Protokoll der Sitzung vom 23.02.2012

Wir haben uns gegen die Privatisierungen der Berliner Wohnungen ausgesprochen. Die ganze Welt investiert in Immobilien, nur die Berliner Grünen waren in ihrer Vergangenheitsbewältigung gefangen. Heute wissen wir, dass es verhaltenen Grund zu Optimismus gibt. Diese mutige Entscheidung, nicht zu privatisieren, war nicht nur mit Blick auf die potenziellen Erwerber, nicht nur wohnungspolitisch, sondern auch wirtschaftlich richtig.

[Beifall bei der SPD]

Auch bei der Rekommunalisierungsdebatte liegen die Grünen wieder weitab vom Schuss. Die strategischen Linien sind bei uns in den besseren Händen.

[Lachen bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Sie schimpfen „zu teuer“, zugleich investiert die insoweit unverdächtige Allianz-AG Milliarden Euro in Netze. Das tut die nicht aus Altruismus.

[Wolfgang Brauer (LINKE): Aschermittwoch ist vorbei!]

Wir schauen darauf nicht ideologisch verbrämt, wie Sie, Herr Kollege Brauer! – Wir wollen das Kernfeld der Daseinsvorsorge stärken und diese Überlegungen zugleich in einem finanz- und wirtschaftspolitisch sinnvollen Rahmen abbilden.

[Wolfgang Brauer (LINKE): Na, dann machen Sie doch mal, Herr Kollege!]

Das Wünschenswerte denken, Herr Kollege Brauer, und das Machbare tun, das ist unsere Zielmarge.

[Lachen bei den GRÜNEN und der LINKEN – Ramona Pop (GRÜNE): Wenn das nicht peinlich ist!]

Dabei verkennen wir nicht, dass sparsames Haushalten allein nicht genügt. Die unbestreitbaren Erfolge Berlins in dieser Sparte Sparen lassen sich an allen Indikatoren nachvollziehen.

[Ramona Pop (GRÜNE): 63 Milliarden Euro Schulden!]

Wir nehmen zunehmend die Einnahmeseite in den Blick und haben deshalb maßvoll die Grunderwerbsteuer erhöht. Wir haben maßvoll vor, die Citytax einzuführen in einem rechtssicheren Verfahren. Wir verschieben den Fokus auf die Aktivierung unserer Stärken.

[Zuruf von Ramona Pop (GRÜNE)]

Frau Pop! Ich kann Sie leider gar nicht verstehen. Aber ich lasse gerne eine Zwischenfrage zu, Sie sind es mir wert. –

[Ramona Pop (GRÜNE): Wenn ich nur wüsste, was Sie erzählen wollen! – Zuruf von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Die Verknüpfung der Bildungs-, Forschungs- und Wissenschaftslandschaft mit der Ansieldung neuer Unternehmen ist eines. Berlin kann zudem mit einer herausragenden Infrastruktur glänzen und hat reichlich verfügbare Flächen zur Verfügung. Auch wenn Sie es nicht mehr hören mögen, diese Koalition steht uneingeschränkt zum neuen Großflughafen und auch zur Autobahn A 100.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Von den 22 Milliarden Euro unseres Landeshaushalts werden knapp 7 Milliarden Euro in den Berliner Bezirken verausgabt. Diese Koalition steht fest an der Seite unserer Bezirke. Wir wertschätzen deren bürgernahe Arbeit als besonders wichtig. Die Regierungsfraktionen haben deshalb mit einem Ritual gebrochen. Wir haben nicht Monate wechselseitige Anwürfe abgewartet. Wir haben diese Zeit nicht verstreichen lassen, um dann eine politische Entscheidung zu treffen, den Mehrforderungen der Bezirke entgegenzukommen. Diese Entscheidung, die bezirklichen Haushalte um 50 Millionen Euro jährlich zu verstärken, wurde von den Bezirken ganz überwiegend begrüßt. Diese verbindliche Vorgabe wird nun von der Verwaltung weisungsgemäß vollzogen. Wir danken dem Finanzsenator dafür, dass er bereits vorab mit einer Verteilvorgabe den Bezirken Klarheit über die jeweiligen Aufwüchse verschafft hat.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Allerdings habe ich meine Zweifel, ob in allen Bezirken der richtige strategische Umgang im politischen Raum gepflegt wird. Während den meisten klar ist, dass wir auch die Bezirke nicht aus unseren Sparzwängen werden ausnehmen können, verfolgen manche Bezirksämter eine

(Torsten Schneider)

Eskalationsstrategie, die durchaus Kopfschütteln verursacht. Bezirke, die unseren Vorgaben hinsichtlich der bereits nachgebesserten Zeitachse nicht nachkommen, müssen damit rechnen, dass ihre Erhöhungsbeträge kritisch betrachtet werden.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Zudem beobachten wir mit einiger Sorge, dass sich manche Verantwortliche im Regime der vorläufigen Haushaltswirtschaft eingerichtet haben. Dem werden wir einen Riegel vorschieben. Die Koalitionsfraktionen sind sich einig und verweisen auf § 41 Landeshaushaltsordnung und § 6 des Haushaltsgesetzentwurfs. Wir werden die Senatsverwaltung für Finanzen ermutigen und nötigenfalls veranlassen, die Ausreichung von Ausgaben auch punktuell von ihrer Einwilligung abhängig zu machen, wenn da was aus dem Ruder läuft.

Auch die Altschuldenbezirke – da denke ich besonders an Pankow – sollten aufhören, hier hinter dem Komma herumzudoktern und dabei unverhältnismäßig Strukturen zu zerschlagen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Die Verabredung ist hier ganz klar: Schuldenmoratorium bei Vermeidung eines Primärdefizits.

[Zuruf von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Unzulässige Pauschalen verletzen diese Beschlusslage des Parlaments ebenso wie das Abrufen von Konsolidierungsscheiben anderenfalls. Umgekehrt wird sich auf Landesebene – Sie sind herzlich eingeladen, da mitzuwirken – niemand plausiblen Lösungsansätzen jenseits ausgetrampelter Pfade verschließen.

Meine Damen und Herren! Sie haben sich beruhigt. Das freut mich.

[Lachen und Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

Nun sind alle Fraktionen aufgerufen, gemeinsam ernsthaft zu beraten. Unsere Erwartungshaltung ist da allerdings gedämpft. In der ersten Lesung des Gesetzes gestern im Hauptausschuss durfte die Regierungsbank eine Besprechung der Opposition erleben, die sich in Formalkritik von Buchungsvorgängen erschöpfte, aber keine inhaltlichen Schwerpunkte erkennen ließ.

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE): Haben Sie Herrn Esser gerade zugehört?]

Besonders innovativ waren dabei die Piraten. Da wurde vorgeschlagen, dass Berlin und seine Unternehmen die doppelte Buchführung einführen mögen.

[Zuruf von den PIRATEN]

Unsere Unternehmen buchen, sehr geehrter Herr Kollege, dessen Name mir immer entfällt,

[Martina Michels (LINKE): Hochmut kommt vor dem Fall, Herr Kollege!]

bilanzieren nach HGB und wenden damit die von Ihnen postulierten Grundsätze bereits an. Diese Debatte ist in Berlin älter als Ihre Partei. Als Maskottchen identifizieren sich unsere jungen Kollegen aber dann mit der Idee, die Grunderwerbsteuer auf 10 Prozent zu erhöhen und die Bezirkshaushalte für ein Jahr zu sperren. Meine Damen und Herren! Sie defilieren auf allen Empfängen der Stadt. Sie haben kein Buffet, keine Talkshow, keinen Empfang,

[Andreas Baum (PIRATEN): Reden Sie doch mal über den Haushalt!]

keine Kamera und kein Mikrofon ausgelassen. Sie haben sich selbst auf das hohe Ross der besseren Menschen, der besseren Politiker, der Guten gesetzt. Jetzt werden Sie liefern müssen. Alle warten, ob Sie neben Maskottchen auch Verantwortung können.

[Zurufe von den PIRATEN – Beifall bei der SPD und der CDU]

Sie, die Piraten, Sie, verehrte Dame, werte Herren, werden zeigen müssen, ob Sie auch anderes können, als die ausgegliederte Abteilung Faxen der anderen zu sein. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Für eine Kurzintervention hat der Kollege Esser das Wort.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Mach mal staatsmännisch, wenn die SPD das nicht mehr kann!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war ja jetzt erstmalig so, dass die SPD nach den Grünen reden musste.

[Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN]

Ich habe das früher auch immer sehr genossen, Frau Spranger, Frau Kolat, Herrn Zackenfels so von hinten anzugreifen, wenn ich nach ihnen sprechen durfte. Nun war das mal umgekehrt. Nun ja, so ein Rekordwahlergebnis hat nicht nur in diesem Fall etwas Janusköpfiges bei den Grünen, wie Sie alle wissen.

Ich habe mir aber schon gedacht, dass Herr Schneider natürlich diese inzwischen allbekannten Wahlkampfsprechzettel der SPD hat, was irgendjemand 1878 gesagt haben soll.