Ich sagte es schon: Der Berliner Untersuchungsausschuss wird nicht alles aufklären können. Vor allem die Arbeit anderer, auch ausländischer Geheimdienste können wir von hier aus nur schwer beurteilen. Auch das, was auf Bundesebene verbessert werden muss, können wir hier nur schwer beeinflussen. Deswegen ist es nach wie vor richtig und wichtig, wenn wir auch den Deutschen Bundestag auffordern, einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung des Terroranschlags einzusetzen.
Es ist der erste Untersuchungsausschuss in dieser Wahlperiode, und es ist der erste Untersuchungsausschuss im Bereich der Innenpolitik in Berlin seit knapp 20 Jahren. Wir stehen also gemeinsam vor der Aufgabe, hier neu, seriös, beharrlich und umfassend, aber auch fair aufzuklären. Bei allem Streit in der Sache, den wir haben werden, sollte niemand der Versuchung unterliegen, sich oder seine Partei auf Kosten der Aufklärung zu profilieren. Umso dankbarer bin ich für die gute Zusammenarbeit, mit der wir gemeinsam, SPD, CDU, LINKE, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, diesen Untersuchungsausschussantrag einbringen können. Wir werden uns nicht schonen.
Es geht um die Fähigkeit, Selbstkritik auszuhalten, die Bereitschaft, sich selbst zu verbessern, und auch das Durchhaltevermögen, komplizierte Vorgänge so tief, wie es geht, auszuleuchten. Es ist nicht nur ein Auftrag an die Ermittlungsbehörden, –
sondern es ist auch ein Auftrag an uns, um diesem historisch einmaligen Terroranschlag in der Berliner Geschichte und dem Bedürfnis nach Aufklärung seitens der Opfer, der Angehörigen und aller Berlinerinnen und Berliner gerecht zu werden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in einer hervorragenden, kollegialen und auf die Sache bezogenen Zusammenarbeit zwischen den innenpolitischen Sprechern von fünf Fraktionen einen Untersuchungsauftrag formuliert und 105 Fragenkomplexe identifiziert und zusammengetragen. Das gibt mir Mut für die Hoffnung, dass sich dieser Untersuchungsausschuss mit der Sache beschäftigen wird, dass er ernsthaft an der Aufklärung des schrecklichen Attentates, seiner Vorgeschichte, seines Ablaufs und seiner Nachgeschichte arbeiten wird und dass es uns gelingen wird, Licht in die vielen, teilweise auch sehr irritierenden Meldungen zu bringen, die die Öffentlichkeit bewegt haben. Ich möchte mich jedenfalls bei den Kolleginnen und Kollegen aus dem Kreis der innenpolitischen Sprecher bedanken. Wir haben das gut hingekriegt, und ich hoffe, dass dieser Stil auch der Stil der Zusammenarbeit im Untersuchungsausschuss sein wird. Denn es ist wichtig, dass wir nicht der Versuchung erliegen, einen Untersuchungsausschuss politisch zu instrumentalisieren. Das können wir uns im Hinblick auf die Opfer und ihre Angehörigen nicht leisten. Es muss uns ausschließlich darum gehen, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Deswegen sollten wir uns auch davor hüten, voreilige Beschuldigungen vorzunehmen, wie das in der Vergangenheit schon von einigen Seiten erfolgt ist. Ich glaube, dass wir noch viel zu wenig wissen, um Schlüsse ziehen zu können, und dass es unsere Aufgabe ist, in Ruhe, Konzentration und Akribie diesen Untersuchungsauftrag auszuführen und keine voreiligen Schlussfolgerungen zu ziehen.
Herr Dregger! Ist Ihnen bekannt, dass es in diesem Haus bereits am. 9. März eine Abstimmung über einen Untersuchungsausschuss gegeben hat, bei der Ihre Fraktion gegen die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses gestimmt hat?
Ja, das ist mir bekannt. Die Frage ist durchaus berechtigt. Derzeit ermittelt ein Sonderermittler. Es ermittelt eine Taskforce. Die Staatsanwaltschaft ist aufgrund der Strafanzeige des Innensenators eingeschaltet. Und jetzt kommt noch ein Untersuchungsausschuss hinzu. Unsere Position war immer, einen Untersuchungsausschuss zu befürworten, wenn uns die Entwicklungen dazu Anlass geben. Letztlich haben die irritierenden Meldungen über etwaige Manipulationen im Bereich des LKA den Ausschlag gegeben. Ich möchte übrigens auch diesbezüglich keine voreiligen Schlüsse ziehen. Aber die Erwartungshaltung in der Öffentlichkeit hat sich gesteigert, das auch durch das Instrument des Untersuchungsausschusses aufzuklären. Um dem Anschein vorzubeugen, es solle irgendetwas unter den Teppich gekehrt oder ausgespart werden, um die öffentliche Aufgeregtheit zu beseitigen und um glaubhaft zu versichern, dass alles für die Aufklärung getan wird, haben wir die Entscheidung gefällt, uns auch des Mittels des Untersuchungsausschusses zu bedienen.
Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Ich hoffe, dass sie von Sachlichkeit geprägt ist und es uns gelingen wird, Licht in das Dunkel zu bringen, um der Öffentlichkeit dann sagen zu können, wo etwaige Schwachstellen oder Fehler waren. Das Ziel ist nur zur einen Hälfte die Aufklärung der Vergangenheit. Zur anderen Hälfte geht es darum, etwaige Fehler abzustellen und die Terrorabwehr zu verbessern. Wir müssen konstatieren, dass wir als Untersuchungsausschuss nicht in einem luftleeren Raum ermitteln, sondern unter einer fortbestehenden Terrorgefahr. Das heißt auch, wir müssen dafür sorgen, dass unsere Staatsschutzabteilung, die uns auch derzeit vor Terrorbedrohungen schützt, nicht lahmgelegt wird. Wir müssen das in einer Weise organisieren, die den weiteren Schutz der Öffentlichkeit vor den bestehenden Bedrohungen gewährleistet. Darauf kommt es mir auch an.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dem Haus liegt heute ein Untersuchungsauftrag vor, der von einem breiten Konsens getragen ist. Wir haben tatsächlich sehr konstruktiv bei der Formulierung zusammengearbeitet. Es ist ein gutes Vorzeichen für die Qualität des Untersuchungsausschusses, dass die Fraktionen bei diesem wichtigen Thema kooperieren und nicht im Streit miteinander liegen. Herr Dregger und Herr Lux haben bereits darauf hingewiesen, und ich kann da meinen beiden Vorrednern nur zustimmen. Ich glaube auch, dass wir es schaffen können, in einem kollegialen, vernünftigen Stil den Auftrag zu erledigen und gerade nicht – da stimme ich Ihnen auch zu –, dies zu irgendwelchen parteipolitischen Vorteilen zu nutzen. Es stimmt mich zuversichtlich, dass wir auch zu einer vollständigen Aufklärung der Vorgänge kommen können und damit unsere Pflichten gegenüber der Öffentlichkeit erfüllen werden.
Dabei beginnt die Aufarbeitung des Terroranschlages vom Breitscheidplatz nicht erst heute. Wir können auf Vorarbeiten aufbauen, die uns helfen, gezielt und effektiv vorzugehen. Sie sehen an den sehr konkreten Fragen in dem Antrag, dass bereits vorliegende Erkenntnisse – etwa aus der Chronologie des Bundes – eine wichtige Orientierung für die weitere Untersuchung liefern. Es liegen bereits jetzt wertvolle Ergebnisse des Sonderermittlers des Senats vor, die zeigen, wie notwendig es war, zunächst einen unabhängigen Experten wie Herrn Jost mit der Aufgabe zu betrauen. Das von uns gewählte Verfahren hat sich als richtig herausgestellt. Wir haben nicht etwa Zeit verloren, sondern wir haben die Zeit optimal genutzt.
Es ist aus unserer Sicht essenziell für den Aufklärungserfolg, dass Herr Jost seine Arbeit fortsetzt und abschließen kann, und zwar ungehindert. Der Untersuchungsausschuss hat weitreichende Rechte, aber ich glaube, wir sind uns einig darin, dass wir Herrn Jost bei seiner Arbeit nicht auf den Füßen stehen werden.
Da sind wir bei der Aufgabe, die wir gleich zu Beginn klären müssen. Wir ziehen alle Register – Herr Dregger hat es gesagt –: Der Sonderermittler arbeitet. Die Taskforce der Polizei und die Staatsanwaltschaft ermitteln. Und jetzt nimmt das Parlament seine eigene Untersuchung im Rahmen seiner Kontrollfunktion wahr. Alle haben ihren bestimmten Auftrag. Deshalb brauchen wir eine klare Planung im Ausschuss, damit wir uns nicht aus Versehen ins Gehege kommen, sondern die jeweiligen Ermittlungsergebnisse zu einem aussagekräftigen Gesamtbild zusammengefügt werden können.
Wir haben den Untersuchungsauftrag so formuliert, dass er alle relevanten Vorgänge erfasst, aber nicht so, dass er uns zu einem vierjährigen Untersuchungsmarathon auffordert. Das können wir der Öffentlichkeit nicht antun. Und das gibt der Stoff auch gar nicht her. Anders als bei manchen früheren Untersuchungsausschüssen, die ungeheuer weit verzweigte Sachverhaltskomplexe zu klären hatten, ist hier der Gegenstand ziemlich klar abzustecken – nicht, was die Zahl der offenen Fragen betrifft, auch nicht, was die Schwere der Folgen betrifft, sondern schlicht, was den Umfang des Geschehens betrifft. Das ist relativ klar erkennbar. Deswegen müssen wir aus heutiger Sicht vor allem in die Tiefe und nicht unbedingt in die Breite gehen. Neue Erkenntnisse können natürlich immer neue Fragen aufwerfen. Dafür werden und müssen wir auch offen sein.
Es sind viele offenen Fragen zu untersuchen. Keine offene Frage ist aber, dass im Landeskriminalamt fähige und engagierte Ermittler arbeiten, die trotz des schrecklichen Anschlags unsere volle Unterstützung und Rückendeckung verdient haben.
Wenn wir jetzt einen Untersuchungsausschuss einsetzten, dann tun wir das, um das etwaige Fehlverhalten Einzelner aufzuklären und dazu beizutragen, dass im Interesse der Behörde solche Fehler möglichst vermieden werden können. Dabei kann und muss natürlich auch untersucht werden, ob hierfür strukturelle oder aus der Personalausstattung herrührende Defizite mit ursächlich waren. Unverantwortlich ist es jedoch, mit Begriffen wie Totalversagen oder ähnlichen die Sicherheitsbehörden insgesamt in Misskredit zu bringen. Unser Job ist es, die Fakten und Details so zu analysieren, dass sie zu verwertbaren Ergebnissen führen, statt billigen Parolen hinterherzulaufen.
Hüten wir uns auch vor den Verschwörungstheoretikern! Dass Amri als Lockvogel, Agent oder so etwas herumgelaufen ist, dafür gibt es überhaupt keine Anhaltspunkte. Sollte daran dennoch auch nur im Ansatz etwas dran sein, wird uns das nicht verborgen bleiben.
Der Untersuchungsauftrag kann und soll im Rechtsausschuss noch einmal geprüft werden, bevor wir ihn dann im Plenum beschließen. Dabei sollten wir gucken, ob manche Frage noch geschärft oder präzisiert werden sollte oder ob noch redaktionelle Änderungen nötig sind. Wir werden jedenfalls den Zeitplan einhalten.
Das tue ich. – Der Zeitplan ermöglicht es, dass wir uns noch vor der Sommerpause konstituieren. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Ich muss meine drei Vorredner in einem kleinen Punkt korrigieren. Es waren nicht fünf Fraktionen, die die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses heute in das Plenum eingebracht haben, es waren sechs. Wir behandeln heute auch die Tagesordnungspunkte 39 a und 39 b. Wie Sie der Tagesordnung entnehmen können, beinhaltete Tagesordnungspunkt 39 a die Forderung der AfD-Fraktion auf Einsetzung. Dass Sie im Nachgang noch einmal einen weiteren Fragenkatalog zusammenstellen, angesichts dessen ich übrigens auch sehr einverstanden gewesen wäre mitzuarbeiten, steht auf einem anderen Blatt.
Ich bin auch dankbar dafür, dass ich nach den Grünen, der SPD und der CDU spreche. Ich stelle eine Frage direkt an die beiden großen Parteien SPD und CDU: Sind Sie eigentlich stolz auf sich? Sind Sie stolz auf sich, dass es Ihnen jetzt gelungen ist, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss so weit hinauszuzögern, dass Sie in der Tat keinerlei Aufklärungsergebnisse bis zur Bundestagswahl an das Licht kommen lassen, die ein solcher Ausschuss hätte an das Tageslicht kommen lassen?
Herr Kollege Lux! Sie sprachen von dem Aufklärungswillen Ihrer Fraktion. Das muss man Ihnen erst einmal so abnehmen. Ich möchte aber an eine vergangene Diskussion zu diesem Thema hier im Abgeordnetenhaus erinnern, als auf Nachfrage einer Intervention Frau Bayram Folgendes von sich gab. Sie sagte: Was wollen Sie eigentlich, Herr Luthe? Einen Untersuchungsausschuss setzt man doch ein, um Senatoren zu beschädigen. Die Senatoren Heilmann und Henkel sind doch bereits weg. Glauben Sie, dass der Vorsitzende Woldeit die besseren Fragen stellen würde als ein Sonderermittler?
Ist das Aufklärungswille, oder ist das politisches Kalkül? Was meinen Sie? Ich sehe reines politisches Kalkül an der Stelle.
Ich sehe ein Kalkül darin, uns unseren Ausschussvorsitz zu verwehren. Das ist Ihnen durch Geschäftsordnungstricks gelungen. Das sei Ihnen gestattet. Übrigens wurde der Kollege Delius als Untersuchungsausschussvorsitzender beim BER-Untersuchungsausschuss eingesetzt. Dort ging man wahrscheinlich davon aus, dass bei einem unerfahrenen Piraten nichts zustande kommt. Bei mir hatten Sie wahrscheinlich Sorge, sodass Sie zu solchen Tricks bemüht wurden.
Ich weiß nicht, ob Sie das Dokument kennen. Es hat die Drucksache 18/1285 der Parlamentarischen Kontrollkommission des Deutschen Bundestages, veröffentlicht am 31. Mai dieses Jahres. Ich vermute einmal, der Kollege Lux könnte es kennen. Er möchte uns zwar mitunter einsperren, ist aber sonst recht fleißig. Herr Zimmermann – das weiß ich nicht –, kennen Sie das Papier? Kennt Herr Dregger das Papier? Es enthält interessante kleine Fakten.
Es zeigt nämlich, welche Dinge auch an das Tageslicht kämen, wie Strafermittlung hier in Deutschland mit einem illegalen Einwanderer umgeht. Wissen Sie, was man dort lesen kann? Anis Amri war nicht nur der Attentäter vom Breitscheidplatz. Anis Amri war ein Schwerststraftäter und Schwerkrimineller. Ich gebe ein paar Beispiele aus dieser Drucksache: Ermittelt wurde wegen Fahrraddiebstahl, Kleinigkeit, eingestellt; Schwarzfahren, Kleinigkeit, eingestellt; Diebstahl von Mobiltelefonen; es gab einen Strafbefehl, gegen Zahlung von 10 Euro anschließend eingestellt; Körperverletzung gegenüber einem Wachmann am LAGeSo, gar kein Strafantrag; gewerbsmäßiger Betrug, Staatsanwaltschaft Duisburg, eingestellt; Urkundenfälschung, eingestellt; Verstoß gegen das Aufenthaltsbestimmungsrecht, eingestellt; gefährliche Körperverletzung in Berlin, eingestellt; Drogenhandel, Vorgang an die Staatsanwaltschaft im Nachgang seines Todes im Januar. Merken Sie etwas?