Protokoll der Sitzung vom 14.04.2016

Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Die Presse ist leider nicht mehr da, aber der Antrag ist schon sehr witzig. Erst heute habe ich verstanden, was eigentlich der Kollege Reinhardt damit meint. Er wollte nur die Debatte und keinen ernstzunehmenden Antrag.

[Fabio Reinhardt (PIRATEN): Nein, das haben Sie falsch verstanden!]

Denn das ist wirklich ein Spaßantrag.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Als ob Debatten mit Ihnen Spaß wären!]

Wir haben diese Debatte in den Ausschüssen Bürgerschaftliches Engagement und auch im Hauptausschuss

geführt, wir haben fast jeden Punkt ordentlich beraten. Das, was Sie dort vorschlagen, ist definitiv nicht zielführend, Herr Reinhardt. Ich könnte es auch anders formulieren: Ich habe Zweifel, was für ein Demokratieverständnis Sie haben. Ich habe Zweifel, ob Sie das parlamentarische System verstanden haben. Ich habe auch Zweifel, ob Sie die Gewaltenteilung verstanden haben. Denn das, was Sie wollen, ist eine Stelle, ist eine Behörde, ist ein an der Spitze sitzender Beauftragter, der dann alles blockieren soll, alles kontrollieren soll. Sie vertrauen einem gesamten Stab von Senatoren, Staatssekretären, der gesamten Verwaltungskompetenz nicht, aber eine einzige Stelle soll es dann richten.

[Fabio Reinhardt (PIRATEN): Das ist nicht eine Stelle! – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das sind zwei verschie- dene Personen! Das ist doch nicht so schwer!]

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wir haben ausführlich debattiert. Ich will noch den Satz ergänzen, dann darf Herr Reinhardt auch gerne fragen. – Ich habe das Gefühl, Herr Reinhardt, dass Sie ein Fan von Comics sind.

[Heiterkeit von Torsten Schneider (SPD)]

Ich habe das Gefühl, dass Sie Superman und Superwoman toll finden, dass Sie vielleicht auch Batman und Batwoman toll finden, um das mal gegendert darzustellen, und ich glaube, dass Sie bei einer Lektüre von Superman-Comics auf diese Antragsidee gekommen sind, denn das ist ein echt spaßiger Antrag. – Jetzt Ihre Frage!

[Beifall bei der SPD – Senator Mario Czaja: Ich möchte mich jetzt gerne in die Reihen setzen und mitapplaudieren!]

Bitte schön, Herr Kollege Reinhardt!

Bei dem Senat schweben einem wahrscheinlich häufiger mal Superhelden vor, die da ein bisschen aufräumen. Aber gut!

[Senator Mario Czaja: Supermario zum Beispiel! – Heiterkeit bei der SPD – Lars Oberg (SPD): Supermario, genau! Oder Luigi Czaja!]

Ich würde einfach mal die Frage stellen: Wenn Sie sagen, wir haben das im Hauptausschuss diskutiert, meinen Sie damit sich selbst als nicht im Hauptausschuss vertretenes Mitglied oder meinen Sie die Kolleginnen und Kollegen,

die keinen einzigen Redebeitrag zu dem Thema abgegeben haben? Insofern würde mich einfach interessieren, welche Diskussion Sie meinen, denn die ist mir nicht bekannt.

Zumindest wenn Sie im Nachgang der Diskussion die Protokolle hier im Hause nachlesen, und in der Parlamentsdokumentation kann man das auch gut machen – an der Stelle möchte ich mich doch einmal wirklich bei dem Haus hier bedanken, die stellen das alle immer ganz brav und ordentlich ein –, ist ersichtlich, dass es eine Diskussion gegeben haben muss. Mit „wir“, ich spreche hier für die SPD-Fraktion, meine ich die Kolleginnen und Kollegen, die dort dabei waren. Ich bin mir sicher, wir können hier Ihrer Diskussionswut und Ihren Wünschen definitiv nicht nachkommen. Das Haus könnte 24 Stunden mit Ihnen diskutieren, Sie wären trotzdem nicht zufrieden, Herr Reinhardt! Auch Sie müssen sich an die Abläufe in diesem Haus halten. Wir haben das in den zuständigen Ausschüssen beraten. Ich selbst war in dem Ausschuss Bürgerschaftliches Engagement, und ich darf an der Stelle sagen, alle anderen Fraktionen, die Koalition und die anderen Oppositionsfraktionen, haben diesen Antrag abgelehnt. Ich bitte, das einfach einmal zu berücksichtigen. Sie können hier nicht alle Probleme aneinanderreihen und sagen, eine einzige Stelle soll es dann richten.

Zu den jüngsten Punkten, die Sie hier heute aufgezählt haben: Wie wird organisiert, wenn Flüchtlinge hierher kommen? Da kann ich nur auf den Masterplan Integration und Sicherheit verweisen. Dort ist ein Ablauf ganz klar dargestellt. Lesen Sie es! Ich weiß, das stellt Sie auch nicht zufrieden. Aber an Superman und an Superwoman glauben wir nicht. Wir haben einen super gut funktionierenden Senat, und das ist besser als das, was Sie hier vorschlagen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Danke schön! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jetzt Frau Dr. Kahlefeld, bitte schön!

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Die gesamte Arbeit des Senates zusammenzufassen und dann so zusammengeschnurrt an eine Superbeauftragte zu übergeben, das fordern die Piraten in ihrem Antrag, und wir werden diesem Antrag nicht zustimmen.

[Ülker Radziwill (SPD): Sehr gut!]

Frau Radziwill! Ich bin ganz erschüttert, dass ich Ihnen vollkommen zustimmen muss. Ich glaube, das ist das erste Mal.

[Lachen von Torsten Schneider (SPD) – Ülker Radziwill (SPD): Wir üben schon mal, nicht?]

Denn bei aller Kritik, die meine Fraktion und ich am Senat haben, dieser Vorschlag ist einfach kein gangbarer Ausweg.

[Beifall bei der SPD, der CDU und von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Alles aus einer Hand, Bürgermeister, Senatorinnen und Senatoren werden überflüssig – ich glaube, das funktioniert einfach nicht.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Das wäre doch so schön! – Lachen von Torsten Schneider (SPD)]

Was steht denn in dem Antrag? Der Beauftragte soll ressortübergreifend die Prozesse optimieren, die mit dem Zuzug von Menschen nach Berlin in Zusammenhang stehen.

[Lachen von Torsten Schneider (SPD) und Lars Oberg (SPD)]

Eine Verbesserung des ressortübergreifenden Arbeitens ist in diesem Senat selbstverständlich notwendig in der Anerkennung von ausländischen Qualifikationen, oder wenn Menschen aus Qualifizierungsmaßnahmen abgeschoben werden sollen oder wenn landeseigene Liegenschaften für Kultur, Sozialpolitik oder Unterbringung von Geflüchteten zu nutzen sind. Das kann aber nicht an eine für den Zuwachs und die Partizipation zuständige Beauftrage ausgelagert werden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Reinhardt?

[Torsten Schneider (SPD): Ja! Das ist so weltbewegend! – Ülker Radziwill (SPD): Diskussionswut!]

Frau Kollegin Kahlefeld! Mich interessiert jetzt nur, ob Ihre Kollegen im Hauptausschuss Ihnen die umfangreichen Änderungsanträge weitergeleitet haben, weil Sie jetzt hier auch Sachen vorlesen, die wir eigentlich geändert haben wollten im Hauptausschuss. Sie haben sich nicht immer eingebracht, weil sie ja abgelehnt wurden, aber ich hoffe, dass Sie da von Ihren Kollegen informiert wurden.

Ich beziehe mich auf den Ursprungsantrag. Haben Sie das alles gestrichen?

[Beifall bei der SPD – Lachen von Torsten Schneider (SPD)]

Aber davon wird Ihr Antrag auch nicht besser!

(Fabio Reinhardt)

[Anhaltendes Lachen bei der SPD]

Also gut, Sie haben die Sachen auf die Prognosen zusammengestrichen – dann beziehe ich mich darauf. – Entschuldigung, aber es fällt mir schwer, diesen Antrag ernst zu nehmen! – Also Prognosen erstellen ist natürlich eine Sache, die wichtig ist für die Senatsarbeit. Aber ich finde auch, das sollte weder der Senat noch eine Beauftragte oder ein Beauftragter des Senats machen. Wenn man sich auf vernünftige Prognosen bezieht, hätte man tatsächlich absehen können, dass die Flüchtlingscamps nicht ausreichen und die Menschen herkommen. Dann hätten wir mehr Lehrer- und Lehrerinnenstellen. Aber auch das würden nicht so einem Beauftragten übertragen wollen.

Also gut! Was wir an dem ursprünglichen Antrag noch vernünftigerweise sehen können, wäre eine Auflistung von Aufgaben, die der Senat tatsächlich lösen sollte. Und ich würde mir tatsächlich wünschen, dass der Senat das ohne McKinsey hinbekommt und auch ohne die Superbeauftragte, die für alle Belange des Bevölkerungswachstums dann zuständig ist. Ich wünschte mir, dass er die Kraft und den politischen Willen hat, vernünftig zusammenzuarbeiten, anstatt sich gegenseitig zu blockieren. Und ich wünschte mir, dass er planvoll vorgehen würde. Aber als Allheilmittel für die Inkompetenz einiger Senatsverwaltungen und die Unfähigkeit des Senats zur Zusammenarbeit eine Beauftragte oder einen Beauftragten ins Rennen zu schicken, die oder der das Senatschaos dann beseitigen soll, halten wir für unrealistisch und auch nicht wünschenswert. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Krüger das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich bin ja auch ein Freund von Heiterkeit und dem nicht verschlossen. Trotzdem möchte ich den Versuch machen, mich mit dem Antrag auch ein Stück sachlich auseinanderzusetzen, denn noch sind wir hier im Parlament, finde ich. – Das Bevölkerungswachstum unserer Stadt hat, wie wir alle wissen, sehr vielfältige Ursachen, die sich zusammenfassen lassen mit der hohen und wachsenden Attraktivität Berlins, mit den Freiräumen, die die Stadt für innovatives Handeln eröffnet, aber auch mit der Sicherheit und Verlässlichkeit, die sie neu Ankommenden gewährt. Dass in der Zukunft neue Bedürfnisse mit Althergebrachtem, sich wandelnden Wertvorstellungen, mit bewährten Grundsätzen zusammengeführt werden müssen – dass dies große Chancen bietet, aber auch konsequente Überzeugungsarbeit verlangt, liegt auf der Hand.

Bei der Bewältigung dieser Herausforderung wird es um die weitere Ausprägung von Partizipation und Bürgerengagement gehen, um viel Professionalität, aber zugleich auch um vielfältiges und auf Augenhöhe eingebundenes Ehrenamt, wenn dieser Weg erfolgreich sein soll. Insofern war der vorliegende Antrag schon im richtigen Ausschuss für bürgerschaftliches Engagement angekommen und wurde dort und später dann in verkürzter Form im Hauptausschuss entsprechend intensiv diskutiert. Die im Antrag und der Begründung, aber auch im mündlichen Vortrag beschriebenen Aufgaben sind sowohl politisch als auch gesamtgesellschaftlich sehr umfangreich und zugleich eindeutige Querschnittsaufgaben, die nur unter Einbindung und Beteiligung vieler Akteure gestemmt werden können.

Wir glauben als CDU-Fraktion nicht, dass eine solche umfangreiche Aufgabenstellung durch eine Person, eine oder einen Beauftragten geleistet werden kann – selbst dann nicht, wenn es sich um ein komplett neues Amt handeln würde mit einer Mitarbeiterschar von ca. 25 Personen in seiner Anfangsphase, wie vom Antragsteller im Ausschuss ausgeführt wurde. Wir befürchten, dass – ginge man einen solchen Weg – ein separates, neues Amt viele Verwaltungen und Institutionen dazu verführen könnte, sich bei dieser Querschnittherausforderung schlanken Fußes aus dem Staub zu machen oder zumindest sehr zurückzuhalten. In dem hier angesprochenen Gestaltungsfeld kommen dem Regierenden Bürgermeister, aber auch den Senatsverwaltungen für Integration und Stadtentwicklung wesentliche Aufgaben zu, die an diesen Stellen auch nachprüfbar angepackt und nachhaltig vorangetrieben werden müssen. Von hier sollte dann auch die unabdingbar innovative und faire Koordination mit den anderen Behörden, aber auch mit einzubindenden Institutionen und Bürgergruppen mit teils professionellem, teils ehrenamtlichen Profil erfolgen. Auch sollten dabei die Bezirke als wichtige Leistungs- und Verantwortungsträger nicht außer Acht gelassen werden.

Drohende Doppelzuständigkeiten, wie sie z. B. durch eine solche Behörde geschaffen werden würden, würden Steuergelder verschwenden. Wir sind davon überzeugt, dass sie eher verwirren würden als klärenden Charakter hätten. Deshalb wird die CDU-Fraktion die mit Ihrem Antrag geforderte Diskussion über das politischbürgerschaftliche Engagement im wachsenden Berlin weiter fortsetzen, auch durchaus intensivieren. Zugleich werden wir aber heute diesen Antrag in der vorgelegten Form ablehnen. – Schönen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der SPD]

Danke schön! – Für die Fraktion Die Linke jetzt Frau Platta.