Protokoll der Sitzung vom 17.03.2016

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Zweiter Punkt: Wir werden erstmals ein landesweites Sperrsystem für Spielsüchtige bekommen. Sie können sich selbst sperren in den lichten Momenten, die sie haben, und eben nicht gleich in die nächste Spielhalle laufen, sondern haben die Möglichkeit, sich für Gesamtberlin sperren zu lassen.

Dritter Punkt: Illegale Spielgeräte können jetzt dauerhaft beschlagnahmt werden. Das ist aus der Praxis heraus wichtig. Sie können auch beschlagnahmt werden, wenn sie Dritten gehören. Oftmals gibt es heute Miet- und Leasingmodelle bei den Automaten an der Wand. Deshalb ist es wichtig, das so klarzustellen.

Vierter Punkt: Automaten zur Bargeldabhebung oder jegliche Zahlungsdienste verbieten wir in Spielhallen. Das ist wichtig, weil wir in der Praxis lernen mussten, dass Spielsüchtige, wenn das Bargeld ausgegangen ist, sich am Counter doch wieder frisches Geld besorgen konnten. Darum gibt es diese rechtliche Klarstellung. Wir sagen auch, dass Polizei und Ordnungsämter regelmäßig die Zuverlässigkeit noch intensiver als bisher kontrollieren müssen.

Dann wird auch gelten, dass Gaststätten und Imbisse, die sich gern als Gaststätten und Imbisse bezeichnen, aber eigentlich Café-Casinos sind und damit sehr nah an echten Spielhallen sind, zu behandeln sind wie richtige Spielhallen, wenn sie von außen so wirken, wenn sie das Gepräge einer Spielhalle haben. Das haben nicht nur Gerichte so gesagt. Das stellen wir auch im Gesetz klar.

Schließlich wird in diesen Gaststätten, Imbissen, CaféCasinos ab November 2019 die Anzahl der Geldgewinnspielgeräte von drei auf zwei reduziert werden müssen, weil das auch bundesrechtlichen Vorgaben entspricht, die wir hier auch explizit und bewusst in unser Berliner Gesetz übernehmen.

Der zweite große Punkt – das Erste waren fünf Seiten Änderungsantrag zum Spielhallengesetz, die Verschärfung – ist das Auswahlgesetz, das sogenannte Mindestabstandsumsetzungsgesetz. Das ist wunderbar für die nächsten Wortspiele geeignet. Was regeln wir dort in Kurzform? – Zunächst einmal gibt es eine Ausschlussfrist.

(Präsident Ralf Wieland)

Wer sich nicht innerhalb von drei Monaten als Bestandsunternehmen meldet, wird zum 31. Juli 2016 herausfallen. Dann wird es ein mehrstufiges, an Qualitätskriterien orientiertes Auswahlverfahren geben, entgegen allen Unkenrufen und der Behauptungen, wir würden Lotto- bzw. Losverfahren ausrufen. Es ist ein mehrstufiges Qualitätsverfahren. Zunächst einmal muss der Antragsteller seine Zuverlässigkeit nachweisen. Hat er Führungszeugnisse? Hat er Sachkundenachweise? Hat er ein Sozialkonzept für seine Spielhalle aufgestellt, ja oder nein? Wer das nicht hat, fliegt gleich hinaus. Dann kommt das Kriterium Abstandsregelung. Da werden wir im Sonderverfahren eine etwas kürzere Distanz vorgeben, die aber dadurch auch besonders klar ist, nämlich 200 Meter Mindestabstand zur nächsten Oberschule oder berufsbildenden Schule. Das gilt von Gebäudeecke zu Gebäudeecke. Da kann jeder auf dem Stadtplan im Internet den Zirkel schlagen. 200 Meter Abstand müssen mindestens zu einer Oberschule einzuhalten sein, sonst kann es keine Weitergenehmigung für Bestandsspielhallen geben. Es wird dann das durchgesetzt, was wir vor viereinhalb in das Berliner Spielhallengesetz geschrieben haben: Damals galt es nur für neue Spielhallen, jetzt gilt es für alle, die vorhanden sind, für die Bestandsunternehmen. Es müssen 500 Meter Abstand von einer Spielhalle zur nächsten sein, damit wir den Spielsüchtigen, den Spielenden die Möglichkeit bieten, auf andere Gedanken zu kommen, bevor sie von einer Spielhalle in die nächste fallen können.

Es wird sicherlich auch mal Konstellationen geben, wenn man auswählen muss bei den Bestandsspielhallen: Welche Kombination bleibt denn nun übrig, diese zwei oder jene zwei, diese drei oder jene drei in einem einzelnen Kiez? Dazu wird, wenn es das zu entscheiden gibt, ein computergestütztes geomathematisches Verfahren angewandt, Daten des statistischen Landeamts, wissenschaftlich aufbereitet mit einem Computerprogramm von der Humboldt-Universität, um diese größtmögliche Anzahl entsprechend unterzubringen; denn das müssen wir gewährleisten, wenn wir das Gesetz rechtssicher umsetzen wollen. Dann erst, in der allerletzten Stufe, nachdem festgestellt wurde, wer nach diesen Filterstufen übrigbleibt, gibt es gleichwertige Auswahlmöglichkeiten: diese Dreierkombination oder diese Dreierkombination? Dann und nur dann wird es zu einem Losverfahren kommen, als letzte Möglichkeit. Alles andere wäre nicht der richtige Weg.

Erlauben Sie mir noch kurz den Hinweis: Ich war am Montag im Wirtschaftsausschuss sehr überrascht. Die Linksfraktion ist normalerweise – normalerweise! – relativ unverdächtig, dass sie sich von Lobbyisten oder von großen Verbänden viel aufschreiben lässt, aber in diesem Fall habe ich das Gefühl, Kollegin Matuschek, dass die Argumente, die Sie am vergangenen Montag herangezogen haben, eins zu eins aus dem Handbuch der Automatenlobbywirtschaft abgeschrieben waren. Sie haben sogar

die Karten der Automatenwirtschaft hochgehalten. Das ist sehr überraschend, denn was Sie dort an Kritik angebracht haben, galt eigentlich größtenteils unserem ursprünglichen Spielhallengesetz von 2011, Kollegin Matuschek! Das haben Sie mit verabschiedet!

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir es heute im Plenum schafften, dass die ganz große Mehrheit des Parlaments sagt: Ja, das Spielhallengesetz hat sich bewährt. Wir haben es geschafft, dass es seitdem in Berlin keinen Zuwachs mehr gegeben hat. Wir haben seitdem eine kontinuierliche Abnahme. Wir machen jetzt die Verschärfung, um zu zeigen: Die Durch- und Umsetzung muss auch vor Ort in der Praxis funktionieren, für die Ordnungsbehörden. Und schließlich: Fünf Seiten Extragesetzestext, um zu sagen, welche von den Bestandsspielhallen nach jetzt fünf Jahren Übergang zumachen müssen!

Das Artikelgesetz, das wir hier vorlegen, ist ein sehr gut abgewogenes und, ich glaube, auch rechtssicheres Gesetz; denn alles, was bisher dagegen vorgebracht wurde, alle Klagen der Automatenbetreiber und der Lobbyverbände haben vom Land Berlin abgewehrt werden können. Alle bisherigen Gerichtsurteile bis zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, bis zum Berliner Verfassungsgerichtshof haben uns gesagt: Ihr habt im Sinne der Stadt entschieden! Ihr habt richtig entschieden, die Spielsucht zurückdrängen zu wollen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass es wieder lebenswerter ist, durch Straßen zu laufen, wo nicht Spielhalle an Spielhalle an Wettbüro an Spielhalle grenzt. Das werden wir heute vervollkommnen. – Ich danke Ihnen sehr für die Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Für die Grünen hat jetzt der Kollege Behrendt das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir Grünen haben den Kampf des Landes Berlin gegen die Spielhallenflut von Anbeginn an mit getragen und mit unterstützt, und wir werden auch – anders als andere, Sie werden es gleich hören – daran festhalten und diesem Gesetzentwurf der Regierungskoalition heute unsere Zustimmung geben.

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Oh! von der CDU]

Es ist einmal an der Zeit, das Engagement des Kollegen Buchholz zu würdigen.

[Ah! von der SPD]

(Daniel Buchholz)

Der Kollege Buchholz hat hier einen Missstand festgestellt. Er hat dann Sachverstand erworben, hat sich mit Suchthilfeträgern unter anderem im Café Beispiellos zusammengesetzt und Abhilfevorschläge entwickelt. Er hat diese Abhilfevorschläge gegenüber der Verwaltung durchgesetzt, woran andere über Jahre gescheitert sind. Er ist über Jahre am Ball geblieben. Das ist nicht immer einfach. Und er hat die eigene Fraktion von den Abhilfevorschlägen überzeugt. Das ist ihm in diesem Fall gelungen, anders als beim Vergabegesetz, wo die Fraktion ihn ziemlich allein stehen ließ. Und er hat zuguterletzt auch den Koalitionspartner davon überzeugt. Auch das ist nicht unbedingt selbstverständlich! Es gibt in den Reihen der CDU eine gewisse Allergie gegen Verbotspolitik.

[Zuruf von Andreas Gram (CDU)]

Das ist insbesondere immer in Richtung meiner Fraktion, meiner Partei.

[Zuruf von Andreas Gram (CDU)]

Hier geht es um knallharte Verbotspolitik. Da wird verboten, dass die Spielhallen nachts aufhaben. Da wird verboten, dass man dort Getränke ausschenkt. Da wird verboten, dass man dort raucht. Da wird verboten, dass man da Geld ziehen kann. Ein Verbot nach dem anderen! Aber das ist an dieser Stelle richtig und notwendig. Deswegen finden wir die Verbotspolitik, die die Koalition vorschlägt, richtig.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Kollege Behrendt! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schreiber?

Aber bitte!

Herzlichen Dank! – Nach dieser Lobhudelei, die auch richtig ist, wollte ich einfach nachfragen: Was haben Sie eigentlich dazu beigetragen?

[Heiterkeit bei der SPD und der CDU]

Die Lobhudelei ist ja noch gar nicht fertig, Kollege! – Ich finde, dass der Kollege Buchholz als Abgeordneter an dieser Stelle wirklich beispielgebend gearbeitet hat.

[Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]

Ich würde mir mehr solche Abgeordneten wünschen, denn die sind für die parlamentarische Demokratie gut.

[Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von der CDU]

Jetzt aber Schluss mit der Lobhudelei, jetzt ein kleines bisschen Wasser in den Wein, das werden Sie verkraften, Kollege Buchholz! Was Sie neben dem vielen Richtigen, das Sie gemacht haben, noch hätten machen können: Sie hätten mit den Betroffenen ruhig einmal das Gespräch suchen können.

[Zurufe von der SPD]

Sie waren zu dem Treffen der Automatenaufsteller eingeladen. Dort haben Sie abgesagt. Dann haben sie sich an mich gewandt. Ich bin dann da hingegangen. Ich habe das Gespräch mit denen gesucht – das war bestimmt nicht vergnügungssteuerpflichtig – und mich da in einer ganz eigenartigen Rolle befunden, weil ich plötzlich die Koalitionspolitik erklären und auch verteidigen musste.

[Andreas Gram (CDU): Weiter so!]

Ich habe das gemacht, weil das an dieser Stelle völlig richtig ist.

[Beifall bei der SPD]

Aber ich finde, dass das dazugehört: Wenn man eine Branche so stark an die Kandare nimmt, wie Sie es mit der Automatenglücksspielindustrie hier tun, dann sollten Sie auch das Gespräch nicht verweigern, denn auch das sind Leute, die einen Anspruch auf Diskurs haben und auch durchaus ihre Nöte und Sorgen vortragen dürfen sollen. Zumindest sollte man sich damit auseinandersetzen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Das vielleicht für die Zukunft! Suchen Sie das Gespräch mit denjenigen, die von Ihrer Politik betroffen sind!

Kurz zu unserem Antrag, der neben dem Gesetz heute zur Abstimmung steht: Dort geht es um die Frage, wie viele Glücksspielgeräte in einer Gaststätte aufgestellt werden dürfen. Ursprünglich waren zwei erlaubt, das wurde ausgeweitet auf drei. Das ist die Grundlage für den Wildwuchs an den Café-Casinos. Diese Café-Casinos – Sie wissen das, wir haben das hier diskutiert – sind der Missbrauch dieser Möglichkeit, indem man einen Gewerberaum in mehrere Räume unterteilt und dann in jedem drei dieser Geräte aufstellt. Das sieht nach außen aus wie eine Spielhalle, ist aber keine, sondern ist ein Missbrauch der Regelungen zum Aufstellen in Gaststätten. Davon, dass man dort drei aufstellen kann, wollen wir weg. Wir sagen, dass ein Gerät reicht. Dann wäre das Café-Casino auch nicht mehr so attraktiv. Der Kollege Buchholz hat darauf hingewiesen: Der Bundesverordnungsgeber, das Bundeswirtschaftsministerium, hat sich darauf verständigt, dass sie immerhin 2019 – das ist noch lange hin – auf zwei Geräte heruntergehen wollen. Da könnten wir uns weiterhin mehr vorstellen, deswegen unser Begleitantrag, hier noch mal einen Vorstoß zu unternehmen, auf eins zu gehen.

Eins müssen wir uns klarmachen: Die Problematik ist größer als bei den Spielhallen. Die Café-Casinos spielen da eine Rolle, das illegale Glücksspiel spielt eine Rolle, und die Wettbüros spielen eine Rolle. Die Befürchtung, die durchaus besteht, ist, dass die Spielhallenbetreiber, wenn wir ihnen die Hallen im nächsten Jahr schließen, auf Café-Casinos ausweichen und es hier einen Aufwuchs geben wird. Das ist zum einen ein Problem der Kontrolle, das ist zum anderen aber auch ein Problem dieser Regelung, die das überhaupt erst ermöglicht. Darum wäre das die richtige Begleitmaßnahme.

Schlussendlich bleiben wir bei unserem gemeinsamen Ziel: Wir wollen weniger Spielhallen für Berlin, wir wollen weniger Spielautomaten in ganz Berlin, wir wollen weniger Glücksspielsuchtgefahren schaffen. Wir werden das, wie gesagt, heute mittragen.

Mein letzter Wunsch, auch in Richtung der Bezirksverwaltungen, die das dann umsetzen: Möge die Umsetzung gelingen! Das ist eine wichtige Maßnahme, die wir heute noch mal unterstützen. Es ist aber wichtig, dass das auch exekutiert wird und dass Anfang nächsten Jahres – Sie verlängern die Frist noch mal um ein halbes Jahr – die Spielhallen, da, wo es viele gibt in den Bezirken, die wir alle kennen, bitte auch wirklich geschlossen werden. – Glückauf!

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Evers das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Lieber Herr Kollege Behrendt! Ich übernehme mal die Lobhudelei für den Rest der Koalition. Zunächst einmal rufe ich gern in Erinnerung, dass es die CDU-Fraktion war, die seinerzeit den Impuls dazu gegeben hat, die Spielhallengesetzgebung im Land Berlin zu novellieren. Der erste Entwurf kam von uns. Man hat ihn dann in diesem Haus gemeinsam weiterentwickelt. Wie es so ist mit Oppositionsentwürfen: Sie werden gern mal links liegen gelassen, und nach einer kleinen Schamfrist holt man sie dann als Koalition wieder hervor. Das ist seinerzeit geschehen. Das haben wir in der Sache nicht kritisiert, nur im Verfahren, und anschließend natürlich mitgetragen. Auf die breite Zustimmung hat der Kollege Buchholz ja schon hingewiesen. Insofern haben wir die Zielstellung von Vornherein geteilt. Da weise ich Anwürfe auf das Schärfste zurück.