Protokoll der Sitzung vom 14.09.2017

[Beifall bei der LINKEN]

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, muss ich noch einmal zur Aussprache in der heutigen Aktuellen Stunde kommen.

Kollege Buchholz! Sie hören mir kurz zu. Gemäß Protokollauszug haben Sie in der Debatte gegenüber Herrn Czaja folgenden Zwischenruf gemacht:

Wer bezahlt eigentlich heute Ihre Parlamentsrede, Herr Czaja?

Damit sind eindeutig die Grenzen des parlamentarischen Umgangs überschritten. Sie erhalten hiermit einen Ordnungsruf.

[Beifall bei der FDP]

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.5:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 24

Bahnflächen für verkehrliche Nutzungen sichern und freigestellte Bahnflächen für eine soziale und ökologische Stadtentwicklung nutzen

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/0465

In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, und zwar mit dem Kollegen Gelbhaar. – Bitte schön, Herr Kollege! Sie haben das Wort.

Herr Kollege Buchholz! Sie können versichert sein: Diese Rede wird bezahlt von den Berlinerinnen und Berlinern wie die meisten dieser Reden hier im Haus. – Ich fand die Frage nachvollziehbar. Sie war vielleicht ein bisschen zu pointiert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Wer Berlin entwickeln will, der muss über die Verkehrsinfrastruktur nachdenken, der muss über Wohnungen nachdenken und der muss über Bildungsein

(Katrin Schmidberger)

richtungen und vieles mehr nachdenken. Alle diese Aufgaben haben aber eines gemeinsam, sie brauchen Platz. Die Koalition will diesen Platz schaffen. Der Antrag beurkundet den Willen der Koalition, Bahnflächen in Berlin zu sichern, sei es für verkehrliche Nutzungen oder für eine behutsame Stadtentwicklung.

Wir haben heute Morgen bereits über den Wert von ehemaligen Verkehrsflächen für die Entwicklung Berlins gesprochen. Diese Flächenfrage gilt aber nicht nur in Bezug auf Tempelhof oder Tegel. Glücklicherweise verkämpft sich die Opposition nicht an jeder Stelle für die Konservierung heruntergekommener künftiger Schwarzbauten. Deswegen sagen wir: Holen wir uns die Stadt zurück, und bringen wir sie voran!

Hier gibt es einiges zu tun, und als rot-rot-grüne Koalition nehmen wir diese Herausforderung an. Um das mal ein bisschen griffiger zu machen: Die Herausforderung liegt darin, dass die Deutsche Bahn und mit ihr die Bundesregierung einen teils fatalen Kurs eingeschlagen hat. In der Zeit von 2004 bis 2014 wurden 246 Bahnflächen mit insgesamt 1,6 Millionen Quadratmetern verkauft, und die Bahn erwartet, auch in den nächsten Jahren noch weitere Flächen – über 200 mit über 1 Million Quadratmetern – zu verkaufen. Es gibt also die Gefahr, dass für den Verkehr notwendige Flächen dauerhaft verlorengehen, und diese Gefahr – nennen wir sie mal den dobrindtschen Fehler – wollen wir bannen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Die Freistellung und der Verkauf der Flächen geschahen in vielen Fällen ohne eine Beteiligung des Landes Berlin. Das ist ein Fehler. Wir wollen, dass das Land Berlin seinen Einfluss bei Bahnflächen geltend macht und geltend machen kann. Bereits vor einem Jahr, kurz vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus, haben wir das Thema hier im Plenum besprochen, damals leider ohne Ergebnis. Nun, nach den Wahlen, rufen wir den Punkt erneut auf. Die jetzige Koalition aus SPD, Linken und Grünen ändert nunmehr den Umgang mit diesen Bahnflächen, und das soll so geschehen: Alle Bahnflächen sollen in einem öffentlichen Kataster festgestellt werden. Zugleich soll mit der Bahn und dem Eisenbahnbundesamt eine Vereinbarung getroffen werden, die die Entwidmung und den Verkauf regelt und die das Einvernehmen des Landes Berlin bei einer Entwidmung vorsieht. Das alles ist nicht auf unserem eigenen Mist gewachsen, sondern das hat das Land Thüringen schon vorgemacht. Es ist dabei das Vorbild.

Und wir formulieren eine weitere Aufgabe des Senats – ich zitiere –:

Der Senat wird aufgefordert, im Rahmen einer vorausschauenden Liegenschaftspolitik stets den Ankauf entwidmeter Bahnflächen – auch aus strategischen Gründen der Bevorratung zur Erfüllung

der Aufgaben Berlins in absehbarer Zeit – zu prüfen. Bei positivem Ergebnis soll das Land Berlin vom gezielten Ankauf oder von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch machen.

Das schließt ein bisschen an die Debatte an, die wir eben geführt haben, und setzt da einen weiteren Baustein hinzu.

Schlussendlich wollen wir die Verwaltung verpflichten, die Planungshoheit zu nutzen. Das heißt, die Flächen sollen für verkehrliche Nutzung gesichert werden, oder die Stadt soll auf diesen Flächen sozial, ökologisch und unter Beteiligung der Öffentlichkeit weiterentwickelt werden. Das will dieser Antrag, und das will diese Koalition.

Was wir für eine Stadt aus ehemaligen Bahnflächen machen können, ist an vielen Stellen in Berlin bewiesen. Ich sage nur: Görlitzer Park. – Wie wichtig eine solche Änderung ist, können wir auch an den intensiven Debatten rund um die Stammbahn, die Siemensbahn oder auch den Mauerpark erkennen. Wie schwer es ist, Stadtentwicklung aus sozialer und ökologischer Perspektive zu betreiben, lässt sich gut am ehemaligen Güterbahnhof Greifswalder Straße und vielleicht noch mehr am ehemaligen Rangierbahnhof Pankow erkennen. Um das mal an diesem Beispiel zu verdeutlichen: Der Senat hat festgestellt, dass auf der Fläche des ehemaligen Rangierbahnhofs in Pankow bis zu 3 000 Wohnungen möglich werden. Aber der Eigentümer der ehemaligen Bahnfläche, der diese von einem Unternehmen der Bahn erworben hat, will dort Shoppingcenter und Möbelmärkte errichten.

[Ronald Gläser (AfD): Schrecklich!]

Diese Nutzung wiederum ist verkehrlich nicht darstellbar, was alle Gutachten belegt haben. Obendrein verschandelt es den Ortskern von Pankow. Das kann nicht das Ziel von Stadtentwicklung sein.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Das zähe Ringen mit dem Eigentümer, der die Fläche auch noch spekulativ erworben hat, wäre bei einer vorausschauenden Flächenpolitik gar nicht erst passiert. Hätte Berlin vorher Einfluss genommen, das Gebiet gar selbst erworben, könnten wir heute hier an dieser Stelle viel besser ein Stück Zukunft Berlins entwickeln. Daher ist es uns ein wichtiges Anliegen, das wir mit diesem Antrag auf den Weg bringen, denn nur so können wir unsere Verantwortung als Land Berlin, als Abgeordnetenhaus auch gegenüber der Bahn wahrnehmen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Als nächstes hat jetzt der Kollege Evers das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist fast auf den Tag genau ein Jahr her, da stand ich hier noch in einer etwas anderen Zusammensetzung des Hauses. Wir haben gemeinschaftlich einen Antrag mit dem folgenden Titel beschlossen:

Bahnflächen für verkehrliche Nutzungen sichern und freigestellte Bahnflächen für eine soziale und ökologische Stadtentwicklung nutzen

Heute, ein Jahr später, wird ein Antrag von einer neuen Koalition eingebracht mit dem Titel:

Bahnflächen für verkehrliche Nutzungen sichern und freigestellte Bahnflächen für eine soziale und ökologische Stadtentwicklung nutzen.

Es ist nicht nur der Titel, sondern es ist fast bis ins letzte Wort hinein der gleiche Antrag, den Sie hier, um einige Lyrik noch ergänzt, erneut zur Diskussion und späteren Abstimmung stellen.

Ich hätte Ihnen viel unterstellt, aber so fantasielos zu sein, dass es heute einer solchen parlamentarischen Füllmasse bedarf, um uns miteinander zu beschäftigen, da wäre selbst ich nicht drauf gekommen. Sei es drum, wir können uns gern noch einmal über das gleiche Thema, das wir übrigens in sehr breiter Mehrheit vor einem Jahr beschlossen haben, in den Fachausschüssen und hier im Haus unterhalten.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Haben Sie immer noch die gleiche Meinung dazu? ]

Ich vermute, dass Sie den Antrag erneut eingebracht haben, ist als deftige Klatsche für den damaligen Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel zu verstehen. Andreas Geisel hat im November vergangenen Jahres, also nach der Abgeordnetenhauswahl 2016, pflichtgemäß zu dem von uns beschlossenen Antrag berichtet. Weil ich nun vor der Wahl stehe, entweder meine Rede von damals noch einmal zu halten oder etwas Neues vorzutragen, zitiere ich jetzt aus dem Bericht des damaligen Stadtentwicklungssenators.

Ungenutzte Bahnflächen werden schon jetzt über Stadtentwicklungspläne, Flächennutzungsplan, Landschaftsprogramm und andere Planungen in eine strategische Stadtentwicklungsplanung einbezogen. In einem öffentlichen Kataster … dürfen Angaben zum Eigentümer nur veröffentlicht werden, wenn dieser Eigentümer seine Zustimmung erteilt hat. Zudem dürfen in einem öffentlichen Kataster nur sehr begrenzt Daten veröffentlicht werden. Vor diesem rechtlichen Hintergrund stellt

sich die Frage, ob die Erstellung eines öffentlichen Katasters möglich bzw. zielführend ist.

Die Frage beantworten Sie jetzt dadurch, dass Sie den gleichen Antrag noch einmal stellen. Ich sage Ihnen vorher, angesichts der bisher wahrnehmbaren Tatenlosigkeit des Senats wird sich nichts daran ändern, was damals Andreas Geisel unserem Haus vorgelegt hat.

Es folgen in dieser Erklärung drei weitere Absätze, unter anderem, dass mit

… der Deutschen Bahn AG der Umgang mit Plänen zur Stilllegung, zur Entwicklung und zum Verkauf von Bahnflächen bereits mehrfach thematisiert

wurde. Das wird er wohl auch in Zukunft.

Eine Vereinbarung mit der DB AG konnte dazu aber noch nicht abgeschlossen werden. Es werden weitere Abstimmungen mit der DB AG mit dem Ziel einer abgestimmten Vorgehensweise zum Umgang mit nicht mehr benötigten Bahnflächen sowie zur Sicherung zusätzlich benötigter Flächen für Ausbauplanung von Bahnanlagen geführt werden.

Selbst zum Thema des Vorkaufsrechts führt der damalige Senator aus:

Das Instrument des Vorkaufsrechts wird – wo rechtlich möglich sowie fachlich sinnvoll und geboten– bereits jetzt stärker als bisher genutzt. Wie weit der (insbesondere strategische) Ankauf von Flächen zukünftig über den bisher begrenzten haushaltsrechtlichen Rahmen ermöglicht werden kann und soll, …

werde eine Aufgabe der 18. Wahlperiode sein.