Protokoll der Sitzung vom 14.09.2017

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat jetzt Herr Laatsch das Wort. – Bitte schön!

[Unruhe]

Meine Damen und Herren! Herr Laatsch hat das Wort. Ich bitte um entsprechende Ruhe.

[Kurt Wansner (CDU): Aber wenn er solche Witze macht!]

Ruf doch mal Martin! – Herr Heinemann! Das sind die sozialistischen Träume: Berlin ist eine Mieterstadt. Immer schön den Mieter in Abhängigkeit halten, ein Leben lang als großer sozialer Verteiler auftreten, selbst nichts leisten, das, was andere erarbeiten, umverteilen, das sind Ihre Blütenträume.

[Beifall bei der AfD – Sven Heinemann (SPD): Jetzt beleidigen Sie 82 Prozent der Berliner, die wohnen nämlich zur Miete!]

Die Koalition will die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben über den Bundesrat verpflichten, Immobilien zum, wie es heißt, Verkehrswert oder darunter an das Land zu verkaufen. Da im Bundesrat auch die Interessen der anderen Bundesländer Berücksichtigung finden, sollten wir einen Blick auf die Wahrscheinlichkeit werfen, die Zustimmung der anderen Bundesländer für diesen Vorgang zu erhalten. Während die Metropolen, je größer, je Hauptstadt, je mehr Zuzugsdruck zu verkraften haben, ist das in Teilen der Flächenstaaten genau gegenteilig, denn von dort kommen die, die in Berlin den erhöhten Nachfragedruck am Wohnungsmarkt erzeugen. Und sie hinterlassen da, wo sie herkommen, einen Leerstand, der sich für die Bundesländer und die Gemeinden in der Fläche zu einem veritablen Problem auswächst. Wie wahrscheinlich wird die Bereitschaft der Flächenstaaten wohl sein, die eigenen Leerstände über Sonderkonditionen für Abwanderer am Zuzugsort zu subventionieren und potenziell zu beschleunigen? Ein erhöhter Nachfragedruck durch Zuzug ist im Sinne der Flächenstaaten kein schweres Schicksal, sondern gemessen an dem Leerstand in der Fläche ein Luxusproblem.

(Sven Heinemann)

Es drängt sich hier der Eindruck auf, dass die Koalition sich mit Wahlkampfgetöse beim Wähler in Erinnerung bringen will. Anlass dazu besteht den Umfragen zufolge reichlich. Nun, wir sind hier in Berlin und wollen für diese Stadt natürlich nur das Beste, also schauen wir uns den Antrag mal an. Da heißt es im Titel „Vorkaufsrecht und Erstzugriffsrecht für Kommunen zum Verkehrswert oder darunter“ und später, dass der Bund der Kommune ein Erstzugriffsrecht einräumt, bevor er Liegenschaften Dritten anbietet. Erstzugriffsrecht unter Verkehrswert bedeutet nichts anderes, als dass es unter diesen Bedingungen keinen Dritten geben kann.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Gennburg?

Frau Gennburg? – Aber gerne!

Bitte, Frau Gennburg! Sie haben das Wort.

Herr Laatsch! Stimmen Sie mir zu, dass die Abkehr vom Verkauf zum Höchstpreis auch klammen Kommunen in abgelegenen Regionen, wo auch immer die sind, zugutekommen würde?

Was sollen die klammen Kommunen denn damit machen, Frau Gennburg? Das ist völlig unklar, denn wenn sie Leerstände haben, wofür sollten sie weitere Immobilien aufkaufen? Das macht doch überhaupt keinen Sinn, was Sie da sagen, also nein, ich stimme Ihnen nicht zu, Frau Gennburg.

Erstzugriffsrecht unter Verkehrswert bedeutet nichts anderes, als dass es unter diesen Bedingungen keinen Dritten geben kann. Insofern der Wettbewerb ausgeschlossen ist, stellt sich die Frage, wozu dann ein Vorkaufsrecht benötigt wird.

Und weiter unter Punkt 1: Der Bund richtet seine Liegenschaftspolitik grundsätzlich zugunsten der sozialen Wohnraumversorgung neu aus. Dass ein Erstzugriffsrecht für das Land Berlin der einzig denkbare Weg ist, die soziale Wohnraumversorgung zu sichern, erschließt sich mir nicht. Im Gegenteil scheint insbesondere in Bezug auf Berlin eher gar keine oder nur geringe Versorgung gesichert zu sein, was sich an den bisherigen Erfolgen Ihrer Wohnraumpolitik ablesen lässt.

Ich muss noch mal etwas überspringen, glaube ich. – Das ganze Anliegen ist weltfremd. Insgesamt entsteht in Bezug auf die Wohnungspolitik der Koalition mehr und mehr der Eindruck von Back to the Roots, zurück zu sozialistischer Wohnraumzuweisung und Belegungsquoten. Sie schließen auf breiter Front Marktakteure aus. Mit Ihrem sogenannten Milieuschutz grenzen Sie die aus, die Ihre sozialistischen Blütenträume mit ihrer Hände Arbeit finanzieren. Die viel zitierte Weltoffenheit ist nichts als ein Lippenbekenntnis. Sie endet vor der Tür der eigenen Klientel. Sie igeln ganze Bezirke ein in eine Sozialhilfeblase und betrachten die soziale Marktwirtschaft und ihren Geldsegen als Wirtstier, um den real existierenden Sozialismus wieder einzuführen, und schaffen mit Ihrer Fixierung auf sozial bedürftige Mieter im Zentrum der Hauptstadt die potenziellen Elendsviertel der Zukunft.

[Beifall bei der AfD]

Kommen Sie bitte zum Ende mit Ihrer Rede, Herr Laatsch!

An diesen Bedingungen, das muss man eingestehen, sind Sie mit von Ihnen geschaffenem Wohnraummangel schon verdammt nah dran. Ich wiederhole meine Aussage von vorhin: Flughäfen schließen schafft keinen Wohnraum! – Danke!

[Beifall bei der AfD]

Herr Wansner! Ich konnte jetzt Ihre Frage aufgrund der abgelaufenen Zeit leider nicht mehr zulassen, tut mir leid! Aber für die Fraktion der FDP hat jetzt der Abgeordnete Herr Swyter das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich war schon einigermaßen überrascht, als ich gesehen habe, dass dieser Punkt als Priorität der Linkspartei angemeldet wird – bei der Bilanz in der Wohnungspolitik, die wir hier zu betrachten haben, die nun gerade auch noch Gegenstand der Presseberichterstattung der letzten Tage war.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Wenn Sie geglaubt haben, das sei ein großer Wahlkampfhit – ich glaube, das ist schon jetzt ein Rohrkrepierer. Nicht zuletzt auch deshalb, weil das, was Sie da vortragen, oder dieser Antrag, der darauf abzielt, dass wir den Bund irgendwie zu Halbgeschenken zwingen sollen, natürlich – und das wissen Sie auch – weder im Bundesrat und schon gar nicht auf Bundesebene eine Mehrheit

(Harald Laatsch)

finden wird. Insofern geht dieser Antrag in die falsche Richtung und weckt übrigens auch Illusionen.

Um dabei, um das klar zu sagen, keine Missverständnisse zu erzeugen: Wir sind natürlich nicht gegen Vorkaufsregelungen generell, und es macht auch durchaus Sinn, und das ist auch heute schon im Gesetz so angelegt, dass Gemeinden ein Vorkaufsrecht zugestanden wird, besonders in Wohnlagen, die angespannt sind. Und das BImAG-Gesetz, ich darf nur daran erinnern, dass es 2005 von Rot-Grün damals geschaffen wurde, hat sich auch grundsätzlich auf Bundesebene, da geht es um Steuergelder, das ist auch das Geld der Bürgerinnen und Bürger, grundsätzlich bewährt; und nichtsdestotrotz, das möchte ich auch signalisieren, ist zu prüfen, ob das BImAG in städtebaulicher Hinsicht weiterentwickelt werden muss, aber natürlich nicht so, wie Sie das vorgeschlagen haben. Insbesondere, Herr Gräff hat es schon angesprochen, dieses Erstzugriffsrecht, bei dem mehr Fragen offen sind, als irgendwie beantwortet werden, das wird mit Sicherheit so nicht umgesetzt werden können und sollte auch nicht umgesetzt werden.

[Beifall bei der FDP]

Und noch ein Hinweis: Nicht jede Wertentwicklung und Wertsteigerung, die Sie durch die Mangelpolitik und unterlassene Wohnungsbaupolitik verursacht haben, ist Spekulation. Nein, es sind Preissteigerungen, auf die man nur reagieren kann, indem man das Angebot erhöht. Und wir werden nicht müde, es zu sagen: Sie müssen bauen, bauen, bauen! Insofern würde übrigens auch das Vorkaufsrecht Ihnen wenig bringen, denn Sie haben nicht einen Mangel an Grundstücken. Wir haben heute gerade gelesen, dass bei 64 landeseigenen Grundstücken die Wohnungsbaugesellschaften immer noch darauf warten, dass diese übertragen werden können. Sie haben keinen Mangel an Grundstücken.

Und der zweite Punkt ist, dieses Vorkaufsrecht, mit dieser Story gehen Sie durch die Bezirke. Man hat das Gefühl, dem Stadtrat Florian Schmidt in FriedrichshainKreuzberg, da wollen Sie für seine Shoppingtour, wo er sich sozusagen Grundstücke kauft, um dann alles zu erhalten, wie es ist, da wollen Sie für seine Shoppingtour noch weitere Angebote ins Schaufenster stellen. Das ist schlichtweg nicht solide finanziert, und deswegen spreche ich auch hier, denn die Sorge ist natürlich bei den Wohnungsbaugesellschaften, die damit befasst sind: Irgendwann muss es bezahlt werden. Wenn man eine Wohnung kauft und diese dann unter bestimmten Bedingungen niedrig vermietet werden muss, muss jemand diese Rechnung bezahlen. Wir glauben, das Geld ist an der Stelle einseitig und nicht richtig angelegt. Sie schaffen mit diesem vielen Geld, wenn Sie Wohnungsbestände kaufen, die es schon gibt, keinen Quadratmeter mehr Wohnungen, aber darum geht es! Legen Sie Ihren Schwerpunkt anders! Legen Sie Ihren Schwerpunkt nicht einseitig auf Kauf von Sozialwohnungen oder in der Hoffnung, dass Sie daraus Sozialwohnungen machen, sondern schaffen

Sie mehr Wohnraum. Das würde auch insgesamt die Wohnungssituation sowohl bei Sozialwohnungen verbessern als auch – und an die sollte man vielleicht an der Stelle auch denken – einfach schlichtweg für die normalen Bürgerinnen und Bürger, die keine Sozialfälle sind, die aber auch nicht Topverdiener sind, sondern die ganz normal zu einer normalen Miete wohnen wollen. Denen hilft das, was Sie da machen, gar nicht. Die brauchen schlichtweg ein schnelleres Verfahren, mehr Flächen, die ausgewiesen werden müssen, und Bürokratie, die abgebaut werden muss, um mehr Wohnungen zu schaffen. In diesem Sinne werden Sie bitte da tätig! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Kollegin Schmidberger das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wer mit Häusern spekuliert, hat soziale Verantwortung nicht kapiert.“ Das ist auf einem Transparent der Mieterinnen und Mieter der BImA-Häuser in der Großgörschen-/Katzlerstraße zu lesen. Der Adressat dieser richtigen Feststellung ist der Bund und seine Verkaufs- und Privatisierungspolitik. Wir sagen deshalb ganz klar: Der Ausverkauf muss beendet werden. Öffentliche Liegenschaften müssen öffentlich und bezahlbar bleiben.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Seite Jahren reden wir uns den Mund fusselig, dass die BImA ihren Ausverkauf beenden soll. Dass das die wirtschaftsliberalen Vertreter der Immobilienlobby, die offensichtlich auch hier einige Verbündete in den Oppositionsfraktionen haben, anders sehen, wissen wir. Das ändert aber nichts an unserer Position. Im Gegenteil: Gemeinsam haben wir uns mit SPD und Linke im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, eine entsprechende Bundesratsinitiative zur Neuausrichtung der BImA-Politik auf den Weg zu bringen. Diese wird übrigens schon am 22. September im Bundesrat verhandelt.

Wie nötig das ist, zeigen aktuelle Zahlen: Allein im letzten Jahr hat die BImA rund 43 Millionen Euro mit Grundstücksverkäufen in Berlin eingenommen. Wir alle wissen doch, was passiert, wenn Flächen zum Höchstpreis an den Meistbietenden verkauft werden. Es entstehen Neubauwohnungen, die sich nur Bestverdiener leisten können. Ein Beispiel dafür ist ein 16 000 Quadratmeter großes Grundstück in der Alten Jakobstraße in Mitte, das dem Bund gehörte. Nach dem Verkauf werden dort jetzt Hunderte Luxuswohnungen gebaut – für bis zu

(Florian Swyter)

8 000 Euro pro Quadratmeter. Das ist keine nachhaltige Wohnungspolitik.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Noch schlimmer ist, dass der Ausverkauf sogar weitergeht. Für das nächste Jahr sind über 130 Grundstücke für den Verkauf vorgesehen. Über 130 Grundstücke, die wir doch so dringend brauchen! Deshalb müssen Herr Schäuble und Co. dringend gestoppt werden. Luxuswohnungen haben wir in dieser Stadt genug. Wir brauchen Land für preiswerte Mietwohnungen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Danke! – Auch der Verzicht auf den Verkauf der über 4 000 BImA-Wohnungen an das Land Berlin ist kein Grund, in Jubelstürme auszubrechen. Es gibt bis heute keine Bestätigung der Bundesregierung oder der BImA, dass die Wohnungen auch weiterhin zu bezahlbaren Konditionen vermietet werden.

[Sven Heinemann (SPD): Sehr richtig!]

Stattdessen mehren sich die Beispiele, bei denen die BImA auf eine Maximierung der Mieteinnahmen setzt. So haben z. B. Mieterinnen und Mieter in der Sundgauer Straße jüngst eine erneute Mieterhöhung bekommen – bereits die zweite in 15 Monaten. Das ist wirklich verantwortungslos und sollte hier auch alle misstrauisch machen. Auch ein zukünftiger Verkauf der Wohnungen durch die BImA ist nicht ausgeschlossen. Dass sich die Haltung des Finanzministeriums in solchen Fragen schnell ändern kann, wissen wir mittlerweile. Eine Sicherheit, dass der Ausverkauf beendet wird, bekommen wir nur mit den gesetzlichen Änderungen hin, wie wir sie in unserem Antrag vorschlagen. Angesichts der angespannten Wohnungsmärkte nicht nur in Berlin ist es höchste Zeit, dass die Kommunen ein grundsätzliches Vorkaufsrecht für BImA-Liegenschaften erhalten – und das auch zu vertretbaren Preisen. Mit den dort genannten Maßnahmen bekommen wir endlich eine echte neue Liegenschaftspolitik im Bund, die ihren Namen auch verdient.

Noch mal kurz zur Opposition: Machen Sie sich doch mal ehrlich! Sagen Sie doch endlich, was Sie wirklich wollen! Sie wollen kein neues BImA-Gesetz, sie wollen keine preiswerten Mietwohnungen, Sie wollen kein kommunales Vorkaufsrecht. Was wollen Sie denn? Ihnen ist die Absicherung der Renditen von einigen wenigen Investoren wahrscheinlich wichtiger als das Wohl dieser Stadt. Aber das ist mit uns nicht zu machen. Wir werden uns aus Berlin heraus für eine neue Liegenschaftspolitik im Bund und bei der BImA einsetzen, und dieser Antrag und die Bundesratsinitiative des Senats sind erst der Anfang. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich – gegen die Oppositionsfraktionen – die Annahme mit geändertem Berichtsdatum „31. Oktober 2017“. Wer dem Antrag mit geändertem Berichtsdatum „31. Oktober 2017“ gemäß Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? – Das sind die Oppositionsfraktionen und die beiden fraktionslosen Kollegen. Damit ist das angenommen.

[Beifall bei der LINKEN]