Für mich ist ganz wichtig – das ist folgerichtig –, dass daraus auch resultiert, dass wir eine unbefristete Existenz dieser Behörde geschaffen haben und uns nicht immer wieder weiter an den Verlängerungen entlang hangeln, die regemäßig ausgesprochen worden. Jetzt hat man hier aber tatsächlich die Konsequenz gezogen und gesagt, dass es dauerhaft so bleiben soll.
Ich freue mich und danke der Koalition dafür, dass es uns gelungen ist, auch die Möglichkeiten eines von uns vorgeschlagenen Beirats hier zu realisieren. Das hat den Gedanken der Vernetzung, dass dort möglichst viele Akteure miteinander regelmäßig reden. Es soll auch gar nicht um Aufsichts- oder Kontrollfunktionen oder Ähnliches gehen, sondern um inhaltlichen Input. Berlin ist nicht irgendein Bundesland, sondern Berlin war der Sitz der SED, Berlin war der Sitz der Stasi. Hier haben wir auch eine ganz besondere Verantwortung.
Lassen Sie mich zum Abschluss ein paar Worte auch an Martin Gutzeit richten. Mit großer Berechtigung kann man Sie nicht nur als einen der Väter der ostdeutschen Revolution, sondern durchaus als einen der Architekten des Systemumsturzes bezeichnen. Dieses Engagement, das Sie dort eingebracht haben, erfordert nicht nur humanes Empfinden und intellektuelle Redlichkeit, sondern vor allem auch viel Mut. Sie haben diesen schon erbracht, als Sie als junger Mensch den Wehrdienst verweigert haben und in den Achtzigerjahren in der DDR in der Friedensbewegung aktiv waren. Sie haben im Juli 1989, wo noch niemand tatsächlich darüber nachdenken konnte, dass einige Monate später vielleicht die DDR so beschädigt sein könnte, dass ein Umsturz ihrer Verhältnisse möglich war, mit Markus Meckel die Sozialdemokratische Partei in der DDR gegründet und damit vor allem auch den Machtanspruch der SED infrage gestellt. Das war einer der entscheidenden Punkte.
Sie haben dann noch für Ihre Partei in der demokratisch gewählten Volkskammer und im Deutschen Bundestag gesessen. Sie haben aber auch Ihrer eigenen Partei, wenn es nötig war, klärende Worte nicht vorenthalten. So haben Sie 1997 davor gewarnt, mit der PDS zusammenzuarbeiten, weil das zu einer Zerreißprobe der Partei führen würde. Wenn man sich einige Entwicklungen auf Bundesebene anschaut, ist das ein Hinweis, der nicht völlig unberechtigt war. Sie haben auch nicht geschwiegen, als es darum ging, mit der Stasi-belasteten Linken in Brandenburg zusammenzuarbeiten. Das war 1997. Leider müssen wir 20 Jahre später in der Causa Holm feststellen, dass sich an mancher Stelle doch einiges getan hat, wo man sagen muss: Hier wiederholt sich die Geschichte. Deshalb glaube ich, dass solche mahnenden Hinweise auch immer wieder notwendig sind. Sie haben sich jedenfalls mit Ihrer gesamten Vita für das Land, aber auch für
die Bundesrepublik Deutschland verdient gemacht. Dafür danken wir Ihnen sehr herzlich, Herr Gutzeit.
Ich komme zum Ende, indem ich abschließend Herrn Gutzeit noch einmal alles Gute wünsche, persönlich, privat, für Ihren Ruhestand. Ich weiß nicht, ob Sie publizistisch oder wissenschaftlich weiter arbeiten. In jedem Fall wünsche ich Ihnen alles Gute dafür. Wir haben heute mit diesem Gesetz jedenfalls eine Grundlage gelegt, beziehungsweise hoffen, sie damit gelegt zu haben, diese Stelle für die Zukunft fit zu machen. Wir haben auch mit Tom Sello einen designierten guten Nachfolger, von dem ich glaube, dass er diese Aufgabe mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl und der Würde, die verlangt wird, weiter treiben wird. Damit werden wir heute gemeinsam etwas beschließen, das zukunftsweisend ist. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Abgeordnete Herr Zillich das Wort. – Bitte schön!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrter Martin Gutzeit! Vorweg möchte ich mich auch im Namen meiner Fraktion ganz herzlich für Ihre geleistete Arbeit bedanken. Sie haben dieses Amt über mehr als 25 Jahre geprägt. Sie haben es aufgebaut. Sie haben es mit Ihrer professionellen Herangehensweise, mit Ihrer eigenen gelebten Erfahrung geprägt, mit Ihrer Redlichkeit. Dafür herzlichen Dank! Sie haben hier Strukturen aufgebaut, die beispielhaft für andere Bundesländer sind. Auch wenn die Auseinandersetzungen nicht immer nur spaßig waren, die wir hier miteinander hatten – aber es war auch nicht Ihre Aufgabe, sie spaßig zu gestalten –, haben Sie die Grundlage dafür geschaffen, dass wir nun in der Weiterentwicklung dieser Institution an einen Punkt kommen, wo wir davon ausgehen können, dass vieles von dem, was Sie aufgebaut haben, auch bereits fit für die Zukunft ist.
Am Beginn seines Jahresberichts stellt Martin Gutzeit richtig und selbstbewusst fest, dass die Aufarbeitung des Erbes der SED-Diktatur eine fortdauernde und gesamtgesellschaftliche Aufgabe bleibt – er führt weiter aus –,
auch angesichts der Empfehlung der Expertenkommission zur Zukunft der Behörde des Bundesbeauftragten, die Unterlagen des MfS in das Bundesarchiv zu überführen. – Zitat:
Die Aufgaben des Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen werden sich dadurch nicht verringern, ganz im Gegenteil.
Damit beantwortet Martin Gutzeit für sich bereits die zentrale Frage, die auch das Parlament beantworten muss und heute beantwortet, angesichts des Auslaufens des Gesetzes und angesichts der Beendigung der Amtszeit von Martin Gutzeit, inwieweit wir eine solche Institution, einen solchen Beauftragten weiterhin brauchen. Die Frage ist über ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der DDR legitim, aber die Antwort ist doch eindeutig. Man braucht diese Institution. Ich will aus meiner Sicht auf eine Reihe von Gründen eingehen, die hierfür maßgeblich sind.
Erstens: Erlebte Repressionen und ihre Folgen sind noch präsent. Menschen leiden immer noch darunter. Der daraus erwachsende Bedarf an Beratung und Unterstützung wird im Jahresbericht deutlich, wie auch in den Jahresberichten zuvor. Der Respekt vor diesen Menschen verbietet einen Schlussstrich wie auch eine Schlussstrichdebatte.
Geschichte und Erinnerungen sind ein politisch umkämpftes Feld. Der Kampf um Sichtweisen, Deutungen, ist erheblich geprägt von Absichten und politischen Auseinandersetzungen im Hier und Jetzt. Instrumentalisierung hier wie da droht und findet statt. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass diejenigen, die unter Repressionen und ihren Folgen leiden und gelitten haben, einen verlässlichen Anlaufpunkt, Ansprechpartner und Fürsprecher haben.
Zweitens: Gerade angesichts der politischen Überformung der Betrachtung der DDR und ihres Endes ist es wichtig, authentische Zeugnisse des Agierens der Opposition in der DDR, einer Opposition, die in diesem System nicht vorgesehen war, aufzuarbeiten und für die Bildungsarbeit zugänglich zu machen.
Drittens: Gerade angesichts der Tatsache, dass sich die Diktatur und ihr Zusammenbrechen zeitlich immer weiter entfernen, muss Aufarbeitung und Bildungsarbeit die damit verbundene Erfahrung auch für diejenigen anbieten, die sie selbst nicht gemacht haben oder nicht machen konnten.
Viertens: Ganz sicher war das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR nicht einfach nur ein Geheimdienst. Das gilt im Hinblick auf den Grad der Durchdringung und Überwachung der Gesellschaft, im Hinblick auf die Verflechtung mit dem Sicherheitsapparat und dem Machtapparat insgesamt, im Hinblick auf die Abwesenheit von politischem, öffentlichem, rechtlichem
Gegengewicht und auch im Hinblick auf die möglichen und tatsächlichen Folgen der Tätigkeit des MfS für die Menschen.
Aber die Stasi war eben auch ein Geheimdienst, und der Glücksfall, dass er friedlich aufgelöst wurde, ermöglicht es uns, seine Strukturen und Wirkungsweisen zu besichtigen und direkt etwas über die Gefahren von klandestinem und unkontrolliertem Agieren von Sicherheitsbehörden für eine offene demokratische Gesellschaft zu lernen.
Aus diesen Gründen und vielen mehr haben wir vereinbart, mit der heutigen Gesetzesänderung das Amt fortzuführen. Ihr Kern ist erstens, dass die Befristung der Behörde aufgehoben wird. Der Kern ist, dass der Zweck des Gesetzes angepasst wird an die vielfältigen Aufgaben und Aufgabenbereiche und dass entsprechend auch der Name angepasst wird.
Es steht eine Reihe ganz konkreter Aufgaben vor uns, die das Engagement des Beauftragten erfordern, nicht nur seines, aber vor allem auch seines Engagements. Ich will zunächst das anstehende Jubiläum der friedlichen Revolution nennen, für viele auch hier im Haus prägend, glaube ich. Mir ist es wichtig, dass Emanzipations- und Gestaltungserfahrungen von Bürgerinnen und Bürgern der DDR wach bleiben, dass sie gewürdigt werden und dass sie nicht einfach untergehen in der Freude über die Jubiläumsfeiern der Wiedervereinigung.
Mir ist es wichtig – auch das ist schon angesprochen worden –, dass wir die Orte der Erinnerung weiterentwickeln. Das betrifft die Keibelstraße, das betrifft aus meiner Sicht vor allem den Campus für Demokratie. Da müssen wir konzeptionell und in der Umsetzung weiterkommen. Und, ja, es betrifft auch als aktuelle Anforderung eine ehrliche Debatte über die Frage, wie wir weiterkommen wollen mit der Erinnerungskultur, welche Anforderungen sich heute stellen, wie wir Debatten über die Aufarbeitung so gestalten, dass sie vielleicht noch mehr Menschen erreichen, als sie bisher erreicht haben, vielleicht auch diejenigen, die sich diesen Debatten bisher verweigert haben. Das sind konkrete Anforderungen, und ich denke, dass wir mit Tom Sello einen neuen Kandidaten haben, der diesen Anforderungen gerecht werden kann.
Nein! – Wir werden uns selbst als Parlament auch befragen müssen, inwieweit die Ressourcen, die wir dem Beauftragten dafür zur Verfügung stellen, ausreichen.
Ich will noch ein paar Worte sagen zu dem aufgeworfenen Vorschlag des Beirates und wie wir damit umgegangen sind. Es gab und gibt den Vorschlag, dem Beauftragten einen Beirat zur Seite zu stellen. Das ist zunächst mal kein abwegiger Vorschlag. Der Koalition war es aber wichtig, alles zu vermeiden, was den Eindruck erweckt, dem Beauftragten sollten in irgendeiner Form Kontrolleure zur Seite gestellt werden, seine Tätigkeit solle eingehegt werden. Es ging uns gerade darum, den Beauftragten selbst und seine Unabhängigkeit zu stärken, und da hat es natürlich eine symbolische Komponente, wenn es darum geht, mit welchen Startchancen wir einen neuen Beauftragten ausstatten. Deshalb hat sich die Koalition mit FDP und CDU darauf verständigt, im Gesetz dem Beauftragten zu ermöglichen, selbst zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Beirat eingerichtet wird oder eben auch nicht.
Ich bitte Sie im Haus, dem vorgelegten Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung zuzustimmen. Ich möchte mich noch mal ausdrücklich für die Zusammenarbeit und für die Arbeit von Martin Gutzeit bedanken. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank! – Für die Fraktion der AfD hat jetzt der Abgeordnete Herr Trefzer das Wort. – Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Gutzeit! Auch im Namen der AfD-Fraktion möchte ich mich ganz herzlich für die in den zurückliegenden 25 Jahren geleistete Arbeit bedanken.
Ihr letzter, mittlerweile 23. Tätigkeitsbericht macht erneut deutlich, welch breites Spektrum an Aufgaben Sie und Ihre Behörde abdecken und wie aktuell die Herausforderungen in der Aufarbeitung des DDR-Unrechts unverändert sind. Dabei setzen Sie einen besonderen Schwerpunkt auf die Vermittlung von Diktaturerfahrungen sowie deren Folgen an zukünftige Generationen. Dies ist uneingeschränkt zu begrüßen. Gerade die Verankerung der Weitergabe von Wissen über die DDR im schulischen, aber auch außerschulischem Umfeld der Heranwachsenden stellt aus unserer Sicht eine zentrale Herausforderung für die Zukunft dar. Dass Sie den „Preis für gute Lehre“ der HU für eine Ihrer universitären Lehrveranstaltungen bekommen haben, zeigt, dass Sie auch im Hochschulbereich erfolgreich aktiv sind.
Ihr Ansatz, dabei auch alltags- und sozialgeschichtliche Aspekte der DDR-SED-Diktatur anschaulich zu machen, ist konsequent und richtig. Neben der Aufklärungs- und Bildungsarbeit als zentrale Aufgabe bleibt der Landesbeauftragte die wichtigste Anlaufstelle für die von der SEDDiktatur Betroffenen. Ihr Bericht zeigt, dass die Bedeutung der Beratungsarbeit nicht nachlässt, sondern, im Gegenteil, weiter zunimmt. Der steigende Rehabilitierungsbedarf bei DDR-Heimkindern und die Verbesserung der Möglichkeiten strafrechtlicher Rehabilitierung bei Kindern politisch Verfolgter führen zu vermehrten Anfragen in diesem Bereich. Die Verschiebung der Beratungsinhalte hin zu posttraumatischen Belastungsstörungen, Problemen ehemaliger Heimkinder, Zwangsadoptionen und ganz generell zu Problemen von Nachkommen und Angehörigen stellt dabei eine mit zunehmendem Abstand zur DDR-Diktatur zwangsläufige Entwicklung dar.
In diesem Zusammenhang schließt sich die AfD-Fraktion der Forderung des Landesbeauftragten ausdrücklich an, die Frist für das Einreichen von Rehabilitierungsaufträgen über den 31. Dezember 2019 hinaus zu verlängern. Die Chance, die eigene Vergangenheit aufzuarbeiten, muss auch nach längeren Phasen der Verdrängung oder Traumatisierung immer noch möglich sein.
Ein weiterer zentraler Bestandteil der Arbeit des Landesbeauftragten, den ich besonders hervorheben möchte, ist die zielgerichtete Förderung der Verfolgtenverbände und Aufarbeitungsinitiativen. Sie reicht von der Unterstützung psychosozialer Beratungsstellen bis zur Förderung des Vereins ASTAK e. V. bei der Sicherung des Ausstellungsbetriebs im Haus 1 der Stasi-Gedenkstätte in der Normannenstraße – um nur dieses prominente Beispiel herauszugreifen. Man darf, denke ich, mit Fug und Recht sagen, dass ohne die Arbeit des Landesbeauftragten die bestehende Vielfalt der unterschiedlichen Initiativen und Verbände in dieser Form kaum lebensfähig wäre.
Wichtig aus unserer Sicht bleibt auch unter der novellierten Regelung, dass der Landesbeauftragte seine Unabhängigkeit bewahrt und als eigenständiger Akteur autonom agieren kann. Die Neuregelung bietet die Chance, die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur auf eine breitere Grundlage zu stellen. Wir begrüßen ausdrücklich die Aufwertung der Stellung des Landesbeauftragten, insbesondere durch die Entfristung des Gesetzes und sein Rederecht im Parlament.
Was an dieser Stelle leider nicht unerwähnt bleiben kann, ist der unwürdige Eiertanz der Koalition, aber auch von CDU und FDP um die Einrichtung eines Beirates, der den Landesbeauftragten bei seiner Arbeit unterstützen soll.
Die AfD-Fraktion hat dazu in der ersten Lesung einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht. Es ist ein Trauerspiel, wie Sie sich drehen und winden, um einer guten Idee der AfD nicht zustimmen zu müssen, nur um sie dann – in abgewandelter Form – auf den letzten Drücker selbst einbringen zu können. Diese offen zur Schau gestellte Verachtung für das parlamentarische Ringen um das bessere Argument ist dieser Stunde und dieses Hauses nicht würdig.
Dabei will ich auf die Tatsache, dass Sie die Opferverbände zur Anhörung in Ihre Fraktionen, aber nicht in die zuständigen Ausschüsse eingeladen haben, oder auf das Spielchen mit dem Gutachten der Senatsinnenverwaltung gar nicht erneut eingehen. Wer will, kann das im Protokoll der ersten Lesung nachlesen.
In einem Punkt sind Sie uns bewusst nicht gefolgt, auch nicht mit einem plagiierten Antrag. Das ist die Frage der Präambel. Das bedauere ich sehr, denn durch die Einfügung einer Präambel hätte der politische Zweck des Gesetzes noch besser zum Ausdruck gebracht werden können, nämlich der, die Opfer und den Einsatz für die friedliche Revolution ausdrücklich zu würdigen und die Verantwortung zukünftiger Generationen für die Erhaltung eines demokratischen und freien Landes zu unterstreichen. Das ist schade.
Abschließend möchte ich dem scheidenden Landesbeauftragten nochmals für seine geleistete Arbeit danken. – Es ist Ihnen gelungen, lieber Herr Gutzeit, die Geschichte der Unterdrückung im Bewusstsein der Menschen präsent zu halten. Damit haben Sie Maßstäbe auch für die Arbeit des neuen Landesbeauftragten gesetzt. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!