Protokoll der Sitzung vom 17.03.2016

Dringliche Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/2791

Erste Lesung

Hierfür ist Dringlichkeit beantragt. Wird der widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die erste Lesung. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage federführend an den Ausschuss für Wissenschaft und mitberatend an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen und an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Tagesordnungspunkt 10 ist bereits in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 1 beraten worden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 11:

Mitarbeiter/-innen von privaten Sicherheitsunternehmen individuell kennzeichnen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 29. Februar 2016 Drucksache 17/2765

zum Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/2529

In der Beratung beginnt die Piratenfraktion. Kollege Lauer hat das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag wollte die Piratenfraktion bezwecken, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen, die im Auftrag des Landes Berlin arbeiten, mit einer mindestens fünfstelligen Nummer gekennzeichnet werden, damit nachvollziehbar ist, mit wem man es zu tun hat. Das ist sinnvoll, weil es zum Beispiel im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen im Land Berlin immer wieder zu Berichten und Gerichtsverfahren gekommen ist.

Mit Verlaub, liebes Präsidium! Ich komme damit klar, dass mir vorn keiner zuhört. Wenn ich aber von hinten auch noch beschallt werde, dann ist das schwierig. Es kann sein, dass ich das falsch wahrgenommen habe, aber ich würde mich freuen, wenn ich die Geräusche nur aus einer Richtung bekomme.

Es wird kein Schall mehr von hinten kommen.

Das ist super! Dann kommt der Schall nur noch von vorn.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt auch Gerichtsverfahren, in denen es darum geht, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen die Leute verprügeln, die sie eigentlich beschützen sollen. Das geht natürlich nicht.

Jetzt haben wir uns diesen Antrag ausgedacht. Er wäre auch relativ easy umzusetzen, denn der Gesetzgeber kennt das schon. Es ist auch schon heute so, dass Securitymitarbeiter vor Diskotheken oder wenn sie im öffentlichen Raum patrouillieren, ein Namenschild tragen müssen, auf dem steht, wer der Arbeitgeber ist. Soweit, so gut. Das Land Berlin hat eine analoge Regelung im Bereich der Polizeikennzeichnung, wobei sich die Polizei mittlerweile damit rühmt, dass es mit ihrer Kennzeichnung ganz toll ist und alles super gut funktioniert. Nur im Bereich der privaten Security sagt das Land Berlin, wenn wir als Land private Security engagieren, für welche Sicherungsaufgaben auch immer, dann wollen wir nicht, dass diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gekennzeichnet sind. Das ist schlecht, weil die Nachvollziehbarkeit für die Betroffenen von Übergriffen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterinnen von Securityunternehmen nicht gegeben ist, und es auch in der Zukunft so sein wird, wenn es zu Übergriffen kommt, diese möglicherweise gar nicht erst angezeigt werden können, weil die Betroffenen nicht wissen, wer sie angegriffen hat. Wenn Sie sich beispielsweise dieses wunderbare Unternehmen Spysec ansehen, das meines Wissens noch immer vor dem LAGeSo steht, obwohl es hieß, es arbeitet da nicht mehr, werden Sie feststellen, dass die alle rote Jäckchen anhaben. Dann können Sie auf der Polizeiwache erst einmal erklären, welcher von den Herren oder welche von den Damen mit den roten Jäckchen Sie gerade verprügelt hat oder sonst irgendwas.

Es ist schade, dass es bei der Beratung im Ausschuss, obwohl die SPD zumindest hat durchblicken lassen, dass sie sich so etwas vorstellen könnte, nicht möglich war, mit dem Koalitionspartner CDU zu einer Einigung zu kommen und irgendetwas zu beschließen. Wenn man sich die Beratungen im Innenausschuss anguckt, lässt sich festhalten, dass es eine theoretische Mehrheit in diesem Parlament gäbe, um eine materielle Verbesserung für die Betroffenen herbeizuführen, aber aus Koalitionsräson sagt man: Wir beschließen das nicht.

[Unruhe]

Richtig absurd wird das Ganze aber in dem Moment, in dem sich der Vorsitzende – ich habe mir den Namen des Verbandes extra aufgeschrieben – des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft, der die Interessenvertretung dieser Securityfirmen ist, im Zuge dieser Debatte im Berliner Abgeordnetenhaus und im Zuge der Beratung im Innenausschuss dafür ausgesprochen hat, dass es eine

(Vizepräsident Andreas Gram)

Kennzeichnung gibt. Selbst diese Branche will es, selbst sie will es, weil sie sagt, sie schafft Transparenz, sie macht es schwarzen Schafen schwerer.

[Unruhe]

Entschuldigung, Herr Kollege, darf ich kurz unterbrechen! – Es herrscht hier ein Lärmpegel. Es ist jetzt nicht mehr lange, meine Damen und Herren Kollegen. Bitte bringen Sie noch Konzentration auf und konzentrieren sich auf den Redner! – Danke!

Wie gesagt, ich habe schon registriert, dass man mir nicht zugehört hat. Aber man kann es nachher im Internet hochladen, und dann können es sich Leute angucken, die es tatsächlich interessiert.

Ich war fast am Ende. Es lässt sich hier festhalten: Es gibt theoretisch eine Mehrheit in diesem Parlament dafür. Der Verband, der die Berufsgruppe vertritt, spricht sich auch dafür aus. Die Einzigen, die es nicht wollen, sind die Damen und Herren von der CDU. Das verwundert mich nicht. Aber so ist das im Leben, man kann nicht alles haben. – Vielen, lieben Dank!

[Peter Trapp (CDU): Bundesrecht ist Bundesrecht!]

Vielen Dank, Kollege Lauer! – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Kollege Schreiber vor tatsächlich ganz stiller Kulisse. Das ist sehr angenehm. – Bitte, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Das ist ein sicherlich wichtiges Thema. Wir wissen, dass das Bewachungsgewerbe mittlerweile zur Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland gehört. Dabei geht es nicht um die Frage der Zuverlässigkeit von Unternehmen im Sicherheitsbereich, sondern auch um die Frage der Qualifikation beispielsweise, aber auch um die Frage, sind es Mitarbeiter, die nicht strafrechtlich aufgefallen sind, wie auch immer. Die Bundesregierung hat im Bereich des Bundesministeriums für Energie und Wirtschaft in einem sogenannten BundLänder-Ausschuss im Bereich Gewerberecht eine Arbeitsgruppe gegründet gehabt. Diese legte Ende November einen guten Vorschlag vor, ein Eckpunktepapier zur Frage: Wie geht es eigentlich weiter mit dem Bewachungsgewerbe? – Hintergrund war die Geschichte gewesen, die Nordrhein-Westfalen betraf, wo Rechtsradikale im Bereich der privaten Sicherheitsunternehmen Flüchtlingsunterkünfte mit bewacht hatten.

[Peter Trapp (CDU): Berlin!]

Wir hatten im Land Berlin, darauf will ich jetzt kommen, Herr Kollege, im Innenausschuss die Debatte zu dem Thema, zur Frage individuelle Kennzeichnung von Mitarbeitern im Sicherheitsgewerbe. Die Diskussion im Ausschuss hat gezeigt, dass das Thema wichtig ist, dass wir auch klar gesagt haben, wir lehnen erstens den Antrag ab, weil er sozusagen nur einen Kern umkreist, aber eben nicht das große Ganze. Was wir aus der Diskussion mitgenommen haben – Kollege Zimmermann hat es auch deutlich gemacht –, ist, dass der Ausschuss fraktionsübergreifend Interesse hat, dieses Thema noch mal zu beleuchten, Herr Lux. Das war auch ein Stück weit der Gedanke von den Grünen, und das werden wir auch gern noch tun wollen.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Macht mal!]

Ich möchte noch auf zwei, drei Punkte eingehen bei der Frage, was eigentlich konkret anliegt. Wir haben im Land Berlin über 545 Sicherheitsunternehmen im Bereich der privaten Sicherheitsunternehmen. Wir haben im Jahr 2015 ca. 16 Untersagungen gehabt. Die Untersagung vollziehen die Ordnungsämter. Wir haben die Situation, dass dieser Bereich sehr wohl einer Kontrolle unterliegen muss, dass es sehr richtig ist, was der Bund in dem Eckpunktepapier gesagt hat, beispielsweise, dass wir die Zuverlässigkeit der Mitarbeiter alle drei Jahre überprüfen; dass es darum geht zu schauen, ein bundeseinheitliches Bewachungsregister einzuführen. Das wird momentan geprüft. Auch bei der Frage – das war die Quintessenz des Antrags –, brauchen wir eine Kennzeichnung: Das prüft gerade noch der Bund, und zwar, einen bundesweit einheitlichen Ausweis herzustellen. Ich bin froh, das ist jedenfalls meine Information, was das LAGeSo betrifft, dass das dort mittlerweile gang und gäbe ist. All die Menschen, die dort arbeiten und vor Ort tätig sind, tragen mittlerweile einen Ausweis bzw. eine Kennung mit Bild. Und jeder weiß dort, wer sich bewegt.

Ich denke, dass wir gut beraten sind, nicht nur diesen Antrag abzulehnen, weil er etwas kleinteilig ausfällt, sondern dieses Thema noch mal so aufzugreifen, wie Herr Lux das im Innenausschuss beschrieben hat. Es ist ein wichtiges Thema. Mit allen Fraktionen zusammen sollten wir die Punkte, die der Bund vorgeschlagen hat, im Ausschuss diskutieren und dann im Land Berlin umsetzen können. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Kollege Schreiber! – Kollege Lux spricht jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und erhält das Wort.

(Christopher Lauer)

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist es richtig, dass wir das Thema private Sicherheitsdienste noch mal neu aufgreifen werden hier im Parlament und auch im Innenausschuss, denn die private Sicherheitsbranche boomt. Es gibt eine Goldgräberstimmung weit und breit aufgrund der zunehmenden Einwanderung von geflüchteten Menschen, aber nicht nur dort, sondern auch, weil bei Einbruchsdiebstählen die Polizei aus der Fläche zurückgezogen wird, übrigens unter der Ägide dieses Innensenators, der sich dort hinten hinter meine Fraktion gesetzt hat. Aber ich finde, er sollte lieber hier sitzen, um zuzuhören. Ich weiß gar nicht, ob ich das beantragen darf.

[Zuruf von der SPD: Nein!]

Nein? Gut, dann soll er die Gastfreundschaft meiner Fraktion da hinten genießen, aber vielleicht dann wenigstens so tun, als ob er zuhören würde, und nicht mit irgendwelchen Linksfraktionsabgeordneten reden, denn – –

[Zuruf: Sind Sie eitel!]

Könnten Sie vielleicht kurz mal die Zeit anhalten, Herr Präsident? – Ich finde schon, dass der Innensenator sich hier anhören müsste, dass in seiner Zeit, in der Zeit dieses Innensenators, die Bediensteten beim privaten Wachschutz von der Zahl 8 000 im Jahr 2008 auf 13 000 im Jahr 2013 zugenommen haben, und heute sind wir bei schätzungsweise 17 000, 18 000 Personen angelangt. Das heißt, mittlerweile gibt es im Land Berlin mehr private Sicherheitsbedienstete als Polizistinnen und Polizisten. Da kann ich ja sagen: Herzlichen Glückwunsch, Herr Henkel! Wahrscheinlich vertrauen die Berlinerinnen und Berliner mittlerweile leider mehr darauf, einen privaten Wachschutz zu engagieren, als sich auf ihre Polizei zu verlassen. Und das ist wirklich ein trauriger Tiefpunkt der inneren Sicherheit.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Tom Schreiber (SPD): Zwei haben geklatscht!]

Sie werden es aber noch merken, wozu das führen wird, wenn der Staat sich zurückzieht, wenn das staatliche Gewaltmonopol sich zurückzieht, dann wird das für uns alle schwere Folgen haben, nicht nur in den Flüchtlingswohnheimen, sondern in ganz Berlin. In diese Richtung ging ja auch unser Antrag, nicht nur eine fünfstellige Kennzeichnung für die Sicherheitsdienste einzuführen, sondern generell zu fragen: Welchen Regelungsbedarf und auch welchen Vollzugsbedarf haben wir im Land Berlin angesichts dieser steigenden Zahl von privaten Sicherheitsleuten? – Ich sage Ihnen, tatsächlich, wie auch Herr Lauer ausgeführt hat, das Haus ist hier weiter. Der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft will auch diese Reformen, will auch eine bessere Ausbildungszeit. Momentan muss man ja nur 40 Stunden bei der IHK ablegen, um sogar ein Gewerbe im privaten Sicherheitsdienst zu leiten. 40 Stunden – das reicht bei Weitem nicht aus, um den gestiegenen Anforderungen an den privaten Sicher

heits- und Wachschutz zu genügen. Das muss erhöht werden. Und wenn ich das richtig verstanden habe, ist auch der Bundeswirtschaftsminister da auf unserer Seite, hier die gesamte Opposition und Teile der SPD. Deswegen kann ich Ihnen nur sagen: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Eindrücklich wird das deutlich, wenn man sich die Zeitungsüberschriften zu den Tätigkeiten des – –

Kollege Lux! Ich muss Sie noch mal einen Moment unterbrechen. – Meine Damen und Herren! Wenn Sie Gespräche führen, dann tun Sie das bitte draußen!

[Oliver Friederici (CDU): Das liegt am Redner!]

Ich finde es nach wie vor sehr unhöflich gegenüber einem Redner, nicht zuzuhören. Wenn Sie etwas anderes machen wollen, dann gehen Sie raus oder machen Sie es leise. Danke!

Vielen Dank, Herr Präsident! Aber wahrscheinlich ist die Wahrheit so bitter für einige Menschen, dass sie hier bewusst nicht zuhören wollen. – Aber tatsächlich – das muss ich Ihnen noch antun – steigen die Zahlen der Angriffe von privaten Sicherheitsdiensten auf Flüchtlinge. Die „Welt“ titelte zu Recht: „Wer schützt Flüchtlinge vor den Wachleuten?“ Es ist bekannt geworden, dass in einer Notunterkunft für Flüchtlinge in Berlin-Karlshorst Massenschlägereien stattgefunden haben, die Sicherheitsleute ausgelöst haben. Der Leiter einer Flüchtlingsunterkunft in Pankow wurde schwerst verletzt durch Sicherheitsdienste. Wir kennen die Berichte aus dem Oktober 2015, wonach Wachleute wie bei Straßengangs üblich auf Flüchtlinge vor dem LAGeSo einprügelten, weil dort nicht für Sicherheit und Ordnung gesorgt werden konnte. Also: Es wird höchste Zeit, nicht nur im Bereich von Flüchtlingswohnheimen, sondern generell hier den Wachschutz besser zu kontrollieren, höhere Anforderungen und Qualifikationen bei privaten Sicherheitsdienstleistern einzufordern. Und das sollten wir lieber jetzt tun und nicht verschieben. Deswegen bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie dem Antrag der Piratenfraktion zu! – Herzlichen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Kollege Trapp. – Bitte sehr, Kollege, Sie haben das Wort!

[Christopher Lauer (PIRATEN): Da bin ich aber gespannt!]