbegriffen fündig geworden sind und versuchen, aus Divestment ein Geschäftsmodell zu machen, auf dass die Spenden wieder fließen.