[Frank-Christian Hansel (AfD): Unser Argument, nicht eures! – Derya Çağlar (SPD): Hören Sie doch mal zu!]
Griechenland 46 Prozent – das kann auf Dauer auch für Deutschland nicht von Vorteil sein. Ohne eine Politik des Ausgleichs kann eine nachhaltige Krisenbewältigung nicht gelingen.
Die Brexit-Abstimmung hat vorgeführt, wie sich die wirtschaftliche Krise, Entfremdung von den Institutionen und Ressentiments zu unlösbaren Problemen auftürmen können, denn die Irrationalität vieler Befürchtungen hat maßgeblich mit dem wirtschaftlichen Niedergang in den alten Industrieregionen Englands zu tun.
Zwei gleich? – Nein. Ich muss hier ausführen. Und ich glaube, das wird auch nicht zur Erhellung beitragen, was sie da sagen.
Welche Konsequenzen für die EU daraus zu ziehen sind, muss sorgfältig abgewogen werden. Schnelle und einfache Antworten darauf gibt es nicht. Wo die Integration vertiefen und wo nicht? Welche institutionellen Reformen sind nötig? Gibt es künftig eine EU der zwei oder mehr Geschwindigkeiten? Dafür haben wir sowieso schon Ansätze. – Es ist völlig richtig, dass der von Juncker vorgelegte Plan, das Weißbuch der Kommission, verschiedene Szenarien aufzeigt. Ich will über die verschiedenen hier nicht philosophieren. Eines ist aber sonnenklar: Ohne eine Abkehr von der Austeritätspolitik, Herr Jupe, und der Hinwendung zu einem sozialen Ausgleich, zu sozialer Gerechtigkeit, steht es sehr schlecht um die künftige Akzeptanz der EU.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Es wird mit dem Euro nicht gehen!]
Wir müssen anerkennen, dass die Kommission in der vergangenen Woche einen Beschluss zur Stärkung der sozialen Säule gefasst hat. Sie hat erkannt, dass die soziale Frage ein Kernthema der europäischen Politik sein muss. Sie hat auch erkannt, dass das Streben nach einem wettbewerbsfähigen Wirtschaftsraum Verlierer erzeugt, wie die zuständige Kommissarin Marianne Thyssen letzten Donnerstag in Berlin erläutert hat. Damit ist die soziale Dimension auch nach Ansicht der Kommission das erste Politikfeld, das nach der Brexit-Abstimmung in der EU vorangetrieben werden muss. Das ist wenigstens ein Anfang. Dabei geht es entgegen mancher Behauptung nicht darum, die Zuständigkeit für Soziales auf die EU zu übertragen. Das können EU und Mitgliedstaaten nur gemeinsam machen. Man kann die Aufgabe auch nicht darauf reduzieren, europäische Regelungen für Arbeitsverträge oder Arbeitslosenversicherungen zu schaffen. Das wichtigste Element ist im Kommissionspapier angelegt, nämlich – das ist das eigentlich Neue – das sogenannte Social Scoreboard – ein deutscher Begriff wird sich auch noch finden lassen –, mit dem soziale Fortschritte gemessen werden sollen, Lebensbedingungen und Armut mit einfließen in die Gesamtrechnung, Jugendarbeitslosigkeit, faire Arbeitsbedingungen, verfügbares Arbeitseinkommen und Ähnliches. Alles wird ins europäische Semester mit einfließen, ein Screening der EUEntscheidungen auf ihre sozialen Auswirkungen. Das ist ein Anfang, kann aber, da hat Reiner Hoffmann, der DGB-Vorsitzende, recht, noch nicht alles sein.
nur einige kurze Stichworte nennen, was zu diesem Anfang hinzukommen muss: Abkehr vom unsozialen Spardiktat – Joseph Stiglitz erklärt das zu einem verlorenen Jahrzehnt Europas.
höhere Löhne und Tarife in Deutschland, Investitionen der öffentlichen Hand. Wir brauchen endlich eine Transaktionsteuer – zehn Staaten sind es ja wohl nur noch,
müssen das in dieser Wahlperiode des Europäischen Parlaments unbedingt umsetzen –, und wir brauchen am besten nach dem Vorbild Schwedens einen Wohlstandsindex auch in Europa, der den wirtschaftlichen Erfolg an dem Ertrag misst, der bei den breiten Bevölkerungsschichten durch diese Wirtschaftspolitik ankommt. Das muss künftig der entscheidende Indikator sein.
Ich will aber noch einen Satz zu Berlin sagen: Wir haben der europäischen Solidarität als Stadt unheimlich viel zu verdanken. Ohne die europäische Solidarität wäre die Wiedervereinigung dieser Stadt nicht möglich gewesen,
deshalb müssen wir gemeinsam an dem Reformprozess für die Europäische Union mitwirken. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat jetzt Herr Dr. Bronson das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte mich eigentlich auf eine Rede über die Römischen Verträge vorbereitet.
Zurück zum Thema: Wir feiern das sechzigjährige Jubiläum der Unterzeichnung der Römischen Verträge und damit die Grundlage der EWG. Bereits im April 1951 wurde die Montanunion gegründet. Damals wollten die Franzosen und die Deutschen zusammen mit Belgien, den Niederlanden, Italien und Luxemburg
durch eine Verflechtung der Kernindustrien Kohle und Stahl die gerade erst errungene Versöhnung in einem Europa souveräner Staaten sichern. So weit, so gut.
Heute gibt es die EU, die sich in ihrem letzten Finanzrahmen von 2007 bis 2013 Ausgaben bis zu 993,6 Milliarden Euro geleistet hat. Wie konnte es dazu kommen? Warum entstand dieses unbeirrbar vorangetriebene Eliteprojekt? Wer hat das gigantische Unterfangen demokratisch legitimiert? Schließlich umfasste die EU immer mehr Gebiete, immer mehr Menschen. Immer mehr Gesetzestexte wurden durchgereicht zu den 28 Parlamenten, bald nur noch 27, verfasst von Lobbyisten und Anwaltskanzleien und der Europäischen Kommission mit ihren sage und schreibe 29 881 Mitarbeitern. Die Zahl ist vom Wochenende, wir könnten vielleicht schon bei über 30 000 sein.
Wurden die Bürger jemals befragt, ob sie das wollen? Ja und nein. In der EU gab es Volksabstimmungen, in Deutschland nicht. Elmar Brok, Europaabgeordneter der CDU, seit 37 Jahren ununterbrochen im Europaparlament und zugleich Cheflobbyist des Bertelsmann-Konzerns – das muss man sich einmal vorstellen –, lieferte die Erklärung:
Ganz anders in Großbritannien: 1973 wurden die Briten in die EG aufgenommen. Zwei Jahre später, 1975, gab es eine erste Bestandsaufnahme. In einem Referendum wurden die Briten gefragt, ob sie weiterhin in der EG bleiben wollten. 67 Prozent haben mit Ja gestimmt. 2016 kam es zu einer weiteren Bestandsaufnahme. Dieses Mal entschieden sich 52 Prozent für den Brexit, genau wie Grönland, das sich bereits 1985 per Referendum aus der damaligen EG verabschiedet hatte. Lag es daran, dass faktisch die gesamte britische Fischindustrie abgewickelt worden ist? In altbekannter und sinnbefreiter EU-Manier, die Weinseen und Butterberge zulässt, durch absurde Agrarsubventionen afrikanische Bauern in den Ruin treibt und Olivenhaine auf nicht existenten Mittelmeerinseln subventioniert, in dieser Manier erhielten die britischen Fischer Geldprämien für die Zerstörung ihrer eigenen Fischkutter. In London hatte man es satt, sich über 80 Prozent der Gesetzesvorlagen aus Brüssel zuschieben zu lassen. Westminster wollte auch nicht als zweitgrößter Nettozahler immer wieder eine gigantische Geldverbrennungsmaschine füttern. Maggy Thatcher machte das bereits 1984 in klaren Worten deutlich. Sie sagte: „I want my money back.” 2016 hieß es: I want my country back.
Ich muss mein Pensum durchkriegen. Für Zwischenfragen: Ich habe Bürgersprechstunde an jedem Dienstag von 12.00 bis 14.00 Uhr. Sie sind herzlich willkommen!