Protokoll der Sitzung vom 19.10.2017

Nein, danke!

[Lachen von Melanie Kühnemann (SPD)]

Die Alternative für Deutschland möchte eine jedem Berliner Kind zustehende Ganztagsförderung. Dies bedeutet schlicht und einfach Öffnungszeiten der Kitas von 6 bis 18 Uhr ab dem ersten Lebensjahr, und dies ohne Bedarfsprüfung. Daraus resultierend würde sich auch eine positive Verschlankung der Verwaltung ergeben. Eltern müssten nur einmalig einen Antrag auf Betreuung stellen. Des Weiteren würde dies auch die Personalplanung in den Kindertagesstätten immens vereinfachen.

Immer wieder ist in diesem Hohen Hause die Rede von sozialer Gerechtigkeit. Soziale Gerechtigkeit bedeutet aber auch, dass alle die gleichen Chancen haben. Geben Sie bitte allen Eltern und allen Berliner Kindern die Chance auf Chancengleichheit! – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Gunnar Lindemann (AfD): Bravo!]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Burkert-Eulitz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach der AfD zu reden, macht es immer notwendig, bestimmte Dinge wieder geradezurücken.

[Beifall von Melanie Kühnemann (SPD)]

Es ist schon seit mehreren Jahren Gesetzeslage,

[Frank-Christian Hansel (AfD): So lange gibt es uns doch noch gar nicht!]

dass Eltern bei Bedarf selbstverständlich ab dem ersten Jahr Anspruch auf einen Ganztagsplatz haben und darüber hinaus auch bis zu elf Stunden, plus die Möglichkeit flexibler Kinderbetreuung, damit auch Alleinerziehende entsprechend arbeiten können.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der SPD]

Schaut man in Ihr Programm, sollen Alleinerziehende ja eher bestraft werden,

[Melanie Kühnemann (SPD): Zu Hause bleiben!]

wenn sie „selbstverschuldet alleinerziehend“ geworden sind. Deswegen passt Ihr Beitrag hier nicht ganz zu dem, was Sie programmatisch vorhalten.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Ein kurzer Blick in die entsprechende Gesetzeslage hätte Ihren Beitrag sicherlich noch etwas qualifiziert. Das heißt, dass soziale Gerechtigkeit gerade Gegenstand des Koalitionsvertrags war, nämlich die Debatte darum, dass die Zeit für einen Kitabesuch ausgebaut wird, denn bis dato hatte man nur einen Umfang von fünf Stunden. Wie die Kolleginnen vorher schon ausgeführt haben, konnten Kinder nicht wie ihre Freunde und Freundinnen die Kita besuchen, wenn zum Beispiel nach dem dritten Lebensjahr das zweite Kind da war, die Eltern in der Erziehungszeit waren und auf einmal die Zeiten gekürzt wurden – oder über eine merkwürdige Begründung, warum es pädagogisch oder sozial notwendig ist, die Kinder dann wieder längerfristig in die Kita zu bekommen. Das heben wir nun auf, das ist auch schon lange eine Forderung. Wir haben Forderungen des Kitabündnisses aus der Debatte der letzten Legislatur in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Ich bin sehr froh, dass wir diesen Gesetzentwurf jetzt schon vorliegen haben. – Vielen Dank dafür an die Verwaltung!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Melanie Kühnemann (SPD)]

Sie wissen alle, dass das Land Berlin in einer schwierigen Situation ist. Das betrifft selbstverständlich auch die Kitalandschaft. Wir müssen ausbauen. Das wurde in den letzten sechs Jahren schon massiv angegangen. Es reicht nicht aus. – Einerseits sind wir froh darum, dass es immer mehr Kinder in Berlin gibt, andererseits ist das natürlich schwierig. Wir haben einen Fachkräftemangel, der wird angegangen. Deswegen ist es auch besonders wichtig,

(Jessica Bießmann)

dass diejenigen, die den Quereinstieg machen, entsprechend entlastet werden: jeweils über die drei Stunden, zwei Stunden und eine Stunde im Ausbildungsjahr.

Wenn Sie den Koalitionsvertrag neben den Gesetzentwurf legen, werden Sie schnell abhaken können, in welchen Paragrafen die Vorstellungen zur Kita von der Koalition umgesetzt werden. Dabei kann man mit der Bedarfsprüfung von Amtswegen anfangen, die wegfällt. Diese steht relativ weit oben in unserem Koalitionsvertrag. Den Wegfall haben wir in § 4 des Gesetzentwurfs. Das ist erfüllt, das können wir abhaken. Die Einführung eines Anspruchs – ohne Bedarfsprüfung – im Umfang von sieben Stunden für alle Kinder steht in § 4, das können wir abhaken. Wir werden auch die Qualitätsverbesserung aus der letzten Legislatur stufenweise weiter umsetzen. Den Leitungsschlüssel wollten wir eigentlich erst ab 2019 auf 1 : 90 verändert haben. Das steht jetzt im Gesetz, das können wir auch abhaken.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Melanie Kühnemann (SPD)]

Selbstverständlich werden wir innerhalb der Koalition auch weiter darüber diskutieren, wie wir Quereinsteigende motivieren können, in einer Kita zu arbeiten. Dazu sind wir in der Debatte, und dazu gibt es auch auf wissenschaftlicher Seite interessante Debatten, auch auf Bundesebene, weil andere Bundesländer inzwischen ebenfalls in dieser Situation sind. Das müssen wir miteinander diskutieren und abwägen.

Der ursprüngliche Referentenentwurf zur Frage der Zuzahlung war schon sehr komplex und kompliziert. Er ist inzwischen noch einmal abgeändert worden. Dabei ist auch richtiggestellt worden, was damit gemeint ist: Es geht um Zuzahlungen in einem angemessenen Umfang. Man muss dann noch darüber diskutieren, was „angemessen“ heißt. Es wurde auch klargestellt, dass insbesondere Bildungsangebote zusätzlich zu dem, was das Bildungsprogramm vorsieht, gerade nicht verhindert werden sollen.

Zur AfD möchte ich noch sagen: Sie haben sich an der Debatte im Ausschuss überhaupt nicht beteiligt, egal ob es um das Thema Schule oder Kita ging – ein einziger Berichtsauftrag, bei dem wir Ihnen geholfen haben.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Melanie Kühnemann (SPD)]

Das heißt, dass Sie das Thema Bildung, Kita, Schule überhaupt nicht interessiert.

[Melanie Kühnemann (SPD): Das haben Sie verpennt!]

Das muss hier auch immer wieder gesagt werden. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Fresdorf das Wort.

[Torsten Schneider (SPD): Wir sind die Guten, Paul! – Melanie Kühnemann (SPD): Das sind wir! Er findet auch einiges gut!]

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Nachteil, wenn man in so einer Debatte nach den Grünen reden muss: Man muss alle erst einmal wieder aufwecken.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Lassen Sie uns jetzt ernsthaft über das Kita-FöG reden! – Frau Kühnemann! Sie haben es gesagt, es gibt Gutes in diesem Entwurf.

[Beifall von Melanie Kühnemann (SPD)]

Das ist relativ schnell abgearbeitet, das wurde auch schon besprochen: die Abschaffung der Bedarfsprüfung ab dem dritten Lebensjahr, der Rechtsanspruch auf sieben Stunden Betreuung ab der Vollendung des ersten Lebensjahrs, die Erhöhung der Anleitungsstunden für die berufsgleitende Ausbildung und die Verbesserung von Betreuungs- und Leitungsschlüssel. Das ist gut, dagegen kann man nichts sagen, aber das war es dann auch schon. Jetzt müssen wir eine sehr große Portion Inkompetenz-Kompensations-Kompetenz herausholen, um daraus wieder etwas zu machen. In den Ausschussberatungen werden wir noch viele Punkte zu besprechen haben.

Schauen wir uns einmal an, was der Regelungszweck ist und welche Idee noch dahintersteckt. Was wollten wir noch erreichen? Einen Zugang zur Kita, der nicht von Zuzahlungen in irgendeiner Form begrenzt ist. Das sollte ja auch noch geregelt werden. – Wissen Sie was? Das haben wir schon. Es gibt schon jetzt die gesetzliche Regelung, dass Sie ab dem ersten Tag der Kinderbetreuung in der Kita sagen können: Ich möchte keine Zusatzangebote in Anspruch nehmen.

[Regina Kittler (LINKE): Darum geht es ja gar nicht!]

Und ich kann meinen Betreuungsplatz trotzdem haben. Das Problem haben wir in der Stadt gar nicht. Wir haben das Problem, dass das gar nicht nachgehalten wird.

[Beifall bei der FDP]

Wie in so vielen Bereichen in Berlin ist es auch hier so, dass es gar nicht kontrolliert wird und dass es dann dazu kommen kann, dass Eltern sagen: Ich gebe dieses Kind nicht in die Kita, weil ich eine hohe Zuzahlung habe.

(Marianne Burkert-Eulitz)

[Zuruf von Katrin Möller (LINKE)]

Aber dass sie diese gar nicht in Anspruch nehmen können – wo sind denn die Informationsbroschüren der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, wo drinsteht, dass sie gar keine Zuzahlung zu leisten haben, wenn sie die Angebote nicht in Anspruch nehmen wollen?

[Zuruf von Melanie Kühnemann (SPD)]

Ich habe nicht eine dazu gefunden. Das wäre vielleicht mal ein Weg, die Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt auch über ihre Rechte zu informieren

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

und dann nicht mit einem so unbestimmten Gesetz rauszugehen und zu sagen – keine Zwischenfragen –: Eine angemessene Höhe der Zuzahlung. – Was ist denn angemessen? Wenn ich jetzt gucke, Frau Senatorin Scheeres, wenn Sie Ihr Kind in die Kita geben wollen würden, wenn Sie noch ein kleines hätten, dann wäre bei einem Senatorengehalt sicherlich ein Betrag von 500 Euro durchaus nicht unangemessen, aber bei anderen Personen – nehmen wir jemanden, der Regale befüllt – sind 500 Euro ein Vermögen. Also was ist angemessen? Wie wollen wir das festlegen? Das ist extrem unbestimmt und daher auch ungeeignet.