Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

Was ist das Fazit? – Der Antrag der CDU geht am Thema vorbei,

[Heiko Melzer (CDU): Die Rede geht am Thema vorbei!]

und er ist – Entschuldigung! – diffamierend.

[Zuruf von der CDU: Ist er nicht!]

Natürlich! Sie intendieren, dass Persönlichkeitsrechte durch den Senat verletzt werden. Entschuldigung, Frau Bentele! Wenn ich sage, ich fordere Sie auf aufzuhören, Ihren Mann zu schlagen, dann ist das auch diffamierend. Insofern, diese Behauptung hier in diesem Antrag aufzustellen, die weise ich zurück.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Die Botschaft dieses Antrags ist peinlich, denn wenn ich mir die Medienberichterstattung angucke – der Senat kriecht in die Betten der Berliner Lehrer usw. –, dann wird dort suggeriert, über sexuelle Orientierung zu sprechen ist i, bäh, bäh! Haltet euren Mund! Erst recht, wenn ihr an Berliner Schulen arbeitet.

[Heiko Melzer (CDU): Hätten Sie sich daran mal gehalten!]

Darauf will ich antworten: Come out, come out, wherever you are! –, das alte Motto: Kommt raus, kommt raus, wo immer ihr seid!

[Georg Pazderski (AfD): Besser nicht!]

Letzter Gedanke: Vergil formuliert: Felix qui potuit cognoscere causas. – Auf Deutsch: Glücklich,

(Frank-Christian Hansel)

[Heiko Melzer (CDU): Glücklich, wer Latein kann!]

wer den Dingen auf den Grund sehen konnte. Dazu gilt es festzuhalten: Herr Martenstein und alle, die bei ihm abgeschrieben haben – auch die CDU –, müssen unglückliche Menschen sein. Wer wissen will, wie Populismus funktioniert, der konnte es hier sehen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Fresdorf das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Das Private gehört nicht der Allgemeinheit. Darum geht es. Das Private gehört nicht der Allgemeinheit, und es geht diesen Senat einfach nichts an, wie die Lehrerinnen und Lehrer oder andere Verwaltungsmitarbeiter dieser Stadt sexuell orientiert sind.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Ich stelle mir vor, ein großes DAX-Unternehmen mit Sitz in Berlin hätte eine Umfrage unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemacht, um die Lebensrealität der

[Canan Bayram (GRÜNE): Sie haben es nicht begriffen!]

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ergründen und da wäre diese Frage enthalten gewesen mit dem Hinweis, dass es freiwillig sei,

[Melanie Kühnemann (SPD): Genauso war es!]

aber der Arbeitgeber es sehr begrüßen würde, wenn sie das ausfüllten. – Dann wären Sie die Ersten, die hier auf den Barrikaden wären und schreien würden: Das geht dieses DAX-Unternehmen überhaupt nichts an. Das Private gehört nicht der Allgemeinheit.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Anja Kofbinger (GRÜNE): Sie haben keine Ahnung, Herr Fresdorf!]

Wenn Frau Dr. Lasić sagt, im letzten Bildungsausschuss haben wir über das Thema gesprochen, liebe Frau Kofbinger, dann bekamen wir als doch sehr differenzierte Antwort von Herrn Staatssekretär Rackles, es wäre unreif, so etwas überhaupt zu fragen. Es ist unreif zu fragen, worum solch eine Frage da drin ist. Das ist unreif, sich daran aufzuhängen, dass solch eine Frage da drin ist. Das ist eine Missachtung der parlamentarischen Kontrollrechte, die Herr Rackles in diesem Ausschuss vorgenommen hat.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Frau Scheeres, Sie waren leider nicht dabei. Ich hoffe, Sie hätten ihn zurückgepfiffen.

[Zuruf von Christian Gräff (CDU)]

Es hat nichts mit Unreife zu tun, es hat etwas mit Privatsphäre zu tun. Das ist das höchste Gut, das jeder von uns hat. Ich sage es noch einmal: Das Private gehört nicht der Allgemeinheit. Hören Sie mit so einem Quatsch auf!

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Kofbinger das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Wenn man nicht recherchiert und seine Infos aus einer wenig seriösen Alter-Sack-Kolumne einer Zeitung bezieht, kann man auch nicht mehr überblicken,

[Zurufe]

ja, es gibt auch alte Säckinnen, aber in dem Fall war es ein alter Sack, und dann darf man das auch so sagen –, dass man diese Studie selbst gefordert hat, meine Damen und Herren von der CDU.

[Hildegard Bentele (CDU): Das war mein erster Punkt, den ich gemacht habe!]

ich möchte noch einmal darauf herumreiten, es ist einfach zu schön. Bitte sehen Sie es mir nach, ich schließe hier ja die Rederunde –, und zwar in der 58. Sitzung am 15. Januar 2015 mit der Drucksache 17/1991 mit dem Titel „Initiative für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt weiterentwickeln (II) - Geschichtsdokumentation und Forschung“. Da hat sich vor fast drei Jahren die damalige Koalition eindeutig zur Forschung zum Beispiel über die Lebenssituation von LSBTIJugendlichen bekannt. Und wir waren auch dafür.

Wer mehr über diese Lebenssituation erfahren will, muss auch dahin gehen – der Kollege Schatz hat es dankenswerterweise schon gesagt –, wo sie normalerweise sind, das ist an der Schule. Das wurde auch schon in der Studie über die Lebenssituation vorher gemacht. So etwas ist dann einfach normal. Weil das so normal ist, wurde, immer noch mit Zustimmung der CDU – hier vor allem mit der Zustimmung der bildungspolitischen Sprecherin, ich glaube, sie hieß Bentele oder so ähnlich – im Sommer 2016 die infrage stehende Studie „Wie viel Vielfalt verträgt Schule“ in Auftrag gegeben. Das heißt, es gibt vorher ein Studiendesign, und wenn Sie dagegen sind, dann ist es doch an Ihnen – Sie regierten damals diese Stadt – zu sagen: Aber wir möchten nicht noch einmal, dass die Lehrerinnen und Lehrer danach gefragt werden, auch

(Carsten Schatz)

wenn es freiwillig ist und ihre Angabe einfach verweigert werden kann.

Natürlich wissen wir auch schon viel über die Lebenssituation von LSBTI-Jugendlichen. Das ist auch gut so. Wir wissen zum Beispiel, dass sie sich in dem Alter häufiger versuchen zu töten – was heterosexuelle Menschen in dem Alter nicht machen –, weil sie gemobbt werden.

[Zuruf von Christian Gräff (CDU)]

Das haben wir durch Forschung erfahren. Also Forschung ist wichtig! Deshalb hat zum Beispiel R2G auch Geld in die Hand genommen und wird im nächsten Jahr ein entsprechendes Jugendzentrum einrichten. Das ist eine gute Entwicklung, und dafür brauchen wir die Forschung.

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD]

Jetzt könnte man sagen: Ja, die AfD ist eine bekanntermaßen wissenschaftsfeindliche Partei, da wollen die beiden anderen konservativen Parteien ihnen in nichts nachstehen und versuchen noch, auf diesen Zug ins rechte Verderben aufzuspringen, denn wer selbst die Bevölkerung ausspähen will, empört sich am besten immer über die andere Seite und unterstellt mit Irren und Wirren und Halbwahrheiten genau das.

[Holger Krestel (FDP): Wir wissen, dass Sie das gut können!]

Kann man machen, ist aber blöd!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Stefanie Fuchs (LINKE)]

Nun wurde ja in der letzten Woche viel über diese Studie gesprochen, auch im Bildungsausschuss, wir haben es schon mehrfach gehört. Die Kollegin Lasić hat es als Erste zitiert. Ja, da wurden alle Fragen eigentlich beantwortet. Heraus kam, Sie sind dem Herrn M. – wie ich ihn nennen will, obwohl sein Name hier schon mehrfach gefallen ist – einfach auf den Leim gegangen. Sie haben nicht recherchiert und dachten: Mensch, wenn der das schreibt, der schreibt immer so lustige Kolumnen, dann ist das bestimmt immer alles wahr. Dann machen wir das.

Ich stelle also hier für meine Fraktion fest: Die im Antrag aufgeführten Behauptungen, Persönlichkeitsrechte würden verletzt, die Möglichkeiten einer Identifizierung könnten nicht ausgeschlossen werden und Inhalt und Erkenntnisziele seien nicht hinreichend bekannt, treffen allesamt nicht zu. Ich frage mich also nach Aufklärung aller Missverständnisse: Was soll der Antrag? Warum wurde er nicht stillschweigend zurückgezogen? Warum reden wir eigentlich heute darüber? – Es hätte ja auch noch andere interessante Rederunden gegeben, zum Beispiel die Stärkung der Hebammen. Was dahinter steckt, ist im Lauf der Rederunde auch klargeworden. Der Kollege von der FDP hat sich in der Presse auch geäußert und damit eigentlich nur klargemacht, dass das mit den Fakten für ihn persönlich nicht so wichtig ist, denn – sagen wir es mal so – der Senat braucht diese Studie

nicht, um zu begründen, warum er mehr Geld in die ISV geben will. Das macht er einfach so. Da haben Sie im Hauptausschuss dann natürlich die Möglichkeit, dagegen zu stimmen. Die AfD hat das ja in bemerkenswerter Weise gestern im brandenburgischen Landtag getan. Fühlen Sie sich also frei. Wir brauchen diese Studie zur Untermauerung unserer Ansprüche da nicht, und wir werden dieses Geld natürlich da auch einstellen.

Also Politikerin muss ich mich aber auch immer fragen: Wer schreibt denn da und was? – Ich muss keine von Herrn M. persönlich verfolgte Genderforscherin sein, um zu erkennen, dass da etwas nicht stimmt. Wir können andererseits auch froh sein, dass sich an dieser kleinen Sache zeigt, wohin die Reise der Parteien der rechten Seite dieses Parlaments geht, nämlich noch weiter nach rechts – so weit, bis CDU und FDP dann endlich ihre rechte Flanke geschlossen haben.