Protokoll der Sitzung vom 04.05.2017

wähnen. Der Antrag spricht sich für die Errichtung eines Freiheits- und Einheitsdenkmals in Berlin aus, ohne einen Entwurf oder einen Standort zu favorisieren. Das ist gut und richtig, denn wir müssen die Diskussion über die Gestalt und den Standort des Denkmals jetzt neu beginnen. Wichtig aus der Sicht meiner Fraktion wird es sein, den Gedanken der Freiheit und den Gedanken der Einheit im neuen Denkmalentwurf wie in einem Brennspiegel zu verdichten, denn durch das Denkmal muss deutlich werden: Freiheit ist die Voraussetzung von Einheit, und ohne Freiheit kann es keine wirkliche Einheit geben. – Das war auch 1989 so. Die Bewusstwerdung und die Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechtes des Volkes gegenüber dem repressiven DDR-Regime, die sich im Ruf der Demonstranten: „Wir sind das Volk!“ niedergeschlagen hatten, waren die Voraussetzung dafür, um auch im historischen Verlauf die Forderung: „Wir sind ein Volk!“ aufstellen zu können. Einheit und Freiheit gehören zusammen, sie lassen sich nicht trennen.

Sehr geehrter Herr Lederer! Es ist schon ein Treppenwitz der Geschichte, wenn Sie sich in Ihrem „Tagesspiegel“Artikel vom Dienstag unter Verweis auf die deutsche Reichseinigung von 1870/71 zum Erben der deutschen Freiheitsgeschichte aufschwingen, denn es war nicht die revolutionäre Linke, die nach 1871 für die parlamentarische Demokratie, von der Sie reden, gekämpft hat, sondern es waren Bürgerliche, Liberale, Sozialdemokraten und auch Konservative, die das getan haben.

[Beifall bei der AfD]

Umgekehrt war es niemand anderes als die revolutionäre Linke, der Sie entstammen, die im historischen Verlauf nach 1945 einem Teil des deutschen Volkes die Freiheit und somit auch die Möglichkeit zur Einheit in Freiheit genommen hat. Als die Freiheit schließlich da war, stellte sich die Linke auf den Standpunkt, dass die Einheit nicht sein dürfe. Es war niemand anderes als Gregor Gysi, der sich als neu gewählter SED-Chef 1989 nicht zu schade dafür war, die Fortdauer der deutschen Teilung als eine Voraussetzung für den Frieden in Europa zu stilisieren, um so das deutsche Volk von seiner Selbstbestimmung abzuhalten.

[Kurt Wansner (CDU): Herr Momper war auch mit dabei!]

Diese historischen Wahrheiten dürfen wir im Rückblick auf das Jahr 1989 nicht aus dem Auge verlieren. Und weil das so ist und weil sich Freiheit und Einheit nicht trennen lassen und weil diese Dinge allzu leicht in Vergessenheit geraten, brauchen wir auch nach Auffassung der AfDFraktion ein Freiheits- und Einheitsdenkmal für die friedliche Revolution von 1989. Alle politischen Parteien auf Bundes- und auf Landesebene sind nun aufgefordert, sich über die Gestalt und den Standort dieses Denkmals neu zu verständigen, denn die „Wippe“ kann es beim besten Willen nicht sein. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kurt Wansner (CDU)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Abgeordnete Frau Kittler das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch wenn Ort und Art des Denkmals im Antrag nicht genannt werden, reden wir trotzdem alle irgendwie über den gleichen Entwurf und den gleichen Ort. Bei der Frage, ob der für das Freiheits- und Einheitsdenkmal gewählte Platz auf dem Sockel des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Denkmals der richtige ist, geht der Streit schon los, und bei der Frage, ob die „Wippe“ das richtige Symbol dafür ist, geht der Streit gleich weiter.

Wenn ich die Begründung des CDU-Antrags lese, muss ich mich erst mal bedanken, dass ich hier überhaupt sprechen darf. Da ist es wieder, das Gespenst, das nicht nur in Europa umgeht, wie es einer der größten Philosophen, der morgen seinen 199. Geburtstag feiern könnte, sollte er noch leben, nannte. Das Gespenst hat es jetzt bis in den Berliner Senat geschafft, und es hat jetzt auch einen Namen. Es heißt „Die Linke“. Das finden die CDUAbgeordneten ganz gefährlich, aber die Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner sieht das irgendwie anders. Der im Antrag als ebenso gefährlich eingestufte Klaus Lederer wurde unlängst von den Berlinerinnen und Berlinern bei einer Umfrage zum beliebtesten Senator gekürt.

[Beifall bei der LINKEN]

Was gefährlich – das Wort wird ja im Antrag gebraucht – an dem von ihm vorgeschlagenen Innehalten ist, können Sie mir ja gern bei Gelegenheit mal erklären.

Werte CDU-Abgeordnete! Ihr Geschichtsverständnis ist nicht differenziert und schon gar nicht vereinigend, denn erst mal möchten Sie die Linken und alle, die sie unterstützen oder die sich durch sie vertreten fühlen, aus der Debatte entfernen, und Sie unterstellen uns, dass wir freiheitliche Bewegungen in der Geschichte Deutschlands nicht erkennen und würdigen. Freiheit und Gleichheit also nur für CDU-Mitglieder und die, die mit Ihnen einer Meinung sind?

Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein –, das ist keine Freiheit.

Das stammt nicht von mir, sondern von Rosa Luxemburg, und zwar in ihren „Briefen aus dem Gefängnis“.

Freiheit ist immer … Freiheit des anders Denkenden.

[Zuruf von Kurt Wansner (CDU)]

(Martin Trefzer)

Nicht wegen des Fanatismus der „Gerechtigkeit“,

[Kurt Wansner (CDU): Das sagen Sie uns!]

ja, das sage ich Ihnen –,

sondern weil all das Belebende, Heilsame und Reinigende der politischen „Freiheit“ an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die „Freiheit“ zum Privilegium wird,

heißt es bei ihr weiter. Insofern kann ich mich der Befürchtung nicht verschließen, dass die CDU-Fraktion als Nächstes auch all denen den Mund verbieten will, die sich trauen, Kritik am Denkmal zu äußern, oder auch nur ein Nachdenken darüber anregen wollen und die nicht zur Linken zählen, zum Beispiel dem Berufsverband Bildender Künstler/-innen Berlin, Kunstwissenschaftlern wie Nikolaus Bernau oder, nicht zu vergessen, den Mitgliedern des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, die am 13. April 2016 – Herr Jahnke hat es vorhin schon genannt – die weitgehend fertig geplante „Wippe“ wegen der kaum noch kalkulierbaren Kosten – wir erinnern uns, ein Anstieg von 10 Millionen Euro auf 15 Millionen Euro – auch mit den Stimmen der CDU stoppten. Da habe ich einen empörten Aufschrei sowie einen Antrag hier im Haus nicht wahrgenommen.

Genauso habe ich nichts aus der CDU-Abgeordnetenhausfraktion gehört, als die Kulturstaatsministerin Monika Grütters im Januar einen neuen Anlauf für ein Denkmal zur Würdigung der friedlichen Revolution und Wiedervereinigung forderte. Sie forderte auch, noch einmal offen und öffentlich zu diskutieren. Nichts anderes hat auch Klaus Lederer gefordert. Fand die Fraktion der CDU das bei Frau Grütters auch gefährlich? Was soll also dieser Antrag? Vor allem, was soll diese Begründung? Ich darf eine Meinung dazu haben und sie auch sagen.

[Zuruf von Dr. Robbin Juhnke (CDU)]

Das dürfen auch Senatorinnen und Senatoren. Das nennt sich Meinungsfreiheit. Um die ging es 1989 auch.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Die weitere Debatte zu diesem Thema sollten wir dann im Ausschuss führen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Das war mitreißend!]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Abgeordnete Herr Kluckert das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Einheitsdenkmal beschäftigt die Politik

schon seit vielen Jahren. Allerdings muss ich auch sagen, wie Frau Kittler, dass ich mich gewundert habe, dass die CDU hier diesen Antrag eingebracht hat, denn vor Kurzem hat noch Ihre Landesvorsitzende und Kulturministerin Monika Grütters einen Stopp für dieses Denkmal gefordert. Dass Sie ihr heute hier in den Rücken fallen, fand ich schon etwas beachtlich.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Natürlich kann man bei Kunstprojekten auch viel über die Form, über die Größe, ob es eine Wippe oder eine Waage ist, streiten. Frau Kittler! Sie haben gefragt, worin der Unterschied besteht, ob Monika Grütters einen Baustopp fordert oder ob es Klaus Lederer tut.

[Regina Kittler (LINKE): Ein Nachdenken fördert!]

Es war nicht nur ein Nachdenken, wie ich es gelesen habe, sondern es war schon eigentlich ein deutlicher Stopp des Denkmals, so wie ich es aus der Presse wahrgenommen habe. Wenn ein Senator von der Nachfolgepartei der SED einen solchen Baustopp fordert, hat es auch aus liberaler Sicht einen faden Beigeschmack.

[Beifall bei der FDP – Regina Kittler (LINKE): Fällt Ihnen auch noch ein wirkliches Argument ein?]

Sie können jetzt sagen, es sei lange her und es sei ein alter Hut, aber wenn ich mir den Eiertanz anschaue, den Sie hier veranstaltet haben, um damals hier einen StasiGetreuen unterzubringen und zu versorgen, finde ich, dass dieses Thema topaktuell ist.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Dann sollte gerade die Linkspartei mit ihren Senatoren, wenn es um das Einheitsdenkmal geht, die Sache doch sehr sensibel und mit Fingerspitzengefühl angehen.

Ich komme nun zu dem Einheitsdenkmal selbst. Über das Denkmal wird mittlerweile seit einem Jahrzehnt diskutiert, debattiert und sich ausgetauscht. Bereits 2007 beschloss der Deutsche Bundestag erstmalig, ein Einheits- und Freiheitsdenkmal zu errichten. Das Denkmal sollte übrigens bereits zum Jubiläum 20 Jahre Mauerfall im Jahre 2009 eröffnet werden. Nun, zehn Jahre später, zehn Jahre mit Ausschreibungen, Wettbewerben, Beteiligungen usw., gibt es einen Gewinnerentwurf, der nach wie vor für heiße Diskussionen sorgt. Ist das Denkmal eine Waage oder eine Wippe? Ist es barrierefrei, oder kann man sich, wenn das Ding kippt, die Finger darin klemmen? Hat der Bau ein Geländer? Kann er auch von Menschen im Rollstuhl bestiegen werden? Dürfen Leute, die leicht Schwindelanfälle bekommen, auch auf dieses Einheitsdenkmal? Die Diskussion um das Denkmal nimmt mittlerweile groteske Bezüge an. Wolfgang Thierse hat vollkommen recht, wenn er sagt, es sei eine Diskussion

(Regina Kittler)

über ein Geschmacksurteil, wo das eigentliche Ziel, das Denkmal, aus dem Blick gerate und zerredet werde.

Wir sind an einem Punkt, wo es Zeit wird, zumindest auch einmal zu überlegen, ob das Denkmal realisiert werden kann. Es hat intensive Diskussionen mit allen Beteiligten unterschiedlicher politischer Ebenen und der Zivilgesellschaft gegeben. Der Wettbewerb hat einen Sieger hervorgebracht. Wir sollten uns jetzt auch mit diesem Thema auseinandersetzen.

Die deutsche Einheit war das größte politische Ereignis, das ich persönlich je erlebt habe. Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut, wenn ich die Bilder von der Maueröffnung im Fernsehen sehe. Ich finde, dieses Ereignis hat auch ein Denkmal verdient.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Beifall von Hakan Taş (LINKE)]

Allerdings muss man sagen, dass der Standort vor dem Schloss wirklich nicht günstig ist. Eigentlich hat Berlin ein Einheitsdenkmal, das ist das Brandenburger Tor. Das ist das Denkmal, wohin die Leute gehen, wenn sie sehen wollen, wo die deutsche Teilung war. Aus unserer Sicht wäre ein Standort in der Nähe des Brandenburger Tores der richtige Standort für dieses Einheitsdenkmal. Deshalb schlagen wir vor, das Denkmal vor dem Reichstag, zwischen dem Reichstag und dem Kanzleramt, zu errichten und nicht vor dem Stadtschloss. Man könnte auch mit dem Humboldt-Forum sprechen. Ich glaube, das Humboldt-Forum hat auch gar kein Interesse daran, dass das Einheitsdenkmal den Zugang in das Schloss versperrt.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Dann möchte ich noch ein letztes Wort zu den Kosten, die Sie angesprochen haben, sagen. Wer jeden Tag 1 Million Euro am BER im märkischen Sand versenkt, kann mir nicht erzählen, dass ihm 15 Millionen Euro für ein Denkmal zu teuer sind, mit dem wir das größte Ereignis unserer Geschichte der letzten Jahrzehnte feiern. Eröffnen Sie doch einfach den Flughafen 15 Tage früher, dann wäre auch das Geld wieder eingespart! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Für die Grünen der Kollege Wesener! – Bitte schön!