Protokoll der Sitzung vom 22.06.2017

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ha, umstritten!]

Deshalb bitte ich darum, dass wir heute a den Entschließungsantrag der Koalition annehmen und b die Anträge von FDP und AfD ablehnen. Ich sage in aller Deutlichkeit an alle Berlinerinnen und Berliner gerichtet: Gehen Sie nicht auf den Leim dieser Populistenkoalition! Bewerten Sie seriös die Argumente! Dann kommen Sie zu dem Ergebnis, der Flughafen Tegel ist überflüssig. Wir haben die Chance, für die Berlinerinnen und Berliner in Reinickendorf, in Pankow, in Spandau und in Mitte eine Entlastung herbeizuführen. Die haben die Leute verdient. Die warten seit Jahrzehnten darauf. Viele sind krank, müssen Fluglärm aushalten. Ich finde es erschreckend, dass all die Leute, die jetzt für diese Offenhaltung von Tegel sind, sich einen Dreck darum scheren, wie es den Leuten dort vor Ort geht. In dem Sinne bitte ich um Unterstützung unseres Antrags. – Danke!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Bevor der Kollege Evers das Wort für eine Zwischenbemerkung bekommt, die Bitte an Kollegen Stroedter und auch an die nachfolgenden Redner, Begriffe wie „verarschen“ zu vermeiden.

Herr Kollege Hansel! – Oh, Entschuldigung! Herr Kollege Evers zuerst zu einer Zwischenbemerkung!

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ich muss jetzt ein Wort aus meiner Rede streichen, wie schade!]

Herr Kollege Hansel, das werden Sie hinbekommen.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Lieber Herr Stroedter! Die Zurechtweisung hat der Präsident mir jetzt dankenswerterweise abgenommen.

[Oh! bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Aber auch ich weise für die CDU noch einmal die Vorwürfe in aller Deutlichkeit zurück, die Sie hier erhoben haben.

[Torsten Schneider (SPD): Das ist ja unglaublich! – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Das macht es nur noch schlimmer!]

Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie direkte Demokratie, dass Sie unsere Art und Weise, die Mitglieder in einen so wichtigen Entscheidungsprozess mit einzubinden, nicht goutieren. Das sei Ihnen zugestanden. Sie müssen weder vom einen noch vom anderen etwas halten. Fragen Sie

(Jörg Stroedter)

sich aber dann, was die Berliner von Ihnen im Ergebnis halten werden!

Aber zu einigen Punkten möchte ich dann doch noch etwas sagen. Erstens: Er geht mir wirklich auf die Nerven, dieser ständige Vorwurf, weil der Inhalt dieses Volksentscheids kein Gesetz sei, sei er nicht ernst zu nehmen. Stellen Sie sich einmal die Frage, was das für all Ihre Beschlüsse, Ihre Koalitionsbeschlüsse hier im Abgeordnetenhaus bedeuten würde, wenn der Senat Sie nicht mehr ernst zu nehmen hätte. Nichts anderes sagen Sie doch damit. Dass nur Gesetzesbeschlüsse bindend sind und alles andere, was wir hier veranstalten, Theater ist. Natürlich ist es ernst zu nehmen! Selbstverständlich ist es eine verbindliche Aufforderung an den Senat, die Zielstellungen dieses Volksentscheids umzusetzen. Und ich behaupte einmal: Die Möglichkeiten dieses Senats, gerade die juristischen Möglichkeiten, gehen weit über den Rahmen eines Gesetzes hinaus. Das sollten Sie sich mal hinter die Ohren schreiben.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Zum Thema „Argumente“: Sie haben genau ein Argument hier sehr breit ausgerollt, und das ist das der Lärmbetroffenheit – übrigens eines, mit dem ich es mir absolut nicht leichtmache. Aber der Zynismus Ihrer Argumentation, den sollten Sie dabei auch nicht übersehen. Das ist nämlich der, dass es für Sie völlig in Ordnung ist, im Südosten Berlins, in Brandenburg eine große Zahl von Lärmbetroffenen mit einem maximalen Lärmaufkommen zu konfrontieren und gleichzeitig die Bewohnerinnen und Bewohner in Ihrem Wahlkreis zu entlasten. Das ist das Beispiel für Klientelpolitik, wie wir es von Rot-Rot-Grün nicht anders kennen. In Ihrem Fall ist es egoistische Wahlkreispolitik. Auch das muss an der Stelle mal gesagt werden.

[Beifall bei der CDU]

Das Thema der volkswirtschaftlichen Argumente hingegen haben Sie völlig außer Acht gelassen. Als ob Berlin nicht abhängig wäre davon, dass wir einen funktionierenden Luftverkehr hätten! Als ob Berlins Erfolgsgeschichte nicht aufs Engste verbunden wäre mit dem gesteigerten Fluggastaufkommen an unseren beiden Flughäfen! Das haben Sie einfach mal ignoriert und dazu haben Sie keine Antworten geliefert. Im Gegenteil, aus Ihrer Partei höre ich: Flugverkehr am besten deckeln! Das haben Sie auf Ihrem Parteitag gerade noch gestoppt. Aber ich ahne, warum: weil Sie wissen, dass, wenn wir Tegel schließen, es einer Deckelung des Flugverkehrs gleichkommt.

Und zu guter Letzt: Die juristische Unmöglichkeit der Offenhaltung gibt es nicht. Hätten Sie auch nur eines der Gutachten gelesen – und da müssen Sie nicht Ryanair fragen, schauen Sie in die Expertisen des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags, schauen Sie in das Gutachten dieses Hauses –, dann werden Sie sehen, dass es selbstverständlich im Vermögen des Senats liegt,

etwas für die Offenhaltung von Tegel zu unternehmen, wenn der Volksentscheid erfolgreich ist. Dafür brauchen wir kein Gesetz. Und wenn und weil das so ist, sollten Sie endlich dem Aufruf, den Sie immer an uns richten, folgen, die Debatte ernst nehmen, sich zu mehr Sachlichkeit aufraffen anstatt zu billiger Polemik gegen uns, die wir das nun wirklich in einer Breite und Tiefe tun, die von der Berliner CDU lange auch so niemand erwartet hat. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Schönen Dank! – Zur Erwiderung hat Herr Kollege Stroedter noch mal das Wort.

[Torsten Schneider (SPD): Die CDU redet 15 Minuten, ohne was zu sagen!]

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Evers! Vielleicht lesen Sie sich mal Ihre eigenen Zitate aus den letzten zwei Jahren durch und auch, was andere Kollegen gesagt haben. Sie haben gesagt, dass niemand das Land Berlin, den Senat, die Regierung dazu zwingen kann, diesen Volksentscheid durchzuführen. – Zitat Evers von 2015 – ist heute nichts mehr wert. Das ist Ihre Politik, weil Sie aufspringen wollen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Zweitens: Ich habe nicht Mitgliederbefragungen infrage gestellt, sondern die Art, wie Sie sie durchführen. Denn bevor Sie Ihre Mitglieder fragen, sagen Sie ihnen das Resultat, das herauskommen soll. Das ist Ihr Demokratieverständnis, Herr Kollege Evers.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Und ehrlich gesagt: Sie haben jetzt zehn Minuten geredet und noch mal drei Minuten geredet. Das Schlimme ist: immer noch kein einziges Sachargument für die Offenhaltung von Tegel, selbst die üblichen Teflon-Reden, wie wir sie von Ihnen kennen, aus all den Jahren auch in der gemeinsamen Koalition, ohne Inhalte, einfach mal glatt, möglichst nicht angreifen, das ist keine Politik, die glaubwürdig ist. Da sind FDP und AfD sogar glaubwürdiger als Sie. Die haben die Position ein bisschen länger. Sie springen hinterher und hoffen, am 24. September noch ein paar Stimmen abzubekommen. Eine Katastrophe, wie Sie sich hier verhalten!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Und die Rechtsdebatte ist schwierig, das wissen Sie ganz genau. Das ist der Grund, warum der Gesetzesentwurf

(Stefan Evers)

nicht kommt. Sie kennen die Position von Brandenburg und dem Bund. Berlin kann da gar nichts alleine machen.

[Antje Kapek (GRÜNE): Richtig!]

Aber der entscheidende Punkt ist der – und das lehne ich ab, und da sage ich Ihnen, ich finde, das ist eine Frechheit, was Sie machen, dass Sie das runterbrechen auf meinen Wahlkreis, wo der Flughafen Tegel steht. Da sind 300 000 Leute betroffen, die unter diesem Fluglärm leiden. Das ist übrigens der Unterschied in Schönefeld, da sind es 25 000. Das ist auch noch eine Menge. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätte man den Flughafen in Sperenberg bauen können. Dann wären nämlich noch wesentlich weniger Leute betroffen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Aber auch damals war es schon die Westberliner CDU, die sich ja nicht verändert hat, die das nicht wollte. Ich kenne noch alle die Argumente von Herrn Landowsky, und auf dem Kurs sind Sie ja entsprechend, und das passt. Nein, Ihre Politik ist nicht glaubwürdig. Deshalb haben die Berlinerinnen und Berliner die Chance und die Möglichkeit, am 24. September klar und deutlich zu sagen: Nein zum Volksentscheid!, klare Position, dass wir eine hervorragendes Nachnutzungskonzept in Tegel haben, die sinnlose Offenhaltungsdebatte zu beenden. Herr Evers! Nehmen Sie sich ein Beispiel an anderen aus Ihrer Fraktion! Nehmen Sie sich ein Beispiel am Reinickendorfer Bezirksbürgermeister! Bleiben Sie glaubwürdig, oder suchen Sie sich einen anderen Job als den des Generalsekretärs der CDU! – Danke sehr!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Jetzt Herr Kollege Hansel von der AfD-Fraktion. – Bitte schön!

Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident! – Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Verehrte Abgeordnetenkollegen! Das ist nun wirklich eine entlarvende Debatte, die wir hier zu sehen und zu hören bekommen.

[Torsten Schneider (SPD): Sie haben doch noch gar nichts gesagt!]

Das Regierungslager hat sich definitiv entschlossen, auf das Volk zu pfeifen, und will nun sogar eine Tugend daraus machen. Das haben Sie gemacht, Herr Schneider, im Hauptausschuss; frei nach dem Motto: Auch wenn es unpopulär ist, wir sind diejenigen, also Sie, die den Leuten sagen, was eigentlich Sache ist. Denn wir sind ja keine Populisten, also Sie. Sie sagen die Wahrheit, auch wenn es wehtut. – Pustekuchen, Genosse Stroedter! Die Wahrheit ist ganz einfach, und diese Wahrheit haben wir

verinnerlicht, mit den Berlinern zusammen: Berlin braucht ein effizientes Flughafensystem für die weitere Entwicklung der Hauptstadtregion im Rahmen der allgemeinen globalen Verstädterung. Stichwort: Die Leute werden in den Städten, in Megacitys leben. Und die Berliner und wir haben das verstanden. Es geht um das künftige Wachstum der attraktivsten Städte weltweit. Und Berlin gehört zu diesem Typ Stadt dazu – attraktive Stadt mit langfristiger Tendenz zur Megacity. Übrigens nicht wegen 20 Jahren SPD-Regierung, sondern trotz.

[Beifall bei der AfD]

Sie begreifen es einfach nicht, Sie wollen Provinz für Berlin. Nur noch Provinz ist mit Ihnen und Ihren Koalitionstruppen zu machen – ohne Rücksicht auf Verluste. Der Flugverkehr ist einer der wenigen wirtschaftlichen Wachstumstreiber weltweit überhaupt. Das interessiert Sie nicht. Was früher Kreuzungs- und Knotenpunkt einer Handelsstadt war, wurde zur Stadt. Wer Bahnhöfe gebaut hat – da bin ich ganz bei der Kollegin mit dem schön blauen AfD-Kleid, der Fraktionsvorsitzenden –,

[Antje Kapek (GRÜNE): Ich ziehe das sofort aus!]

und zwar mehrere, wurde zur Industriestadt. Wer heute ein effizientes, und zwar ein multiples Flughafensystem hat, wächst zur Megacity. Ihr Gerede, dass SingleAirport-Konzepte der Trend der Zukunft seien, ist völliger Unsinn. Auch wenn Sie es immer wieder wiederholen, wird es ja nicht richtiger, Herr Stroedter. Richtig ist zwar, dass Flughäfen heute außerhalb, am Rand der Stadt neu und groß geplant werden; völlig richtig, insbesondere Hubs. Aber keine dieser Städte würde deswegen ihren City-Airport aufgeben. Das gibt es weder in London noch in Paris, weder in Sao Paulo noch in Mexiko-Stadt, nicht in Quito, Peking oder Istanbul. Ebenso gilt: In keiner anderen Weltmetropole werden die Passagierzahlen mit Absicht nach unten gerechnet, um ja keine Kapazitätserweiterung oder Wachstumsperspektiven aufzeigen zu müssen.

Ihr Versagen, da beziehe ich die Berliner CDU in Sachen BER-Murks mit ein, drückt sich ja nicht erst in der Zukunft aus, sondern schon heute. Sie reden hier immer von irgendwelchen Szenarien erreichbarer Passagierzahlen. Das ist lächerlich. Wir sagen, und das ist gutachterlich bestätigt – hören Sie mal zu! –: Berlin müsste heute bereits 50 Millionen Passagiere abfertigen, hätten wir nur beizeiten die richtigen Kapazitäten gehabt. Das haben Sie alle verhindert. Berlin würde selbstverständlich überproportional schnell wachsen, hätten wir die Kapazitäten. Das Potenzial geht bis zu 90 Millionen Fluggästen im Jahr 2050. Das ist die Wahrheit, und das ist nicht mehr so lange hin. Ich möchte das übrigens noch erleben.

[Beifall bei der AfD]

Das ist übrigens wie bei der Messe Berlin, Frau Pop. Hören Sie mal zu! Auch da könnten wir viel weiter sein, wenn wir die Kapazitäten hätten. Da haben wir zwar jetzt den voll ausgelasteten City-Cube, aber auch da könnten