Zweitens: Derzeit kann niemand sicher behaupten, zu welchem Ergebnis die beiden Konfliktlinien um Schuldenbremse und Fiskalpaket führen werden, über die auf der Bundes- und europäischen Ebene verhandelt wird. Allein aus diesem Grund wäre es nicht klug, dem Beispiel anderer Bundesländer zu folgen, ohne den Ausgang der Beratungen abzuwarten.
Nein! Während der ganzen Rede bitte keine Zwischenfragen! – Ich möchte nur das Beispiel Hessen nennen, das mit der Verankerung der Schuldenbremse im Landesrecht alles andere als ein glückliches Händchen bewiesen hat.
Drittens: Eine landesverfassungsrechtliche Verankerung der Schuldenbremse ist kein Allheilmittel und schon gar nicht das geeignete Instrument, um die Haushaltsprobleme des Landes zu lösen. Der Abbau von Schulden muss für die Berliner Bevölkerung spürbar sein. Eine in dieser Art erstarkende öffentliche Hand muss sich zugleich durch kluge Investitionen legitimieren, um das Leben aller in Berlin lebenden Menschen zu verbessern.
Unsere im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag festgelegten finanzpolitischen Leitlinien des Investierens und Konsolidierens werden wir weiterhin konsequent und stringent verfolgen. Wir achten darauf, dass eine Schuldenbremse nicht zu einer Investitionsbremse wird und dass die eingeleiteten Maßnahmen rasch und spürbar bei den Berlinerinnen und Berlinern ankommen, denn die infrastrukturellen Herausforderungen, denen Berlin ausgesetzt ist, sei es bei den Schulen, der Polizei oder der allgemeinen Verwaltung, lassen sich nicht einfach von der Hand weisen.
Alles in allem hat sich das Land Berlin haushälterisch so aufgestellt, dass es im Hinblick auf den Ausgang der Entscheidung auf der Bundes- und Europaebene anschlussfähig ist. Berlin stellt den Haushalt verfassungskonform nach Artikel 109 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 143d Abs. 1 Grundgesetz auf und setzt autonom und korrekt die Vorgaben des Grundgesetzes um, indem die Mindesttilgung gesichert ist und dem Konsolidierungsziel der grundsätzlichen Nullverschuldung im Haushaltsjahr 2020 entsprochen werden kann.
Die Umsetzung in Landesrecht halten wir für entbehrlich. Ich verweise hier auf die einfachen gesetzlichen Regelungen und die Landeshaushaltsordnung. Wie gesagt, den vorliegenden Antrag halte ich für überflüssig und bitte Sie, ihn abzulehnen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion um die Schuldenbremse und deren Verankerung in die Verfassung – Landesverfassung und Grundgesetz – ist eine haushaltspolitisch ziemlich alte Diskussion. Sie ist entstanden in einer Zeit, in der sich die öffentlichen Haushalte im Wesentlichen aus Neuverschuldungen finanziert haben und die Kreditaufnahme keine haushälterische Relevanz hatte, sondern quasi zum guten Ton bei der Finanzierung von Ausgabewünschen diente. Zu dieser Zeit war es richtig, die Debatte zu führen, ob das ein Weg ist, der so weitergegangen werden kann. Wir haben in einigen europäischen Ländern, aber auch in Deutschland gesehen, dass es kein Weg ist, der dauerhaft eine solide Finanzierung öffentlicher Haushalte darstellt.
Ich glaube, man kann das heute auf verschiedenen Ebenen bilanzieren. Wenn ich mir die Politik der Bundesrepublik angucke, unter der Führung von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble, dann ist hier eine völlige Kehrtwende erfolgt. Wir schreiben in dieser gesamten Wahlperiode eine schwarze Null. Der Bund hat sich von der Neuverschuldung verabschiedet. Er hat auf der anderen Seite auch begonnen, verstärkt wieder in Infrastruktur und Bedürfnisse zu investieren.
Das heißt, dieser Dualismus, den wir auch im Lande Berlin für richtig erkannt haben, hat man dort umgesetzt, und die Haushaltspolitik des Bundes ist in den letzten Jahren eindeutig eine Erfolgsgeschichte.
Wir haben uns auch, nachdem die Möglichkeiten 2010, 2011 erkennbar wurden, 2012 in der letzten Wahlperiode mit der SPD als Union darauf verständigt, dass wir in Berlin eine ähnliche Politik machen wollen. Wir haben eine finanziell schwierige Situation vorgefunden, die ihre Ursache in den Jahren nach der Wiedervereinigung hatte, wo die wirtschaftliche Situation dieser Stadt schlecht war, wo Bundeszuschüsse zu schnell abgebaut worden sind und es kein wirtschaftliches Wachstum gab. Deswegen haben wir angefangen, Schulden zu tilgen und Investitionen zu stärken. Den Nachhaltigkeitsfonds haben wir auch begrüßt; den hatten wir uns auch schon in der letzten Wahlperiode vorgenommen. Insofern ist die Diskussion weitergegangen.
Der Sachstand ist heute ein anderer. Wir haben die Verabredung, ab 2020 keine Neuverschuldung zuzulassen. Das Land Berlin hat sich seit einigen Jahren haushaltspolitisch darauf eingestellt. Der Antrag kommt einige Jahre zu spät. Die Diskussion ist geführt worden. Die haushaltspolitischen Konsequenzen sind auch in Berlin gezogen worden. Insofern glaube ich nicht, dass dieser Antrag heute noch Sinn macht.
Wir sehen die Frage, in welchem Umfang das Land Berlin weiter bei der Schuldentilgung unterwegs ist, sehr kritisch. Das haben wir diesem Hause auch schon mehrfach deutlich gemacht. Hier würden wir uns wünschen, dass man stärker bei dem in der Vergangenheit hohen Tempo unterwegs bleiben würde. Diesen Punkt sehen wir allerdings auch bei den weiteren Haushaltsberatungen als diskussionswürdig an. Diesem Antrag können wir aber so nicht zustimmen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Kollegin Becker hat mit der Charakterisierung ideologisch plakativ und entbehrlich recht, was diesen Antrag betrifft,
auch wenn man im Grundsatz in der Frage zur Schuldenbremse zu Recht debattieren kann. Das hat nur mit diesem Antrag relativ wenig zu tun. Trotzdem zwei grundsätzliche Anmerkungen: Was ist die Schuldenbremse? – Die Schuldenbremse ist zunächst einmal eine Selbstbeschneidung des Haushaltsgesetzgebers zugunsten einer vermeintlich höheren ökonomischen haushälterischen Logik. Was sind Schulden? – Schulden sind keineswegs per se ökonomisch falsch, noch sind sie per se ökonomisch ungefährlich oder ein gutes Mittel, sondern es kommt darauf an. Aber für dieses „es kommt darauf an“ ist die Schuldenbremse komplett blind. Deswegen halten wir die Schuldenbremse auch aus grundsätzlichen Erwägungen als Einschränkung dieser Souveränität für keine gute Idee. Für uns ist das allerdings vollkommen unerheblich, denn die Schuldenbremse des Grundgesetzes gilt, zumindest ab 2020. Ob wir das in die Verfassung schreiben oder nicht, ist dabei vollkommen egal. Da brauchen wir auch diese ideologische Auseinandersetzung nicht.
Eines wäre geradezu gefährlich, darauf hat die Kollegin Becker zu Recht hingewiesen: Wenn wir aus symbolischen Gründen irgendetwas mit Verfassungsrang verankern, was wir sinnvollerweise an einen sich noch entwickelnden Regelungsstand auf Bundes- und europäischer Ebene anpassen müssen, dann würden wir Beschäftigungstherapie betreiben und uns in Blockaden treiben, die niemandem weiterhelfen. Insofern ist es ein geradezu gefährlicher Weg und falsch, der Frage des Herunterbrechens, des Umgehens mit dieser rechtlichen Realität Schuldenbremse Verfassungsrang zu geben.
Sie gehen ja noch weiter; da wird es dann ganz schwierig. Wir führen hier eine politische Debatte darüber, wie man in der derzeitigen Situation von vorhandenen Haushaltsüberschüssen mit einer Prioritätensetzung Investitionen oder Schuldentilgung umgeht. Das ist eine politische Debatte, die man politisch entscheiden kann. Sie aus der politischen Entscheidung und Debatte zu verabschieden und ihr einen Verfassungsrang zu geben, sie in eine Richtung zu entscheiden, halte ich für ganz falsch. Es ist vielmehr vollkommen richtig, dass der Haushaltsgesetzgeber hier die Prioritäten setzen kann, und wir setzen sie richtig. Wir hielten es geradezu für falsch – politisch, aber auch ökonomisch –, wenn wir die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur der Stadt in dieser Situation, wo wir es können, nicht leisten würden, weil wir uns etwas anderes in die Verfassung geschrieben hätten. Insofern brauchen wir den Antrag nicht. Da, wo er tatsächlich etwas regelt, ist er für die Entwicklung der Stadt gefährlich. Er ist abzulehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe Herrn Goiny recht, dass die Schuldenbremse durchaus so etwas wie ein Bewusstmachen dessen bewirkt hat, wie wir mit unseren finanziellen Gegebenheiten umgehen. Insofern ist es richtig so: Die Schuldenbremse gilt auf jeden Fall. Ob wir sie in die Landesverfassung übernehmen oder nicht, ist dahingestellt. Man könnte sie auch in die Landeshaushaltsordnung übernehmen, was ich auch ganz charmant finde, um noch einmal klarzumachen, dass man sich auf diesem Weg bewegen will, mit den Einnahmen die Ausgaben zu stemmen.
Wenn wir jetzt noch einmal genau auf den Antrag schauen, den die AfD zum Thema Schuldenbremse vorgelegt hat, ist zum einen überraschend, dass 19 Prozent als tragfähige Höchstgrenze der Landesverschuldung festgelegt worden sind.
Das scheint doch ziemlich willkürlich zu sein; mir ist nicht ganz klar, an welchem Satz man sich da orientiert hat. Es fällt zum anderen ein weiteres Mal der Hinweis auf die Zweidrittelmehrheit auf – bei Naturkatastrophen oder konjunkturellen negativen Entwicklungen. Das, muss ich gestehen, ist mir unverständlich. Bei allem – wenn die Schuldenbremse nicht greift, sondern wir über die Ausnahmen der Schuldenbremse reden – muss es möglich sein, dass die in der Verantwortung stehende Regierung handeln kann und nicht eine Zweidrittelmehrheit zum Tragen kommt. Ich muss gestehen, das erinnert
mich etwas ungut an Ihren Antrag zu SIWANA, wo es bei der Zweidrittelmehrheit um nichts anderes ging, als Investitionen in geflüchtete Menschen und Unterstützungen für diese Personen zu verhindern. Deswegen sehen wir die Schuldenbremse als ein Instrument, das haushälterisch gute Dinge geleistet hat, das auch wichtig für unsere Zukunft ist, da wir die Schulden zulasten unserer nächsten Generationen abbauen müssen, nicht aber als ein Instrument, mit dem man diffamierende Politik machen oder Angst schüren sollte.
Wir werden jetzt schon wachsam sein, weil es wichtig ist – auch wenn wir die Schuldenbremse haben –, genau zu schauen, wo sich unsere Schulden verstecken und welche Schattenhaushalte wir aufbauen, indem wir den Beteiligungen aus rein ideologischer Sicht heraus Dinge aufoktroyieren, die sie natürlich mit einem wirtschaftlichen Handeln nicht in schwarze Zahlen, sondern in die Verschuldung führen werden. Wir werden nicht lockerlassen und den Daumen draufhalten, wo Schattenhaushalte bestehen und mit Tricks versucht wird, die Schuldenbremse zu umgehen. – Vielen herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich kann es kurz machen, gerade weil die öffentliche Debatte über die Schuldenbremse schon so lange geführt wird. Ich muss dafür auch nicht bis Balzac zurückgehen. Wozu eine heillose Überschuldung öffentlicher Haushalte führen kann, haben die Berlinerinnen und Berliner härter als die meisten anderen Menschen in der Bundesrepublik gelernt. Wenn ein ganzes Gemeinwesen dauerhaft auf Pump lebt, führt das über kurz oder lang in die Krise, nicht nur haushälterisch, sondern auch sozial und wirtschaftlich. Schulden sind in der Regel erblich, belasten also nicht nur uns, sondern auch Menschen, die nach uns kommen.
Gleichzeitig mussten wir in Berlin feststellen, dass auch Austerität ihre Kosten hat. Wenn Staat und Politik in wirtschaftlich schlechten Zeiten an der falschen Stelle sparen, etwa bei der Instandhaltung der öffentlichen Infrastruktur, riskieren sie damit einen Investitionsstau, hinter dem sich letztlich auch nichts anders als die Verschiebung von Schulden in die Zukunft versteckt.
Nicht umsonst unterscheidet die Schuldenbremse übrigens zwischen dem strukturellen und einem konjunkturellen Defizit. Wie aber gesagt, ich will die Generaldebatte nicht noch einmal aufrollen, zumal eins feststeht: Die Schuldenbremse gemäß Artikel 109 Abs. 3 Grundgesetz gilt.
Die Antragsbegründung der AfD-Fraktion tut so, als fehle es hier an politischer Legitimation oder rechtlicher Verbindlichkeit. Beides ist nicht der Fall. Ich würde es mal so ausdrücken: Im Gegensatz zur AfD nimmt diese Koalition das Grundgesetz ausgesprochen ernst.
Das gilt auch für den Ausgestaltungsauftrag, den das Grundgesetz gegenüber den Ländern formuliert; die FDP hat es angesprochen. Sowohl die Richtlinien der Regierungspolitik als auch die Koalitionsvereinbarung lassen keinen Zweifel daran, dass bis zum Inkrafttreten der Schuldenbremse zum 1. Januar 2020 eine rechtskonforme Regelung auf Landesebene erfolgt, inklusive einer Regelung zur sogenannten Symmetrie, also einer Berücksichtigung der üblichen konjunkturellen Schwankungen.
Dazu brauchen wir keinen Antrag der AfD und auch nicht zwingend eine Verfassungsänderung. Das Grundgesetz lässt eine einfachgesetzliche Umsetzung im Rahmen der Landeshaushaltsordnung zu.
Mein Eindruck ist deshalb, dass der Dissens zwischen der AfD und der Koalition – oder, wie ich gerade gehört habe, zwischen der AfD und allen anderen Fraktionen in diesem Haus – ein anderer ist. Rot-Rot-Grün hat sich dazu bekannt, den Schuldenabbau fortzuführen und gleichzeitig Geld für die Maßnahmen in die Hand zu nehmen, auf die Berlin schon viel zu lange wartet – für moderne Schulgebäude, eine soziale Wohnraumförderung, die Energiewende oder eine funktionierende Verwaltung.
Die gute Wirtschafts- und Haushaltslage lässt glücklicherweise beides zu – konsolidieren und investieren. Unser Nachtragshaushalt zeigt, wie notwendige Investitionen mit Schuldentilgung und finanzieller Vorsorge zusammengehen, aber auch, wie dringend beide sind. Die AfD hat diese Strategie entweder nicht verstanden oder völlig konträre haushaltspolitische Vorstellungen. Das zeigen auch Ihr Änderungsantrag zum SIWANAErrichtungsgesetz heute, für den Sie keine Stimme aus einer anderen Fraktion bekommen haben, oder auch der Änderungsantrag zum Nachtragshaushalt. Der Eindruck ist immer derselbe: Sie vertreten nicht nur gesellschafts-, sozial- und sicherheitspolitisch die Konzepte von vorgestern, sondern stehen leider auch in der Haushalts- und Finanzpolitik für Rückschritt statt Fortschritt. – Vielen Dank!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Gesetzesantrags federführend an den Hauptausschuss und mitberatend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.