Protokoll der Sitzung vom 18.02.2016

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Dann reißen Sie die Geriatrie ab, die Sie da aufbauen!]

In den 51 Berliner Kliniken an 62 Standorten findet natürlich eine außerordentlich gute Krankenhausversorgung statt. Während in anderen Bundesländern die Krankenhausplanung damit einhergeht, dass viele Krankenhäuser rote Zahlen schreiben – bis zu 40 Prozent aller Kliniken in Deutschland haben ökonomisch große Schwierigkeiten – und daher nicht über Qualität gesprochen werden kann, sondern nur über ökonomische Stabilität dieser Häuser, haben wir in Berlin eine ausgesprochen gute Versorgungsqualität. Wir haben stark ausgeprägte Leistungskonzentrationen und mit Schulte-Sasse das letzte Mal den Beginn einer Krankenhausplanung, der Schwerpunkte vorgesehen hat.

An dieser Arbeit von Schulte-Sasse haben wir angeknüpft. Es ist gut, dass 94 Prozent der Schlaganfallpatientinnen und -patienten direkt in einer Klinik mit vorgehaltener Stroke-Unit behandelt werden. Die restlichen 6 Prozent sind, wie Sie wissen, leider fehlerhafte Selbsteinweisungen. Es ist gut, dass der überwiegende Teil der Herzinfarkte in einer Klinik mit Fachabteilung für Kardiologie behandelt wird. Es ist auch gut, dass wir bei Charité und Vivantes Zentrenbildungen haben, beispielsweise für die Tumorbehandlung oder für andere wesentliche Erkrankungen. Auch in dem Unternehmen, in dem Sie einmal tätig gewesen und jetzt als Personalrat aktiv sind, ist das der Fall; auch bei Vivantes hat die Zentrenbildung dazu geführt, dass das Unternehmen auf einem guten Weg ist und es die qualitative Ausgangssituation weiterhin verbessern kann. Das tun wir mit diesem Krankenhausplan. Die qualitativ gute Ausgangssituation und die Tatsache, dass nicht jeder alles macht oder machen will, ist der Grund dafür, dass es den Krankenhäusern im Bundesvergleich so gut geht.

Mit dem Krankenhausplan 2016 haben wir drei Dinge getan: Wir haben den Krankenhausplan dem Bevölkerungswachstum angepasst, und wir haben sowohl die demografische Entwicklung Berlins als auch die Fortschritte in der Medizin berücksichtigt.

Noch ein Satz zum Facharztstandard. Sie wissen, Herr Kollege Albers: Der Facharztstandard ist die Voraussetzung für jedes Krankenhaus,

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

und zwar in dem Moment, wo Sie einen Schritt über die Schwelle einer Klinik tun. Das Neue an dem, was wir tun, ist aber, dass wir diesen mit der fachärztlichen Mindestbesetzung weiterentwickelt haben.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Welche Mindestbesetzung?]

Facharztstandard an 365 Tagen im Jahr – 24 Stunden lang – bedeutet, dass die im Krankenhaus tätigen Ärztinnen und Ärzte verpflichtet sind, nach anerkanntem und

gesichertem Standard der medizinischen Wissenschaft zu behandeln und die jeweilige Behandlung wie ein sorgfältiger Facharzt vorzunehmen. Das gilt auch bei nicht vorhandener Facharztanerkennung. Bislang war eine Mindestfacharztanzahl nicht Gegenstand des Krankenhausplans. Fachärztliche Mindestbesetzung geht aber über den Facharztstandard hinaus und beschränkt ihn nicht.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wer hat Ihnen das denn aufgeschrieben?]

Und selbstverständlich haben Sie recht, dass große Kliniken diesen Standard schon allein aufgrund der zu behandelnden Patienten überschreiten. Sie dürfen aber – und das ist das Neue – zum ersten Mal verbindlich nicht unterschritten werden. Das ist etwas, was Sie vielleicht auch noch mal bei einer Fortbildung bei der Ärztekammer überprüfen können, denn diese hat bei der Formulierung maßgeblich mitgewirkt, um den Standard zu verbessern.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Ist doch einfach nicht wahr!]

Aber, Herr Schruoffeneger, an einer Stelle haben Sie natürlich recht: Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass in den vergangenen Jahren teilweise Entwicklungen eingesetzt haben, denen wir entgegenwirken müssen. Der Wettbewerb der Krankenhäuser um höhere Versorgungsanteile und Erlössteigerungen – in Ballungsräumen in besonderem Maße – entfaltet in vielen Bereichen ein besonderes Maß an Wirkung. Dieses Bestreben der Krankenhäuser wird von einem verstärkten Fokus der Berliner Krankenhausplanung auf die Qualitätssicherung begleitet. Nur mit Qualitätsvorgaben – und wenn möglich auch mit Mindestmengenvorgaben – kann man der Leistungsausweitung, die nicht an diesen Kriterien orientiert ist, entgegenwirken.

Ich gehe vollkommen konform mit dem Kollegen Isenberg und dem Kollegen Ludewig: Im Gemeinsamen Bundesausschuss müssen wir dafür werben, dass diese Mindestpersonalvorgaben und Qualitätsvorgaben noch stärker als bisher berücksichtigt werden.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Herr Kollege Albers! Sie wissen, dass es gute Gründe gibt, warum nicht die Politik diese Mindestvorgaben festlegt: Dafür ist ärztlicher Sachverstand von besonderer Bedeutung. Es kann aber auch nicht sein, dass sich unterschiedliche Fachgesellschaften gegenseitig festfahren, sie mit den Krankenkassen nicht zu einer Einigung kommen und wir deswegen im Bund keine Vorgaben haben. Es muss klar sein: Es gibt ein bestimmtes Zeitfenster, wann diese Mindestvorgaben weiterentwickelt werden. Wenn das nicht der Fall ist, dann, da bin ich mir sicher, muss auch der Gesetzgeber – in diesem Fall der Bundesgesetzgeber – diese Veränderungsnotwendigkeiten erkennen und angehen.

Mit dem Krankenhausplan haben wir einen langen Prozess hinter uns. Wir haben drei Jahre in unterschiedlichen Arbeitsgruppen gearbeitet; es war eine Fülle an externen Beratern beteiligt. Am Nikolaustag des Jahres 2012 haben wir damit begonnen. Ein gesundheitspolitischer Sprecher war damals nicht dabei, das war Herr Albers. Andernfalls hätte er gewusst, wie wir diesen Krankenhausplan aufgesetzt, wie wir die jeweiligen Arbeitsgruppen eingerichtet haben. Wir haben uns damals mit Brandenburg und Hamburg abgestimmt. Wir haben die Eckpunkte des Krankenhausplans erstmalig in den Gesundheitsausschuss eingebracht – im Übrigen eine Veränderung gegenüber dem alten Krankenhausplan, die der Kollege Isenberg in das damalige Krankenhausgesetz gebracht hat, damit er vorher weiß, was Frau Lompscher in den Krankenhausplan schreibt. Der Gesundheitsausschuss hat dem Eckpunktepapier zugestimmt und klare Vorgaben gemacht, u. a. auch zum Thema Mindestpersonalquote. Diese Vorgabe haben wir im Bundesrat und in unseren Initiativen auf Bundesebene umgesetzt. Wir haben den Krankenhausplan mit dem Parlament zusammen entwickelt, und das war in dieser Legislaturperiode überhaupt das erste Mal möglich.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Was sind die Voraussetzungen für die quantitative und qualitative Sicherstellung der Krankenhausversorgung? – Ja, die Stadt wächst. Die Stadt wird bunter, und sie wird älter. Der demografische Wandel wurde im Krankenhausplan verankert. Wir haben die Betten der Charité nicht reduziert, sondern den zunächst geplanten Abbau im Hinblick auf die wachsende Stadt gestoppt, und ich denke, das ist auch gerechtfertigt. Damit erhielt die Charité im Vergleich zu den Vorgaben der Legislaturperiode, in der Sie Regierungsverantwortung hatten, 301 zusätzliche Betten. Wir haben die stationären und tagesklinischen Betten der Psychiatrie erweitert. Wir haben uns dabei auf die Empfehlungen des Landespsychiatriebeirates berufen. Wenn Sie im Krankenhausplan nachlesen, finden Sie, dass die Begründung dafür in dem Bericht und Gutachten des Landespsychiatriebeirates zu finden ist. Drittens haben wir dem Rechnung getragen, dass Berlin älter wird, und 312 zusätzliche Betten im Bereich der Geriatrie aufgenommen. Schließlich wurden – ebenfalls im Hinblick auf die demografische Entwicklung – 180 zusätzliche Betten in der Schlaganfallversorgung geschaffen und die notwendigen Kapazitäten der Rehabilitation erweitert.

Insgesamt wurden damit 1 300 neue Betten in den Krankenhausplan aufgenommen. Mit der Umsetzung des Krankenhausplans werden wir dann insgesamt knapp 22 000 Betten in Berlin haben. Wir haben dabei die regionale Verteilung verbessert, insbesondere in der geriatrischen Versorgung, und – etwas, was mir besonders wichtig war – auch die Trägerpluralität bewahrt. Es profitieren teilstationäre Angebote stärker in diesem Krankenhausplan als vollstationäre, um dem Grundsatz ambulant vor

(Senator Mario Czaja)

teilstationär, teilstationär vor stationär auch weiter gerecht zu werden.

Wir haben in diesem Krankenhausplan zum ersten Mal – das werden Sie auch nicht kleinreden können – Vorgaben zur Personalausstattung der Krankenhäuser aufgenommen. Es sind hierzu viele Dinge angesprochen worden: Vorgaben zur fachärztlichen Mindestbesetzung eines Plankrankenhauses – mindestens zwei Vollzeitstellen mit der der Abteilung entsprechenden Facharztweiterbildung –, ärztliche Leistungen werden überwiegend von den im Krankenhaus fest angestellten Ärzten erbracht – das fand noch gar keine Erwähnung –; früher waren Belegärzte im Krankenhausplan auch als eigene ärztliche Leitungen anerkannt.

Wir haben die Notfallkrankenhäuser enorm gestärkt, mit einer eigenen pflegerischen Leitung und einem eigenen Personalstamm für die ärztliche Leitung. Wir haben die Qualifikationen erweitert. Sie wissen das. Nur durch die Veränderung der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer, dass die klinische Notfall- und Akutmedizin als neuer Weiterbildungsbereich eingeführt wurde, war es uns möglich, diese Weiterbildungsqualifikation zur Verpflichtung aufzunehmen.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Wir haben die Intensivstationen gestärkt – natürlich, Herr Albers, das haben Sie auch zu Recht gesagt –: eine Pflegekraft für zwei Behandlungsplätze pro Schicht, bei speziellen Situationen bis zu einer Pflegekraft pro Behandlungsplatz und Schicht, Anteil an qualifizierten Intensivfachkräften: mindestens 30 Prozent. Das war bei Ihnen im Übrigen null. Null war es im früheren Krankenhausplan. Und wir haben die Anforderungen an die personelle Ausstattung von geriatrischen Abteilungen gestärkt.

Das sind verbindliche Personalvorgaben. Es ist richtig, bei Ihnen gab es keine Lyrik, bei Ihnen gab es dazu gar nichts, gar nichts zumindest in Bezug auf Personalvorgaben im Krankenhaus. Das ist eine enorme Entwicklung, die wir hier geschafft haben, und eine Entwicklung, bei der Sie wissen, dass es schwer war, diese mit den Krankenhäusern umzusetzen, weil die Krankenhäuser immer auf Empfehlungen des Bundes warten. Wir haben jedoch gesagt: Nein, wir wollen in Berlin Vorreiter für Mindestpersonalvorgaben sein. – Sie wissen auch, wenn Sie in den letzten Grünen-Krankenhausplan in NordrheinWestfalen schauen, dass kein einziger Krankenhausplan bei der Personalmindestvorgabe so weit geht wie der Berliner. Fragen Sie doch Ihre Grünen-Kollegin aus Nordrhein-Westfalen einmal, wie sie diesen Krankenhausplan in Berlin bewertet! – Sie wird sagen: Es gibt momentan zwei in Deutschland, die so weit gehen, der in Nordrhein-Westfalen und der in Berlin.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Oliver Friederici (CDU): Mit den Berliner Grünen redet doch keiner mehr!]

Und nun die Mär von den Investitionen: 20 Prozent im letzten Haushalt, 40 Prozent in diesem Haushalt, 110 Millionen Euro für die Krankenhäuser. Um es noch einmal für Sie, Herr Albers, einfach zu machen: 18 Euro pro Einwohner in Ihrer Legislaturperiode,

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Erzählen Sie doch nicht immer die alten Geschichten!]

jetzt 31 Euro. 4 400 Euro pro Bett in der alten Legislaturperiode Ihrer Zeit, jetzt 6 000 Euro je Bett, und in dieser Betrachtung ist SIWA gar nicht enthalten. Bei der Durchschnittsbetrachtung ist SIWA gar nicht mit drin, weil Sie recht haben: Es gilt nur für zwei Jahre. Aber das, was wir gemacht haben, ist für einen längeren Zeitraum. Das ist eine positive Entwicklung, zuzüglich der Stärkung der Universitätsmedizin, die noch mal selbst 53 Millionen Euro obendrauf bekommen hat. Das sind haushaltspolitische Möglichkeiten, die hier geschaffen werden – ja, das ist richtig –, die wir aber auch für die Krankenhausfinanzierung genutzt haben. Und das ist die wesentliche Veränderung zu Ihrer früheren Amtszeit.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Jetzt geht es im Krankenhausplan darum, diese avisierten Ziele umzusetzen. Nicht im Krankenhausgesetz und weitestgehend auch nicht im Krankenhausplan regeln Sie die jeweiligen einzelnen Sachen, sondern Sie regeln es im Feststellungsbescheid unter Einbeziehung der Qualitätsanforderungen. Da gehört es rein, und da werden jetzt all die Dinge hineingeschrieben, die diese Koalition in den Rahmenbedingungen vorgegeben hat und die in diesem Krankenhausplan stehen. Und wir schreiben dort auch rein, dass, sollte der G-BA Qualitätsindikatoren zur Krankenhausplanung anpassen, diese unmittelbar und sofort ebenso für die dafür notwendige Fachabteilung gelten. Dadurch ist es nicht notwendig, dass man immer eine Einzelfortschreibung hat, sondern es wird deutlich gemacht: Jede Mindestpersonalvorgabe, die im Bund kommt, wird sofort eins zu eins in den Berliner Kliniken umgesetzt. Und ja: Wir brauchen diese auch für die Normalstationen. Da gibt es sie derzeit leider noch nicht. Aber wir sind diesen Weg gegangen und nicht am Startpunkt stehengeblieben, wie das früher der Fall war.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Thomas Isenberg (SPD)]

Wir stärken mit diesem Krankenhausplan die Notfallversorgung. Wir führen Mindestpersonalvorgaben ein, da, wo sie bereits von Fachgesellschaften und vom G-BA vorgegeben sind. Und da, wo dies noch nicht geschehen ist, sagen wir deutlich, dass sie später in der Einzelfortschreibung bzw. im Feststellungsbescheid gültig werden. Wir sichern die Versorgung der älter werdenden Stadt. Wir begleiten dies mit einem enormen Anstieg der Investitionen, wie es ihn seit zwei Jahrzehnten nicht mehr

(Senator Mario Czaja)

gegeben haben. Ein guter Krankenhausplan, eine gute Krankenhausfinanzierung – und mein Dank gilt der Koalition und allen Mitarbeitern im Haus, die an dieser Aufgabe hart mitgearbeitet haben, aber natürlich auch den Fachgesellschaften!

Letzter Punkt, Herr Albers: Es ist übrigens das erste Mal wieder, dass ein Krankenhausplan beschlossen wurde, bevor er in Kraft trat. Wenigsten diese kleine Aufgabe hätten Sie beim alten Krankenhausplan schaffen können! – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Ich komme nun zu

lfd. Nr. 2:

Fragestunde

gemäß § 51 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Die Wortmeldungen beginnen wie immer in zwei Runden nach der Stärke der Fraktionen mit je einer Fragestellung an den Senat. Das Verfahren ist Ihnen bekannt. Die erste Frage steht der Fraktion der SPD zu. – Frau Kollegin Radziwill, bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich frage den Senat: Welche Folgen hat es für geflüchtete Menschen, wenn sie ohne eigenes Verschulden trotz mehrtägigen Wartens vor dem Ablauf ihres Aufenthaltstitels nicht beim LAGeSo vorsprechen können?

Herr Senator Czaja!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Radziwill! Der Aufenthaltstitel wird von der Ausländerbehörde erteilt und verlängert, die Aufenthaltsgestattung dann vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für drei Monate erteilt und danach dann vom LABO wieder verlängert. Insofern hat das Ablaufen eines Aufenthaltstitels keinen Zusammenhang mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales. Sollte ein Termin trotzdem notwendig sein – aber das ist in diesem Fall nicht nötig, weil die Verlängerung des Aufenthaltstitels eben von diesen beiden Institutionen

vorgenommen wird –, kann man dort auch vorsprechen und einen Termin finden, aber Auswirkungen hat das auf diese Personen nicht.

Vielen Dank! – Eine Nachfrage? – Bitte schön, Frau Radziwill!