Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

Gerade bei den aktuellen Temperaturen – auch wenn es heute etwas kälter ist, nur 20 Grad; in den letzten Tagen hatten wir über 30 Grad – brauchen nicht nur Menschen und Tiere, sondern gerade auch Pflanzen viel Wasser.

Auf der anderen Seite ist unsere Stadt Berlin als SpreeAthen auch eine wasser- und vor allen Dingen grundwasserreiche Metropole. Die Grundwasserstände sind in den letzten Jahren stetig gestiegen und vielerorts nicht mehr siedlungsverträglich, wie immer neue Nachrichten über Gebäudesanierungen wegen Nässeschäden und deren Folgen zeigen. Aktuell, gleich hier nebenan, wird der Bundesrat für über 40 Millionen Euro erneut wegen Schimmelbefalls, Salzausblühungen, Putz- und Farbablösungen saniert. Von der Situation in den Einfamilienhausgebieten in Rudow, Spandau, Biesdorf, Mahlsdorf und auch in der Innenstadt, im Warschauer Kiez, möchte ich an der Stelle gar nicht sprechen.

[Steffen Zillich (LINKE): Einfamilienhäuser im Warschauer Kiez?]

Ich habe Mehrfamilienhäuser gesagt, und wenn nicht, dann können wir das gerne einfügen. – Hier besteht akuter Handlungsbedarf.

Die von der CDU-Fraktion und unserem Koalitionspartner in den beiden letzten Doppelhaushalten auf den Weg gebrachten Mittel für Pilotprojekte sind hierfür erste wichtige Schritte hin zu siedlungsverträglichen Grundwasserständen. Angesichts der hohen Grundwasserstände braucht es aber weiterer Maßnahmen, auch darüber sind wir uns alle einig.

Eine solche Maßnahme schlagen wir dem Senat mit dem heute vorliegenden und zu beratenden Antrag vor. Ein weiteres Pilotprojekt mit innovativen Grünwassertarifen könnte sowohl zur lokalen Absenkung des Grundwassers – und damit zur Entlastung der Siedler – wie auch zu einer besseren Wasserversorgung des Berliner Stadtgrüns in Gänze führen. Mit dieser Umverteilung von Wasser in einem geschlossenen Kreislauf können wir in Berlin sicherlich wertvolle und innovative Erfahrungen

sammeln. Ich bitte daher um Zustimmung für unseren Antrag und um die Überweisung an den Hauptausschuss. – Danke!

[Beifall bei der CDU und der SPD – Steffen Zillich (LINKE): Was sagt denn eigentlich die Wirtschaftsverwaltung dazu? – Lars Oberg (SPD): Wer ist denn das?]

Vielen Dank, Herr Herrmann! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun das Wort Frau Abgeordnete Gebel. – Bitte!

Sehr geehrte Damen und Herren! Es stimmt, Berlin ist auf eine Flussaue und auf alte Sumpfgebiete gebaut, d. h. wir haben hier von Natur aus hohe Grundwasserstände. Als Berlin noch eine Industriestadt war, wurde viel Grundwasser gefördert; an vielen kleinen Standorten haben Unternehmen dezentral Grundwasser gefördert, welches damals viel tiefer als heute im Boden verlief. Die Folge war ein Bauboom auf ehemals nassen Böden und ein Trockenfallen des Grunewalds und der Moore. Heute verläuft das Grundwasser näher an der natürlichen Grenze. Die Wälder und Moore erholen sich langsam. Gleichzeitig gibt es Gebäude, deren Keller dadurch vernässt werden. Das ist für den Einzelnen oftmals eine Katastrophe. Allerdings wissen wir bis heute nicht, wie viele Menschen genau betroffen sind. Es gibt sogar Fälle, wo Nachbar A einen vernässten Keller und Nachbar B kein Problem hat. Aber natürlich ist klar: Es gibt hier ein Problem, wo wir als Politik gefragt sind, um Lösungen zu finden. Deshalb reden wir heute auch über das Thema Grundwassermanagement.

Zuallererst möchte ich festhalten, dass ich es sehr begrüße, dass wir im gesamten Haus einen Konsens haben, dass das flächendeckende Absenken von Grundwasser, was zu Beginn im Gespräch war, vom Tisch ist. Diese Maßnahme ist nicht nur ein ökologischer Irrsinn, sondern auch ökonomisch ungerecht für all diejenigen, die die Ewigkeitskosten in jährlicher Millionenhöhe zahlen müssen, ohne etwas davon zu haben.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Daniel Buchholz (SPD), Marion Platta (LINKE) und Philipp Magalski (PIRATEN)]

Wir als Grünenfraktion finden es gut, dass wir endlich über viele kleine dezentrale Lösungen reden, denn für uns ist auch klar: Die betroffenen Hausbesitzer dürfen mit diesem Problem nicht alleingelassen werden, einem Problem, das oftmals den Gebäudewert übersteigt und das sie nicht alleine stemmen können. Für uns ist in der Debatte aber auch wichtig, dass unser Grundwasser an sich kein

Problem, sondern ein schützenswertes Gut ist, aus dem wir unser kostbares Trinkwasser gewinnen.

Was aber hat der Koalitionsantrag mit dem Thema Grundwassermanagement damit zu tun? Das kommt jetzt ein bisschen aus heiterem Himmel. Er schließt sich in keiner Weise an unsere Ausschussdebatten an, auch nicht an die Expertendiskussionen bei der IHK oder an die Empfehlungen des Runden Tischs Grundwasser. Er ist, ehrlich gesagt, auch ziemlich missverständlich. Ich habe mal versucht, mir einen Reim darauf zu machen und möchte kurz zwei Interpretationsmöglichkeiten kommentieren – erstens: Sie wollen teures Trinkwasser aus Grundwasser und Uferfiltrat verbilligt zum Rasensprengen oder Stadtbaumgießen zur Verfügung stellen und das, obwohl wir im Süden der Stadt mit Sulfat und im Norden der Stadt mit Medikamentenrückständen und Chemikalien ein großes Problem bei der Trinkwassergewinnung haben, und das, obwohl der Effekt auf vernässte Keller minimal bis nicht vorhanden wäre, der Grundwasserstand im Blumenviertel oder in Spandau also nicht sinken würden. – Das macht, freundlich ausgedrückt, keinen Sinn.

Das führt mich zu der anderen Interpretationsmöglichkeit: Sie wollen lokal Grundwasser fördern, um dann ausgetrocknete Grünanlagen zu bewässern. Da aber die Bäume in Gebieten mit hohem Grundwasserstand ausreichend mit Wasser versorgt sind, müsste man das Wasser mit einem Tankwagen in den Grunewald oder zu anderen ausgetrockneten Flächen schicken. Dieses Wasser muss man zusätzlich noch von Mangan und Eisen befreien, weil Sie ansonsten Zustände wie im Spreewald haben, der von verockertem Wasser bedroht ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrmann?

Im Gegensatz zu meinem Kollegen lasse ich Fragen zu.

Bitte!

An der richtigen Stelle sollte man Fragen stellen, liebe Frau Kollegin Gebel.

[Philipp Magalski (PIRATEN): Das finden wir auch! – Silke Gebel (GRÜNE): Ja, Herr Herrmann, das gilt auch für Sie!]

Vorhin war ich noch bei der Einleitung, da gab es wenig, was man hätte fragen können.

[Steffen Zillich (LINKE): Doch! – Zuruf von der LINKEN: Aber jetzt!]

Insofern sage ich an dieser Stelle: Es ist gut, dass Berlin keine grüne Metropole ist – das bezieht sich jetzt auf Ihre Partei –,

[Zuruf von den PIRATEN: Frage!]

weil Sie genau das wieder machen: Sie wissen alles schon besser. Sie wissen heute schon, was wir als Ergebnis haben werden.

Herr Kollege! Wo ist Ihre Frage?

Die kommt jetzt. Ich muss ja eine Einleitung geben.

[Silke Gebel (GRÜNE): Das muss man bei einer Frage nicht, Herr Herrmann!]

Ich muss das, und Sie können gerne zuhören; Sie haben sie ja auch zugelassen. Aber darüber wollen wir nicht diskutieren. – Woher wissen Sie denn, dass die Entnahme von Grundwasser für das Sprengen der Gärten – was wir jetzt als Pilotprojekt prüfen lassen wollen – nicht zur Absenkung des Grundwasserspiegels führt? Woher kommt denn diese Erkenntnis?

Vielen Dank, Herr Herrmann!

Herr Herrmann! Da sieht man, dass Sie nicht bei uns im Umweltausschuss sind, wo wir das Thema schon diskutiert haben. Zu der Frage, ob das Fördern von mehr Grundwasser an Wasserwerken Auswirkungen auf die bisher bekannten vernässten Keller hat, hat uns ein Kollege von den Berliner Wasserbetrieben aufgezeigt, dass, würde man an den Berliner Wasserwerken mehr Wasser fördern, das z. B. für das eben von Ihnen genannte Bundesratsgebäude keine Auswirkungen habe. Es gibt sehr viele rote, von hohem Grundwasser betroffene Punkte, die eben nicht in den Trichtern der Wasserwerke sind. Meine Vermutung ist, dass Sie mehr Grundwasseruferfiltrat in den Wasserwerken fördern wollen, indem die Leute mehr Wasser kaufen, weil der Tarif billiger ist. Das wird nicht den Effekt haben, dass der Grundwasserspiegel beispielsweise im Blumenviertel sinkt. Das würde nicht funktionieren. Das hat uns der Kollege von den Wasserbetrieben so dargestellt. Das heißt, die Alternative ist – so interpretiere ich Ihren Antrag, denn das ist das einzige, das Sinn macht; das wurde auch mal in die Diskussion eingeworfen, und der Kollege von den Wasserbetrieben hat darauf geantwortet –, Grundwasser lokal am Haus über Drainagen oder sonst was zu fördern, dieses Wasser zu nutzen und etwas damit zu machen. Dieses Wasser müssen Sie aber erst von Mangan und Eisen befreien, weil wir das bei uns im Untergrund haben. Das hat nichts

mit grüner Besserwisserei zu tun, sondern eher etwas mit hydrologischen Kenntnissen, die, wenn man über Umweltpolitik redet, von Vorteil sind.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, diesmal des Abgeordneten Zillich?

Sind Sie meiner Ansicht, dass neben der inhaltlich zuständigen Stadtentwicklungsverwaltung auch die für die Wasserbetriebe zuständige Wirtschaftsverwaltung diesen interessanten Vorschlägen aus der CDU hier lauschen sollte?

Mir ist, ehrlich gesagt, wichtiger, dass wir diesen Antrag auch im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt haben. Aktuell ist er ja nur an den Hauptausschuss überwiesen. Angesichts der Tatsache, dass der Antrag gravierende umweltpolitische Mängel aufweist, möchte ich nicht, dass nur die Haushälter und Haushälterinnen – bei allem Respekt – darüber diskutieren, sondern dass wir das auch im Fachausschuss haben sollten. Das hat für mich Priorität.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Wenn Sie vor Ort das Grundwasser abpumpen, es von Mangan und Eisen befreien und es dann in Wassertanks in den Grunewald fahren, will ich erst einmal die Kosten sehen. Mir ist die Bilanz noch nicht klar, aber vielleicht werden Sie das im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt – sofern Sie den Mut haben, das dorthin zu überweisen – noch einmal erklären.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wir haben uns bei Hydrologen umgehört, und deren Reaktion war immer: Der Antrag ist verantwortungsloser Unsinn. – Deswegen ist es wichtig, dass man sich noch einmal einen Experten in den Ausschuss einlädt, um die Idee dort zu besprechen.

Mein dringender Appell an die Koalition lautet: Lesen Sie bitte bis zur nächsten Ausschusssitzung das Wortprotokoll unserer Grundwasseranhörung! Da gab es relativ gute Ideen. Es gibt ein Vernässungskataster, eine Bestandsaufnahme – das hat Herr Freymark, der leider nicht hier ist, in den Raum geworfen – und vertikale Gärten, die in die Gebäude integriert werden, wie die Bosco

(Alexander J. Herrmann)

Verticale in Mailand, haben Sie, Herr Buchholz, vorgeschlagen. Es gibt die Wiedernutzung alter Drainagen, die die Linken beantragt haben. Wir werden das in zwei Wochen im Ausschuss diskutieren. All das wären gute Ideen, die jeweils für ein Pilotprojekt ausreichend sind. Ich verstehe nicht, warum Sie jetzt mit einer Idee, die aus heiterem Himmel fällt und von der alle Experten sagen, sie sei Quatsch, ankommen. Ich bitte Sie, noch einmal in sich zu gehen und mit einer sinnvollen umweltpolitischen Idee zu kommen, damit man das Grundwasserproblem ehrlich angehen kann.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Gebel! – Da gerade die Abwesenheit der Senatorin für Wirtschaft angesprochen wurde: Sie ist entschuldigt. Sie nimmt noch an der Wirtschaftsministerkonferenz teil. – Nun hat für die SPD-Fraktion das Wort der Herr Abgeordnete Buchholz teil.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Gebel! Ich schätze Sie sehr, aber ich habe ein bisschen den Verdacht, die Überschrift hat Sie verwirrt. Wenn von Grünwasser die Rede ist, meinen wir kein grünes Wasser, sondern klares, sauberes Wasser, das der Standard in Berlin ist. Das beinhaltet unser Antrag. – Erste Feststellung!

[Beifall bei der SPD]

Zweite Feststellung: Wenn Sie den Antrag richtig gelesen hätten, Kollegin Gebel, dann hätten Sie bemerkt, dass es sich um einen Prüfauftrag handelt. Das ist ganz bewusst so. Er verkündet keine absoluten Wahrheiten, die weder Sie noch wir haben. Wir wissen, dass das Grundwasserproblem komplex ist.