Was Sie wollen ist, Geld in die Hand zu nehmen, Steuergeld der Berlinerinnen und Berliner, und das annähernd uferlos. Ich komme gleich zu den angeblichen Einschränkungen im Gesetz. Sie wollen es in den Kampagnen ausgeben. Wir haben in der Tempelhof-Auseinandersetzung einen Vorgeschmack davon bekommen – Kollege Lederer hat darauf hingewiesen. Sie sind auf die Stadtbibliothek, die Landesbibliothek und die Wohnungsbaugesellschaft zurückgekommen. An den Bushaltestellen fanden sich große Werbetafeln mit sehr geringem Informationsgehalt und sehr großem werbenden Anteil. Das ist offenbar das, was der Senat gern selbst machen möchte. Damals durfte er es noch nicht. Mit diesem heutigen Gesetzentwurf will er das tun dürfen.
Es geht nicht darum, die Berlinerinnen und Berliner besser zu informieren – damit wären wir völlig einverstanden –, sondern darum, hier werbend in den Prozess der Meinungsbildung eingreifen zu wollen und damit auch noch die Augenhöhe mit der Initiative zu verlassen. Denn es gibt überhaupt kein Regulativ, dass das irgendwie in Hinblick auf den Mitteleinsatz der Initiative beschränkt. Darüber könnte man noch reden, wenn man sagt, dass die Initiative angeben muss, woher die Gelder kommen. Sie setzen beispielsweise einen fiktiven Betrag von 500 000 Euro an – wenn sie so viel überhaupt haben; die meisten haben gar nicht so viel, sondern höchstens 100 000 Euro oder 150 000 Euro – der vom Senat auf diese Summe begrenzt wird, damit es wenigstens Augenhöhe und Gleichstand gibt. Nichts davon findet sich in Ihrem Gesetz. Dort steht das Wort angemessen. Es ist überhaupt nicht klar, worauf sich die Angemessenheit bezieht. Bezieht sich die Angemessenheit auf das sachliche Anliegen? Zu dem finanziellen Einsatz der Initiative findet sich kein weiteres aufklärendes Wort.
Deshalb werden wir es in Zukunft – wir werden uns das genau anschauen – mit solchen werbenden Kampagnen
zu tun haben. Wir werden es uns schon beim RadVolksentscheid – es ist zu erwarten, wir hatten es heute schon, dass diese soweit voranschreiten – ganz genau ansehen, was der Senat mit seiner neuen Regelungskompetenz hier macht und welche Kampagnen wir hier zu erwarten haben.
Ich sage Ihnen voraus, dass es das ist, was Sie wollen. Radiospots, Fernsehspots und an jeder zweiten Berliner Bushaltestelle oder auf den großen Wesselmanntafeln werden irgendwelche Geschichten stehen, ähnlich, wie es heute Herr Kreins erzählt hat:
ganz gemeine Benachteiligung der Autofahrer, völlige Entrechtung der Berliner Autofahrer durch den Volksentscheid Fahrrad; die armen Berliner Autofahrer können bald nicht mehr Auto fahren, weil es überall Radspuren gibt und Ähnliches. Auf diesem Niveau wird es vermutlich ablaufen. Ich sage Ihnen ganz deutlich, dass wir das nicht wollen.
Ein letzter Punkt, ganz kurz, zur Kostenerstattung: Die SPD sperrt sich leider schon seit Jahren in diesem Haus gegen die Kostenerstattung. Auch das wäre ein Mittel, wirklich einmal Augenhöhe herzustellen. Es geht nicht darum, dass man das massiv finanziert, sondern darum, annähernd die Kosten zu erstatten. Wir sprechen immer von 15 Cent pro Unterschrift. Das wären zur ersten Stufe 20 000 Euro, das wären zur zweiten Stufe 100 000 Euro. Das ist absolut im Rahmen. Da wird dann eingewendet, man würde damit womöglich Rechtspopulisten unterstützen. Das viel größere Problem ist, dass auch hier womöglich Ende des Jahres die Rechtspopulisten sitzen werden, wenn das in diesem Land so weitergeht,
[Zuruf: Die Rechtspopulisten sind ja schon da! – Zurufe von der CDU – Zuruf von Martin Delius (PIRATEN)]
und dafür werden viel, viel mehr Steuergelder aufgewendet als diese 20 000 Euro, wenn sie womöglich mal eine Volksinitiative starten. Lassen sie uns doch lieber mehr Gehirnschmalz dafür verwenden, wie wir das verhindern, dass hier in viel größerem Umfang durch Parlamentseinzug von Rechtspopulisten Steuergelder verausgabt werden, und lassen Sie uns die Initiativen aus der Zivilgesellschaft wenigstens finanziell in geringem Umfang anerkennen! Andere Bundesländer machen das; die Kostenerstattung gibt es in sechs Bundesländern, von SchleswigHolstein bis Sachsen. Die zahlen 1 Cent bis 28 Cent pro Unterschrift, pro Stimme im Endeffekt. Wir haben gesagt, 15 Cent ist das Richtige, um dieses zivilgesellschaftliche Engagement anzuerkennen, das wir wollen. Wir sagen ja zur direkten Demokratie, wir begrüßen, dass die Berlinerinnen und Berliner das in so großem Umfang nutzen, anders als der Regierende Bürgermeister, der der Meinung ist, man müsse das einschränken,
direkte Demokratie sei ein Instrument von wenigen und habe nichts mit mehr Demokratie zu tun, das ist das, was Sie bei der IHK leider erzählt haben. Das weist in die falsche Richtung. Wir wollen die direkte Demokratie in diesem Land stärken. Da ist das Gesetz ein Rückschritt, es weist in die falsche Richtung. Lassen Sie uns lieber über Fragen wie Terminfestsetzung, Kostenerstattung usw. ins Gespräch kommen, um die direkte Demokratie noch besser zu machen. Das wäre der richtige Weg. – Ich danke Ihnen!
Vielen Dank, Herr Dr. Behrendt! – Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat der Herr Abgeordnete Zimmermann. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss Sie noch mal ganz kurz in dieser Sache bemühen. Ich kann das so nicht stehenlassen, Herr Kollege Behrendt, was Sie als Anlass oder Motiv für die Gesetzesinitiative vorgetragen haben. Das ist eine komplette Legende. Ich weiß gar nicht, wie Sie darauf kommen! Was Herr Blesing gesagt hat, was in seinem Bezirksamt los war, das war eine Angelegenheit des Bezirksamts, das hat uns nicht motiviert, diese Gesetzesinitiative zu starten. Es war über einen längeren Zeitraum eine Interpretationsschwierigkeit, eine unterschiedliche Auslegung, was bei einer freien Unterschrift auf der Straße alles zu leisten ist und was nicht zu leisten ist. Da haben wir gesagt: Selbstverständlich muss das Geburtsdatum dabei sein, alles andere kann interpretiert sein.
Da hat die Landesabstimmungsleiterin gesagt: Nein, auch das kann fehlerhaft sein, wir interpretieren es hinzu. – Es gab in Berlin in verschiedenen Bezirken eine Unklarheit darüber, was jemand leisten muss, damit eine Unterschrift gültig ist.
Das war der Anlass, warum wir dieses Gesetz angefasst haben: Um Klarheit herzustellen, damit für alle im Sinne einer funktionierenden freien Straßensammlung klar ist: Wann ist meine Unterschrift gültig? – Alle haben jetzt eingeräumt, dass wir in dem Punkt nicht verschärfen. Das war der Ursprung der Gesetzesinitiative.
Zweite Anmerkung: Uns war im Prozess ganz wichtig festzustellen, dass der Senat gerade nicht alle möglichen
Aus verschiedenen Rechtsgründen! Wir haben im Gesetz festgehalten, dass das angemessen sein muss. Das bedeutet, angemessen in Bezug auf die Initiative, nicht auf irgendeine andere fiktive Größe. Es muss sich an dem orientieren, was die Initiative investiert und finanziert.
Der Senat kann nicht unverhältnismäßig darüber hinausgehen. Das ist gemeint mit „angemessen“. Außerdem gilt Haushaltsrecht. – Herzlichen Dank!
Werter Kollege Zimmermann! Sie sind doch Jurist! Warum schreiben Sie denn nicht ins Gesetz rein, was Sie wollen?
Warum schreiben Sie nicht rein, dass Sie den Einsatz des Geldes des Senats auf den Einsatz der Initiative beschränken wollen, so wie Sie es eben ausgedrückt haben? Das steht nämlich genau nicht drin. Es hätte doch nahegelegen – und das haben wir im Ausschuss auch eingefordert –, dass man das darauf beschränkt. Der Umstand, dass Sie das nicht ins Gesetz geschrieben haben, sondern ausschließlich heute hier mündlich vortragen – in der Gesetzesbegründung steht nicht einmal, worauf sich das Wort „angemessen“ bezieht –, lässt uns mutmaßen, dass Sie anderes im Schilde führen und dass Sie dem Senat mit diesem Gesetz einen Freibrief geben, eben doch in viel größerem Umfang, als die Initiative es kann, Gelder im Meinungskampf einzusetzen.
Es wäre sehr wünschenswert, wenn man hier die Augenhöhe erreichte. Wir stimmen heute gegen dieses Gesetz, weil genau dieses nicht in diesem Gesetz drinsteht.
Von daher: Hören Sie mit der Augenwischerei auf, und gucken Sie mal, was Sie in Ihren Gesetzentwurf genau hineingeschrieben haben! – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Dr. Behrendt! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Juhnke. – Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht heute nicht um das Recht auf Durchführung von Volksbegehren und Volksentscheiden. Das tasten wir gar nicht an, das hat auch Herr Lederer bestätigt, sondern es geht nur um die Rahmenbedingungen, die hier überprüft werden sollen. Da geht es im Wesentlichen um zwei Aspekte. Zum einen wollen wir eine einheitliche Anwendung der Spielregeln in allen Berliner Bezirken schaffen, und wir wollen die Befugnisse des Adressaten dieser Initiativen präzisieren, also: Was darf der Senat, und was darf das Abgeordnetenhaus von Berlin?
Wir wissen, dass wir, um den Initiativen größere Erfolgschancen einzuräumen, in Berlin die freie Sammlung erlaubt haben. Diese freie Sammlung hat natürlich auch ihre Tücken. Um Missbrauchspotenzial auszuschließen, müssen diese Unterschriften später beim Bezirk überprüft werden. Hierbei ist es zu unterschiedlichen Anwendungen gekommen. Selbstverständlich kann es nicht sein, dass die Gültigkeit einer Eintragung davon abhängig ist, in welchem Bezirk ich diese Unterschrift abgegeben habe, denn das wäre keine einheitliche Rahmenbedingung. – Herr Behrendt! Ich glaube, langsam ist es böswillig – aber Herr Zimmermann ist darauf eingegangen –, dass Sie immer wieder behaupten, wir hätten wegen des Missbrauchspotenzials oder anderer Dinge diese Regelung verändert.
Nein, darum ging es nicht. Es ging eindeutig um die Frage der unterschiedlichen Anwendungen in den Bezirken – um das noch mal deutlich zu unterstreichen. Deswegen haben wir in das Gesetz stringent eine widerspruchsfreie und eindeutige Regelung eingearbeitet und auch klargestellt, dass wir keine neuen Hürden aufbauen wollen. Diesen vereinzelt geäußerten Bedenken, dass hier Formalitäten eine Rolle spielen, sind wir begegnet und haben ein klares Prüfverfahren vorgelegt, das ich jetzt nicht noch mal wiederholen muss, weil wir darüber schon gesprochen haben. Wir haben es auch Leuten erlaubt, die aus irgendwelchen Gründen ihren Namen oder andere Dinge nicht eigenhändig am Stand eintragen können, aber wenigstens ihre Unterschrift eigenhändig dort abgeben können, und jemand anderes trägt das dann handschriftlich für sie ein. Die Regelung ist also eine Erleichterung.
Wir haben sogar auch die Abgabe erleichtert, dass nicht nur fristwahrend bei den Bezirksämtern abgegeben werden kann, sondern auch beim Landesabstimmungsleiter. Und wir haben die amtliche Mitteilung präzisiert, damit eine Chancengleichheit und bessere Verständlichkeit gegeben sind. Und zur Chancengleichheit und Unterstützung des demokratischen Diskurses haben wir auch die ausdrückliche Möglichkeit eingeführt, dass Senat und Abgeordnetenhaus ihre jeweilige Haltung zu dem Begehren öffentlich darstellen können.
Hier ist noch mal deutlich darauf hinzuweisen, dass das Gebot der Sachlichkeit einzuhalten ist und auch die Mittel angemessen verwendet werden. Das gilt insbesondere – das möchte ich noch mal unterstreichen – für das Abgeordnetenhaus, weil wir wissen, dass hier die Fraktionen ebenfalls in der Lage sind, ihre Auffassung zu kommunizieren. Im Regelfall gibt es auch keine einheitliche Abstimmung über bestimmte Auffassungen hier im Hause. Deshalb müsste sich ein Gremium, z. B. das Präsidium oder ein anderes Gremium, mit der Frage beschäftigen, ob und in welcher Form man überhaupt von diesen Bestimmungen Gebrauch machen will.
Das Ganze wirft natürlich Fragen auf. Wir haben auch in der Anhörung von Herrn Klinger gehört, dass bestimmte Dinge wahrscheinlich vor Gericht geklärt werden müssten. Gleichwohl wusste auch der Anzuhörende keine bessere Formulierung zu finden, sodass wir uns in der Frage durchaus bestätigt finden, was wir hier kodifizieren möchten.
Ich sage auch noch mal ganz deutlich zu der Frage, welche Gedanken sich Gerichte vielleicht später machen, was der Gesetzgeber gewollt hat: Wir wollen keine Propagandamaschinerie der Mehrheit dieses Hauses schaffen, das ist ganz eindeutig, sondern es geht eher um die grundsätzliche Klärung, dass das Abgeordnetenhaus das überhaupt darf. Von daher glaube ich, dass wir hier über wenige maßvolle Änderungen reden, die an einigen Stellen für die notwendige Präzisierung sorgen. Ich hoffe daher auf eine Mehrheit im Haus, zur Not auch in einer namentlichen Abstimmung. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Dr. Juhnke! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Weiß. – Bitte sehr!
Vielen Dank! – Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist noch nicht so lange her, dass wir über diesen Gesetzentwurf geredet haben, als er eingebracht wurde. Ich will mich also auf das konzentrieren, was sich in den Be
ratungen ergeben hat, was sich nicht ergeben hat und was man jetzt als Ausblick sagen kann – erst mal.
Auch wenn Sie, Herr Zimmermann, Herr Juhnke, in Ihren Redebeiträgen so getan haben, als wäre das, was jetzt im Gesetzesentwurf zur Unterschriftensammlungen steht, das, was Sie schon immer haben dort hineinschreiben wollen, ist es zu begrüßen, dass Sie dann noch einmal nachgebessert haben im Nachgang der Anhörung. In der Tat hat man mit dem, was da jetzt steht, lediglich eine Präzisierung dessen, was ohnehin schon vorher im Gesetz stand, nämlich dass die Unterschriften so geleistet werden müssen, dass nachvollziehbar ist, wem sie zugeordnet sind. Klargestellt wurde lediglich, dass das Geburtsdatum vorkommen muss. Das kann man machen. Ich sehe nach wie vor nicht, dass es einer solchen gesetzlichen Konkretisierung bedurft hätte, um eine einheitliche Rechtsanwendung in den Bezirken sicherzustellen, aber nun gut. Auch wenn das Ganze jetzt in der Tat einen etwas schalen Beigeschmack hat: Wenn es nur darum ginge, könnte ich mich noch zu einer Enthaltung zu Ihrem Antrag durchringen.
[Beifall von Martin Delius (PIRATEN) – Martin Delius (PIRATEN): Ich höre zu! – Dr. Klaus Lederer (LINKE): Ich höre die ganze Zeit zu!]