Protokoll der Sitzung vom 09.02.2012

werden kann, wenn solche Löhne infrage kommen. Wenn Menschen in Beschäftigungen mit solchen Löhnen sind und kündigen, kommen sie in die Situation, nicht sanktioniert werden zu können. Diesen Sachverhalt hatten wir im Fachausschuss erörtert.

Vielen Dank!

Dann kommen wir zur Mündlichen Frage Nr. 6 von der Kollegin Iris Spranger von der SPD-Fraktion zum Thema

Regelungen zur Belegungsbindung

Frau Kollegin, bitte schön, Sie haben das Wort!

Danke schön, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Welche Maßnahmen ergreift der Senat, dass ab 1.5.2012 Wohnungen, die unter die Belegungsbindung fallen, tatsächlich für bedürftige Berlinerinnen und Berliner im Ostteil der Stadt zur Verfügung stehen?

2. Können diese Regelungen zukünftig auch auf weitere Bezirke ausgeweitet werden?

Vielen Dank! – Herr Senator Müller – bitte schön!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete Spranger! Ich beantworte Ihre beiden Fragen zusammen. Die bisher insgesamt ausgeglichene Wohnungsmarktlage in Berlin hatte es dem Senat ermöglicht, von der Wahrnehmung von Belegungsbindung abzusehen und insbesondere im Ostteil Berlin flächendeckend im Wohnungsbestand Freistellungen vom Belegungsbindungsgesetz vorzunehmen. Gleichwohl hat es der Senat dabei nicht versäumt, für die zukünftige Wohnraumversorgung vorzusorgen. Die gegenüber den städtischen Wohnungsbaugesellschaften und den Wohnungsbaugenossenschaften erteilten Freistellungen wurden nämlich mit Belegungsverlagerungen in die Zukunft verbunden, d. h. dass zukünftig nach dem Außerkrafttreten des Belegungsbindungsgesetzes im Ostteil Berlins zum 31. Dezember 2013 gleichartige Belegungsbindungen zum Teil bis zum Jahr 2022 vorhanden sein werden.

Aufgrund der mittlerweile geänderten Wohnungsmarktsituation insbesondere in zentraler städtischer Lage wie in Friedrichshain, Prenzlauer Berg und Mitte konnten die bisherigen globalen Freistellungen aber nicht weitergeführt werden. Deshalb ist es so, dass ab dem 1. Mai 2012

(Bürgermeister Michael Müller)

Wohnungen, die dem Belegungsbindungsgesetz unterliegen, grundsätzlich nur noch gegen Übergabe eines Wohnberechtigungsscheins überlassen werden. Damit wird dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Belegungsbindung aufgrund des aktuellen Wohnungsmarktes Rechnung getragen. Die Wohnungen stehen somit wieder ausschließlich für Wohnungssuchende zur Verfügung, die aufgrund ihrer Einkünfte einen Wohnberechtigungsschein für eine in der Größe angemessene Wohnung erhalten. Insgesamt werden diesem wohnungssuchenden Personenkreis rund 63 000 Wohnungen bei den städtischen Gesellschaften und rund 22 000 Wohnungen bei den Wohnungsgenossenschaften wieder vollständig erschlossen. Damit sind dann auch wieder gleiche Zugangsvoraussetzungen wie bei den mit öffentlichen Mitteln geförderten Sozialwohnungen gegeben. Das heißt, es besteht eine Berlinweite Einheitlichkeit bei der Wohnraumvergabe von belegungsgebundenem Wohnraum.

Im Weiteren ist es ab dem 1. Mai 2012 auch so, dass im Westteil der Stadt die Überlassung der sogenannten Besetzungsrechtswohnungen im sozialen Wohnungsbau vorzunehmen sind. Dies sind Wohnungen, die Wohnungssuchenden mit besonderem Wohnbedarf vorbehalten sind. Im Westteil Berlins sind dies rund die Hälfte aller 150 000 Sozialmietwohnungen. Damit werden wieder zusätzlich rund 75 000 Wohnungen für die Versorgung von Wohnungssuchenden mit besonderem Wohnungsbedarf generiert. In begründeten Ausnahmefällen ist jedoch weiterhin auch eine Freistellung von der Belegungsbindung möglich. Diese Ausnahmen im Wege sogenannter Einzelfreistellung können künftig wieder bei den bezirklich zuständigen Stellen für Wohnungsfragen – meist sind dies wohl die Bürgerämter – beantragt werden.

Vielen Dank! – Frau Spranger, Sie haben eine Nachfrage. – Bitte schön!

Sie haben zum Schluss gesagt, dass es Ausnahmefälle gibt. Weil es eine sehr strenge Regelung ist, frage ich Sie, ob Sie schon sagen können, was Ausnahmefälle wären, damit die Bürgerinnen und Bürger, die denken, dass sie eventuell doch die Möglichkeit haben, dort einzuziehen, das beim Bürgeramt beantragen können.

Bitte schön, Herr Senator!

Frau Abgeordnete Spranger! Es kann nur dann der Fall sein, wenn eine Wohnung über einen längeren Zeitraum keinen Mieter findet, der diese Anforderungen erfüllt. Ich

finde es richtig, dass es dann eine Freistellung gibt. Wir wollen ja nicht dauerhaft Leerstand produzieren, sondern wollen, dass Wohnraum den Mieterinnen und Mietern zur Verfügung steht. Wir haben Kriterien dafür formuliert, welche Zielgruppen wir besonders in den Blick nehmen, damit sie eine adäquate Wohnung bekommen. Die Bedingungen habe ich eben genannt. Wenn wir für diese Wohnungen über einen längeren Zeitraum keine Mieterin oder keinen Mieter finden, dann ist es richtig, die Regelung zu öffnen. Aber es sollte wirklich von Fall zu Fall geprüft sein.

Vielen Dank! – Dann hat sich als nächste Frau Breitenbach gemeldet.

[Elke Breitenbach (LINKE): Nein, das war vorhin!]

Ach so, dann kommt Frau Dr. Lompscher an die Reihe. – Bitte schön!

Ohne „Doktor“ bitte! – Vielen Dank! – Ich habe die Nachfrage, ob bei den derzeitigen Gesprächen mit den Wohnungsbaugesellschaften auch darüber gesprochen wird, das Verfahren für die Belegungsbindung, die in der Regel objektbezogen ist, zu flexibilisieren und zu entbürokratisieren, damit es keinen unnötigen Leerstand von Einzelobjekten gibt. Ist das Stichwort Quotierung auch Gegenstand Ihrer Gespräche?

Bitte schön, Herr Senator!

Nein, bisher ist das nicht Gegenstand der Gespräche, die wir mit den Wohnungsbaugesellschaften führen. Ich nehme den Hinweis auf, ob das gegebenenfalls auch noch einmal geklärt werden sollte.

Vielen Dank!

Wir kommen zur Frage Nr. 7, einer Frage des Kollegen Sven Rissmann von der CDU-Fraktion zum Thema

Entschädigung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen

Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wie viele Häftlinge saßen in den Jahren 2010 und 2011 in der Justizvollzugsanstalt Tegel in Hafträumen, in denen der Strafvollzug wegen zu geringer Größe nach einem Urteil des Berliner Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahre 2009 gegen die Menschenwürde verstößt, und wie viele Häftlinge sind es Anfang 2012?

2. Mit Entschädigungsforderungen in welcher Höhe rechnet der Senat seitens der betroffenen JVAInsassen, und geht der Senat davon aus, dass in Zukunft weitere Ansprüche auf Entschädigung entstehen könnten?

Es antwortet Herr Senator Heilmann. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Abgeordneter Rissmann! Wir haben hier in der Tat ein Problem mit möglicherweise erheblichen Auswirkungen. Sie wissen, dass der Verfassungsgerichtshof am 3. November 2009 entschieden hat, dass die existierenden Hafträume verfassungswidrig sind. Dabei ging es nicht nur um die Größe der Räume, sondern etwa auch darum, dass das Fenster so weit oben ist, und die Häftlinge keinen Blick nach draußen haben.

Im Jahr 2010 hatten wir 952 Häftlinge, die unterschiedlich lange Zeiträume dort gesessen haben. Im Jahr 2011 ist die Zahl auf 819 nur geringfügig gesunken. Das ist die Gesamtzahl der Häftlinge, die innerhalb des gesamten Jahres dort gesessen haben. Gleichzeitig waren 249 Häftlinge zum Stichtag im Jahr 2010 in der Teilanstalt I, 108 im Folgejahr. Anfang dieses Jahres waren es nur noch zehn, und erst seit dem 6. Februar, also erst in meiner Amtszeit, liegt kein Häftling mehr in der Teilanstalt I.

Sie müssen allerdings wissen, dass in diesem Gebäude auch die sogenannte Dealerabschirmstation untergebracht ist. Das sind derzeit 13 Häftlinge, die dabei erwischt worden sind, wie sie Drogen in der Justizvollzugsanstalt gehandelt haben. Die werden dort abgeschirmt, bekommen aber zwei Räume. Es handelt sich damit um einen anderen Sachverhalt, den ich nicht weiter erläutern will, es sei denn, Sie fragen nach.

Zu den Entschädigungsforderungen kann man leider noch nicht so viel sagen. Es gibt erst 18 Urteile erster Instanz. Wir haben Klagen, die „nur“ 800 Euro betreffen, wir haben aber auch einen Ausreißer nach oben, da werden 307 000 Euro gefordert. In den erstinstanzlichen Urteilen ist nie der Kläger vollständig obsiegend gewesen noch der Senat unterlegen. Es waren immer vermittelnde Entscheidungen. Wir haben aber noch keine obergerichtli

chen Entscheidungen. Es gibt auch ein paar sehr komplizierte Rechtsfragen. Deshalb kann man das Gesamtvolumen noch nicht absehen. Wir haben aber eine stark ansteigende Klagewelle. Allein in den letzten Tagen sind weitere 100 eingegangen, sodass wir mit Stand Ende Januar 600 anhängige Klagen haben.

Vielen Dank! – Eine Nachfrage vom Kollegen Rissmann? – Das ist nicht der Fall. Dann ist Herr Kohlmeier an der Reihe.

Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Herr Justizsenator Heilmann! Würden Sie mir zustimmen oder die Hoffnung mit mir teilen, dass mit der Eröffnung der Justizvollzugsanstalt Heidering das Problem der menschenunwürdigen Unterbringung in Tegel eigentlich gelöst sein sollte und losgelöst von den jetzt bestehenden Rechtsfragen solche Entschädigungszahlungen nicht mehr möglich sein dürften?

Vielen Dank! – Bitte, Herr Senator!

Ich stimme Ihnen zu, mit Heidering sollte das Problem endgültig gelöst sein. Das setzt natürlich voraus, dass die Prognosen über die künftige Anzahl von Häftlingen stimmen. Wie das mit Prognosen so ist, man darf sie nicht als Garantie ansehen, zumal deren Eintreffen von den Entscheidungen unabhängiger Richter abhängt und nicht von der Senatsverwaltung.

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wir kommen zur nächsten Mündlichen Anfrage. Die stellt der Kollege Andreas Otto von der Fraktion der Grünen zum Thema

Wie viele Gutachten braucht das ICC?

Bitte schön, Herr Kollege!

[Uwe Doering (LINKE): Interessante Frage!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Senator, wie ich annehme! Ich frage den Senat:

1. Wie viele Gutachten haben der Senat und/oder die Messe Berlin GmbH in den letzten zehn Jahren zur

Sanierung und/oder zum Abriss des ICC in Auftrag gegeben, und wie hoch sind die Gesamtkosten aller bislang erstellten Gutachten zu diesem Thema?

2. Sieht der Senat eine Notwendigkeit, weitere Gutachten zu erstellen, und welche neuen Prämissen im Unterschied zu den bereits vorhandenen Gutachten sollen dafür gelten?