Ich komme zum letzten Satz, Frau Präsidentin! – dass wir tatsächlich alle Energie, die wir haben, und zwar die positive Energie, die ohne Atomkraft, darauf einsetzen, dass wir diese lebensbedrohende Form der Energiegewinnung schnellstmöglich beenden, hier und überall. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!
Vielen Dank, Herr Buchholz! – Für Die Linke hat jetzt das Wort der Abgeordnete Harald Wolf. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach Tschernobyl und Fukushima ist auch in der Bundesrepublik fast dem Letzten – noch nicht dem Allerletzten – klar, dass die sogenannte friedliche Nutzung der Atomenergie unverantwortlich ist, sowohl für die gegenwärtige als auch für zukünftige Generationen. Der Antrag der Grünen nimmt eine Reihe von Punkten auf, wo wir – ich glaube, die Rede des Kollegen Buchholz hat das gezeigt – einen großen Konsens haben,
nämlich das Einsetzen dafür, dass europaweit der Ausstieg aus der Atomenergie stattfindet und z. B. die Subventionen der Europäischen Kommission für das britische Atomkraftwerk beendet werden. Ich glaube, das ist ein völlig falscher Weg. Dagegen muss auch Position bezogen werden.
Es ist ein absurder Zustand, wenn man Fernsehberichte sieht, dass in der Stadt Aachen Jodtabletten ausgegeben und Schulungen für den Katastrophenfall gemacht werden, weil hinter der belgischen Grenze dieser Schrottreaktor mit seinen Rissen immer noch läuft, statt abgestellt zu werden. Ich glaube, da kann man dem Grünen-Antrag nur zustimmen, dass wir auch über die deutschen Grenzen hinaus dafür arbeiten müssen, dass der Atomausstieg vorangeht.
Katastrophenschutz ist angesichts der Atomkraftwerke, die im Umkreis von Berlin entweder existieren oder auch in Planung sind, ein richtiges Anliegen. Deshalb bedauere ich es, dass wir das heute anscheinend nicht direkt abstimmen können, aber wenn es die Zusage gibt, dass man das in der Ausschussberatung positiv vorantreibt und die Grundintention teilt, ist das ja erst einmal gut.
Ein weiterer Punkt, wo man sehen kann, wie unverantwortlich die sogenannte friedliche Nutzung der Atomenergie ist, sieht man an dem Kompromiss, der gestern geschlossen worden ist. Der „Spiegel“ titelt „Der letzte Sieg der Atomindustrie“. 17 Milliarden Euro Rückstellung sollen in den Fonds gehen, plus 6 Milliarden Euro zusätzlich ohne Nachschussverpflichtung, dann heißt das, die Endlagerung, die ganzen Risiken der Atomenergie, die der Kollege Buchholz angesprochen hat, für die wir keine Lösung haben, werden auf die Allgemeinheit abgewälzt. Wenn man sieht, dass die Atomindustrie in der Vergangenheit dreistellige Milliardengewinne verbucht hat, dass diese Rückstellungen, die sie gebildet hat, letztendlich steuerfrei waren, weil das der Abzug vom Gewinn, eine Kriegskasse für die Atomkonzerne war – zwei Bundesfinanzminister sind daran gescheitert – unter dem Druck der Atomlobby –, sowohl der Finanzminister Waigel als auch Oskar Lafontaine als Bundesfinanzminister, an dieses Thema ranzugehen –, dann macht das deutlich, wie sehr sich die Atomlobby hier durchgesetzt hat.
Dass heute diese Kommission, die eingesetzt wurde, und Jürgen Trittin erklären mussten, ja, wir konnten nicht mehr machen, weil sonst die Insolvenz dieser Energieversorgungsunternehmen gedroht hätte, dann kann ich sagen, das ist ein weiterer Fall von „too big to fail“. An dieser Stelle hätte ich mir gewünscht, dass man auch einmal darüber diskutiert, ob es nicht sinnvoll gewesen wäre, diese Atomkonzerne unter diesen Bedingungen in öffentliches Eigentum zu überführen, weil wir dann auch von der Rendite profitiert hätten, die sie jetzt und in Zukunft möglicherweise machen.
Und man hätte kontrolliert den Umstieg auf erneuerbare Energien vornehmen können, statt sie freizustellen, die Aktionäre jubeln an dieser Stelle schon wieder, und statt dass wir wieder die Risiken auf die Steuerzahler ablasten, das noch an dieser Stelle als Anmerkung dazu. Die Folgekosten der Atompolitik der Vergangenheit werden wir und die Generationen nach uns noch lange zu tragen haben.
Vielen Dank, Herr Wolf! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Garmer. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir verneigen uns vor den Opfern der Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima – ausnahmslos Anwohner, Mitarbeiter und Einsatzkräfte, insbesondere von der Feuerwehr, die an den fahrlässig herbeigeführten Unglücken gänzlich unschuldig waren, aber ihr Leben oder ihre Gesundheit verloren haben. – Dieser Teil des vorliegenden Antrags von Bündnis 90/Die Grünen ist sicherlich unstrittig im Hause.
Ich empfinde es jedoch als unwürdig, das Andenken der Opfer zu missbrauchen, um mit diesem Antrag auch strittige tagespolitische Forderungen zu transportieren. – Liebe Frau Kollegin Pop! Lieber Herr Kollege Schäfer! Ich bitte Sie dringend zu prüfen, ob Sie diesen Antrag nicht teilen können, in einen Teil, dem wir alle zustimmen können, und einen Teil, den wir im Rahmen der tagespolitischen Debatte strittig diskutieren können.
Jetzt aber zu Ihren Forderungen im Einzelnen, zu dem Thema Rücklagen. Sie haben diesen Teil des Antrags glücklicherweise schon zurückgezogen, gestatten Sie mir aber trotzdem eine grundsätzliche Bemerkung dazu. Niemand kann Interesse daran haben, die Bilanzen der Versorger so zu belasten, dass die Unternehmen darunter zusammenbrechen. Die Folgen wären unkalkulierbar, auch für die Arbeitsplätze, auch für die Rückstellungen, die wir noch benötigen. Das kann im Ernst niemand wollen.
Zu dem Stichwort Allgemeinheit: Die Allgemeinheit ist von Anfang an mit an Bord gewesen. Vor knapp 60 Jahren war es politischer und gesellschaftlicher Konsens in
Deutschland, in die Kernenergie einzusteigen. Die Politik hat die Energiewirtschaft dazu gedrängt, dort zu investieren. Die erzielten Gewinne der Hamburgischen Elektrizitätswerke beispielsweise oder auch die der kommunal geprägten RWE und die Gewinne von EnBW sind ja wohl auch keine rein privaten Gewinne gewesen. Die Allgemeinheit ist also ohnehin schon mit im Boot. Wir brauchen praktikable und konsensuale Lösungen, und da ist die Atomkommission auf einem guten Wege.
Zum Thema Energiemix: Sie fordern, dass Deutschland seinen Nachbarn vorschreibt, wie sie ihren jeweiligen Energiemix zu gestalten haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen! Das klingt ein bisschen nach der Attitüde von vor hundert Jahren – am deutschen Wesen soll die Welt genesen.
[Benedikt Lux (GRÜNE): Das hat Herr Buchholz gerade bestätigt! Herr Buchholz hat es eben auch gesagt!]
Lassen Sie uns in den Ausschüssen konstruktiv darüber sprechen, verzichten Sie aber auf plakative öffentliche Forderungen! Das wird der Sache nicht gerecht.
Herr Kollege Dr. Garmer! Würden Sie mir zustimmen, dass radioaktive Strahlung nicht an Ländergrenzen Halt macht? Wenn Sie dem zustimmen: Würden Sie mir dann auch zustimmen, dass die Bundesrepublik Deutschland auch im Interesse ihrer Bürgerinnen und Bürger versuchen kann, politisch Einfluss auf die Entscheidungen in anderen Ländern zu nehmen, die auch die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland betreffen, weil sie im Falle eines Super-GAU – und wir wissen alle, das so etwas möglich ist – eben auch betroffen wären?
[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Super-GAU ist jetzt aber ein bisschen plakativ!]
Von diesem hohen Sicherheitsstandard haben bislang alle Länder in der Welt profitiert. Das Paradoxe ist ja: Wenn wir jetzt aussteigen, werden die Kernkraftwerke in den anderen europäischen Ländern dadurch nicht sicherer.
[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Wenn wir es nicht machen, dann machen es halt die anderen! – Zuruf von Christopher Lauer (PIRATEN)]
Das ist das Paradoxe daran. Auf der anderen Seite müssen Sie auch sehen: Jedes Land hat das Recht, seinen Energiemix selbst zu bestimmen. An diesem Thema kommen wir nicht vorbei. Deutschland sollte darauf verzichten, den anderen Ländern öffentlich Vorschriften zu machen.
Vielen Dank für die Gelegenheit, Kollege Garmer! Da drängt sich doch gleich die zweite Frage auf: Wie erklären Sie sich – und Sie sind ja jemand, der gut mit Zahlen und dem Thema Wirtschaftlichkeit umgehen kann –, dass kein privater Investor auf der ganzen Welt bereit ist, ein neues Atomkraftwerk zu errichten, wenn er nicht von der jeweiligen Regierung Subventionen erhält und/oder eine Haftungsfreistellung für das radioaktive Potenzial, das dort aufgebaut wird, bzw. auch eine Freistellung davon, letztlich ein Endlager stellen zu müssen?
Eine Gegenfrage, lieber Herr Kollege Buchholz: Warum investiert in Deutschland niemand in Windkraftwerke und Photovoltaik, ohne dass er dort Subventionen aus politischen Gründen durch das EEG erhält? Die Energiepolitik ist nun mal ein Thema, in das der Staat von Anfang an involviert war, wo der Staat mit Gesetzen in den Markt eingegriffen hat.
Früher hat er die Kernenergie subventioniert, heute subventioniert er die erneuerbaren Energien. Es hat sich herausgestellt, dass die politischen Ziele nicht ohne Subventionen erreichbar waren.