Daniel Wesener
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einige meiner Vorredner haben schon vor einer Gefahr gewarnt, die in politischen Debatten in der Tat virulent ist, nämlich die Gefahr der Redundanz. Als vorletzter Redner ist man sich dieser Gefahr besonders bewusst.
Ich glaube allerdings, dass die Wiederholung in diesem Fall eine wichtige und richtige ist. Wir haben uns als fünf Parlamentarische Geschäftsführer der fünf Fraktionen sehr bemüht, breit darüber zu informieren, was wir unseren Fraktionen bzw. diesem Parlament vorschlagen. Gleichwohl habe ich in dem einen oder anderen Medienbericht Dinge gelesen wie beispielsweise, dass wir hier und heute die Beschlussfähigkeit absenken oder dass wir ein Notparlament einsetzen, wie wir es in der Form nur aus der sächsischen Verfassung kennen. Ich habe Zuschriften bekommen, die beklagt haben, wir würden die Rechte von einzelnen Abgeordneten oder die Rechte der Opposition beschneiden. Deswegen glaube ich, dass die Wiederholung in diesem Fall Sinn macht, zumal solche Missverständnisse, solche Fehlinterpretationen ja von einer Seite in diesem Haus ganz bewusst und vorsätzlich durch Falschinformationen generiert werden.
(Marc Vallendar)
Herr Vallendar! Zu Ihrer Rede vielleicht nur einen Satz: Ich würde mir wünschen, dass Sie sich bei den Kolleginnen und Kollegen entschuldigen, die aufgrund von Erkrankungen, aufgrund von Quarantäne in den letzten Wochen und Monaten nicht an Sitzungen von Ausschüssen oder Sitzungen dieses Plenums teilnehmen konnten, nicht weil sie keine Lust darauf gehabt hätten, nicht weil sie faul sind, sondern weil es ein Gebot der Vernunft ist, dann zu Hause zu bleiben.
Wir haben in den letzten neun Monaten alle zusammen viele neue Begriffe gelernt, darunter den der Pandemieresilienz, und wir haben gemeinsam mit Erschrecken festgestellt, wie wenig resilient große Teile unseres privaten, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens gegenüber einem Virus wie dem Coronavirus und der Covid-19-Erkrankung sind. Ja, das gilt auch für den Parlamentarismus als Eckpfeiler unserer Demokratie. In den letzten Monaten haben viele Menschen dazu beigetragen, dass das Berliner Abgeordnetenhaus trotzdem seiner Verantwortung, Rolle und Funktion gerecht geworden ist, denn funktionierende Parlamente sind in Krisenzeiten wichtiger denn je, als Gesetzgeberin – wir wollen ja u. a. heute einen Nachtragshaushalt beschließen –, als Kontrolleur der Regierung und Verwaltung sowie als Forum der öffentlichen Debatte und Meinungsbildung. Ich bedanke mich deswegen bei all denjenigen, die trotz mitunter schwierigster Bedingungen den Parlamentsbetrieb sichergestellt haben, dem Präsidenten und Direktor, dem Plenar- und Ausschussdienst, den Referentinnen und Referenten, den Protokollantinnen und Protokollanten, der Haustechnik, dem Wachschutz sowie allen anderen, die den Laden AGH am Laufen halten!
Aber trotz all dieser erfolgreichen Anstrengungen können wir den Worst Case bislang nicht ausschließen, nämlich dass die Pandemie und Infektionsentwicklung die Arbeit des Abgeordnetenhauses an der Stelle lahmlegt, wo wir aufgrund unserer Verfassungslage besonders verwundbar sind. Das ist die Frage der Beschlussfähigkeit. Für einen solchen Fall wollen wir nun Vorsorge treffen, in der Hoffnung, dass er niemals eintritt.
Es ist kein Geheimnis, dass meine Fraktion einer Änderung der Landesverfassung ausgesprochen skeptisch gegenüberstand. Wir sind davon überzeugt, dass eine Verfassungsänderung eben nicht ein beliebiges politisches Mittel, sondern stets Ultima Ratio sein sollte, gerade in Krisenzeiten. Das gilt erst recht für alle Maßnahmen, die elementare Rechte von frei gewählten Abgeordneten oder der Opposition beschneiden würden. Der Kompromiss, der heute zur Abstimmung vorliegt, findet aber auch unsere Zustimmung, denn es handelt sich um den minimalinvasivsten denkbaren Eingriff, der im Zusammenhang mit der bestehenden Regelung der Be
schlussfähigkeit möglich ist und zugleich die funktionalen Anforderungen an das Worst-Case-Szenario erfüllt.
Diese Verfassungsänderung beinhaltet keine generelle Absenkung der Beschlussfähigkeit, sondern schafft lediglich die Möglichkeit für eine solche. Dies ist verbunden, wie der Kollege Rissmann ausgeführt hat, mit hohen politischen Hürden, nämlich einer Vierfünftelmehrheit sowie einem faktischen Vetorecht von zwei Fraktionen. Hinzu kommt eine doppelte zeitliche Limitierung. So ist ein Votum für eine Absenkung der Beschlussfähigkeit von mindestens der Hälfte auf mindestens ein Viertel der gewählten Abgeordneten auf maximal drei Monate befristet. Aber auch die Neuregelung in der Landesverfassung selbst ist befristet, nämlich auf das Ende der laufenden Legislatur, und läuft somit automatisch aus.
Festgelegt haben wir auch, was ein Parlament mit abgesenkter Beschlussfähigkeit alles nicht beschließen und entscheiden kann, sei es die Wahl einer Regierenden Bürgermeisterin oder eines Regierenden Bürgermeisters,
sei es eine Änderung unserer Geschäftsordnung. Vielmehr müssen alle Gesetze, die ein Plenum in dieser Konfiguration beschließt, im Nachgang von einem mit herkömmlichem Beschlussfähigkeitsquorum bestätigt werden.
Erlauben Sie mir noch ein paar kurze Sätze zur Geschäftsordnung, die ebenfalls zur Abstimmung steht, denn mit der vollziehen wir hier nicht nur die Neuregelung in der Landesverfassung nach. Als Grüne freuen wir uns vielmehr darüber, dass es erstmals in der Geschichte des Berliner Abgeordnetenhauses gelingt, digitale Abstimmungen in Ausschüssen zu legalisieren. Nein, auch wir wollen kein rein virtuelles Parlament, denn der Parlamentarismus lebt nicht nur von der Präsenz und Interaktion von Argumenten, sondern auch der seiner Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Aber auch hier gilt das Prinzip der Vorsorge für den pandemischen Worst Case, denn die digitale Meinungsbildung und Entscheidungsfindung ist demokratischer als gar keine Ausschusssitzung abhalten oder Beschlüsse fassen zu können, zumal dadurch auch die politische Mitwirkung von gewählten Abgeordneten gewährleistet werden kann, die infolge einer Infektion oder Quarantäne im Homeoffice verbleiben müssen. – Deshalb werbe ich im Namen der gesamten Grünen-Fraktion um Zustimmung für die beiden vorliegenden Anträge. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei einem Nachtragshaushalt ist im besten Falle der Name Programm. Es handelt sich um die nachträgliche Veränderung eines bestehenden Haushaltsplans im Sinne der Abbildung außerplanmäßiger Einnahmen oder Ausgaben. Auch dem liegen – wie bei jeder Haushaltspolitik – politische Entscheidungen zugrunde, aber im Regelfall handelt es sich allenfalls um eine Nachjustierung der großen finanzpolitischen Linien – soweit die Normalität.
Aber in der Coronakrise ist nichts normal, und deswegen dürfte auch dieser zweite Nachtrag zum Landeshaushaltsplan 2020/21 ohne Beispiel in der Geschichte der Berliner Haushaltspolitik sein. Allein die Beratungszeit von knapp einem halben Jahr und das Volumen der zusätzlichen Kreditermächtigung erinnern eher an reguläre Haushaltsberatungen als an einen gewöhnlichen Nachtrag. So hat sich das, glaube ich, auch für alle Beteiligten in den letzten Monaten angefühlt.
Ich will mich deswegen zunächst einmal ganz herzlich bedanken bei meinen Kollegen Torsten Schneider und Steffen Zillich und allen anderen Haushälterinnen und Haushältern der Koalition, aber auch bei großen Teilen der Opposition. Es war schön, zu erleben, dass es jenseits des parteipolitischen Wettbewerbs und seiner Rituale das gemeinsame Bewusstsein dafür gab, im Zeichen der Pandemie gemeinsam Verantwortung übernehmen zu müssen.
Ich bedanke mich auch beim Finanzsenator und seiner Verwaltung. – Wir haben es Ihnen nicht gerade leicht gemacht, aber letztlich konnten wir trotz unterschiedlicher Rollen und Blickwinkel einen Beitrag dazu leisten, dass Berlin besser durch diese Krise kommt. – Ich sage ganz herzlichen Dank an das Hauptausschussbüro und die Referentinnen und Referenten der Fraktionen: Kein Berliner Haushalt kommt ohne Sie und euch zustande.
Die Coronakrise hat sich als das erwiesen, was ich bereits bei der Beschlussfassung über den ersten Nachtragshaushalt 2020 von diesem Pult aus thematisiert habe, nämlich als eine äußerst dynamische Krise ohne jede verlässliche Prognose oder gar Blaupause, wie und wann wir sie gemeinsam final bewältigen können. Das gilt für den Umfang und die Wahl der Infektionsschutzmaßnahmen genauso wie für die Instrumente der Haushalts- und Finanzpolitik. Aber eines ist klar, und zwar als Lehre aus vergangenen Krisen: Wer nicht gegensteuert und vorsorgt, wer keine Konsequenzen aus ihren Ursachen und Nachwirkungen zieht, der vergrößert den Schaden der Krise für die Gesellschaft insgesamt. Die Koalition ist deshalb sich und ihrer finanzpolitischen Strategie treu geblieben. Wir schaffen Vorsorge für schnelle Hilfen für diejenigen, die diese Krise wirtschaftlich besonders hart trifft, die kleinen und mittleren Unternehmen, die Kulturschaffenden und Kreativen, die Berliner Gewerbemieter, Vereine und den Sport, aber auch für die Berliner Landesunternehmen, die unser aller Grundversorgung sichern.
Herr Goiny! Vielleicht noch zwei, drei Worte zu Ihren Ausführungen zu den Hilfen: Sie haben gesagt, man dürfe sich nicht auf den Bund verlassen. – Da haben Sie recht. Wer sich auf den Bund und diese Bundesregierung verlässt, der ist in der Tat verloren.
Deswegen gab es eine Berliner Soforthilfe I, II, II, IV, V, und deswegen schaffen wir jetzt auch Vorsorge.
(Dr. Kristin Brinker)
Aber, Herr Goiny, nach mehreren Monaten Debatte müssten auch Sie eines verstanden haben: Die Überbrückungshilfen sind nicht additiv zu Landeshilfen, sondern sie werden angerechnet. Das heißt, die Betreffenden haben nicht einen Cent mehr, sondern der einzige Effekt ist, dass wir mit Berliner Steuermitteln das bezahlen, was sonst der Bund bezahlen würde – und das können selbst Sie nicht wollen, Herr Goiny.
[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Steffen Zillich (LINKE) – Bürgermeister Dr. Klaus Lederer: So ist es! – Christian Goiny (CDU): Da haben Sie mich falsch verstanden!]
Nein! – Wir bilden eine Rücklage für den Ausgleich der vorhersehbaren Mindereinnahmen der öffentlichen Hand in 2021 und 2022, damit der Staat eben nicht auch noch in die Krise hineinspart, denn das würde den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Flurschaden nur vergrößern und die konjunkturelle Erholung deutlich erschweren. Deshalb refinanzieren wir einen großen Teil der Mehrausgaben und Mindereinnahmen, die unmittelbar auf die Coronakrise zurückgehen durch notfallbedingte Kreditaufnahme und das in einer Höhe, die sich im Vergleich zu anderen Bundesländern ebenso maßvoll wir haushaltspolitisch seriös darstellt – oder, um es in Richtung der Opposition noch einmal etwas deutlicher zu sagen: Die deutschen Coronaschuldenkönige sitzen nicht in diesem Saal, sondern in den Landtagen in Düsseldorf oder München mit ihren schwarz-gelben und schwarz-orangenen Landesregierungen.
Wir sorgen dafür, dass Land und Bezirke in 2021 politisch wie finanziell handlungsfähig bleiben, durch die Neutralstellung der Bezirkshaushalte und durch zusätzliche Mittel für den Kitaausbau, die Wahrnehmung der bezirklichen Vorkaufsrechte, die Fortsetzung des Semestertickets, das wichtige Verkehrsprojekt i2030 und die coronabedingten Mehrbedarfe bei der Wohnungslosen- und Suchthilfe. Und wir ziehen erste Konsequenzen aus dem, was uns die Coronakrise gelehrt hat, etwa durch die Beschleunigung der Digitalisierung der Berliner Schulen und die Festlegung der dafür notwendigen administrativen Zielstruktur.
Last but not least stellen wir als Koalitionsfraktionen sicher, dass nahezu alle diese Maßnahmen und Entscheidungen nur unter der Einbeziehung und politischen Mitwirkung des Parlaments stattfinden. Das gilt auch und gerade für die geplanten Konjunkturmaßnahmen, denn so notwendig diese aus grüner Sicht für die wirtschaftliche Erholung Berlins 2022 ff. sind, kann das nicht die Subventionierung eines bloßen Weiter-so bedeuten. Wenn uns die Coronakrise etwas gelehrt hat, dann das, was uns die Klimakrise eigentlich schon längst hätte lehren müssen, nämlich dass die Krisenresilienz unserer Gesellschaft und unseres Wirtschaftssystems davon abhängt, ob ihre ökologische, soziale und digitale Transformation wirklich gelingt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das nächste Jahr wird nicht weniger anstrengend als das, das in wenigen Wochen zu Ende geht. Ich wünsche allen, die sich faktisch seit diesem Frühjahr in Haushaltsberatungen befinden, eine erholsame Verschnaufpause über die nahenden Feiertage. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will es relativ kurz machen, aber es ist mir natürlich eine große Freude, dass wir eine Sitzung bestreiten, die fast schon einer Kulturförderdebatte gleichkommt.
Den Auftakt hat ja der Kollege Schneider mit einem überraschenden Bekenntnis gemacht. Ich werde mir das aus dem Protokoll ausschneiden, vergrößern und in meinem Büro an die Wand hängen.
(Senator Dr. Matthias Kollatz)
Es gibt einen ernsten Hintergrund. Herr Goiny, das haben Sie gesagt. Das hat der Finanzsenator gesagt. Ich habe es eingeflochten. In der Tat: Wir reden hier nicht über Gedöns, wie manche Menschen meinen, sondern wir reden, wenn man so will, über den Rohstoff, die Schwerindustrie – nennen Sie es, wie Sie wollen – für diese Stadt, und wir reden über viele Menschen, die in ganz besonderer Art und Weise betroffen sind. Herr Goiny, wir teilen da, glaube ich, dieselbe Leidenschaft.
Für das Politikfeld, Frau Meister. – An einer Stelle gibt es einen Unterschied, und der liegt, glaube ich, auch nicht in den unterschiedlichen Rollen begründet, die nun einmal Opposition und Koalition haben. Der Unterschied ist, dass ich der Meinung bin, dass es – gerade in so einer Situation – unverantwortlich ist, die Leute für blöd zu verkaufen, und dass wir bei allem, was wir kritisieren, sei es am Senat, an der Bundesregierung, an anderen Parteien, schon in der Pflicht stehen, uns die Mühe zu machen, den Stand der Dinge zu recherchieren und zu kommunizieren. Und wenn Sie sich hier hinstellen – nachdem erst ich und später der Finanzsenator versucht hat, es Ihnen näherzubringen – und ein weiteres Mal behaupten: Liebe Kulturschaffende, es ist überhaupt kein Problem, ihr könnt alle Hilfe beantragen, und die entsprechenden Summen werden alle summiert. –, dann sprechen Sie schlicht und ergreifend die Unwahrheit, und das wissen Sie. Ich finde, man kann von einem Abgeordneten und Finanzpolitiker verlangen, dass er sich mit den Überbrückungshilfen des Bundes beschäftigt. Das ist nachlesbar. Ich finde, es ist auch nicht zu viel verlangt, dort herauszulesen, dass diese Kombination entweder faktisch ausgeschlossen wird oder aufgrund der Be- und Verrechnungsmodalitäten dazu führt, dass diejenigen, die das beantragen, am Ende entweder keinen Cent mehr in der Tasche haben oder sogar wirtschaftlich benachteiligt sind. Auch solche Fälle gibt es. Ich bitte Sie wirklich herzlich, für diese Menschen, diese Kulturbetriebe, für die Sie und ich Politik machen, Aufklärung zu leisten. Das heißt ja nicht, dass Sie nichts anderes fordern können. Da ist es mir völlig egal, ob Sie das von Ihrem CDUWirtschaftsminister, vom SPD-Finanzminister oder diesem Senat fordern – im Zweifelsfall bin ich sogar dabei. Aber bitte, bitte sagen Sie doch denjenigen, die dort als unmittelbar Betroffene händeringend nach Wegen suchen, über dieses Jahr zu kommen, die Wahrheit! – Danke schön!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Trefzer! Wenn man Ihnen zuhört, dann fragt man sich, wo die AfD-Fraktion in den letzten Monaten eigentlich war.
Ich will wie der Kollege Schneider an die Plenarsitzung vom 14. Mai erinnern. Da habe ich mich wie folgt eingelassen:
Ich finde, in einer parlamentarischen … Parteiendemokratie muss es ein Störgefühl auslösen, wenn eine Bundeskanzlerin und 16 Ministerpräsidentinnen Woche für Woche Entscheidungen treffen, die weitreichende Konsequenzen für jeden von uns haben, einschließlich der temporären Einschränkung von Grundrechten.
Dieses Störgefühl ist geblieben und seitdem bei vielen Menschen größer geworden. Sie fragen immer lauter nach der demokratischen Debatte und der parlamentarischen Kontrolle. Es ist deshalb gut, dass wir heute zusammenkommen, denn es zeigt, dass das Abgeordnetenhaus von Berlin weiß, was seine Aufgabe ist, und das ist an allererster Stelle, als Haus der demokratisch gewählten Repräsentanten der Menschen in dieser Stadt Ort der gesellschaftlichen Debatte und der demokratischen Meinungsbildung zu sein.
Herr Pazderski – Sie sind jetzt leider draußen –, wenn Sie heute einerseits behaupten, die Kanzlerin habe den Lockdown quasi im Alleingang durchgedrückt, und andererseits sagen, dass das alles hier, die Sitzung eines frei gewählten Parlaments, eine reine Showveranstaltung ist, dann zeigt das, wie doppelzüngig Sie unterwegs sind.
Aber es gibt noch eine zweite Aufgabe dieses Parlaments, nämlich die der parlamentarischen Kontrolle der Exekutive einschließlich der Möglichkeit, dieser klare Vorgaben für ihr Handeln zu machen und damit auch unmittelbar Verantwortung zu übernehmen. Eben diese Erwartung steckt in der Forderung vieler in unserer Gesellschaft, das Parlament möge bei der Pandemiebewältigung stärker beteiligt werden.
Grundsätzlich, so scheint mir, reden wir über mindestens drei Möglichkeiten und Wege einer besseren Beteiligung des Parlaments an den Infektionsschutzmaßnahmen, wie sie in den vergangenen Monaten durch Verordnungen der
Exekutive auf Grundlage von § 32 Infektionsschutzgesetz des Bundes erfolgt sind.
Da sind erstens die Rechte und Instrumente, die uns als Mitgliedern und Fraktionen im Abgeordnetenhaus bereits heute, Herr Pazderski, zur Verfügung stehen. Anders als in manch anderen Bundesländern muss der Senat nach Artikel 64 der Berliner Verfassung über von ihm erlassene Rechtsverordnungen in Form einer Mitteilung – zur Kenntnisnahme – unterrichten, sprich: diese den Abgeordneten vorlegen, und das, wie es in unserer Landesverfassung heißt, „unverzüglich“. Jede Fraktion oder eine Gruppe von mindestens zehn Abgeordneten kann diese Mitteilung an den zuständigen Ausschuss überweisen. Nach unserer Geschäftsordnung steht es übrigens auch jeder und jedem einzelnen Abgeordneten frei, zu einer solchen Vorlage den Senat schriftlich zu befragen – einschließlich einer verbindlichen Antwortfrist von zwei Wochen.
Von viel entscheidenderer Bedeutung dürfte in unserem Zusammenhang aber die parlamentarische Möglichkeit sein, auf die exekutiven Verordnungen in der Sache Einfluss zu nehmen. Die ist ebenfalls in unserer Geschäftsordnung festgeschrieben, und zwar in § 32 Abs. 5. Demzufolge kann ein Ausschuss empfehlen, Rechtsverordnungen aufzuheben oder zu ändern. Das Abgeordnetenhaus kann sich dem als Ganzes anschließen und damit ein entsprechendes Ersuchen an den Senat richten. Was kompliziert klingt und etwas umständlich wirken mag, hat dieses Haus unlängst schon einmal erfolgreich praktiziert. Ich erinnere hier an die Beschlussfassung des Rechtsausschusses vom 18. Mai anlässlich der Debatte um die pandemiebedingte Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Und ich erinnere an das Ergebnis dieser parlamentarischen Intervention. Der Senat hat seine Verordnung entsprechend angepasst und das stante pede,
will heißen, das Abgeordnetenhaus von Berlin war und ist angesichts der Coronabeschlüsse des Senats, auch wenn sie auf einen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz beruhen, keineswegs zu einem reinen Zaungastdasein und zu politischer Untätigkeit verdammt. Wer dergleichen behauptet, kennt weder die Berliner Verfassung noch die Geschäftsordnung dieses Hauses, geschweige denn seine eigenen Abgeordnetenrechte, oder er will vorsätzlich und instrumentell den Eindruck erwecken, hier würden Demokratie und Parlamentarismus zugunsten einer imaginären „Coronadiktatur“ ausgehebelt. Ich würde mir wünschen, dass wir alle gemeinsam dergleichen Desinformation und Antiestablishmentrhetorik entgegentreten, denn die ist verantwortungslos und brandgefährlich.
Es gibt einen zweiten Weg, der uns als Abgeordnetenhaus auch jederzeit offensteht. Dafür braucht es keine Bezugnahme auf unsere Landesverfassung oder Geschäftsordnung, denn es das Grundgesetz selbst, das in seinem Artikel 80 Abs. 4 vorsieht, dass Rechtsverordnungen der Länder, die auf Bundesgesetzen fußen, in landesgesetzliche Regelung überführt werden können.
Es spricht in meinen Augen viel dafür, dass die bisherige demokratische Legitimation der Coronamaßnahmen hinter dem zurückbleibt, was in der aktuellen Lage vonnöten ist, denn dazu sind die exekutiven Entscheidungen in Bund und Ländern viel zu weitreichend und einschneidend. Gleichwohl sind Zweifel angebracht, ob eine Überführung sämtlicher Regelungsinhalte der geltenden Infektionsschutzverordnung in ein Landesgesetz richtig und funktional wären.
Wir diskutieren heute bekanntlich über die Zehnte Änderungsverordnung zur bestehenden Infektionsschutzverordnung. Im Frühjahr und Sommer gab es zusätzliche elf Änderungsverordnungen zur damals geltenden Eindämmungsverordnung, ganz zu schweigen von weiteren Einzelverordnungen und den zahllosen Hygienekonzepten der unterschiedlichen Fachverwaltungen. In einer Pandemie, in der sich das Infektionsgeschehen ebenso wie die Notwendigkeit, ihm durch konkrete Maßnahmen zu begegnen, als dermaßen dynamisch erweist, dürfte deshalb eine solche Rechtsetzung rasch an ihre Grenzen stoßen, zumal die durch das Bundes- und Verfassungsgericht auch inhaltlich gezogen sind.
Umgekehrt braucht es die Diskussion darüber, ob eine gesetzliche Implementierung nicht zumindest mit Blick auf besonders relevante Einzelmaßnahmen naheliegend oder gar zwingend erscheint, sei es, um die notwendige Rechtssicherheit zu gewährleisten, sei es zugunsten einer stärkeren demokratischen Legitimation und öffentlichen Beteiligung.
Um die zu erreichen, tut sich auch ein dritter Weg auf. Der besteht in der landesgesetzlichen Einhegung und Konditionierung der Art und Weise, wie Infektionsschutzverordnungen auf Landesebene zustande kommen bzw. Rechtskraft erlangen. Ich meine damit etwa die Möglichkeit, die Geltung der Verordnungen an die Zustimmung des Parlaments zu binden oder sie zeitlich zu limitieren, also zu befristen.
Ferner besteht die Möglichkeit, Verordnungsinhalte bestimmten Kriterien bzw. Voraussetzungen zu unterwerfen, sei es der Aspekt der Verhältnismäßigkeit und Gleichbehandlung oder die Verpflichtung auf evidenzbasierte Verfahren. Die FDP hat mit ihrem heutigen Antrag einen Versuch dieser Art unternommen. In solchen Fällen wäre das Abgeordnetenhaus zwar nicht der Verordnungsgeber, aber zwingend daran zu beteiligen als Ort der Debatte und der finalen Entscheidung. Auch dieser Weg
scheint mir einer Diskussion in diesem Parlament wert, zumal andere Landtage in diesem Sinne ebenfalls tätig geworden sind oder tätig werden. Auch eine solche Gesetzesinitiative und parlamentarische Praxis bedeutet letztlich ein Mehr an Verantwortung für dieses Haus und – da gibt es kein Vertun – ein Mehr an Verantwortung für uns alle.
Um es ganz plastisch zu machen, ein Parlament, das dergleichen Kompetenzen für sich reklamiert, muss dies nicht nur an einem Sonntag im Jahr beweisen, sondern vermutlich häufiger.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Dieses Parlament weiß um seine Verantwortung der Coronakrise und dass uns diese Verantwortung auch niemand abnehmen kann. Wir versuchen, dem gerecht zu werden und bitten dabei um Ihre Unterstützung. Gemeinsam können und werden wir diese Pandemie besiegen. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Dr. Brinker! Ich teile ein wenig die Ratlosigkeit der Kollegin Meister, denn dass Rechtsprechung und Gesetzeslage in einem demokratischen Staatswesen nicht statisch, sondern einer allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung unterworfen sind, mag für Sie neu sein – für uns ist das nicht der Fall. Das gilt natürlich auch für den Umstand, dass auch Verfassungen möglicherweise einem solchen Wandel unterworfen sind, erst recht, wenn Änderungen am Grundgesetz auf Bundesebene unmittelbar auf die Verfassungsordnung der Länder zurückwirken.
Dass allerdings die AfD erst jetzt durch die Stellungnahme des Berliner Rechnungshofs darauf gestoßen ist, dass sich im Bereich der staatlichen Anleihen und Kredite durch die immerhin schon 2009, Frau Dr. Brinker, beschlossene grundgesetzliche Schuldenbremse etwas getan hat, lasse ich jetzt einmal unkommentiert. Gleiches gilt für die Formulierung in Ihrer Antragsbegründung einer – ich zitiere – „rechtshygienisch sauberen Landesverfassung“ – Zitat Ende. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was die AfD darunter wirklich versteht.
Ausdrücklich begrüße ich den Umstand, dass sich die AfD offenbar von ihrer alten Forderung verabschiedet hat, die Schuldenbremse in die Berliner Landesverfassung aufzunehmen. Anders lässt es sich nicht erklären, dass Sie es in Ihrem Antrag bei Streichungen und einem Verweis auf die einfachgesetzlichen Regelungen belassen
(Steffen Zillich)
wollen. Das ist gut, denn es zeigt, dass die AfD zumindest bei dieser Thematik in der Lage ist, die Veränderungen im politischen und wissenschaftlichen Diskurs der letzten Jahre nachzuvollziehen. Genau diese dynamischen Entwicklungen in der Debatte – weg von der statischen Austeritätspolitik und einem überholten neoliberalen Verständnis öffentlicher Nettokreditaufnahme hin zu einer symmetrischen Finanz- und antizyklischen Konjunkturpolitik – sollten wir bei der Ausschussberatung dieses Antrags im Blick behalten.
Es besteht die begründete Hoffnung auf eine flexiblere Ausgestaltung der Schuldenbremse auf Bundesebene, und damit auch in den Ländern – nicht nur, aber auch infolge der Coronakrise. Zumindest ist das die erklärte politische Absicht meiner Partei. Daher wäre es misslich, die Anpassung der Verfassung, ob jetzt nötig oder nicht, an den grundgesetzlichen Status quo übers Knie zu brechen, wenn der sich in naher Zukunft womöglich schon wieder ändern sollte, zumal wir dann über einen weiteren AfDAntrag in dieser Sache diskutieren müssten. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am letzten Wochenende schien in der Kulturhauptstadt Berlin für einen kurzen Moment alles so wie gehabt. Mit dem Gallery Weekend, der Berlin Art Week und der POSITIONS Berlin Art Fair wurde einmal mehr
sichtbar, was unsere Stadt international auszeichnet: einer der weltweit bedeutendsten Standorte der Produktion und Präsentation von bildender Kunst zu sein.
Am Freitag zuvor fand in Anwesenheit des Bundespräsidenten, des Bundestagspräsidenten und des Regierenden Bürgermeisters der Festakt anlässlich des 450-jährigen Geburtstages der Staatskapelle statt. Eines der ältesten und zugleich führenden Orchester der Welt – so formuliert es Wikipedia – spielte unter der Leitung von Daniel Barenboim Werke von Boulez, Wagner und Beethoven.
Wenige Tage davor begingen das Berliner Ensemble, die Volksbühne und das Maxim Gorki Theater ihren diesjährigen Saisonauftakt, drei Berliner Stadttheater, deren künstlerische Geschichte und Gegenwart Theaterfans überall auf dem Globus ein Begriff ist. Also alles wie gehabt? Hat die Kulturhauptstadt die Coronakrise endgültig überwunden? Gilt in Berlins Kulturleben wieder der Status quo ante, und sei es nur als neue Normalität im Zeichen der Pandemie, wie sie in so vielen gesellschaftlichen und Arbeitsbereichen längst unser aller Alltag geworden ist? – Nein! Nichts ist normal, und schon gar nichts ist gut in der Kulturhauptstadt.
Die dreiviertel leeren Säle, Theater, Konzerthäuser, Ausstellungshallen sind dafür nur das sichtbarste Zeichen. Berlins Kulturlandschaft, Kulturschaffende und Kreative durchleiden weiterhin ihre wohl größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Den anfangs genannten Künstlerinnen und Künstlern und Ensembles steht eine vielfach höhere Zahl von Kulturschaffenden in der Stadt gegenüber, die seit dem März einem faktischen Arbeits- und Aufführungsverbot unterliegen. Zehntausende haben mit dem Lockdown von einem Tag auf den anderen ihr Einkommen verloren. Und was für viele mindestens genauso schlimm ist, die Möglichkeit, ihrer Kunst als Beruf nachgehen zu können.
Die große Mehrheit der Berliner Kulturorte und kulturwirtschaftlichen Betriebe weiß bis heute nicht, ob und wie sie die Coronakrise wirtschaftlich überstehen wird. Für etliche, wie die Berliner Clubs und Festivals, ist nicht einmal absehbar, wann sie ihre Pforten überhaupt wieder öffnen können.
Im Namen meiner gesamten Fraktion will ich allen in Berlin lebenden Künstlern und Künstlerinnen und Kreativen meine Solidarität und meinen Respekt aussprechen. Wir wissen aus zahllosen Gesprächen und Zuschriften, was Sie und ihr gegenwärtig durchmacht. Wir wissen es umso mehr zu schätzen, dass ihr eure ganze Kraft und Kreativität dafür aufwendet, dass wir, das Publikum, trotz alledem wieder Konzerte, Theater und Museen besuchen können, so schwierig die jeweiligen Rahmenbedingungen auch sein mögen. Dafür danken wir euch und Ihnen von Herzen.
(Martin Trefzer)
Umso mehr stehen wir, die politischen Parteien und gewählten Mandats- und Amtsträger und -trägerinnen in der Pflicht, alles uns Mögliche zu tun, um Abhilfe zu schaffen: Abhilfe für die betroffenen Menschen, Betriebe und Institutionen, aber auch Abhilfe für eine weltweit einzigartige Kulturlandschaft insgesamt, denn die ist für Berlin längst das, was Bytes und Bits für das Silicon Valley sind.
Rund 350 000 Berlinerinnen und Berliner verdienen direkt oder indirekt ihren Lebensunterhalt in der Kulturund Kreativwirtschaft. Sie erwirtschaften damit einen relevanten Anteil des städtischen Bruttoinlandsprodukts und sind maßgeblicher Treiber für einen der wichtigsten Berliner Wirtschaftssektoren überhaupt, den Tourismus. Es ist deshalb nur folgerichtig und gut, dass es keine andere Stadt in der Bundesrepublik gibt, die den Kulturschaffenden und Betrieben in der Coronakrise so schnell und umfangreich geholfen hat wie Berlin.
Die von der Opposition zu viel geschmähte Soforthilfe II hat es mindestens 70 000 Kulturschaffenden und Kreativen ermöglicht, den Lockdown wirtschaftlich halbwegs zu überstehen.
Mit der alten und neuen Soforthilfe IV konnten Insolvenzen von Kulturbetrieben abgewendet und zumindest ein gewisser Teil der Einnahmeausfälle kompensiert werden. Mit dem erst kürzlich angelaufenen Stipendienprogramm können Künstlerinnen und Künstler aufgefangen werden, die nach wie vor keinen Anspruch auf die Hilfe des Bundes haben, weil die Kulturstaatsministerin leider immer noch nicht verstanden hat, dass es einen Unterschied zwischen Erwerbslosigkeit und coronabedingten Einkommensverlusten gibt. Dafür danke ich allen Beteiligten, dem Kultursenator, der Wirtschaftssenatorin.
und dem Finanzsenator! Entschuldigen Sie, Herr Dr. Kollatz, selbstredend! Wie konnte ich das als Haushälter vergessen?
Diese und andere Beispiele zeigen, dass Berlin, der Senat und diese Koalition sehr wohl wissen, was sie ihren Kulturschaffenden und Kreativen schuldig sind. Wir stehen zu unserem Versprechen, die Defizite der öffentlichen Kultureinrichtungen und Institutionen durch öffentliche Mittel auszugleichen. Wir werden auch weiterhin im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Landeshaushalts all jene Kulturschaffenden und Betriebe nach Kräf
ten unterstützen, die unverschuldet in Not geraten sind und finanzieller Hilfe bedürfen.
Keine Zwischenfragen!
Trotzdem dürfen wir die Augen nicht davor verschließen, dass uns mindestens zwei große Herausforderungen erst noch bevorstehen. Zum ersten: Die Hoffnung auf eine alsbaldige Rückkehr zur Normalität könnte sich als ebenso zeitkritisch wie trügerisch erweisen. Darüber dürfen uns auch die Fortschritte der letzten Wochen nicht hinwegtäuschen. Es ist gut, dass das neue Hygienekonzept der Kulturverwaltung mit der Schachbrett- und Rautenregelung wieder mehr Besucherinnen und Besucher die Teilhabe an Kulturveranstaltungen ermöglicht, wobei ich keinen Hehl daraus mache, dass wir Grüne dabei auf die Maskenpflicht am Sitzplatz gern verzichtet hätten.
Es kann nicht darum gehen, den Kulturbereich zu privilegieren. Umgekehrt darf es aber auch nicht sein, ihm die Gleichbehandlung etwa mit der Gastronomie zu versagen. Gut ist natürlich auch, dass die Kulturorte der Stadt alles ihnen Mögliche unternehmen, um die höchsten Infektionsstandards und den bestmöglichen Infektionsschutz für ihr Publikum zu garantieren.
Ich bin mir deshalb sicher, die großen Berliner Bühnen, die Opern und Konzerthäuser sowie die städtischen Theater werden die Coronakrise überdauern, genauso wie sie in ihrer jahrhundertealten Geschichte ganz andere Krisen und Katastrophen gemeistert haben. Dafür spricht der Umstand, dass sie in der Regel über geeignete räumliche, technische und personelle Ressourcen verfügen und natürlich der Umstand der öffentlichen Förderung.
Aber wie sieht es mit der Pandemieresilienz der vielen anderen Kulturorte und -betriebe, künstlerischen Unternehmungen und den Kreativberufen aus? Unsere besondere Sorge und Fürsorge muss den kleinen und privaten Kulturorten gelten, den freien Gruppen und Ensembles, den Soloselbstständigen und Freiberuflern, den jungen Genres und Sparten sowie den kreativwirtschaftlichen Hybriden. Sie sind der Nährboden für Entwicklung und künstlerische Innovation und zugleich das eigentliche Merkmal Berlins als Hotspot des internationalen Kulturbetriebs.
Ja, diese sogenannte freie Szene hat sich in ihrer Geschichte als ausgesprochen wandlungs- und anpassungsfähig erwiesen. Umso wichtiger ist es jetzt, allgemeine wie passgenaue Lösungen zu finden, die von Dauer sind.
Denn eines hat die Coronakrise bereits jetzt bewiesen: Sie trifft insbesondere jene gesellschaftlichen Gruppen und Bereiche mit voller Härte, die bereits vorher in der Krise waren, womit ich bei meinem zweiten Punkt wäre.
Weder die prekäre Lebens- und Einkommenssituation vieler Künstler und Kreativer noch die Raumnot im Berliner Kulturbereich insgesamt sind ursächlich auf die Coronakrise zurückzuführen. Die bündelt vielmehr wie in einem Brennglas strukturelle Probleme, die in Politik und Öffentlichkeit seit Jahren bestens bekannt sind. Wir leisten uns eine Fördersystematik, die zwar über einiges an Geld, aber wenig Nachhaltigkeit verfügt. Wir legen immer noch einzelne Projekte und große Events auf, wo eigentlich eine Regelfinanzierung und Weiterentwicklung der kulturellen Grundversorgung nötig wäre. Wir reden von künstlerischer Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit und wissen gleichzeitig, dass dabei häufig in Wahrheit Selbstausbeutung und Lohndumping Pate stehen. Auch deshalb kann und darf es keine Rückkehr zu dieser Normalität und dem Status quo ante geben.
Die Coronakrise hat uns in vielerlei Hinsicht einmal mehr vor Augen geführt, was in unserer Gesellschaft falsch läuft, gerade auch im Kulturbereich. Die Koalition hat in dieser Legislatur damit begonnen, diese strukturellen Probleme anzugehen – mit Mindesthonoraren und dem Ausgleich der Tarifentwicklung, mit einem Investitionsprogramm für Kulturimmobilien und gezielten Ankäufen, mit einem neuen Bibliothekskonzept, der Diversifizierung der Kulturförderung und Einrichtungen und vielem mehr. Diesen Weg wollen und müssen wir weitergehen.
In den vergangenen Monaten und auch heute ist immer wieder von systemrelevanten Berufsgruppen die Rede gewesen. Einige davon haben erst im Zeichen der Coronakrise an gesellschaftlicher Sichtbarkeit und Dankbarkeit gewonnen, etwa die Gesundheit- und Pflegeberufe. Auch die Kulturszene hat sich postwendend für systemrelevant erklärt, und wir Kulturpolitiker und -politikerinnen haben diese Definition sehr schnell aufgegriffen. Trotzdem meinen wir etwas anderes mit dem Begriff der Systemrelevanz, etwas, das den Kultursektor von allen anderen Berufsfeldern und Gesellschaftsbereichen unterscheidet, denn in der Kunst und Kultur geht es nicht zuvörderst darum, ein System im Sinne einer Gesellschaftsordnung und ihrer Konventionen zu affirmieren. Kunst und Kultur haben es sich im Gegenteil zur Aufgabe gemacht, dergleichen Systeme zu reflektieren und zu hinterfragen, ja mitunter sogar zu verändern. Ihre Systemrelevanz besteht also vielmehr darin, systemkritisch zu sein.
Damit wird klar, was gegenwärtig jenseits von hunderttausenden Existenzen und Berlins Status als Kulturhauptstadt und globalem Sehnsuchtsort auch auf dem Spiel steht, und das ist die Fähigkeit einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft, ihren eigenen Widersprüchen, Unzulänglichkeiten und Konflikten mit künstleri
schen Ausdrucksmitteln zu begegnen. Es stellt sich also nicht nur die Frage, ob es für Berlins Kulturlandschaft eine Zeit nach der Coronakrise gibt, sondern auch, ob wir uns eine zukünftige Gesellschaft vorstellen können, die ohne dieses Kunst- und Kulturleben auskommen muss. Ich bin mir sicher, dass das niemand kann und niemand will. Also handeln wir auch so. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, eines können wir im Zuge dieser Debatte feststellen: Der Streit um die Zukunft vom sogenannten Grabfeld I als ehemaliger Teil des Invalidenfriedhofs in der Scharnhorststraße in Berlin-Mitte hat es wirklich in sich. Wer in den vergangenen Wochen und Monaten Zeitung gelesen hat, wird feststellen: Da ist politisch Musik drin.
Wir haben es hier mit nicht weniger als mit einem Konflikt zwischen zwei Verfassungsorganen zu tun, nämlich zwischen dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung. Ich hoffe sehr, dass sich diese Frontstellung in Berlin nicht wiederholt, sondern dass der Senat und das Abgeordnetenhaus zu einer gemeinsamen politischen Haltung, gemeinsam mit dem Bezirk Mitte, kommen.
Aber nicht nur formal, sondern auch inhaltlich geht es in der Debatte über das Grabfeld I und das geplante Besucherinformationszentrum im Tiergarten um zwei wichtige Fragen von hoher Aktualität. Die erste lautet: Wie ernst meinen wir es wirklich mit dem Klimaschutz in Zeiten der Klimanotlage, mit urbaner Klimaresilienz und -anpassung, mit einer lebenswerten Stadtnatur, Biodiversität und – last but not least – einer Versorgung der Berlinerinnen und Berliner mit wohnortnahen Grün- und Erholungsflächen? Sind das alles politische Sonntagsreden und Beschlusstexte, die das bedruckte Papier nicht wert sind, wie das den Parteien beispielsweise von Fridays for Future regelmäßig und nicht immer ganz zu Unrecht
(Marion Platta)
unterstellt wird, oder machen die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung mit dem urbanen Klimaschutz wirklich ernst – auch und gerade dann, wenn konkurrierende und mächtige Interessen im Spiel sind?
Beim Grabfeld I und dem BIZ-Projekt des Bundes sind die Sachlage und der Zusammenhang eigentlich recht überschaubar. Wenn dem Vernehmen nach mehrere Tausend Quadratmeter vom Gartendenkmal Großer Tiergarten verkauft, versiegelt und überbaut werden sollen, dann braucht es für diesen drastischen Eingriff in die Stadtnatur einen Ausgleich. – Das sagen nicht wir Grüne, sondern das sagen das Baugesetzbuch und das Bundesnaturschutzgesetz.
Damit wären wir bei der zweiten wichtigen Frage, nämlich: Wie verlässlich und belastbar sind Beschlüsse des Bundestages und seiner Gremien, und was sind die Absprachen des Bundes mit dem Land Berlin und seinen Bezirken wert? – Im Fall von Grabfeld I und dem BIZ sind die Beschlüsse eindeutig. Der Haushaltsgesetzgeber Bundestag, dessen Ältestenrat, die Baukommission sowie der Portfolioausschuss des Landes Berlin haben in diversen Stellungnahmen und Beschlüssen für eine Übertragung der Bundesliegenschaft Scharnhorststraße an das Land Berlin votiert – als Ausgleich für den Verkauf eines Teils des Berliner Tiergartens zugunsten des Bundes und die geplante BIZ-Bebauung, nur dass zwischenzeitlich ein Teil der Bundesregierung und ihr Immobiliendienstleiter BImA davon nichts mehr wissen wollen. Ich erspare Ihnen und mir Details – ich glaube, meine Fraktion hat noch etwa sieben Minuten Redezeit –, was die BImA im Gegenzug angeboten hat, denn dieses Angebot ist keines,
nicht für den Klimaschutz und die Stadtnatur, nicht für die Menschen in Berlin-Mitte und auch nicht für den Bundestag, den Berliner Senat und ein Bezirksamt, die sich bis vor Kurzem noch völlig einig waren im Sinne einer gemeinsamen und guten Lösung.
Lieber Herr Bundesfinanzminister! Das ist, freundlich formuliert, Liegenschaftspolitik nach Gutsherrenart.
So geht man nicht mit gewählten Parlamenten, dem Land Berlin und einem Bezirk, in dem ein Großteil der Bundesinstitutionen und Regierungsbehörden beheimatet ist, um. So dokumentiert man allenfalls, dass Klimaschutz dem Bundesfinanzministerium und der BImA nur zum Lippenbekenntnis taugt.
Ich kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abschätzen, wie der Konflikt auf Bundesebene ausgeht, und ob sich der Deutsche Bundestag und seine Gremien letztlich gegen die eigene Exekutive behaupten können. Aber eines weiß ich: Das Berliner Abgeordnetenhaus tanzt ganz bestimmt nicht nach der Pfeife von Herrn Scholz und der BImA.
Ich rate deshalb allen Beteiligten, zu den ursprünglichen Beschlüssen und Absprachen im Sinne einer guten Lösung für alle zurückzukehren. – Vielen Dank!
Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident! – Mich würde interessieren, ob auch Frau Grütters als Teil der Bundesregierung involviert ist. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass hier die Stiftung tangiert ist, und da würde mich interessieren, ob es hier auch einen Kontakt zu Frau Grütters, beziehungsweise allen anderen Beteiligten an der Stiftung gibt?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gerne zur haushaltspolitischen Debatte über diesen ersten Nachtrag zurückkehren.
Ein guter Haushalt bildet in Zahlen ab, was in einer Gesellschaft wichtig ist, und wie im besten Fall auch ihre Zukunft aussieht. Das ist in einer Coronakrise, die uns jede Woche neu und anders überraschen kann, alles andere als einfach. Ich finde, dass dieses Parlament, die rotrot-grüne-Koalition und der Senat, beim ersten Nachtragshaushaltsgesetz 2020 trotzdem einen guten Job gemacht haben. Das hat vor allem drei Gründe.
Erstens: Mit dem ersten Nachtrag ziehen wir Bilanz und untersetzen haushaltsgesetzlich das, was in den letzten drei Monaten als Coronakrisenmanagement geschafft wurde: unkomplizierte und gezielte wirtschaftliche Hilfen für Menschen, Vereine, Betriebe und Unternehmen, die von der Coronakrise besonders hart getroffen wurden. Wie wichtig das gerade in sozial- und beschäftigungspolitischer Hinsicht war und ist, ist in der heutigen Aktuellen Stunde ja einmal mehr deutlich geworden.
Gleichermaßen notwendig waren die Anschaffungen und Investitionen im Bereich der gesundheitlichen Versorgung. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass wir uns jetzt nunmehr haushaltspolitisch mit diesem ersten Nachtrag ehrlich machen.
Zweitens: Das Abgeordnetenhaus und die Koalitionsfraktionen haben sich jedoch nicht nur als Buchhalter betätigt, die eine Art erste Spitzabrechnung der Krisenkosten vornehmen. So schwierig ein Blick in die Zukunft der Krise und ihre Folgen sein mag, wir haben wichtige finanzielle und konzeptionelle Weichen für die weitere Krisenbewältigung gestellt. Dazu gehört, dass wir die Grundlage für eine Kreditaufnahme in Höhe von 6 Milliarden Euro und den dazugehörigen Tilgungsplan geschaffen haben, um die Krisenkosten finanziell abpuffern und gerecht verteilen zu können.
Dazu gehört die neue Rücklagenbildung für zukünftige Konjunkturmaßnahmen, um die Nachfrage anzukurbeln, das Wirtschaftsgeschehen zu stimulieren und mit ökologisch-sozialen Zielsetzungen zu verbinden. Dazu gehört auch die gezielte Vorsorge für die Fortsetzung und Neukonfiguration der Soforthilfen: für Soloselbstständige und Familien, für kleine und mittlere Unternehmen, für ehrenamtliche Vereine und Betriebe der Kultur- und Kreativwirtschaft.
Denn wir müssen davon ausgehen, dass die Coronakrise eine dynamische bleibt. Umso wichtiger ist es, dass Politik darauf genauso dynamisch reagiert. Das tun wir mit den Mitteln der Haushalts- und Finanzpolitik und mit diesem ersten Nachtrag.
(Dr. Kristin Brinker)
Drittens: Dieser Nachtrag zeigt, wie die Coronakrise auch die Stunde der Legislative sein kann und mitunter auch sein muss. Als der Senat seinen Entwurf für einen ersten Nachtragshaushalt am 7. April beschlossen hat, war nur bedingt abzusehen, mit welchen Krisenszenarien wir es im zweiten Halbjahr 2020 vermutlich zu tun haben. Auch heute fehlt uns die letzte Gewissheit, dafür ist der Krisenverlauf einfach zu volatil. Aber wir sind jetzt natürlich deutlich schlauer als damals.
Wir wissen, dass die Krisenkosten mindestens in diesem und im nächsten Jahr nur durch notfallbedingte Kredite aufgefangen werden können, wenn wir die wirtschaftlichen Folgeschäden nicht durch eine falsche Sparpolitik vergrößern wollen. Deshalb stimmen wir gleich auch über den Antrag der Koalitionsfraktionen zur Aktivierung der Ausnahmeregelung gemäß § 2 Landesschuldenbremsengesetz und Feststellung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ab.
Noch frischer, nämlich keine 24 Stunden alt, sind unsere Erkenntnisse über die Konjunkturmaßnahmen des Bundes. Über die gestrigen GroKo-Kompromisse und konkreten Ankündigungen kann man geteilter Meinung sein. Für uns Grüne setzt die Bundesregierung auf zu viel Gießkanne und zu wenig ökologische wie konjunkturelle Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit.
Da ist es umso besser, dass die Koalitionsfraktionen im ersten Nachtrag nun selber finanzielle Vorsorge für eigene Berliner Konjunkturmaßnahmen treffen. Die können sich, dort wo es in der Sache sinnvoll ist, kumulativ zu den Bundesprogrammen verhalten. Gleichzeitig sollten wir über additive konjunkturelle Maßnahmen nachdenken, die zielgenauer auf die spezifische Berliner Wirtschafts- und Einkommensstruktur und ihre Bedarfe ausgerichtet sind und die, das ist zumindest unser grüner Vorsatz, den ökologisch-sozialen Umbau unserer Stadt vorantreiben.
Über die konkrete Ausgestaltung wird zu diskutieren sein, aber das ist ein Thema für den Nachtrag nach dem Nachtrag. Insofern freue ich mich auf die anstehenden parlamentarischen Beratungen über ein zweites Berliner Nachtragshaushaltsgesetz 2020/21. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Herzlichen Dank, Herr Senator! Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir über Grundstücke bzw. Liegenschaften reden, die dem Bund gehört haben oder noch gehören. In einem Fall verhält sich das anders. Da gibt es, meine ich, landes- und vor allem bezirkspolitisch Möglichkeiten. Ich rede von dem Bezirk Lichtenberg und der Sammlung Haubrok. Da würde mich der Stand der Dinge interessieren und inwieweit wir Hoffnung haben dürfen, dass wir diese Sammlung nicht verlieren werden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Haushaltsumsetzungsgesetz, da ist der Name eigentlich Programm: Wir setzen das um, bzw. unterfüttern einzelgesetzlich, was wir in diesem Haus als Parlament, als Haushaltsgesetzgeberin und -geber lange diskutiert und am Ende beschlossen haben. So verhält es sich im Wesentlichen auch bei diesem Haushaltsumsetzungsgesetz.
Ich will ebenfalls mit dem Thema Kindertagesförderungsgesetz beginnen. Ich glaube, es ist unstrittig, dass auch wir im Land Berlin die ersten Schritte unternehmen,
um das Gute-Kita-Gesetz des Bundes umzusetzen. Wir als Grüne-Fraktion glauben, dass das gleich doppelt gut ist: zum einen, weil die Stärkung der Betreuungsinfrastruktur und Kitaausstattung natürlich schon seit Langem überfällig ist, zum anderen weil dies gerade jetzt in der Coronakrise wichtiger denn je ist, denn die Krise stellt die Kitaleitungen vor große organisatorische Aufgaben. Deshalb, glauben wir, ist es nur zu begrüßen, dass das Land Berlin den Leitungsschlüssel mit den Mitteln aus dem Gute-Kita-Gesetz substanziell verbessert.
Ebenfalls alles andere als neu oder politisch überraschend ist, dass wir die gesetzlichen Grundlagen zugunsten der Verstetigung des bisherigen BSR-Pilotprojekts im Bereich der Parkreinigung schaffen. Das bedeutet konkret eine Änderung des Straßenreinigungs- und des Berliner Betriebe-Gesetzes. Das Ziel, so dachte ich, wäre eigentlich klar und würde uns alle einen: Es geht um saubere Parks, es geht um eine gesunde Stadtnatur für alle Berlinerinnen und Berliner. Herr Goiny, ich muss Sie leider korrigieren: Wir haben im Rahmen der Beratungen und Beschlussfassung über den Doppelhaushalt eben nicht nur die BSR gestärkt. Für den Großteil der Parks bleiben die Berliner Bezirke zuständig.
Die Berliner Bezirke haben deswegen im Rahmen der Beschlussfassung über den aktuellen Haushalt zusätzliche Mittel erhalten – für die Grün- und die Baumpflege. Das sogenannte Baumbudget ist von uns deutlich erhöht worden. Wir messen hier also nicht mit zweierlei Maß, sondern jeder Park und jede Grünfläche sind uns gleich viel wert.
Völlig neu ist mir – das will ich an dieser Stelle auch sagen –, Frau Kollegin von der AfD-Fraktion, dass offenbar die AfD-Fraktion der Meinung ist, dass man überhaupt keine öffentlichen Mittel verwenden darf, um Parks und Grünflächen zu reinigen, unabhängig davon, ob es die BSR oder die Bezirke sind. Es stellt sich dann nur die Frage, wer dann eigentlich die Arbeit machen soll. Vielleicht ja Sie selbst.
An zwei Stellen, darauf will ich auch hinweisen – der Kollege Schneider hat es bereits deutlich gemacht –, ist das vom Senat vorgelegte Haushaltsumsetzungsgesetz aber nicht reine Umsetzung, sondern weicht von dem Haushaltsgesetz des Parlaments ab. Ich denke, darüber wird in den weiteren parlamentarischen Beratungen zu reden sein. Zum einen ist es so, dass die sogenannte Berlin- oder Ballungsraumzulage nicht, wie ursprünglich vom Senat versprochen und vom Parlament als Haushaltsgesetzgeber beschlossen, ab dem 1. November 2020, sondern erst zwei Monate später, nämlich ab dem 1. Januar 2021 gewährt werden soll. Diese Maßnahme dient der Gegenfinanzierung eines anderen Versprechens
(Dr. Kristin Brinker)
des Senats, der sogenannten Coronaprämie oder Heldenprämie.
Vielleicht ein paar Sätze zu diesem Thema: Ich persönlich finde das sehr naheliegend, dass das, was im Land Berlin, in der gesamten Republik von Menschen geleistet wird in dieser Krise, unser aller Dank wert ist. Und, wie wir auch gemeinsam festgestellt haben, Wertschätzung sollte sich nicht immer nur in warmen Worten bemessen oder in abendlichem Applaus auf dem Balkon, sondern, ja, Wertschätzung drückt sich eben auch materiell aus. Insofern finde ich diese Überlegung sehr, sehr nachvollziehbar. Um es auch deutlich zu sagen, jeder Mensch, der eine solche Heldenprämie dann bekäme, dem sei sie von Herzen gegönnt.
Der Bundestag wird meines Wissens heute beschließen, dass es eine solche Prämie für den Pflegebereich gibt. Meine Fraktion auf Bundesebene hat daran zwei Kritikpunkte, zum einen, dass es nur der Pflegebereich ist. Die sprichwörtliche Supermarktkassiererin ist eben nicht eingeschlossen.
Zum anderen glauben wir, dass gerade den Pflegekräften eben nicht mit einer einmaligen Prämie gedient ist, sondern, was hier nottut, ist, dass Pflegekräfte in diesem Land endlich ordentlich bezahlt werden,
und zwar in, aber auch nach der Krise.
Gleichwohl, der Bund schafft es zumindest, hier in einem bestimmten Berufssegment alle zu erfassen, soweit ich informiert bin, egal, ob sie bei einem öffentlichen Träger oder bei einem privaten Träger arbeiten, ob sie Auszubildende sind oder ob sie ein freiwilliges soziales Jahr machen. Ich denke, das ist auch eine Leistung.
Damit wäre ich bei der Berliner Diskussion. Ich glaube, wir müssen in der Tat diskutieren, wie wir eine Prämie hinbekommen, wenn sie denn gewollt ist, die nicht neue Gerechtigkeitslücken aufwirft, die sich nicht nur auf den öffentlichen Bereich bezieht, sondern auch auf andere Formen der Tätigkeiten, wo wir nicht Heldinnen und Helden erster und zweiter Klasse oder Beschäftigter erster und zweiter Klasse schaffen. Das ist eine schwierige Diskussion. Wir werden sie führen müssen, damit am Ende etwas, was gut gemeint ist, nicht schlecht gemacht ist.
Aber zurück zum Haushaltsumsetzungsgesetz und zur Ballungsraumzulage: Eine Corona- oder Heldenprämie kann – ich betone: kann – eine gute Sache sein. Meine Fraktion fragt sich schon, ob man zur Gegenfinanzierung dieses Versprechens diejenigen heranziehen sollte, denen gegenüber die Politik ebenfalls im Versprechen steht, nämlich in Form einer Zulage ab dem 1. November die
ses Jahres. Ich formuliere es einmal zugespitzt: Ist es wirklich gut und angemessen, wenn die ganz kleinen Gehaltsgruppen im öffentlichen Dienst, etwa die Wachtmeisterin oder der Sachbearbeiter in der Gutscheinstelle im bezirklichen Jugendamt auf 300 Euro verzichten müssen, damit eine Referats- oder Abteilungsleitung in diesem Jahr eine Prämie erhält? Wirklich sozial gerecht und heldenhaft scheint uns das nicht wirklich zu sein. Also lassen Sie uns bitte in den parlamentarischen Beratungen darüber reden. Der Kollege Schneider hat schon angedeutet, es lohnt die Diskussion, ob man dieses Problem heilen kann.
Die zweite Differenz zwischen Haushalts- und Haushaltsumsetzungsgesetz scheint mir die Laufzeit, die der Senat für die Ballungsraumzulage als Teil einer Novellierung des Bundesbesoldungsgesetzes in der Überleitungsfassung für das Land Berlin anstrebt. Die soll hier gesetzlich bis zum 31. Dezember 2025 fixiert werden. Nun stellt sich natürlich die Frage, warum es für diese Zulage überhaupt eine gesetzliche Befristung gibt. Warum wird sie nicht dauerhaft gewährt? Umgekehrt steht die Frage im Raum, warum ein Anspruch bis einschließlich 2025 festgeschrieben werden soll, während das aktuelle Haushaltsgesetz nur eine Vorsorge von knapp 250 Millionen Euro für das Haushaltsjahr 2021 trifft. Die jetzige Formulierung im Haushaltsumsetzungsgesetz des Senats bedeutet somit weitere Kosten für das Land in Höhe von 1 Milliarde Euro bis 2025.
Nun sagen wir, Investitionen in den öffentlichen Dienst und in die Berliner Beschäftigten sind immer gut investiertes Geld, aber wie passt das zusammen mit den Aussagen eines Finanzsenators, der beispielsweise die Berliner Bezirke mahnt, dass sie den Gürtel enger schnallen müssen, was immer auch bedeutet, dass es womöglich beim Personal und bei den konsumtiven Sachkosten Abstriche gibt. Also, auch über diese zweite Differenz wird in den parlamentarischen Beratungen zu reden sein. Ich freue mich darauf. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Coronakrise ist – gelinde gesagt – ein Stresstest für uns alle. Das gilt für sämtliche Menschen in dieser Stadt, ob im Alltags- und Arbeitsleben oder im Freizeitverhalten; das gilt für Beschäftigte und Selbstständige, für Unternehmen, Verbände und Vereine, für Eltern und Kinder, Alte und Junge – und ja, das gilt auch für die Demokratie.
Ich finde, in einer parlamentarischen, pluralistischen und föderalen Parteiendemokratie muss es ein Störgefühl auslösen, wenn eine Bundeskanzlerin und 16 Ministerpräsidentinnen Woche für Woche Entscheidungen treffen, die weitreichende Konsequenzen für jeden von uns haben, einschließlich der temporären Einschränkung von Grundrechten.
Ich glaube, die Betreffenden sehen das selber so; die Bundeskanzlerin hat meines Wissens ihrerseits von der Coronakrise als „demokratische Zumutung“ gesprochen.
Nun gibt es bekanntlich Menschen, die hinter alldem eine große Verschwörung wittern – Bill Gates, George Soros, die Illuminaten oder eben die Bundesregierung und der rot-rot-grüne Senat, die das Coronavirus nur erfunden haben, um unter dem Vorwand einer Pandemie eine Diktatur mit Angela Merkel als Kaiserin von Europa zu errichten oder so ähnlich. Diese Menschen irren, oder sie wollen irren. Das Grundgesetz und die Länderverfassungen sind in Kraft, Gleiches gilt für die Bundes- und Landesgesetze oder eben einzelne Rechtsverordnungen. Diese Gesetze sind sogar die Grundlagen der gegenwärtigen Infektionsschutzmaßnahmen und Kontaktbeschränkungen – auch wenn die meisten Bundesbürgerinnen und -bürger vor einigen Wochen wohl zum allerersten Mal von der Existenz eines Infektionsschutzgesetzes im Bund gehört haben.
Wenn sich punktuell zeigt, dass politische Entscheidungen in diesem Zusammenhang nicht durch das Grundgesetz oder andere Gesetze gedeckt sind, dann gibt es unabhängige Gerichte und eine Judikative als dritte Gewalt, die genau das korrigiert – wie in dem einen oder anderen Fall auch in den letzten Wochen geschehen.
Vor diesem Hintergrund ist es umso ärgerlicher, wenn wir heute im Parlament darüber reden und als Fraktionen daran erinnern müssen, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte: nämlich dass der Berliner Senat Rechtsverordnungen zwar beschließen kann, diese aber dem Abgeordnetenhaus vorlegen muss.
Denn nein, das ist keine formale oder politische Lappalie, sondern schlicht und ergreifend Verfassungslage und berührt elementare parlamentarische Rechte. Das zeigt
(Marc Vallendar)
sich in diesem Fall auch ganz konkret. Denn was passiert eigentlich, wenn der Senat seine Covid-19-Eindämmungsverordnung, deren Auswirkungen auf das tägliche Leben der Einzelnen und der Stadtgesellschaft insgesamt gar nicht weitreichender und drastischer sein könnten, dem Abgeordnetenhaus immer erst dann vorlegt, wenn ihre jeweilige Gültigkeit bereits abgelaufen beziehungsweise schon eine neue Rechtsverordnung in Kraft getreten ist? – Dann werden die parlamentarischen Verfassungs- und Kontrollrechte mitten in der Coronakrise quasi per Poststempel ausgeknockt. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist doch der feuchte Traum von jedem Corona-Verschwörungstheoretiker.
Es ist deshalb nicht nur eine Frage des Respekts der Exekutive gegenüber der Legislative und der Verfassung, dass der Senat seinen Verpflichtungen nachkommt, sondern es ist auch eine Frage des Vertrauens einer Gesellschaft in die Politik und ihre Vertreterinnen insgesamt, gerade in einer Krise wie dieser. Deswegen zitiere ich mit Blick auf die Bänke links und rechts von diesem Pult zum ersten und wahrscheinlich letzten Mal in meinem Leben den Kollegen Kurt Wansner:
„Bessern Sie sich!“
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Finanzsenator! Mit guter Haushalts- und Finanzpolitik ist es mitunter wie mit gesellschaftlicher Solidarität oder zwischenmenschlichen Beziehungen – ihre Qualität erweist sich weniger in guten als in schlechten Zeiten und vor allem in der Krise.
Für die gesellschaftlichen, ökonomischen und haushalterischen Folgen der Coronakrise sind schon viele Superlative – einschließlich der Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts – bemüht worden.
Bleiben wir seriös, und gehen wir vom aktuellen Stand des Allgemeinwissens aus, und der ist bedrückend genug: Die Frühjahrsprognose der Bundesregierung geht für 2020 von einem 6,3-prozentigen Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts aus. Wer die spezifische Wirtschafts- und Erwerbsarbeitsstruktur Berlins nur ein wenig kennt, der muss zu Recht befürchten, dass es unsere Stadt vermutlich noch härter treffen wird. Damit wird auch klar, warum dieses Virus gleich doppelt Angst macht: Angst vor Krankheit, aber auch große Sorgen um die eigene wirtschaftliche Existenz und die soziale Sicherheit. Auch die beste Haushalts- und Finanzpolitik kann den Menschen diese Ängste und Sorgen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vollständig nehmen. Genauso wie der Politik insgesamt bleibt uns Haushälterinnen und Haushältern wenig anderes übrig, als in der Coronakrise auf Sicht zu fahren. Gleichzeitig müssen das Ziel und die Strategie klar sein.
Das haushaltspolitische Ziel der rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen ist klar: Wir wollen die Krise solidarisch bewältigen und dabei nicht nur die Gesundheit schützen, sondern auch die Einkommen und Jobs der Menschen, die Selbstständigen, Berlins Betriebe und Unternehmen genauso wie die öffentliche Grundversorgung und wichtige Zukunftsinvestitionen. Es war deshalb politisch wie
strategisch richtig, dass Berlin so schnell und unbürokratisch wie kein anderes Bundesland gehandelt und Soforthilfen für die von der Coronakrise wirtschaftlich Betroffenen aufgelegt hat.
Schnelles und unbürokratisches Handeln und Umsetzen – das gilt ja landläufig nicht gerade als Berliner Kernkompetenz. Aber auch in diesem Fall zeigt sich wieder einmal, dass das generelle Verwaltungsbashing in dieser Stadt mehr Folklore als Realitätsbeschreibung ist. Im Namen meiner Fraktion bedanke ich mich jedenfalls bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Berliner Verwaltung und Unternehmen für das, was sie in den letzten Wochen geleistet haben.
Und ja, ich will – wie manche Kollegen heute auch schon – die Berliner Soforthilfe II ausdrücklich vor jenen in Schutz nehmen, die – wie einige in der CDU – jetzt „Skandal!“ schreien, weil bis Ende März 900 Millionen Euro in nur wenigen Wochen ausgereicht wurden. Hätte das Land den mehr als 100 000 Berliner Beschäftigten, Freiberuflern und Selbstständigen etwa sagen sollen: Wartet auf die Hilfe vom Bund? – Dann hätten einige dieser Betroffenen schon ihre Aprilmiete nicht mehr bezahlen können. Und wer jetzt Lug und Betrug in gigantischem Umfang wittert, der hat offensichtlich die Berliner Finanzämter nicht auf dem Schirm. Die gehören im letzten bundesweiten Vergleich übrigens wieder einmal zu den schnellsten der Republik.
Apropos meckern und moppern: Herr Dregger, der jetzt gerade draußen ist, ja, Krisenzeiten sind immer schwierige Zeiten für die Opposition. Meine Parteifreundinnen und -freunde im Bund können davon ein Lied singen. Ich will mich ausdrücklich auch bei all denjenigen in den Oppositionsfraktionen bedanken, die in den letzten Wochen Verantwortung übernommen, konstruktiv an Entscheidungen mitgewirkt haben und dabei auch hinsichtlich einiger ihrer parlamentarischen Rechte zurückgesteckt haben. Aber dann, liebe CDU, lassen Sie doch endlich dieses kleingeistige Herumnörgeln an den Details der Hilfe und Maßnahmen sein! Was soll, Herr Dregger, dieser ständige politische Zickzackkurs, bei dem Sie sich mal als Mini-Söder und mal als Locker-Laschet präsentieren?
Sie, Herr Dregger, und Ihre Fraktion könnten doch tatsächlich etwas zur Bewältigung der Krise im Sinne der Menschen in dieser Stadt beitragen. Sprechen Sie mit Ihrer Unionsfraktion und Regierung im Bund! Reden Sie denen zu, wenn dort über Bundeshilfen für Gastronomen und Kulturschaffende diskutiert wird! Überzeugen Sie die Bundeskanzlerin, den Bundeswirtschaftsminister und Ihre
(Dr. Kristin Brinker)
ehemalige Landesvorsitzende, Frau Grütters, dass es endlich eine Öffnung der Bundeshilfen auch für Soloselbständige ohne Betriebskosten geben muss!
Werfen Sie das Gewicht der Hauptstadt-CDU parteiintern zu Gunsten der Erhöhung des Kurzarbeitergelds für kleine und mittlere Einkommensgruppen und des Regelsatzes beim ALG II in die Waagschale! Herr Dregger, damit wäre den Berlinerinnen und Berlinern wirklich geholfen.
Der Senatsentwurf für ein erstes Nachtragshaushaltsgesetz im Jahr 2020 vollzieht nach, was politisch wie haushaltswirtschaftlich notwendig und sinnvoll war, seien es die Coronahilfe oder die medizinischen Anschaffungen. Dabei kommt der Haushaltsentwurf ohne strukturelle Kürzungen, ohne neue Schulden und noch – ich betone „noch“ – ohne neue Kredite aus. Auch dieser Umstand zeigt, dass Rot-Rot-Grün in den letzten Jahren gut gehaushaltet und gewirtschaftet hat. Über einige Aspekte dieses Senatsentwurfs wird allerdings zu reden sein.
Ein paar Schlaglichter: Erstens geht es um die Ausweitung der LHO-Grenze von 5 auf 100 Millionen Euro für außerplanmäßige Ausgaben im Haushalsgesetz. Ich formuliere es mal diplomatisch: Es mag ja sein, dass einige in der Exekutive in der Coronakrise ihre sprichwörtliche Stunde gekommen sehen. Das heißt aber noch lange nicht, dass dieses Virus die Legislative mit kompletter geistiger Umnachtung infiziert hat. Ich glaube, der Standpunkt meiner Fraktion ist damit klar.
Zweitens: Herr Finanzsenator, wir müssen über die Flughafengesellschaft reden. Von der haben uns am Dienstag eine Freuden- und eine Hiobsbotschaft gleichzeitig erreicht. Noch nie schien die Eröffnung des BER so sicher wie heute. Gleichzeitig zeigt die neue Wirtschaftlichkeitsstudie, dass die FBB wohl faktisch pleite ist und noch mehr öffentliches Geld verbrennen wird. Wir Grüne wollen nicht, dass im Schatten der Coronakrise klammheimlich ein Konjunkturpaket für einen Flughafen geschnürt wird, dessen strukturelles Finanzierungsdefizit mit dem Virus nun wirklich gar nichts zu tun hat.
Drittens: Die Kosten der Coronakrise verteilen sich keineswegs auf alle Geschäftsbereiche der öffentlichen Verwaltung und Unternehmen gleichermaßen. So prognostizieren viele Verantwortliche vermutlich zu Recht, dass der öffentliche ÖPNV in besonderer Weise zum Leidtragenden der Coronakrise werden könnte. Wer hier den Rotstift ansetzt, hat aus den letzten Jahren und dieser Krise nichts gelernt. Milliardenschwere Finanzspritzen für die Autoindustrie sind allenfalls ein Konjunkturprogramm für weitere Dieselskandale, Fahrverbote und die Klimakatastrophe. Wir müssen jetzt die Gelegenheit nutzen, das auf den Weg zu bringen, was ökonomisch wie
ökologisch sinnvoll ist, und das sind Investitionen in eine echte Verkehrswende, einschließlich eines guten öffentlichen Nahverkehrs.
Wichtig ist meiner Fraktion auch, dass die Gegenfinanzierung letztlich nicht an denjenigen hängenbleibt, die am Ende der haushaltspolitischen Nahrungskette stehen. Ich habe großen Respekt vor dem, was in den Hauptverwaltungen geleistet wird. Aber ich habe mindestens genauso viel Respekt für die zahlreichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der bezirklichen Gesundheits- und Bürgerämter oder für ihre Kolleginnen und Kollegen, die in den Bereichen Grünflächen und Verkehr unterwegs sind. Die Bezirke dürfen deshalb in der Coronakrise nicht zum Sparschwein gemacht werden. Wir brauchen hier einen Schutzschirm. Genauso, wie es bundesweit Schutzschirme für Kommunen gibt, brauchen wir einen solchen für die Bezirke.
Viertens: Wir wollen mehr über die Coronahilfen des Senats wissen. Die sind in ihrer Ausrichtung und Zielsetzung zu begrüßen, aber wenn 105 Millionen Euro zur Verfügung stehen, sollten die Fraktionen auch mehr darüber erfahren, unter welchen fachlichen Gesichtspunkten die Vergabe erfolgt.
Wenn eine Fachverwaltung gestern dem Hauptausschuss ganz offiziell mitteilt, dass eine Berichtsbitte zum Nachtrag leider erst nach dessen Verabschiedung beantwortet werden kann, dann ist das einfach nicht akzeptabel. Zur Erinnerung, falls es einige zwischenzeitlich vergessen haben sollten: Wir reden hier über ein Gesetz, nicht über eine weitere Rechtsverordnung.
Dieser Entwurf eines ersten Nachtrags wird nur der Auftakt zu vielen Haushaltsdebatten noch in diesem Jahr sein. Spätestens mit den Zahlen der Steuerschätzung im Mai werden neue haushaltspolitische Maßnahmen unumgänglich sein. Für uns Grüne ist deshalb zentral – erstens –: Die Kosten der Coronakrise lassen sich nicht durch Kürzungsorgien aufbringen, zumal ein solches Sparen in der Krise deren mittel- und langfristige Kosten nur noch in die Höhe treiben dürfte. Eine Kreditfinanzierung – das wissen, glaube ich, zwischenzeitlich auch die letzten Neoliberalen in dieser Republik – ist genauso unumgänglich wie finanzpolitisch sinnvoll. Ein „Sparen bis es quietscht“ 2.0 wird es mit uns Grünen deshalb nicht geben. Wir wollen die Ausnahmeklausel in § 2 Landesschuldenbremsegesetz so rasch wie möglich aktivieren und Tilgungszeiträume von deutlich länger als zehn Jahren. Und wir wollen als Parlamentarierinnen und Parlamentarier natürlich mitreden, wenn es um zusätzliche Hilfen oder – zu einem späteren Zeitpunkt – um konjunkturelle Stimuli geht.
Zweitens: Berlin ist für die Coronakrise haushalts- und finanzpolitisch eigentlich gut aufgestellt. Aber ohne ein fortdauerndes Engagement des Bundes wird es weder hier noch in den anderen Ländern und Kommunen gehen. Es ist deshalb gut, wenn immer mehr Bundesministerien ihre Widerstände gegen weitere Hilfen für spezifische Betroffenengruppen aufgeben, denn diese Hilfe wird es brauchen. Die Kultur- und Kreativwirtschaft, die Gastronomie, die Hotellerie, das Veranstaltungswesen, die gemeinnützige Arbeit, all das sind nicht nur Sektoren, die am schwersten von der Coronakrise betroffen sind, sie machen hier in Berlin auch einen besonders großen Teil der städtischen Wertschöpfung und Wirtschaftskraft aus. Hier muss die Bundesregierung endlich über ihren Schatten springen, wie es zwischenzeitlich fast alle Fachministerinnen und Fachminister der Länder aller politischen Farben fordern. Herr Dregger, denken Sie an Ihren Auftrag!
Drittens und letztens: Der Debatte über weitere Coronahilfen wird eine Debatte über konjunkturelle Maßnahmen für das nächste Haushaltsjahr folgen. Diese Diskussion ist bereits entbrannt. Die Autoindustrie und die Fluggesellschaften haben schon ihre öligen Finger gehoben und fordern zweistellige Milliardensubventionen. Sie wollen sich die Coronakrise bezahlen lassen. Die Klimakrise bleibt ihnen herzlich egal. Andere wollen mal wieder die Steuern senken, natürlich vor allem zulasten der Besserverdienenden, oder willkürlich Prämien verteilen, natürlich ohne bestimmte Berufsgruppen, z. B. in der Pflege, grundsätzlich besserzustellen.
Wir wissen spätestens seit der Finanzkrise von 2011: Abwrackprämien, generelle Steuersenkungen und vergleichbare Instrumente sind weder in ökonomischer noch in ökologischer Hinsicht wirklich nachhaltig. Wir brauchen vielmehr eine Abwrackprämie für unser herkömmliches, klimafeindliches Wirtschaftssystem.
der Virus ist keine Chance für irgendjemanden in dieser Gesellschaft, aber die Krise verdeutlicht uns einmal mehr, dass wir es nach ihrer Überwindung besser machen können, wenn wir es denn nur wollen. In diesem Sinne: Vielen Dank und auf gute Beratungen!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Kollege Evers! Dass die AfD der Meinung ist, dass im Senat verlängerte Arme der linksextremen Szene sitzen, ist mir bekannt. Dass Sie das auch denken, war mir neu. Butter bei die Fische: Wen haben Sie gemeint? Wir wollen Namen hören.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Es ist fast auf den Tag genau ein Jahr her, dass wir in diesem Haus das erste Mal über die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu den Vorkommnissen in der Gedenkstätte Hohenschönhausen diskutiert haben. Heute, zwölf Monate später, ist den antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP der ganze Vorgang offenbar so peinlich, dass sie bei der Ausschusseinsetzung noch nicht einmal darüber diskutieren mögen. Das verstehe ich.
Somit bleibt es der Koalition überlassen, eine Beratung darüber anzumahnen, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, nämlich die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses nicht nur mit dem formalen Hinweis auf ein Minderheitenrecht, sondern auch seinem Sinn und Zweck nach zu begründen.
Um es vorwegzunehmen: Diese Koalition und wir Grünen respektieren das Recht einer parlamentarischen Minderheit, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Wir werden mit unseren heutigen Enthaltungen den Weg dafür frei machen, aber wir haben den Eindruck, dass es nicht primär an den politisch Verantwortlichen im Stiftungsrat der Gedenkstätte ist, Fragen zu beantworten. Fragen wirft vielmehr das Agieren von CDU und FDP in dieser Angelegenheit auf.
Da wäre zum Beispiel die Frage, warum der Untersuchungsauftrag fast ausschließlich Themen benennt, zu denen bereits in unzähligen schriftlichen und mündlichen Anfragen im Abgeordnetenhaus sowie durch Akteneinsicht umfassend Auskunft erteilt wurde. Diese Auskünfte, liebe Kollegen von CDU und FDP, mögen Ihnen nicht gefallen, aber wenn Sie die Fakten sowieso nicht zur Kenntnis nehmen wollen, hilft Ihnen auch kein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss darüber hinweg.
Ähnlich abenteuerlich ist Ihr angeblich erkenntnisleitendes Interesse, was es mit den sexualisierten Übergriffen gegenüber Beschäftigten und dem Führungsversagen in der Gedenkstätte auf sich hat.
Nein! – Nehmen Sie doch einfach mal zur Kenntnis, dass selbst der Anwalt eines Beschuldigten ein Fehlverhalten seines Mandanten eingeräumt hat und auch das Arbeitsgericht inzwischen geurteilt hat, dass dessen Kündigung
rechtens war. Wer dergleichen Vorgänge meint, parlamentarisch aufklären zu müssen, wird demnächst auch einen PUA zur Existenz des Klimawandels oder der Evolutionstheorie ins Leben rufen wollen.
Eine weitere Frage, in diesem Fall nur an die CDU, die auf der Hand liegt, ist natürlich: Warum verschwenden Sie Ihre politische Arbeits- und Lebenszeit mit einem Untersuchungsausschuss, dessen Primärziel Sie längst erreicht haben? Oder glaubt auch nur irgendjemand in diesem Saal, dass es Ihnen jemals um etwas anderes als um den perfekten Anlass ging, Ihre Landesvorsitzende, Monika Grütters, loszuwerden? Bei Ihnen, Herr Wansner, mache ich eine Ausnahme, aber das spricht auch nicht für Sie.
Das Problem an diesem Untersuchungsausschuss ist aber nicht das Offensichtliche, nämlich seine komplette Überflüssigkeit. Das Problem ist, dass CDU und FDP dafür wissentlich und willentlich einen Flurschaden in Kauf nehmen, der weit über den eigentlichen Ausschuss hinausgehen könnte. Da ist zum einen das Signal an die Berlinerinnen, insbesondere Mitarbeiterinnen von öffentlichen Kultureinrichtungen oder sonstigen staatlichen Institutionen, dass ein relevanter Teil dieses Parlaments offenbar der Meinung ist, dass Belästigung, sexualisierte Übergriffe oder gar Gewalt gegenüber Frauen Bagatellen sind, bei denen Vorgesetzte einfach mal wegsehen oder sogar mittun dürfen.
Schlimmer noch, Herr Fresdorf: CDU und FDP machen mit diesem Untersuchungsausschuss an alle Frauen, die im Arbeitsalltag Sexismus und Übergriffen ausgesetzt sind, eine klare Ansage: Wenn ihr euch in dieser Sache eurer Frauenvertretung, der Dienstaufsicht oder einer Betriebsrätin anvertraut, müsst ihr damit rechnen, vor einen Untersuchungsausschuss zitiert zu werden. – Wie verheerend ist das denn?
Dafür gibt es allenfalls ein fettes Facebook-Like, Herr Fresdorf, von Harvey Weinstein.
Überhaupt stellt sich die Frage, nach wessen Applaus CDU und FDP mit dem ganzen Projekt Untersuchungsausschuss eigentlich heischen. Sind das die Verschwörungstheoretiker von der Aluhut-Fraktion, die hinter den Vorgängen in Hohenschönhausen ehemalige KGBSchläfer und einen aus Nordkorea gesteuerten kommunistischen Rachefeldzug vermuten,
oder geht es Ihnen um etwas viel Banaleres, aber auch viel Gefährlicheres, nämlich den Applaus vom rechten Rand, von den ewig Gestrigen und Populisten, den Hetzern und Hatern, welche die Causa Hohenschönhausen in der üblichen Art und Weise instrumentalisieren, um ihren Kulturkampf zu befeuern? Eine Fraktion, Herr Fresdorf, in diesem Haus haben Sie schon auf Ihre Seite gebracht, die AfD-Fraktion. Na, herzlichen Glückwunsch!
Hier in Berlin werden CDU und FDP die braun-blaue Suppe, die Sie mit diesem Untersuchungsausschuss angerührt haben, auslöffeln müssen.
Diese Koalition wird es jedenfalls nicht zulassen, dass in diesem Untersuchungsausschuss Opfer zu Täterinnen und Täter zu Opfern gemacht werden.
Es ist nun an CDU und FDP, dem Eindruck entgegenzutreten, dass ihnen Sexismus und sexualisierte Gewalt immer noch als Kavaliersdelikte gelten, und es ist an CDU und FDP zu beweisen, dass die klare Abgrenzung aller Demokratinnen und Demokraten gegen rechts eben kein reines Lippenbekenntnis ist, sondern auch in der Sache Hohenschönhausen gilt. – Vielen Dank!
[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Carsten Ubbelohde (AfD): Mach erst mal eine Ausbildung! Setz dich hin, Schüler! So sehen die Grünen aus – große Klappe, nichts dahinter!]
Frau Präsidentin! Das mit dem Ausrutschen, Herr Fresdorf, ist eine Frage der Perspektive; ich würde sagen, bei dem Thema rutschen Sie seit einem Jahr im politischen Raum herum. Und Sie haben mir offenbar nicht zugehört: Selbstverständlich ist es legitim, Fragen zu stellen. Die sind meines Erachtens schon alle beantwortet, aber Sie haben auch das Recht, diese Fragen zum zweiten und zum dritten Mal zu stellen.
Und selbstverständlich ist es das Recht einer parlamentarischen Minderheit, einen solchen Untersuchungsausschuss einzurichten.
Aber, Herr Fresdorf, ich finde, politisch begründen sollte man ihn schon können.
Und die Tatsache, dass weder Sie noch die CDU als antragstellende Fraktion diese Debatte überhaupt angemeldet haben, zeigt doch, worum es Ihnen geht.
Sie haben damals mit großem Tamtam einen Untersuchungsausschuss auf den Weg gebracht, haben dann ein Jahr diskutiert, ob Sie ihn wirklich noch wollen – bei der CDU bin ich mir da bis heute nicht so ganz sicher. Da gibt es, glaube ich, Genügende im Raum, die sagen: Seinen Zweck hat er eigentlich erledigt, Frau Grütters ist gegangen. – Man ist aber aus der Situation auch nicht mehr richtig rausgekommen. Und, Herr Fresdorf, eine Frage müssen Sie sich nach wie vor gefallen lassen: Wenn Sie, wie hier gerade auch behauptet, der Meinung sind, dass es falsch war, die Konsequenz aus einem eklatanten Führungsversagen in dieser Gedenkstätte zu ziehen – ein Führungsversagen, das von einer Person bereits eingestanden wurde, und ein Führungsversagen von einer anderen Person, die als Direktor die Verantwortung für all das trägt –, dann müssen Sie umgekehrt den betroffenen Frauen sehr wohl erklären, wie Sie eigentlich zu Fragen von sexualisierter Gewalt, Belästigung etc. stehen.
Das haben Sie bis heute nicht gekonnt. Wir sind sehr gespannt, Herr Fresdorf, ob Sie das im Untersuchungsausschuss können. Ich glaube, dieser Untersuchungsausschuss wird einer sein, wo weniger der Senator, weniger der Stiftungsrat, sondern vielmehr Sie sich viele Fragen werden gefallen lassen müssen.
[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Paul Fresdorf (FDP): Das ist Ihre Hoffnung! – Franz Kerker (AfD): Kinder sexuell missbrauchen, aber keine Moral!]
Ich habe sogar zwei Fragen, Frau Präsidentin. Wenn ich sie Ihnen stellen darf?
Das eine, was mich brennend interessieren würde, ist: Was meinen Sie mit „engem Verhältnis zwischen Frau Bangert und Herrn Lederer“?
Zum Zweiten würde mich Folgendes interessieren: Ich habe ja deutlich gemacht, wie wichtig uns parlamentarische Rechte, auch Minderheitenrechte sind. Verstehe ich Sie jetzt richtig, dass Sie das Recht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bestreiten, eine Ausschussvorsitzende für diesen Untersuchungsausschuss vorzuschlagen?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Da die Kollegin Kittler und der Kollege Buchholz hier dankenswerterweise schon das Maßgebliche zur Antragsbegründung gesagt haben, kann ich mich kurz halten.
Mit der heutigen Beschlussfassung kommt eine jahrelange Debatte hier im Haus zu einem vorläufigen Abschluss, in deren Zentrum die Frage steht: Wie können wir im digitalen Zeitalter den Vertrieb und Erwerb von Tickets für Kulturveranstaltungen in öffentlichen Einrichtungen oder für öffentlich geförderte Kulturveranstaltungen für alle Beteiligten besser organisieren?
Besser heißt in diesem Fall für uns insbesondere dreierlei: Erstens liegt die Frage nahe, ob es wirklich sinnvoll und zielführend ist, wenn jede Kultureinrichtung einzeln und nur für sich ihr jeweiliges Ticketing-System akquirieren, finanzieren und letztlich auch betreiben muss – sinnvoll für die jeweilige Kultureinrichtung, aber auch für die Besucherinnen und Besucher? – Wir glauben, nein. Denn die bisherige Praxis bringt nicht nur einen erheblichen bürokratischen Aufwand für die betroffenen Stadttheater, freien Gruppen und sonstigen Kulturveranstalter im Bereich der Performing Arts mit sich, sondern führt auch zu einem Wildwuchs beim Ticketing-Vertrieb, zu intransparenter Vertragsgestaltung sowie einer klar erkennbaren Tendenz zur Oligopol- oder gar Monopolbildung.
Zweitens legt die Auswertung und der Vergleich der konkreten Dienstleistungsverträge und Ticketing
Konditionen, soweit diese bekannt sind, die These nah, dass dieser Wildwuchs auch in finanzieller Hinsicht nachteilig ist. Zunächst einmal für die einzelne Kultureinrichtung und damit letztlich auch für den Landeshaushalt bzw. das Land als Zuschussgeber, aber in vielen Fällen auch für die Besucherinnen und Besucher, zumindest dort, wo sie für einen digitalen Ticketerwerb Aufschläge in Kauf nehmen müssen.
(Dr. Dieter Neuendorf)