Protokoll der Sitzung vom 18.05.2017

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Wir können hier jegliche Stromproduktion schließen und hätten trotzdem Strom, der zu 50 Prozent aus fossilen Energieträgern kommt. Das bestehende Gesetz fordert die CO2-Reduktion bis 2050. Das allein ist schon ein ambitioniertes Ziel. Warum erfolgt jetzt eine Insellösung, die, wie eben ausgeführt, eh nichts bringt? Nur aus Aktionismus, nur um eine Ideologie umzusetzen, um die eigene Klientel zufriedenzustellen?

Sie schlagen konkret für § 15 Absatz 1 eine Ergänzung vor. Der Senat wird demnach auch

darauf hinwirken, dass im Land Berlin die Energieerzeugung aus Braunkohle bis zum 31.12.2017 und aus Steinkohle bis zum 31.12.2030 beendet wird.

Das Ziel ist eine signifikante Senkung der CO2Emissionen, um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Dieses Ziel werden Sie aber mit diesem Gesetz nicht erreichen.

[Beifall bei der AfD]

Der Gesamtausstoß an CO2 in Europa wird bereits durch den EU-Emissionshandel und die CO2-Zertifikate determiniert und allein durch dieses Instrument bereits jährlich um 1,74 Prozent gesenkt – und nicht durch lokale Politik. Ein Vorpreschen von Berlin beim Kohleausstieg ändert rein gar nichts. Die Anzahl der begehrten Zertifikate bleibt gleich. Im Zweifel wird die Kohle in Polen gefördert und verbrannt, und der europaweite CO2-Ausstoß bleibt gleich.

[Beifall bei der AfD]

Aus Sicht des Klimaschutzes bringt das Gesetz also rein gar nichts. Daher ist es nicht notwendig, und wenn der Beschluss eines neuen Gesetzes nicht notwendig ist, ist es im Umkehrschluss zwingend notwendig, das zu unterlassen.

[Beifall bei der AfD]

Erst recht unterlassen sollten Sie den von Herrn SchultzeBerndt schon angesprochenen Unfug in § 18. Dort wollen Sie neue Zwangsmaßnahmen beschließen. In § 18 Absatz 1 soll der Senat ermächtigt werden – schönes Wort übrigens –,

[Heiterkeit bei der AfD]

die Benutzung von Fernwärme für bestimmte Gebiete dem Bürger vorzuschreiben. Meine sehr geehrten Damen und Herren Antragsteller, Mitkämpfer und Tagebaublockierer! Sie wollen hier den Menschen wieder eine Freiheit entziehen – diesmal die Wahlfreiheit, wie die Menschen heizen wollen. Anschlusszwang hier, Benutzungszwang dort! Das ist noch schlimmer als bei der GEZ. Da müssen wir leider bezahlen, aber benutzen müssen wir die Programme zum Glück nicht.

[Heiterkeit und Beifall bei der AfD]

Irgendwie beschleicht einen das Gefühl, dass hier die Regierungsbeteiligung der SED-Nachfolgepartei deutlich wird. Es wird der Bürger auch wirtschaftlich entmündigt, es gibt keinen Wettbewerb, und es wird ein Monopol geschaffen. Das kann für die Nutzer richtig teuer werden und wird es meistens auch. Er kann dem nicht ausweichen. Abgesehen davon konterkarieren Sie damit jegliche EU-Liberalisierungsansätze. Beim Geist dieses § 18 fällt einem unwillkürlich der „Einsperren wäre besser!“Zwischenruf von Benedikt Lux wieder ein. Bei den neuen, in Gesetzesform zu gießenden Zwängen und einem Menschenbild, wo der Mensch zu allem Möglichen gezwungen werden muss, ist es bis zum Einsperren gar nicht mehr weit. Weil die Änderung des bestehenden Gesetzes nur neue Zwänge und Nachteile mit sich bringt und ihre Ziele nicht erreichen kann, lehnen wir sie natürlich ab. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Efler das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe zwar noch keinen Tagebau blockiert, aber ich bekenne mich gern dazu, auch Weltverbesserer zu sein. Ich finde, das ist überhaupt kein Schimpfwort, sondern eine wunderbare Beschreibung. Da kann ich mich sehr wohlfühlen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Ich hoffe, das gilt für viele Kollegen in diesem Hause, denn darum machen wir doch Politik, um die Welt besser zu machen, zumindest im Land Berlin.

[Beifall von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Sehen Sie mal! –

Mangelnde Tatkraft kann man Rot-Rot-Grün auf dem Feld der Energiepolitik auch gar nicht vorwerfen. Wir haben mit einem der allerersten Gesetze in dieser Wahlperiode das Betriebe-Gesetz geändert und die Stadtwerke von ihren Fesseln befreit. Herr Schmidt von der FDP! Sie waren ja sehr skeptisch, was z. B. die Kundenentwicklung angeht. Ich kann jetzt schon feststellen, dass es wirkt. Die Kundenentwicklung ist sehr dynamisch, und die Investitionsplanung kommt voran. Wir haben da wirklich etwas Gutes gemacht, und es wirkt bereits.

Erst im April haben wir den Antrag zum Kohleausstieg beschlossen, und jetzt legt der Senat – dankenswerterweise, Frau Günther! – hier den Entwurf zur Änderung des Berliner Energiewendegesetzes vor. Ich kann jetzt schon mal ankündigen, dass da noch sehr viel mehr kommt. Wir machen ernst beim sozialökologischen Umbau dieser Stadt, und das gilt nicht zuletzt für die Energiepolitik.

[Florian Kluckert (FDP): Niemand klatscht! – Heiterkeit bei der FDP und der AfD]

Die gesetzliche Verankerung des Kohleausstiegs ist Kernanliegen dieses Entwurfes. Wir haben schon drei Mal hier im Plenum über das Thema Kohleausstieg beraten, und deswegen müssen wir, glaube ich, inhaltlich nicht noch einmal genau sagen, warum wir da herauswollen. Ich will es nur stichwortartig kurz erwähnen: Klimaschutz, Bekämpfung einer Fluchtursache, Gesundheitsschutz, Kampf gegen Verschmutzung des Wassers auch in Berlin!

Es gibt also sehr gute Gründe für den Ausstieg, und jetzt ist auch die Zeit zu handeln. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass wir Geschichte schreiben können. Berlin wäre das erste Bundesland, das den Kohleausstieg gesetzlich festschreibt. Genau das haben wir mit einem Parlamentsantrag vom Senat verlangt, nämlich das vorzulegen, und ich bin stolz darauf, dass wir jetzt den ersten Schritt gehen, genau das in die Tat umzusetzen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Daniel Buchholz (SPD)]

Es ist auch ein sehr gutes Timing. Am Sonntag haben wir die sogenannte Coal and Boat. Für die, die das nicht kennen – auf der Seite vielleicht –: eine Schiffsdemonstration in der Rummelsburger Bucht für den Kohleausstieg. An der werde ich selbstverständlich auch persönlich teilneh

men, und ich hoffe, dass ich da sehr viele Kolleginnen und Kollegen sehen werde.

[Lachen bei der AfD]

Nicht alle muss ich da sehen. Das muss ich sagen. Aber einige hoffe ich da wirklich zu sehen. – Wenige Tage später wird dann das Braunkohlekraftwerk Klingenberg vom Netz gehen. Auch das ist ein Grund zum Feiern.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Dr. Maja Lasić (SPD)]

Wie wir den Kohleausstieg genau bewerkstelligen – darauf ist schon hingewiesen worden –, wollen wir auch im Rahmen einer Machbarkeitsstudie, für die natürlich das Land Berlin dann auch letztendlich Verantwortung zu tragen hat, prüfen. Dabei geht es z. B. um die Frage: Wie schnell können wir aus der Kohle aussteigen? – Ich interpretiere das Gesetz auch so, dass hier kein festes Ausstiegsdatum festgelegt wird. Also Ende 2030 heißt, dass wir bis dahin aussteigen, und wenn wir es schaffen, gern auch früher.

Natürlich geht es darum, mit möglichst viel erneuerbaren Ersatzinvestitionen aus der Kohle auszusteigen. Es ist ja nichts oder nicht genug gewonnen, wenn wir ausschließlich z. B. mit Gas- und Dampfkraftwerken Kohlekraftwerke ersetzen.

Wir gehen jetzt also einen wichtigen ersten Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität, aber viele weitere müssen noch kommen. Insbesondere müssen wir auch deutlicher machen, womit wir Kohle in Berlin ersetzen wollen und welche anderen Klimaschutzmaßnahmen wir auf den Weg bringen wollen. Deswegen freue ich mich, dass hoffentlich auch bald aus dem Senat der Entwurf des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms kommt, wo wir dann ja im Grunde das Energiewendegesetz umsetzen und mit sehr vielen Maßnahmen deutlich machen, was wir erreichen wollen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch zum Anschluss- und Benutzungszwang, zu dem schon einige Polemiken hier aus der Opposition vorgebracht worden sind, Stellung nehmen! Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass es diesen Anschluss- und Benutzungszwang in sehr vielen Bereichen von öffentlichen Dienstleistungen gibt. Das ist also nichts wirklich Neues.

[Ronald Gläser (AfD): Das ist überall gleich!]

Das gab es im Berliner Energiespargesetz – darauf ist von Herrn Buchholz hingewiesen worden –, das die CDU gemeinsam mit der SPD, ich glaube, vor über 27 Jahren beschlossen hat. Insofern ist das jetzt nichts völlig Neues. Es macht auch Sinn oder kann Sinn machen, um innovative Techniken voranzubringen und eine wirtschaftliche Tragfähigkeit von erneuerbaren Energieinvestitionen zu sichern. Es kann aber auch im Einzelfall zu Problemen führen. Es kann soziale Härten hervorrufen, und es kann auch zu monopolistischer Preistreiberei führen. Gar keine

Frage! Wir müssen und werden uns in den Ausschussberatungen genau ansehen, ob die gesetzliche Ermächtigung für den Senat – – Übrigens ist das Wort „Ermächtigung“ ein ganz normales Wort, denn es ist eine Verordnungsermächtigung. Wir müssen uns also genau ansehen, ob wir diese negativen Folgen schon ausreichend im Gesetzentwurf vermieden haben, und wenn nicht, müssen wir da nachsteuern.

[Beifall von Jürn Jakob Schultze-Berndt (CDU)]

Das ist gar kein Problem. Trotzdem bringen wir hier ein Gesetz auf den Weg, auf das wir stolz sein sollten. Ich hoffe, dass am Ende nicht nur diese Seite zustimmt, sondern zumindest vielleicht noch die CDU. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Abgeordnete Herr Schmidt das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin jetzt schon ein bisschen irritiert, und ich bin auch enttäuscht ob dieser ganzen Bekenntnisreden zum Klimaschutz. Das hat ja mit dem Gesetzentwurf sehr wenig zu tun, und insbesondere sind Sie von der Koalition und noch mehr die Senatorin bewusst immer um diesen großen Elefanten des Anschluss- und Benutzungszwanges, der da im Raum steht, schön herumgeschlichen. Dieses Thema wollen Sie durch allgemeine Reden zum Klimaschutz wegdrücken, und das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Daniel Buchholz (SPD): Nein, nein!]

Dieser Entwurf enthält ja nur zwei Dinge. Das ist zum einen das Hinwirken auf den Kohleausstieg. Das ist übrigens relativ wenig wert. Das ist eine Bekenntniserklärung. Ja, das könnte man auch in einem Entschließungsantrag machen, aber es gehört nicht unbedingt in ein Gesetz hinein, weil Sie das nachher in der Konsequenz gar nicht in Berlin regeln können. Aber das, was wirklich der große Klopper ist, ist tatsächlich der Anschluss- und Benutzungszwang, der da drinsteht. Das ist ein weitreichender Eingriff von ganz anderem Kaliber. Da ist die Begründung besonders dreist, dass das aus Klimaschutzgründen geschehen würde und dass es nun einmal erforderlich sei. Wie es in Gesetzentwürfen üblich ist, steht auch dort wieder: Alternativen – keine.

Das Gegenteil ist der Fall. Ein Anschluss- und Benutzungszwang könnte auch zu Rückschritten beim Klimaschutz führen. Stellen wir uns einmal vor, ein Senat in anderer politischer Konstellation – das könnte auch einmal vorkommen – nutzt diese Ermächtigung, diesen

Blankoscheck, auch, um dezentrale erneuerbare Lösungen stillzulegen, Solarthermie und Pelletheizungen abzuschaffen und einen Zwangsanschluss an die mit Erdgas betriebene Fernwärme durchzusetzen. Es würde erneuerbare Wärme durch fossiles Erdgas ersetzt. Was hat das denn noch mit Klimaschutz zu tun?

Der Senat verweist hier auch explizit in der Begründung auf die Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, also Erdgas, und schreibt dort, wie großartig effizient die seien und wie wichtig es ist, dass deren Auslastung gesichert werden muss. Bei „Auslastung der KWK-Anlagen“ hört man die Nachtigall schon ganz laut trapsen, die Sie da im Hinterkopf haben. Wir haben in diesem Haus auch viel über Mieterstrom und Mieterwärmemodelle gesprochen. Auch diese könnten durch einen Anschluss- und Benutzungszwang ausgehebelt werden, genauso wie das Contracting. Dann würde wieder der Zwangsanschluss an das zentrale Fernwärmenetz für Dinge vorgegeben werden, die schon längst dezentral gelöst sind.