Protokoll der Sitzung vom 22.06.2017

(Jörg Stroedter)

wir weit besser liegen, wenn wir mehr Hallenkapazitäten hätten. Da wird ja auch was gemacht. Allerdings haben wir da – davon haben wir uns im Hauptausschuss und im Beteiligungsausschuss überzeugen können – eine exzellent besetzte Geschäftsführung, die weiß, was sie tut. Bei der Flughafengesellschaft allerdings ist mittlerweile der SPD-Genossenfilz in der Geschäftsführung angekommen. Die Geschäftsführung der Flughafengesellschaft ist unfähig und – viel schlimmer – unwillig umzudenken und redet stattdessen der Koalition und dem Senat nach dem Mund, frei nach dem Motto: Wo Genosse ist, da ist die Partei. Wo Rot-Rot-Grün die Regie übernommen hat, Realitätsblindheit und die Unfähigkeit, einen Flughafen termingerecht fertigzustellen, mit der offenbar unerschütterlichen Absicht, einen funktionierenden Flughafen selbst gegen erklärten Willen des Volkes abzuwracken – wie irre ist das eigentlich? Was Sie von Rot-Rot-Grün hier mittlerweile abliefern, ist drehbuchreif für eine Politsatire, wenn auch nicht unbedingt oscarverdächtig. Sie verweigern sich schlicht der schon heute bekannten Wahrheit, dass der BER allein schon zum mutmaßlichen Start 2020 zu klein ist. Vorher wird es eh nichts, außer Sie sehen sich doch noch gezwungen – das hat Herr Mühlenfeld immer gesagt –, eine Pseudoeröffnung mit Behelfsflugplan zu machen, damit es für Sie nicht noch peinlicher wird und Sie jedwede Glaubwürdigkeit verspielt haben werden. Und Sie wollen genau das. Für Sie leider: zu schnelles, zu großes Wachstum. Igitt, Wachstum! Hilfe, da kommt ein Kunde! Was mache ich bloß?

[Heiterkeit bei der AfD]

Sie wollen das erwartbare schnelle Wachstum mit weiteren Billigzusatzterminals auffangen, sodass wir dann auch beim BER irgendwelche billigen Aluminium-DritteWelt-Terminals haben – wie die beiden behelfsmäßigen Terminals C und E in Tegel und das Wellblechterminal D in Schönefeld. Was ist denn das für ein Tor zur Welt? – Das ist, in drei Worten, lächerlich, erbärmlich, provinziell.

[Beifall bei der AfD]

Das ist etwas, was leider nicht nur die Berliner wahrnehmen, sondern jeder internationale Gast, der in die deutsche Hauptstadt kommt. Das ist megapeinlich. Sie reden hier von Ehrlichkeit und Transparenz. Das ist unverschämt und – ich sage es mal, ich halte mich jetzt zurück – Volksverdummung. Ehrlich, da platzt einem der Kragen!

[Zuruf von Iris Spranger (SPD)]

Zur Ehrlichkeit gehört die Wahrheit schlicht und einfach dazu, dass nämlich die Kapazitäten des Flughafens nicht durch Terminals oder weitere Billigterminals erweiterbar sind, sondern aufgrund der nicht beliebig zu steigernden Flugbewegungen pro Stunde beschränkt bleiben. Die liegen bei den beiden Startbahnen des BER technisch in Spitzenzeiten – das ist das einzige, was hier zählt – bei 62 Starts pro Stunde. Bei Tegel und Schönefeld zusammen sind es heute zu Spitzenzeiten 68 Flugbewegungen

pro Stunde. Tegel und BER hätten in Spitzenzeiten eine maximale Gesamtkapazität von 114 Flugbewegungen pro Stunde. Der BER allein, ich wiederhole es, 62.

[Torsten Schneider (SPD): Wollen Sie den Lärm noch erhöhen? – Zuruf von Harald Wolf (LINKE)]

Lassen Sie doch mal den Lärm in Ruhe! – Damit bekommen Sie die 20, 30, konservativ geschätzten 56 Millionen Passagiere dummerweise nicht in die Luft, denn mehr geht ja nicht. Das ist ein nicht zu bestreitender faktischer Engpass, den Sie nicht wegdiskutieren können. Ein Engpass wird nicht nur Berlin, sondern auch die Berliner richtig Geld kosten. Wenn Flugplatzbewegungen beschränkt bleiben, das ist belegt, können ab dem Jahr 2030 etwa 5 Millionen Leute im Nachfrageüberhang nicht über die Luftseite nach Berlin kommen. Das geht auf Kosten des Tourismus – das könnte Sie interessieren, Frau Pop –, der Wirtschaft und der Steuereinnahmen dieser Stadt. Das könnte den Kollegen Kollatz-Ahnen interessieren. Aber das interessiert Sie nicht.

Die Servicequalität in Spitzenzeiten wird sinken, die Ticketpreise werden steigen, wenn die Nachfrage die Kapazitäten übersteigt, das ist das Einmaleins der Wirtschaft, das ist Mathematik. Es könnten dann nur noch die fliegen – jetzt bin ich wieder bei der Frau Kollegin Kapek –, die bereit sind, höhere Ticketpreise zu bezahlen, Stichwort: unsozial. Das hören Sie nicht gerne, was? Stimmt aber. Das ist Ihre Politik, das ist unsozial! Wir reden hier von rechenbaren Wohlstandsverlusten in einer Größenordnung, die mich bestärkt, ich habe es bereits im Hauptausschuss gesagt, von einer Versündigung gegen die Zukunft Berlins zu reden, die Sie, ab heute wider besseres Wissen, bewusst in Kauf nehmen.

[Torsten Schneider (SPD): Ach du meine Güte!]

Lieber Herr Regierender Bürgermeister! Verehrte Damen Pop und Lompscher! Wenn Sie am nächsten Mittwoch im Hauptausschuss wieder Gast im Abgeordnetenhaus sein werden, rate oder empfehle ich Ihnen: Befassen Sie sich mit den validen Zahlen! Befassen Sie sich mit diesem Gutachten, das die Rechtslage klarstellt!

[Zuruf von Udo Wolf (LINKE)]

Lernen Sie, dass die von Ihren Abgeordnetengenossen verbreitete Mär – von wegen: Das geht rechtlich alles gar nicht! – eine Mär ist und bleibt oder neudeutsch FakeNews darstellt!

Ich fasse zusammen: Ja, Tegel offen zu halten ist rechtlich möglich, und zwar ohne die von Ihnen als Popanz aufgebauschten Risiken, was die Genehmigung der Inbetriebnahme des BER betrifft; das können Sie hier alles nachlesen.

[Zuruf von Tom Schreiber (SPD)]

Ja, Tegel offen zu halten bringt weiterhin nachhaltige Wohlfahrtsgewinne in die Stadt, die auch ein Rein

vestment in diesen Flughafenstandort lohnen. Das wird keine Milliarde sein, Herr Kollatz-Ahnen, aber diese Zukunftsinvestitionen in die langfristige Wohlfahrtsentwicklung dieser Stadt lohnen. Da können Sie noch so viel reden, wie Sie wollen.

[Zuruf von Senator Dr. Matthias Kollatz-Ahnen]

Die Horrorsummen, die Sie aufrufen, die Ängste, die Sie schüren von wegen Absturz in der innerstädtischen Stadt, das alles ist Schwarzmalerei und entbehrt jeder Grundlage.

Nun komme ich zu Ihrem einzig verbleibenden Argument. Da schaue ich die Kollegin Wirtschaftssenatorin an, die Bürgermeisterin, die heute wahrscheinlich diese Krampfnummer für den Regierenden abliefern muss.

[Zurufe von Antje Kapek (GRÜNE) und Silke Gebel (GRÜNE)]

Zu Ihrem Nachnutzungskonzept von Tegel mit der Urban Tech Republic und Wohnungsbau, ein Konzept, dessen Entwicklung auf dem Papier uns schon 29 Millionen Euro gekostet hat, sage ich: Ja, natürlich brauchen wir Wohnungen. Ja, wir brauchen auch Unternehmensinvestitionen in Hightech, das ist doch gar keine Frage! Aber die Ansiedlungen können auch an anderen Standorten stattfinden. Hierfür werden wir und die Kollegen der Opposition entsprechend machbare Umsetzungskonzepte liefern.

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Versündigen Sie sich aber nicht an diesem Standort Tegel! Hören Sie auf, Zukunft gegen Zukunft auszuspielen, das ist unredlich! Wir brauchen für Berlin zweimal Zukunft, wir brauchen Hightechstandorte und den Flughafen Tegel. Das geht. Fangen Sie heute an umzudenken! Lernen Sie etwas, damit Sie mit der Klatsche, die Sie am 24. September bekommen werden, umgehen können, damit Sie umsteuern können, denn sonst wird das eine Klatsche, von der Sie sich nicht mehr erholen werden!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Herr Wolf das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die etwas Älteren unter uns hat das alles ein bisschen was von einem Déjà-vu. Es sind noch keine zehn Jahre her, da wurde hier an dieser Stelle schon einmal über die Offenhaltung eines innerstädtischen Flughafens diskutiert.

[Carola Bluhm (LINKE): Ja!]

Damals ging es um den Flughafen Tempelhof. Schon damals wurde versucht, mit einer Mischung aus FakeNews und Westberliner Nostalgie Stimmung zu machen. Die ganze Kampagne damals, das wissen Sie ganz genau,

war von keinem anderen Interesse geleitet, von keinem anderen Motiv getrieben, als parteipolitische Spielchen zu spielen. Die Rede von Herrn Evers und auch das, was wir gerade gehört haben, zeigen es noch einmal deutlich: Das war damals intellektuell unterirdisch, und das ist es heute genauso.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Da haben Sie nicht zugehört! – Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Erinnert sich hier eigentlich noch jemand an einen gewissen Herrn Pflüger? – Das war einer Ihrer Amtsvorgänger, Herr Graf. Der hat damals die steile These aufgestellt, dass Berlin nur eine Zukunft haben kann, wenn im Herzen der Stadt mit Tempelhof ein Verkehrsflughafen betrieben würde. Geschäftsleute würden Berlin meiden, wenn Tempelhof schließt. Der Wirtschaftsstandort Berlin sei in großer Gefahr. Ein gewisser Dr. Lindner, einer Ihrer Vorgänger, Herr Czaja, behauptete damals, so wie Sie heute oder auch mein begnadeter Vorredner, dass man das juristisch alles hinbekommen könne, wenn man nur ganz fest wolle. Nach dem Motto: zwei Juristen, drei Meinungen – findet man immer irgendeinen Juristen, der die eigene Meinung bestätigt.

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Auf den kann man sich dann immer und immer wieder berufen, ganz egal, was ein Dutzend anderer Fachleute dazu sagt. Realitäten schaffen durch Autosuggestion. Man muss nur fest daran glauben, dann wird das schon.

[Paul Fresdorf (FDP): Kennen Sie doch!]

Ich nenne Ihnen mal ein Beispiel, warum das gnadenloser Unsinn ist. Der Widerruf des Widerrufs der Betriebsgenehmigung führt bestenfalls zu einem neuen Genehmigungsverfahren,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Nein!]

allerdings nach heutigem Recht und nicht nach Alliiertenrecht wie zu Mauerzeiten.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Unsinn!]

Nach heutigem Recht, da sind sich nahezu alle Expertinnen und Experten einig, würde ein innerstädtischer Flughafen wie Tegel nicht mehr genehmigt werden, und das ist auch gut so.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Der braucht nicht genehmigt zu werden! Der ist genehmigt!]

Es gibt noch viele andere Parallelen zur damaligen Debatte. Damals legten die Befürworter der Offenhaltung von Tempelhof ein windiges Konzept nach dem anderen auf den Tisch – zum Beispiel ein Krankenhaus mit

(Frank-Christian Hansel)

Flughafenanschluss für die reiche Kundschaft aus den Arabischen Emiraten. Das war ein Lieblingsthema von Herrn Pflüger und so albern.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Leben Sie in der Vergangenheit, oder was? – Zuruf von Antje Kapek (GRÜNE)]

Jetzt macht Herr Evers – in der Welt angekommen; eben wurde damit ja auch herumgewedelt – Werbung für ein Gutachten von Ryanair und für die Geschäftsinteressen von Ryanair. Ich bitte Sie! Da wurde interessengeleitet, das ist doch so einfach wie nachvollziehbar, von Ryanair mit falschen Zahlen gerechnet. Das ist alles Voodoo.

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Die Berlinerinnen und Berliner sollen am Ende die Risiken tragen, während die Privaten die Gewinne machen. Nicht mit uns, Herr Evers!